Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Das kleine Dummerle und andere Erzählungen
(Agnes Sapper, 1904, empfohlenes Alter: 7 - 14 Jahre)

Bei der Patin

<p style&equals;"text-align&colon; center&semi;">I&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Heinrich&comma; schläfst du schon&quest;« fragte leise eine Stimme&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; ich kann nicht einschlafen&comma;« antwortete ebenso leise eine zweite&period; In dem Schlafzimmer&comma; in das nur durch die Straßenlaterne ein schwacher Lichtschimmer fiel&comma; standen zwei Betten&period; Aus jedem tauchte jetzt ein Knabenkopf auf&period; »Komm zu mir&comma; aber leise&comma;« sprach die erste Stimme wieder und sofort huschte eine kleine Gestalt durchs Zimmer und Heinrich schlupfte zu seinem Bruder Konrad ins Bett&period; Sonst schliefen die beiden&comma; sie waren zwölf und dreizehn Jahre alt&comma; wohl fest um diese Zeit&semi; aber heute&comma; wo man ihre Mutter begraben hatte&comma; die Mutter&comma; die ihnen alles gewesen war seit des Vaters Tod&comma; heute ließ der Jammer sie nicht einschlafen&period; Und zum Jammer kamen auch noch die ersten Sorgen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Mir ist’s gar nicht recht&comma; daß der Vormund uns zu Bett geschickt hat&comma;« sagte Heinrich&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Mir auch nicht&comma; ich hätte so gern gehört&comma; ob er mit der Tante und mit Fräulein Stahlhammer über unsere Zukunft spricht&period; Mir ist alles recht&comma; wenn sie uns nur beisammen lassen&comma;« sagte Konrad&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Das müssen sie doch&excl; Sie können uns doch nicht aus dem Haus vertreiben&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich glaube nicht&comma; daß wir dableiben dürfen&comma; wer soll denn die Haushaltung führen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ach&comma; das kann doch die Rike&semi; wir zwei sind fast immer in der Schule und das Klärchen macht nicht viele Mühe&period;« Klärchen war das einzige Schwesterchen&comma; fünf Jahre alt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich glaube nicht&comma; daß sie uns hier lassen&period; Sie werden sagen&colon; es geht nicht&comma;« meinte Konrad&period; »Ja&comma;« sagte Heinrich ärgerlich&comma; »immer heißt es gleich&colon; es geht nicht&comma; wenn einmal etwas anders ist als gewöhnlich&period; Wo meinst du denn&comma; daß sie uns hintun wollen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Zu irgend welchen Verwandten&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Da bleibe ich noch am liebsten hier&comma; bei Onkel und Tante Kuhn&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich auch&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich wollte&comma; der Onkel wäre unser Vormund&comma; ihn habe ich tausendmal lieber als den Herrn Rat Stahlhammer als Vormund&comma; warum haben wir doch den und nicht Onkel Kuhn&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Der Onkel war ja doch nicht hier&comma; wie der Vater starb&comma; und Herr Rat Stahlhammer war hier und war ein Freund des Vaters&comma; darum hat ihn nach des Vaters Tod die Mutter gebeten&comma; unser Vormund zu sein&period; Seine Schwester ist ja auch die Patin von Klärchen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Die Patin ist gerade so steif und unheimlich groß wie der Herr Rat selbst&semi; wie sie heute zur Beerdigung hereingekommen ist&comma; hat sich Klärchen ordentlich vor ihr gefürchtet&period; Da ist doch die Tante ganz anders&comma; die erinnert mich so an die Mutter&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; bei ihr wäre gewiß auch Klärchen am liebsten&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Also&comma; wenn über uns beschlossen wird&comma; sagen wir&colon; Am liebsten bleiben wir&comma; wo wir sind&comma; und wenn das nicht geht&comma; möchten wir zu Onkel und Tante Kuhn hinaus in die Vorstadt&semi; jedenfalls aber wollen wir drei beisammen bleiben&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma;« sagte Heinrich&comma; »und das müssen sie uns erlauben&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Es schlug zwölf Uhr&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»So spät schon&comma;« sagte Konrad&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich gehe&comma;« sagte Heinrich&semi; mit einem Satz war er wieder in seinem Bereich und nach kurzer Zeit wurde es still im Schlafzimmer&comma; beide Brüder schliefen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Während die Brüder im Schlafzimmer Beratung hielten&comma; wurde ohne daß sie es wußten&comma; in ihres verstorbenen Vaters Zimmer schon über ihr Schicksal entschieden&period; Drei Personen saßen da zur Beratung beisammen&colon; der Vormund&comma; Rat Stahlhammer&semi; seine Schwester&comma; Fräulein Stahlhammer&comma; und Frau Professor Kuhn&comma; die Schwester der eben verstorbenen Mutter&period; Diese hatte sich&comma; auch im Namen ihres Mannes&comma; bereit erklärt&comma; die beiden Knaben zu sich zu nehmen und mit ihren eigenen Kindern und Kostgängern zu erziehen&period; Gerne hätte sie auch die kleine Schwester dazu genommen&comma; doch war es neben der großen Knabenschar nicht möglich&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Vormund hatte mit verbindlichem Dank das Anerbieten für die zwei Knaben angenommen und die Überzeugung ausgesprochen&comma; daß seine Schwester&comma; Fräulein Stahlhammer&comma; die in dem nahen Städtchen Waldeck ein Häuschen besaß und die Patin der Kleinen war&comma; diese mit Vergnügen aufnehmen würde&period; Aber Fräulein Stahlhammer&comma; eine große&comma; stattliche Gestalt von ernstem Aussehen&comma; erklärte zu des Bruders Erstaunen&comma; daß sie seinen Wunsch nicht erfüllen könne&period; Das kam dem Vormund sehr unbequem&period; »Ich kann nicht begreifen&comma;« sprach er zu seiner Schwester&comma; »warum du dich weigerst&comma; dein Patenkind zu dir zu nehmen&period; Du lebst ganz allein mit deinem Dienstmädchen&comma; du kannst frei über deine Zeit verfügen&comma; du hast Platz im Hause&semi; Ausgaben würde das Kind dir nicht machen&comma; denn seine Eltern haben ja genug hinterlassen &period;&period;&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ach wegen des Geldes wäre es mir ja nicht&comma;« antwortete Fräulein Stahlhammer&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Weswegen willst du das Kind dann nicht zu dir nehmen&quest;« sagte Herr Stahlhammer etwas ungeduldig&period; »Jedermann kann es von dir erwarten&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Es ist ein herzig liebes Ding&comma;« warf die Tante dazwischen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Bei allen möglichen Vereinen und wohltätigen Anstalten bist du&comma; da tust du Gutes&comma; und hier&comma; wo du die Nächste dazu wärst&comma; willst du nicht&period; Was ist der Grund&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Bruder&comma; du weißt es doch&period; Ich habe schon einmal eine traurige Erfahrung gemacht mit zwei Waisenkindern&comma; die ich bei mir hatte&semi; ich habe genug darunter gelitten und will nicht noch einmal solch bittere Enttäuschung erleben&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das ist nun viele Jahre her&comma; inzwischen bist du erfahrener geworden und wirst die Sache geschickter anstellen als damals&comma;« sagte der Rat&period; Aber seine Schwester wollte nicht nachgeben&period; »Nicht jedermann versteht es mit Kindern&comma;« sagte sie&comma; »ich habe sie lieb&comma; aber sie schließen sich nicht an mich an&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Unsinn&comma; darauf kommt’s nicht an&semi; du hattest damals solch törichte Gedanken&comma; daß du vor allem ihre Liebe gewinnen wolltest und dergleichen&period; Hättest du sie mit gehöriger Strenge von Anfang an behandelt&comma; so wären sie nicht so nichtsnutzig geworden&period; Übrigens werde ich als Vormund meine Pflicht nicht versäumen&period; Ich werde so oft als möglich zu dir hinausfahren&comma; nachsehen und der kleinen Person den Kopf zurechtsetzen&comma; und es wäre doch lächerlich&comma; wenn wir zwei Leute&comma; die größten weit und breit&comma; mit dem kleinen Ding nicht zurecht kämen&period; Und sage selbst&comma; wer soll denn das Kind nehmen&quest; Du kannst es doch mir&comma; dem einsamen Junggesellen&comma; nicht zumuten&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Eine lange Pause entstand&period; Fräulein Stahlhammer schien wankend zu werden&period; »Wenn du sie mir auf Probe geben willst&comma;« sagte sie endlich&comma; »dann will ich mich dazu verstehen&comma; sie auf ein halbes Jahr zu mir zu nehmen&comma; für mehr verpflichte ich mich nicht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Freilich&comma; freilich&comma; wenn du sie nur zunächst einmal nimmst&comma; dann kann man ja später weiter sehen&comma;« rief Herr Stahlhammer sichtlich erleichtert&period; Noch hatte er einen kleinen Kampf zu bestehen&comma; denn die Schwester erklärte&comma; daß sie am nächsten Morgen mit dem ersten Zug heimreisen müsse&semi; nach einigen Tagen wollte sie wiederkommen&comma; um das Kind abzuholen&period; Diesem Vorschlag stimmte auch die Tante der Kinder bei&comma; aber der Vormund war der Meinung&comma; daß das Kind gleich am nächsten Tag zu seiner Patin reisen sollte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Schließlich fügte sich die Schwester auch in diesem Punkt und so wurde beschlossen&comma; daß der Vormund am nächsten Morgen das Kind abholen und es ihr an die Bahn bringen sollte&period; Er gab selbst noch dem Dienstmädchen die nötigen Aufträge und dann verließen alle drei das Trauerhaus&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Herr Stahlhammer und seine Schwester&comma; die heute sein Gast war&comma; verabschiedeten sich von Frau Professor Kuhn&period; Diese sah den großen Gestalten&comma; die sich ernst und schweigend miteinander entfernten&comma; nach&comma; und leise sprach sie vor sich hin&colon; »Armes Klärchen&comma; könnte ich dich doch bei uns aufnehmen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der Vormund war sehr befriedigt von den Besprechungen des Abends&comma; die Sorge für seine drei Mündel war ihm nun abgenommen&period; Und seine Schwester&quest;<&sol;p>&NewLine;<p>Während sie schweigend in nächtlicher Stunde neben dem Bruder durch die Straßen schritt&comma; dachte sie zurück an eine bittere Stunde ihres Lebens&comma; wo der Waisenhausvater gekommen war&comma; ihre zwei Waisenkinder wieder abzuholen&comma; weil sie auf schlimme Wege geraten waren&comma; und sie hörte wieder die Worte&comma; die er ihr gesagt&colon; »Nicht jedermann versteht es mit Kindern&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p style&equals;"text-align&colon; center&semi;">II&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wach’ auf&comma; Klärchen&comma; Herzchen&comma; hörst du mich nicht&quest; Wach’ auf&comma; wach’ auf&comma; ich sage dir etwas&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Mit diesen Worten bemühte sich am nächsten Morgen in aller Frühe Rike&comma; das Dienstmädchen&comma; Klärchen zu wecken&period; Das Kind schlug endlich die Augen auf und sah erstaunt auf Rike&comma; die neben ihrem Bett stand und ihr schon die Strümpfe herreichte&period; Klärchen ging noch nicht in die Schule und so hatte sie bisher ausschlafen dürfen&comma; und es war für sie etwas ganz Ungewohntes&comma; geweckt zu werden&period; Sie war noch recht kindlich für ihr Alter&comma; ein herziges Mädchen&comma; der Liebling von allen im Haus und selbst voll Liebe für alle&comma; die sie umgaben&period; »Warum weckst du mich&comma; Rike&quest;« fragte die Kleine ganz neugierig&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Steh’ nur geschwind auf&comma; ich sag’ dir’s schon&comma; Herzenskind&period; Aber wir müssen schnell machen&comma;« und nun half Rike dem Kind&comma; das bald ganz munter war&comma; beim Waschen und Ankleiden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber jetzt sag’ mir doch&comma; Rike&comma; was es gibt&quest;« fragte Klärchen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Gestern abend hat der Herr Vormund gesagt&comma; ich soll dich wecken&comma; du sollst mit seiner Schwester abreisen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Mit meiner Patin&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Warum denn&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Weil die Mama gestorben ist&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wie lange soll ich bei der Patin bleiben&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Hatte Rike die Frage überhört&quest; Sie gab keine Antwort darauf&comma; sie knüpfte eifrig Klärchens Stiefelchen zu und beugte sich so darüber&comma; daß Klärchen ihr Gesicht nicht sehen konnte&period; Plötzlich aber fiel ein Tropfen herunter auf die Stiefel und Rike wischte die Augen&period; Da blickte Klärchen sie teilnehmend an&comma; strich ihr schmeichelnd mit ihren runden Kinderhändchen über die Backen und sagte&colon; »Gelt&comma; Rike&comma; du bist traurig wegen der Mama&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Rike konnte nur nicken&comma; griff nach Klärchens schwarzem Kleid&comma; ließ sie hineinschlupfen und sagte dann&colon; »Komm nur schnell&comma; ich habe dir schon dein Frühstück gerichtet&comma; du hast gar nicht mehr lange Zeit&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wo ist der Konrad und der Heinrich&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Die schlafen noch&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Gehen sie denn nicht mit mir&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Rike konnte wieder nur mit dem Kopfe schütteln&period;<&sol;p>&NewLine;<p>In diesem Augenblick klingelte es unten an der Haustüre&period; Rike sah hinunter&period; »Wahrhaftig&comma; das ist schon der Herr Vormund&period; Du sollst herunter kommen&comma; es sei höchste Zeit&period; Schnell deinen Mantel&comma; so&comma; und deinen Hut&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber ich soll doch mit der Patin&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Die wird am Bahnhof auf dich warten&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt war Klärchen fertig und Rike wollte mit ihr hinunter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich muß aber doch Konrad und Heinrich lebwohl sagen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Du hast keine Zeit mehr&comma; mein Herzchen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»O nur einen Augenblick&comma;« rief die Kleine und sprang hinüber in das Schlafzimmer&comma; wo die beiden Brüder&comma; die nachts so spät eingeschlafen waren&comma; noch schliefen&period; »Lebwohl&comma; Konrad&comma; lebwohl&comma; Heinrich&comma; ich muß zur Patin&comma;« rief sie&comma; aber noch ehe die Brüder recht wach waren&comma; tönte die Hausglocke noch einmal so heftig und laut&comma; daß die Kleine erschreckt hinaussprang und schnell mit Rike die Treppe hinunter eilte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Herr Rat schien sehr ungeduldig&comma; zeigte ein böses Gesicht&comma; und als Rike vollends das Kind noch an sich drückte und ihm unter lautem Schluchzen lebewohl sagte&comma; rief er&colon; »Sie alberne Gans&comma; muß sie dem Kind das Herz noch schwer machen&quest;« Ungeduldig zog er das Kind von ihr weg und führte es in großen&comma; eiligen Schritten nach der Bahn&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als Rike wieder hinaufkam&comma; wurde sie von Konrad und Heinrich mit Fragen bestürmt&period; »Wo ist Klärchen hingekommen&quest; Mit wem ist sie gegangen&quest; Warum hat man uns das nicht vorher gesagt&quest; Warum hast du uns nicht früher geweckt&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da sie nun hörten&comma; daß der Vormund ausdrücklich befohlen habe&comma; sie nicht zu wecken&comma; geriet Heinrich in eine wahre Wut&comma; wollte der kleinen Schwester nacheilen und sie mit Gewalt zurückholen&period; Nur mit Mühe konnten Rike und Konrad ihn überzeugen&comma; daß das vergeblich wäre&period; Wie ein Balsam war es für die aufgeregten Gemüter&comma; als ganz unerwartet in aller Frühe die Tante&comma; Frau Professor Kuhn&comma; eintrat&period; Sie war die Schwester der verstorbenen Mutter und ihr sehr nahe gestanden&period; Sie sah sogleich&comma; wie es stand&colon; daß Konrad kaum seinen tiefen Schmerz bemeistern konnte&comma; und Heinrich sich ganz dem Zorn hingab&period; »Ich habe mir’s gedacht&comma; wie es euch ums Herz sein wird&comma; liebe Kinder&comma; darum bin ich so frühe schon zu euch gekommen&period; Ich hätte so gerne gestern abend den Vormund bestimmt&comma; daß er die Sache anders einrichte&comma; aber er hielt es so fürs Beste und da konnte ich nichts machen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das ist einfach grausam und abscheulich vom Vormund&comma;« fuhr Heinrich auf&comma; »uns heimlich so die Schwester wegzunehmen ohne Abschied&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Der Kleinen ist’s vielleicht wirklich so am leichtesten geworden&comma;« begütigte die Tante&comma; »sie war gewiß nicht so traurig&comma; als wenn sie euren Schmerz gesehen hätte&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; das ist wahr&comma;« sagte Rike&comma; »gar nicht geweint hat sie und so gutwillig hat sie sich fortführen lassen wie ein Lämmlein zur Schlachtbank&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Der Vergleich paßt nun doch gottlob nicht&comma;« sagte lächelnd die Tante&comma; »mit der Schlachtbank wollen wir das Haus der Patin nicht vergleichen&period;« Dabei legte sie den Hut ab&comma; setzte sich zu den Kindern&comma; trank ein Täßchen Kaffee mit ihnen und war so liebreich&comma; daß die Brüder sich allmählich beruhigten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Was ist wegen uns beiden beschlossen worden&comma; Tante&quest;« fragte Konrad&semi; »können wir im Haus bleiben&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; das nicht&comma; ihr würdet gar bald selbst einsehen&comma; daß ihr in einer Haushaltung ohne Vater und Mutter nicht versorgt wäret&period; Wenn ihr aber gern zu uns kommt&comma; so nehmen wir euch ganz als Kinder auf&comma; der Onkel und ich&period; Am liebsten hätten wir freilich euch alle drei mitgenommen&comma; aber wir können es mit dem besten Willen nicht machen&period; Es wird schon jetzt das Haus fast zu eng sein&comma; aber wir wollen uns gerne behelfen&comma; und meine drei Buben und auch die vier Kostgänger freuen sich auf euch&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Konrad stand auf&comma; küßte die Tante tief bewegt und dankte ihr für ihre Güte und auch Heinrich war wieder getrost&comma; ohne die Mutter und Klärchen wäre es doch nicht mehr schön gewesen im Haus&period; Die Tante hatte aber noch einen Trost&period; »Die Patin wohnt ja in Waldeck&comma; das wißt ihr&semi; es ist nur ein halbes Stündchen mit der Bahn oder ein paar Stunden zu Fuß&semi; da könnt ihr Sonntags Klärchen besuchen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das ist fein&comma; Tante&comma;« sagte Heinrich&period; »Wenn nur die Patin so wäre wie du oder die Mutter&comma; dann wäre ich ganz getrost wegen Klärchen&period; Aber sie ist so ganz anders&comma; ich glaube&comma; Klärchen wird sich fürchten vor ihr&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Es soll aber ein vortreffliches Fräulein sein&comma; die Patin&semi; sie tut sehr viel für Arme und Vereine&comma; da muß sie doch ein gutes Herz haben&comma; und Klärchen wird das schon herausfühlen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wann dürfen wir zu euch übersiedeln&comma; Tante&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Sowie ich daheim alles für euch gerüstet habe und hier die Haushaltung aufgelöst ist&comma; holt euch der Onkel&period; Bis dahin haltet euch still und lieb bei eurer Rike&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die Tante ging und die Knaben blieben in dem Haus zurück&comma; das ihnen ganz verändert schien&period; Seit dem Tod der Mutter und der Abreise des Schwesterchens war jeder Sonnenschein daraus gewichen und sie mußten sich selbst sagen&colon; Es wäre nicht schön&comma; so fortzuleben&period;<&sol;p>&NewLine;<p style&equals;"text-align&colon; center&semi;">III&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Am Nachmittag stand Mine&comma; das Dienstmädchen von Fräulein Stahlhammer&comma; unter der Haustüre und plauderte mit dem Mädchen des Nachbarhauses&period; »Ist’s wahr&comma; daß dein Fräulein heute ein Waisenkind mit heimgebracht hat&comma; das ganz bei euch bleiben soll&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Es ist schon so&comma; wenigstens für ein halbes Jahr auf Probe&semi; ein kleines nettes Dingchen ist es&comma; das einen ganz treuherzig anblickt&period; In seinem schwarzen Trauerkleidchen sieht es ganz ernsthaft aus und tut einem leid&comma; so früh verwaist&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nun&comma; es wird’s gut bekommen bei euch&comma; und bald wieder lustig sein&period;« Aber Mine schüttelte den Kopf&period; »Ich kann’s nicht brauchen&comma; es muß mir wieder fort aus dem Haus&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wie du redest&excl; Das wird dein Ernst nicht sein&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Freilich ist’s mein Ernst&period; Kann ich ein Kind brauchen&quest; Kann ich wie bisher abends ausgehen&comma; wenn das Fräulein im Verein oder in der Ausschußsitzung ist und das Kind daheim läßt&quest; Kann ich Sonntags hin&comma; wo ich will&comma; wenn das Fräulein im Mägdehaus zum Vorlesen ist und mir das Kind übergibt&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Es ist wahr&comma; so gut hast du’s dann nimmer wie bisher&comma; aber du wirst’s nicht ändern können&period;« – »Das wollen wir erst sehen&excl; Es waren schon einmal zwei Waisenkinder da&comma; aber nicht lange&comma; dafür habe ich gesorgt&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Du wirst doch dem unschuldigen Kind nichts tun&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Behüt’ mich Gott&comma; da würde ich mich der Sünde fürchten&excl; Im Gegenteil&comma; ich tue ja dem armen Würmchen nur Gutes&comma; wenn ich sorge&comma; daß es anderswohin kommt&comma; wo es lustiger zugeht&period; Das wird ganz schlau gemacht&comma; du wirst sehen&comma; es bleibt kein halbes Jahr&period; Aber ich muß hinauf&comma; mein Fräulein hat schon zweimal gerufen&semi; sonst braucht sie nie etwas um diese Zeit&comma; so ist’s eben&comma; wenn ein Kind da ist&comma; fort muß es&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Oben in dem großen Wohnzimmer saß Fräulein Stahlhammer und ihr gegenüber das Kind&period; Ihm kam es so unheimlich vor in dem fremden Raum bei der Patin&comma; die sie kaum kannte&period; Noch nie war die Kleine von zu Hause fort gewesen&comma; und nun überkam sie ein schmerzliches Heimweh&comma; und anstatt die Milch zu trinken&comma; die vor ihr stand&comma; fing sie ganz bitterlich an zu schluchzen&period; »So war es damals auch&comma;« dachte Fräulein Stahlhammer&comma; »als die zwei Waisenkinder den ersten Tag bei mir zubrachten&semi; es ist Kindern unheimlich bei mir&comma; und wenn die größeren sich nicht bei mir eingewöhnten&comma; wie sollte es das kleine Geschöpfchen fertig bringen&quest;« Ihr Herz trieb sie&comma; Klärchen zu trösten&comma; aber sie wollte dieses Kind nicht auch mit Liebe verwöhnen&comma; sie hielt sich zurück und sagte&colon; »Du wirst wohl müde sein&comma; weil du früh aufgestanden bist&semi; ich will Mine rufen&comma; daß sie dein Bett richtet&comma; dann schläfst du ein Stündchen&period;« Als das Bett gerichtet war und Fräulein Stahlhammer das weinende Kind ins Schlafzimmer führen wollte&comma; ergriff Mine rasch die kleine Gestalt&comma; hob sie auf den Arm und sagte&colon; »Es wird besser sein&comma; wenn ich sie das erstemal lege&comma; sie fürchtet sich wohl noch vor der großen Patin&comma;« und Fräulein Stahlhammer ließ es zu&period; Beim Auskleiden sagte Mine zu der Kleinen&colon; »Weinen darfst du nicht&comma; sonst wird die Patin böse&comma; darfst auch nicht merken lassen&comma; daß du nach deiner Mama Heimweh hast&period; Wenn du Heimweh hast&comma; dann sag’ du’s nur immer mir&comma; vor der Patin sei ganz still&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Bald hatte Klärchen sich in den Schlaf geweint und Mine verließ das Zimmer&period; »Ich will schon für das Kind sorgen&comma; wenn es aufwacht&comma; solange Sie in Ihrem Verein sind&comma;« sagte Mine zu Fräulein Stahlhammer und diese dachte&colon; »Wie froh bin ich&comma; daß Mine die Kinder gern hat und besser versteht als ich&period;« Ehe sie aber in den Verein ging&comma; schlich sie leise in das Schlafzimmer&comma; saß lange an dem Kinderbett&comma; sah auf das liebliche&comma; unschuldige Gesichtchen und flüsterte endlich&colon; »O&comma; wie müßte es so köstlich sein&comma; wenn das kleine Wesen mich lieb haben könnte&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Klärchen gehörte nicht zu den Kindern&comma; die sich schnell an neue Verhältnisse gewöhnen&period; In den nächsten Tagen schlich sie gar trübselig umher&comma; die Sehnsucht nach der Mutter und den Brüdern erfüllte ihr ganzes Herz&period; Es dauerte nicht lange&comma; so machte der Vormund seinen ersten Besuch&comma; denn es lag ihm sehr daran&comma; daß seine Schwester gut zurecht käme mit dem aufgedrungenen Pflegekind&period; Er traf die Kleine bei dem Mädchen&comma; Fräulein Stahlhammer war nicht zu Hause&period; »Nun&comma; wie geht es mit dem Kind&quest;« fragte er die ihm wohlbekannte Dienerin&period; »O&comma; nicht gut&comma; Herr Rat&comma;« antwortete diese&comma; »das Kind gewöhnt sich nicht an seine Patin&comma; es mag sie nicht&period;« Klärchen stand dabei und sah ängstlich und erschrocken auf&comma; als sie diese Worte hörte und bemerkte&comma; wie sich die Züge des Vormunds verfinsterten&period; »So etwas sollten Sie gar nicht vor dem Kinde sagen&comma;« sprach er verweisend zu dem Mädchen&comma; nahm Klärchen an der Hand und führte sie in das Zimmer&period; Er wollte das Kind gehörig ausschelten und ihm den Kopf zurechtsetzen&comma; wie er es seiner Schwester versprochen hatte&period; Als er aber das kleine Wesen zitternd vor sich stehen sah&comma; so recht wie ein hilfsbedürftiges Geschöpfchen&comma; da kam doch etwas wie Mitleid über den großen&comma; starken Mann&period; »Ich tue dir nichts&comma;« sagte er&comma; »du brauchst nicht so vor mir zu zittern&period; Aber höre&comma; was ich dir sage&colon; Dein Vater ist gestorben und deine Mutter ist gestorben&comma; und die Brüder sind fort und euer Haus ist leer&period; Es ist gar niemand da&comma; der für dich sorgen mag außer deiner Patin&semi; du mußt ihr gehorchen&comma; ihr dankbar sein und sie lieb haben wie deine Mama&semi; sonst bist du ein ganz undankbares Kind&comma; verstehst du das&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma;« antwortete leise die Kleine&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Versprich mir&comma; daß du nicht undankbar sein willst&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich will nicht undankbar sein&comma;« wiederholte Klärchen und sah dabei ganz ernsthaft aus&semi; denn sie hatte die Rede des Vormunds wohl verstanden und fing an zu begreifen&comma; daß die Patin ihr etwas Gutes tun wollte&comma; indem sie sie zu sich nahm&comma; und in ihrem guten Herzen regte sich sofort etwas wie Liebe und Dankbarkeit&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Mine&comma;« sagte sie später zu dem Mädchen&comma; »ich muß die Patin lieb haben wie meine Mama&comma; sonst bin ich undankbar&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das kann man nicht von dir verlangen&comma;« sagte Mine&comma; »kein Kind hat die Patin so lieb wie seine Mutter&comma; und sie ist ja auch gar keine Mutter und hat dich nicht so lieb wie ihr Kind&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber gelt&comma; ein bißchen lieb hat sie mich doch&comma; sie hat mich ja auch zu sich genommen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber nicht aus Liebe&comma; bloß weil es der Vormund verlangt hat&comma;« sagte Mine&period; Da fiel ein trüber Schatten über das Gesichtchen der Kleinen und die erwachende Liebe erlosch bei den kalten Worten&colon; »Bloß weil es der Vormund verlangt hat&period;«<&sol;p>&NewLine;<p style&equals;"text-align&colon; center&semi;">IV&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Leicht hatten sich inzwischen die Brüder bei Onkel und Tante eingewöhnt&period; Aber je mehr sie sich einlebten in der neuen Umgebung&comma; um so sehnlicher wünschten sie auch ihre Schwester herbei und täglich wurde der Kleinen&comma; von der sie gar keine Nachrichten hatten&comma; in Liebe gedacht&period; Der Vormund hatte bestimmt&comma; daß in den ersten vier Wochen die Geschwister sich nicht besuchen sollten&comma; damit beide Teile vor dem ersten Wiedersehen den Trennungsschmerz schon überwunden und sich in die neuen Verhältnisse eingewöhnt hätten&period; Klärchen wußte davon nichts&semi; die Brüder hingegen erwarteten mit Ungeduld den vierten Sonntag&comma; für den ihnen der Besuch in dem Städtchen Waldeck versprochen war&comma; und fast ebensosehr sehnte sich die treue Tante danach&comma; durch die Brüder Nachricht von der kleinen Nichte zu erhalten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Es war ein trüber Novembertag&period; Die Knaben machten sich gleich nach Tisch auf den Weg und kamen nach einem tüchtigen Marsch in dem Städtchen an&period; Die Patin vermutete den Besuch wohl&comma; doch wollte sie Klärchen nichts vorher davon sagen&semi; sie freute sich auf die Überraschung des Kindes und gab nur heimlich dem Mädchen den Auftrag&comma; etwas für den Empfang der jungen Wanderer bereit zu stellen&period; Als Mine erfuhr&comma; was für Gäste erwartet wurden&comma; spähte sie fleißig zum Fenster hinaus&semi; denn sie wollte die Brüder sprechen&comma; ehe dieselben heraufkamen&period; Es dauerte nicht lange&comma; so sah sie zwei fremde Knaben des Wegs kommen&semi; sie hatten Trauerflor an den Hüten und Mine konnte nicht zweifeln&comma; daß es die Erwarteten seien&period; Rasch ergriff sie Klärchen&comma; die im Vorplatz mit ihrem Puppenwagen spielte und flüsterte ihr zu&colon; »Komm mit&comma; ich weiß etwas&comma; das dich freut&comma;« und dann eilte sie mit dem Kind die Treppe hinunter&period; Die Brüder waren inzwischen schon in die Nähe des Hauses gekommen&comma; Klärchen erkannte sie auf den ersten Blick und stürzte ihnen laut au&fjlig;ubelnd entgegen&period; Aber im Übermaß der unerwarteten Freude und in Erinnerung ihrer schmerzlichen Sehnsucht ging der Jubel gleich in Tränen über&comma; zur großen Bestürzung der Knaben&comma; die sich die helle Freude des Kindes auf dem ganzen Wege ausgemalt hatten&period; »Sie dürfen sich nicht wundern&comma; daß das Kind weint&comma;« sprach nun Mine&comma; »es hat so Heimweh nach Ihnen&comma; und es ist ja auch kein Wunder&comma; wenn man so klein schon unter fremde Leute kommt&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Hat sie sich noch gar nicht eingewöhnt&quest;« fragte Konrad bekümmert&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; nein&comma; und sie wird sich auch nicht eingewöhnen&period; Ein Kind gehört zu Kindern&comma; da kann es sich vergessen&comma; aber nicht bei einem einsamen Fräulein&comma; die überdies halbe Tage lang gar nicht zu Hause ist&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber die Patin wird doch gut mit ihr sein&quest;« rief Heinrich und bemerkte in seiner Erregtheit nicht&comma; wie der ältere Bruder ihm zu bedeuten suchte&comma; daß es nicht passend sei&comma; weiter das Dienstmädchen auszufragen&period; »Ich will nichts sagen&comma; es schickt sich auch nicht für mich&comma;« antwortete Mine&comma; »aber das Kind ist kreuzunglücklich&comma; und wenn das noch lange dauert&comma; so wird es noch krank werden&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Besorgt sahen die Brüder in das Gesichtchen der Kleinen&period; Freilich&comma; so frisch und blühend wie früher sah es in diesem Augenblick nicht aus&comma; und jetzt hatte sie einen ihr sonst ganz fremden&comma; ernsthaften Ausdruck&semi; denn zum erstenmal kam sich das sonst so bescheidene Kind gar wichtig vor&colon; es hatte erfahren&comma; daß es unglücklich und zu bedauern sei&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als die beiden Knaben nun mit der Schwester die Treppe hinaufkamen&comma; waren sie in ganz anderer Stimmung als noch vor wenigen Minuten&semi; sie bedauerten die Schwester und grollten der Patin&period; So traten die drei Geschwister in das Zimmer zu Fräulein Stahlhammer&period; Diese hatte sich gefreut auf das Wiedersehen der Kinder und nun war sie ganz um ihre Freude gekommen&period; Etwas betroffen trat sie ihnen entgegen&semi; denn ein Blick auf Klärchen zeigte ihr&comma; daß diese geweint hatte&period; Auch klammerte sie sich fest an den Arm ihres großen Bruders&comma; und die ganze Gruppe sah eher feindselig als zutraulich aus&period; Konrad aber machte sich nun los von der Kleinen&comma; begrüßte Fräulein Stahlhammer artig&comma; richtete ihr Empfehlungen der Tante aus und erinnerte dadurch auch Heinrich an das&comma; was sich schickte&semi; doch behielt dieser einen etwas ingrimmigen Blick bei&comma; und den ganzen Nachmittag verlor sich eine gewisse Befangenheit nicht&period; Klärchen hätte im Glück über das Wiedersehen mit den Brüdern wohl alles andere bald vergessen&comma; aber Mine hatte die Gelegenheit wahrgenommen&comma; ihr zuzuflüstern&colon; »Mußt recht traurig und still sein&comma; dann nehmen dich die Brüder vielleicht ganz mit heim&comma;« und so war die ganze liebliche Unbefangenheit der Kleinen dahin&semi; den Brüdern kam sie gar sonderbar verändert vor und mit schwerem Herzen verabschiedeten sie sich abends von der kleinen Schwester&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Zu Hause angekommen&comma; wurden sie von allen Seiten mit teilnehmenden Fragen empfangen&period; Konrad gab nur kurzen Bescheid&comma; es war ihm so traurig zumute&comma; daß er fürchtete&comma; seine Fassung zu verlieren&period; Aber Heinrich hatte um so mehr das Bedürfnis&comma; sich auszusprechen&period; Onkel und Tante sollten es nur wissen&comma; wie unglücklich sein Schwesterchen sei&period; Er schilderte das Wiedersehen auf der Straße&comma; die Tränen der Kleinen&comma; ihr verändertes Aussehen&comma; den Bericht des Dienstmädchens und die große&comma; ernste Gestalt der Patin&comma; vor der er sich selbst gefürchtet hätte&comma; und nannte es eine Grausamkeit&comma; ihr das zarte Kind zu lassen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Heinrich&comma; du machst es schlimmer als es ist&comma;« warf Konrad dazwischen&comma; »sie hat eigentlich kein unfreundliches Wort gesagt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Natürlich nicht&comma; wenn wir zwei dabei sind als Beschützer unserer Schwester&semi; aber wenn sie allein mit Klärchen ist&comma; wer weiß&comma; was sie ihr da tut&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nicht zu viel sagen&comma;« wehrte der Onkel und auch die Tante versicherte&colon; »Sie ist gewiß nicht schlimm&comma; eure Mutter hat ja so viel auf sie gehalten&period;« Und nun mischten sich die Kinder des Hauses ins Gespräch&colon; alle waren voll Mitleid und urteilten hart über die Patin&comma; bis die Tante sie auf andere Gedanken brachte&comma; indem sie sagte&colon; »Nun kommt ja bald Weihnachten&comma; da wollen wir die Kleine auf längere Zeit zu uns einladen und ihr recht viel Freude machen&period;« Damit waren nun alle einverstanden und es begann sofort eine lebhafte Beratung&comma; was Klärchen zu Weihnachten bekommen sollte&period; Da sagte Konrad&comma; der sich bisher noch nicht ins Gespräch gemischt hatte&colon; »Ich weiß&comma; was ihr die Mutter zu Weihnachten machen wollte&semi; wenn du ihr das geben würdest&comma; Tante&comma; dann wäre ihr Herzenswunsch erfüllt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; was ist’s&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Sie hat eine Puppe&comma; die hat sie lieb – ich glaube wirklich so lieb wie uns&semi; und für die möchte sie so ein Wickelkissen&comma; wie’s die ganz kleinen Kinder haben&period; Mit solch einem Wickelkind wäre sie glückselig&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das mache ich ihr&comma;« sagte die Tante eifrig&comma; »ihr bringt mir einmal das Längenmaß der Puppe&comma; dann soll’s ein echtes Wickelkind werden&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Durch die Aussicht auf eine Weihnachtsfreude für Klärchen beruhigten sich die erregten Gemüter&comma; das hatte die Tante gewollt und erreicht&semi; sie kannte sich aus bei ihrer jungen Schar&period;<&sol;p>&NewLine;<p style&equals;"text-align&colon; center&semi;">V&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nicht nur in der Familie des Professors plante man allerlei Weihnachtsfreuden&comma; auch in dem kleinen Häuschen in Waldeck waren die Gedanken bei dem herannahenden Fest&period; Fräulein Stahlhammer hatte in dieser Zeit alle Hände voll zu tun&semi; denn sie war Vorstandsdame bei dem Verein&comma; der den armen Schulkindern bescherte&semi; außerdem hatte sie jedes Jahr die Bescherung der armen Leute im Spital zu besorgen&comma; am heiligen Abend&comma; wo Hausfrauen sich nicht vom eigenen Haus los machen konnten&period; Nun hätte Fräulein Stahlhammer in diesem Jahr gerne diese Aufgabe anderen übertragen – hatte sie nun doch auch ein Kind zu Hause –&comma; aber es fand sich niemand bereit&comma; und so sagte sie sich&comma; daß Klärchen wohl ebenso glücklich wäre&comma; wenn ihr erst am Weihnachtsfest selbst beschert würde&semi; sie kam ja mit andern Kindern nicht zusammen und war noch zu klein&comma; um den Kalender selbst zu studieren&period; So wollte ihr Fräulein Stahlhammer am Christfest bescheren und sie ging nie an den Läden des Städtchens vorbei&comma; ohne sich zu überlegen&comma; womit sie das Kind erfreuen könnte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Auch Mine hatte ihre Pläne&period; Sie wollte sich in den Feiertagen mit ihren Bekannten vergnügen und hätte es gar zu gern gesehen&comma; wenn die Kleine aus dem Wege gewesen wäre&comma; damit sie wie in früheren Jahren ihre Freiheit hätte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Klärchen stand mit der geliebten Puppe im Arm träumend am Fenster&semi; sah hinaus&comma; wie die Schneeflocken herunterwirbelten&comma; und dachte daran&comma; daß voriges Jahr ihre Mama gesagt hatte&colon; »Wenn’s schneit&comma; ist Weihnachten nahe&excl;« Sie hätte gerne die Patin gefragt&comma; ob wohl hier das Christkind auch zu ihr käme&period; Aber sie wagte es nicht recht und nahm sich vor&comma; zuerst mit Mine zu sprechen&period; Heute nun war die Patin ausgegangen&comma; und Mine putzte die Fenster in der Küche&period; Klärchen machte sich an sie heran&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Mine&comma;« fragte sie&comma; »wie ist’s denn hier an Weihnachten&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»An Weihnachten&quest; Da beschert die Patin in der Schule&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Und dann&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Und dann im Spital&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Und dann&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Und dann&quest; Ist das noch nicht genug&quest;« Ein Weilchen war Klärchen still&period; Sie hatte ihre Puppe im Arm und nun fing sie an nach ihrer Gewohnheit zu dem Puppenkind zu reden&colon; »Gelt Rosa&comma;« sagte sie zur Puppe&comma; »das schöne Kleid hast du an Weihnachten bekommen und die neuen Locken auch&comma; da bist du unter dem Christbaum gesessen und die Mama hat zu mir gesagt&colon; ›Herzkind&comma; kennst du denn deine Puppe noch&quest;‹ Aber jetzt haben wir keine Mama mehr und sie kann nicht mehr sagen ›Herzkind‹ und sie kann dir keine Kleider mehr machen&semi; aber du darfst nicht weinen&comma; sonst bist du undankbar&period;« Und dabei schluckte die Kleine tapfer die Tränen hinunter und wischte die weg&comma; die über das Puppengesicht gerollt waren&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Mine merkte wohl&comma; wie es dem kleinen Wesen ums Herz war&period; »Klärchen&comma;« sagte sie&comma; »bitte doch die Patin&comma; daß sie dich an Weihnachten zu den Brüdern läßt&period; Bei denen gibt es eine Mama&comma; die beschert&comma; und auch einen Christbaum&semi; aber bei uns hat es noch nie einen gegeben&semi; dort geht es lustig zu&comma; aber hier ist’s langweilig&period; Möchtest du nicht zu den Brüdern an Weihnachten&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich möchte schon&comma; aber ich kann doch die Patin nicht bitten&semi; du hast doch immer gesagt&comma; ich soll sie nichts bitten&comma; sonst wird sie böse&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Freilich&comma; aber das ist nun etwas anderes&comma; das darfst du schon sagen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Sagst du’s nicht für mich&comma; Mine&quest;« fragte Klärchen ängstlich&period; »Meinetwegen&comma; ich will davon anfangen&comma; aber du mußt dann auch recht schön bitten&semi; denke nur&comma; wie traurig es hier für dich wäre ohne Christbaum&excl;« Mine sagte wohl die Wahrheit&comma; wenn sie behauptete&comma; daß Fräulein Stahlhammer nie einen Christbaum hatte&semi; aber konnte sie sich nicht denken&comma; daß es in diesem Jahr dem Kinde zu lieb anders gemacht würde&comma; oder wollte sie nichts davon wissen&quest; Als Fräulein Stahlhammer den Christbaum für die Armen im Spital besorgt hatte&comma; da hatte sie dem Waldschützen zugleich gesagt&colon; »Und besorgen Sie auch für mich ein recht nettes&comma; grünes Bäumchen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>An diesem Tage kam ein Brief von der Tante&comma; in dem sie ihre kleine Nichte freundlich einlud&comma; über Weihnachten zu kommen&comma; damit die drei verwaisten Geschwister dies erste Christfest beisammen feiern könnten&period; Fräulein Stahlhammer kämpfte mit sich selbst&period; Allerdings würden die Kinder vergnügt beisammen sein&comma; und Klärchen hätte ein fröhliches Fest in dem kinderreichen Haus&semi; aber doch hatte sie gerade von einem schönen Weihnachtsabend gehofft&comma; daß er ihr das Kinderherz näher bringen würde&semi; sie wollte eine Puppenküche anschaffen und mit der Kleinen kochen&period; Der gestrenge Vormund konnte nichts dagegen sagen&colon; an Weihnachten&comma; wo allen Kindern Liebe erwiesen wird&comma; durfte auch sie ihr Pflegekind ein wenig verwöhnen&period; Nun kam ihr recht unerwünscht diese Aufforderung&period; Nach gewissenhaftem Überlegen dankte sie freundlich für die Einladung&semi; sagte&comma; daß sie dem Kinde gern im eigenen Haus bescheren würde&comma; und versprach&comma; die Kleine über Neujahr zu schicken&period; Den Brief ließ sie Klärchen in den nahen Briefkasten einwerfen&period; Das Kind ahnte nicht&comma; was er enthielt&comma; und gerade als sie vom Schalter zurückkam ins Zimmer&comma; wo Mine ihrem Fräulein half&comma; Stöße von Hemden zusammen zu packen&comma; die für die Schulbescherung bereit lagen&comma; gerade da sagte Mine&colon; »Klärchen&comma; hast du denn der Patin schon gesagt&comma; um was du schön bitten möchtest&quest; Nicht&quest; Muß ich es wieder für dich sagen&quest; Fräulein Stahlhammer&comma; das Kind hat bloß den einen Wunsch&comma; daß es an Weihnachten zu den Brüdern darf&comma; gelt Klärchen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma;« sagte Klärchen&comma; und obgleich das ihre ganze Antwort war&comma; sah sie doch so gespannt auf die Patin&comma; daß diese wohl die Bitte von den stummen Lippen ablesen konnte&period; »Wie kommt sie darauf&quest;« fragte Fräulein Stahlhammer und sah Mine mißbilligend an&period; »Ach&comma; das ist doch natürlich&comma; daß sie darauf kommt&period; Papa und Mama hat sie verloren&comma; so möchte sie doch wenigstens bei ihren Geschwistern sein&period; Gelt&comma; Klärchen&quest; Mir kann’s ja ganz einerlei sein&comma; aber so sind halt Kinder&comma; sie wollen eben unter andere Kinder&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Fräulein Stahlhammer zog die Schnüre fester an dem Paket und dann sagte sie zu Klärchen&colon; »Wenn du auch an Weihnachten nicht zu den Brüdern darfst&comma; so doch an Neujahr&period; Das ist nur eine Woche später&comma; so ist’s ausgemacht mit deiner Tante&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Mine stieß heimlich die Kleine an&comma; sie hätte gerne gehabt&comma; daß das Kind noch für sich selbst bäte&semi; aber Klärchen hatte ein unbestimmtes Gefühl&comma; daß dieses der Patin nicht recht wäre&comma; sie wagte es nicht und schwieg&comma; und somit war die Sache zu Mines großem Verdruß abgetan&period; Für die Brüder war die abschlägige Antwort zwar eine Enttäuschung&comma; aber die Tante konnte den freundlichen Brief der Patin verstehen&semi; sie vertröstete die Beiden auf das Wiedersehen an Neujahr und lenkte die Gedanken ab&comma; indem sie die Puppenkleider und andere kleine Geschenke für Klärchen durch die Brüder zusammenpacken ließ&period; Der Professor wollte am Nachmittag vor der Bescherung selbst der Kleinen das Päckchen überbringen&comma; um auch einmal nach seiner Nichte zu sehen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der heilige Abend kam und brachte für Fräulein Stahlhammer große Geschäftigkeit&period; Als sie sich nachmittags auf den Weg in das Spital machte&comma; tat es ihr leid&comma; die Kleine zu verlassen&period; »Morgen&comma; Klärchen&comma;« sagte sie&comma; »ist Weihnachten&semi; aber sieh&comma; heute hat das Christkind dir auch schon ein Päckchen gebracht&comma; so eines&comma; wie es die Schulkinder bekommen&comma; sieh her&comma;« und sie gab Klärchen eines von den neuen Hemden&comma; schön mit roten Bändchen gebunden&comma; mit einem Tannenzweiglein verziert&period; Dann eilte sie fort&period; Mine putzte draußen den Vorplatz und die Treppe&period; Als es dunkel wurde&comma; so gegen fünf Uhr&comma; saß das Kind allein am Tisch&period; Das Hemd lag vor ihr&comma; das Tannenzweiglein drehte sie in den Fingern&period; Da kam in Eile Professor Kuhn die Treppe herauf&period; Er traf Mine beim Putzen&period; »Ist Fräulein Stahlhammer zu Hause&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; sie ist fort&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Mit meiner kleinen Nichte&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; das Kind ist droben&period; Ich muß eben putzen vor dem Fest&comma; sonst ließe ich sie nicht allein&comma; das arme Tröpflein&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wann kommt Fräulein Stahlhammer wieder&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ach&comma; da kann’s leicht zehn Uhr werden&comma; bis die Bescherungen vorbei sind&period;« Der Professor sagte kein Wort&comma; ging mit raschen Schritten die Treppe hinauf und ins Zimmer&period; Da saß die verlassene Kleine allein im Halbdunkel am Tisch&comma; ein trübseliger Anblick&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Beim Erscheinen des Onkels leuchtete ihr ganzes Gesichtlein&colon; der Onkel gehörte zu den Brüdern&comma; er gehörte zu der Tante&comma; die wie die Mama aussah&comma; er gehörte zu dem&comma; was sie lieb hatte&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>»Onkel&comma;« sagte sie schmeichelnd&comma; als er dicht zu ihr kam&comma; um sie genau zu sehen&comma; »Onkele&comma; liebes&comma; gutes Onkele&comma; bist du zu mir gekommen&quest;« und sie schlang ihre Arme um seinen Hals&period; Diese Zärtlichkeit ging ihm zu Herzen&comma; das Kind sah ihn doch so selten&period; Er schaute sich um im Zimmer&period; Er hatte gedacht&comma; die Bescherung sei schon vorbei&semi; aber da war kein Baum zu sehen&period; Nur ein kleiner Tannenzweig lag vor ihr&period; »Hat dir das Christkind schon beschert&quest;« fragte er&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; sieh nur&comma; ein Hemd&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Und sonst noch etwas&quest; Nicht&quest; Habt ihr keinen Christbaum&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Bloß so viel davon&comma;« sagte Klärchen und zeigte ihr Zweiglein&semi; sie wußte ja nicht&comma; daß im verschlossenen Gastzimmer neben der neuen Puppenküche schon das geputzte Christbäumlein bereit stand&comma; um morgen seinen Lichterglanz zu verbreiten&period; Und auch der Onkel dachte an diese Möglichkeit nicht und war im innersten Herzen empört&period; Die Patin war unterwegs&comma; um Fremden zu dienen&comma; und das ihr anvertraute Geschöpfchen ließ sie am Weihnachtsfest ohne Bescherung&comma; ohne Baum allein mit einem Hemd als Christgeschenk&period; Wenn sie keine Zeit und kein Herz für das Kind hatte&comma; warum hatte sie dann nicht wenigstens zugegeben&comma; daß es bei den Brüdern Weihnachten feiere&quest; Es sollte aber sein Weihnachtsfest haben&comma; das Kind&comma; mochte die Patin zürnen&comma; das war ihm ganz gleichgültig&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>»Klärchen&comma;« sagte der Onkel&comma; »zieh dich an&comma; recht schnell&comma; ich nehme dich mit mir&comma; wir fahren gleich miteinander fort&period;« Und hinaus eilte er zu Mine&colon; »Helfen Sie dem Kind&comma; ziehen Sie es recht warm an&comma; ich will es mitnehmen&comma; ich bin sein Onkel&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Mine war hocherfreut&comma; das paßte zu ihren Plänen&period; Klärchen selbst war ganz verwirrt&comma; konnte kaum fassen&comma; was so schnell mit ihr geschah&period; Aber Mine flüsterte ihr zu&colon; »Zu deinen Brüdern darfst du&comma; denke nur&comma; die Freude&comma; zur Weihnachtsbescherung&excl; Ach&comma; Herr Professor&comma; wenn Sie die Kleine nur ganz behalten könnten&comma; da wäre sie besser versorgt&comma; das arme Ding&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Sagen Sie Fräulein Stahlhammer&comma; ich sei gekommen&comma; dem Kind seine Weihnachtsgeschenke zu bringen&comma; und da ich sie allein fand&comma; hätte ich sie mitgenommen&period; Bis Neujahr bleibt sie jedenfalls bei uns&comma; dann wollen wir weiter sehen&period; Komm Kind&comma; komm&comma; wir müssen gleich fort&comma; damit wir den Zug noch erreichen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Unten an der Treppe fiel dem Onkel noch etwas ein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Mine&comma;« rief er hinauf mit gewaltiger Stimme&comma; die durchs ganze Haus dröhnte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Was ist’s&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Die Puppe muß mit&comma; schnell bringen Sie sie herunter&period; Wo ist sie&comma; Klärchen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Sie schläft in meinem Bett&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Im Augenblick war sie herbeigeschafft und Klärchen drückte sie sorglich an sich&period; Der Onkel trug das Weihnachtspaket&semi; zur rechten Zeit war ihm noch eingefallen&comma; daß es Puppenkleider enthielt&comma; so war wohl die Puppe unentbehrlich&period; Nach kurzer Zeit waren sie am Bahnhof&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Unterwegs sagte das Kind zu seinem Onkel&colon; »Undankbar ist das nicht&comma; wenn man fortgeht von der Patin&comma; gelt&comma; undankbar ist das nicht&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; nein&comma;« beruhigte der Onkel&comma; »ich habe dich geholt und du mußt mir folgen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ein halbes Stündchen Fahrt&comma; ein Gang durch die Straßen der großen Stadt&comma; und sie standen umringt von jubelnden Kindern&comma; daß dem Klärchen aus ihrer Stille heraus ganz traumhaft zumute war&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Professor suchte seine Frau auf&comma; im Weihnachtszimmer traf sie eben die letzten Vorbereitungen zur Bescherung&period; Ein Loblied auf Fräulein Stahlhammer war es nicht&comma; was jetzt gesungen wurde&excl; »Du hast recht gehabt&comma; ganz gewiß hast du recht gehabt&comma; daß du das Kind entführt hast&period; Fräulein Stahlhammer soll es nur erfahren&comma; wie anderen Menschen so etwas vorkommt&period; Ich kann es nicht begreifen&comma; gar nicht fassen&excl; Sie hat doch erst so schön geschrieben&comma; daß sie dem Kind die neue Heimat lieb machen möchte durch eine schöne Weihnachtsfeier&excl; Ist sie denn eine Heuchlerin&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>– – Ach nein&comma; eine Heuchlerin war sie nicht&semi; hätte nur die gute Frau Professor gesehen&comma; mit welch tiefem Schmerz Fräulein Stahlhammer bei ihrer Heimkehr – um acht Uhr war es – vernahm&comma; daß ihr das Kind weggenommen worden war&excl; Nachdem Mine ihr den ganzen Hergang berichtet und ein kleines Abendbrot aufgetragen hatte&comma; fragte sie&comma; ob sie noch zu ihren Verwandten gehen dürfe&period; Fräulein Stahlhammer sagte ja&comma; ohne nur recht zu wissen auf was&period; Am Tisch&comma; wo noch das Tannenzweiglein lag und das rotgebundene Hemd&comma; saß sie&comma; und bemühte sich vergeblich&comma; Herr zu werden über die Empfindungen&comma; die sie überwältigen wollten&colon; Schmerz&comma; daß sie dem Kind nicht den Weihnachtsbaum anzünden konnte&semi; Beschämung&comma; daß es so vernachlässigt erschienen war&semi; Entrüstung&comma; daß man ungefragt eingedrungen war und das Kind geholt hatte&semi; und Befürchtung&comma; daß es lieblose Worte über sie hören und von anderen um so mehr Liebesbeweise empfangen würde&period; Und je länger der Abend sich hinzog&comma; totenstill in ihrem einsamen Haus&comma; der Abend&comma; an dem sie eben erst von den Schulkindern das Lied hatte singen hören&colon; »Selbst die Hütte trieft von Segen&comma;« um so bitterer empfand sie ihre Enttäuschung&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die alte&comma; große Uhr&comma; die in der Ecke des Eßzimmers wohl schon ein halbes Jahrhundert hing und in ihrem schönen&comma; geschnitzten Kasten vom Boden bis hinauf reichte über die Türe&comma; fing nun feierlich an zu schlagen mit einem Klang wie Orgelton&comma; zehn Schläge&period; Da raffte sich Fräulein Stahlhammer auf und sah nach den großen goldenen Zeigern&period; Wirklich zehn Uhr&quest; Wo waren die Stunden hingegangen&quest; Vertrauert&comma; verträumt&comma; verloren&excl; Das war kein »heiliger Abend«&period; Mit aller Gewalt riß sie sich heraus aus dieser Stimmung&period; Ihr selbst war ja das Fest verdorben&comma; aber dem Kind nicht&semi; das war wohl am glücklichsten bei den Geschwistern&comma; so wollte sie ihm das Glück gönnen und nicht bitter gegen Klärchen sein&period; Das Christbäumchen konnte morgen auch eine Familie erfreuen&comma; dann war es doch nicht umsonst aus dem Wald genommen&period; Aber dem Vormund wollte sie doch gleich schreiben&comma; was sich begeben hatte&semi; er konnte gelegentlich dem Onkel vorhalten&comma; daß er nicht so eigenmächtig hätte handeln sollen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Dieser Brief&comma; der am frühen Morgen des zweiten Weihnachtsfeiertages bei dem Vormund ankam&comma; versetzte den Mann in großen Zorn&period; Er war ein empfindlicher Herr&comma; dieser Herr Rat Stahlhammer&comma; nicht gewöhnt&comma; daß ihm etwas gegen den Willen ging&period; Er war der Vormund&comma; nicht der Professor&comma; und wenn er als Vormund das kleine Mädel seiner Schwester übergab&comma; so hatte nach seiner Meinung der Herr Professor durchaus kein Recht&comma; sich das Kind eigenmächtig und gegen den Willen seiner Schwester zu holen&period; Das wollte er ihm sagen&period; Heute war noch Feiertag&semi; es war wohl am besten&comma; wenn er gleich heute nachmittag zum Professor ging und ihm seine Ansicht sagte&period; Gleich heute nachmittag&quest; Das war nicht gleich&comma; das war lang&comma; das war viel zu lang für den Ärger&comma; den er empfand und durchaus aussprechen mußte&period; Schon nach einer Viertelstunde war er unterwegs&comma; um Professor Kuhn aufzusuchen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ein langer Weg&period; Wie konnte man nur so weit hinausziehen&excl; Die ganze Stadt mußte er durchqueren mit der Straßenbahn und dann erst noch ein Stück zu Fuß gehen und all das wegen des kleinen Mädels&semi; das machte sich als Mündel recht unangenehm bemerkbar&period; Wegen so eines kleinen Rackers mußte er&comma; der Rat&comma; sich so bemühen&comma; ganz ungehörig war das&period; Seine Schwester verstand es aber auch gar nicht&comma; mit Kindern umzugehen&excl; Warum war sie nicht daheim geblieben und hatte dem Kind einen Haufen gutes Zeug und Spielkram hingelegt&comma; wie es so kleine Bälge nun einmal wollen an Weihnachten&period; Er hatte sich in einen gehörigen Zorn hineingearbeitet&comma; der Herr Vormund&comma; bis er glücklich am Haus des Professors angekommen war&period; Auch das Dienstmädchen ärgerte ihn&comma; das die Türe aufmachte&comma; denn auf seine Frage&comma; ob Herr Professor zu Hause sei&comma; antwortete sie&colon; »Es tut mir leid&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ob’s Ihnen leid tut oder nicht&comma; ist mir vollständig einerlei&comma;« sagte er gereizt&comma; »ist die Frau Professor zu Hause&quest;« Das Mädchen hielt es nun für sicherer&comma; bloß verneinend mit dem Kopf zu schütteln&period; Der Rat blieb einen Augenblick unschlüssig mit gerunzelter Stirne stehen&period; »Wenn die Leute nur immer alle fortlaufen können&comma;« sagte er vor sich hin&comma; »ich möchte nur wissen&comma; wozu sie Häuser haben&comma; wenn sie doch nicht darin bleiben&quest;« In diesem Augenblick ging eine Zimmertüre auf&comma; fröhliches Kindergelächter drang heraus&semi; unter der Türe stand Klärchen&comma; hinter ihr kamen noch mehr Kinderköpfe zum Vorschein&period; Da wurde dem Rat klar&comma; was die beste Strafe für den Professor war&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Er ging auf Klärchen zu und fragte kurz&colon; »Hat die Patin erlaubt&comma; daß du hierher kommst&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma;« sagte erschrocken die Kleine&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Dann zieh dich augenblicklich an und komm mit mir&period;« Zugleich nahm er eine Besuchskarte aus der Tasche und sagte dem Mädchen&colon; »Geben Sie diese Karte ab&comma; wenn Herr Professor heimkommt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Klärchen hatte kein Wort der Widerrede&period; Sie war es nicht anders gewöhnt&period; So plötzlich hatte man sie das erste Mal zur Patin gebracht&comma; so hatte der Onkel sie vorgestern entführt und so wurde sie zurückgeholt&period; Nach ihrer kleinen Lebenserfahrung war das der Lauf der Welt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wo ist mein Mantel&quest;« fragte die Kleine&period; Das Dienstmädchen ging rasch ins Zimmer&comma; als wollte es die Kleider holen&period; Im Zimmer waren die kleineren Kinder und einer der Kostgänger&comma; aber die Brüder&comma; Konrad und Heinrich&comma; waren nicht darunter&comma; sie waren mit den Größeren auf der Eisbahn&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ganz aufgeregt sagte das Mädchen&colon; »Da draußen ist ein Herr&comma; ein ganz unfreundlicher&comma; der will das Klärchen mitnehmen&comma; was soll ich denn tun&quest;« Und auf die Besuchskarte sehend&comma; las sie&colon; »Stahlhammer&comma; Geheimer Rat&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das ist ja der Vormund von Konrad und Heinrich&comma;« sagte der Kostgänger&comma; »von dem war schon oft die Rede&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Dann muß man Klärchen mit ihm gehen lassen&quest;« Allgemeiner Widerspruch&comma; lautes Bedauern ertönte nun in der Kinderstube und die Kinder drängten hinaus in den Vorplatz&period; Es hatte nur eine Minute gedauert&comma; aber dem Herrn Rat schon zu lang&period; »Der Mantel&comma; der Mantel&comma; wo ist der Mantel&quest; Und das andere Zeug&comma; das das Kind etwa mitgebracht hat&quest;« Das Mädchen sprang eilends an den Kleiderschrank&comma; und die Kinder&comma; als sie sahen&comma; daß Klärchen wirklich gehen mußte&comma; holten geschäftig herbei&comma; was auf dem großen Bescherungstisch auf ihrem Platze lag&colon; die Puppe im Wickelkissen&comma; das Weihnachtsgebäck&comma; ein Bilderbuch und eine Schürze&period; Die Sachen wurden notdürftig eingewickelt&semi; der Rat war schon ein paar Treppenstufen hinunter gegangen&comma; als die einzelnen Schätze Klärchen noch gereicht wurden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Er hatte allerdings guten Grund zu eilen&comma; denn er wußte&comma; daß um Mittag ein Zug abging&comma; den er benützen wollte&comma; um das Kind wieder bei seiner Schwester abzuliefern&period; Auch wünschte er nun nicht mehr den Professor zu sprechen&comma; diese Sprache war die deutlichste&period; Als er unten mit der Kleinen um die Straßenecke bog&comma; kamen von der entgegengesetzten Seite Herr und Frau Kuhn auf das Haus zu&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Sieh nur&comma;« sagte die Frau Professor zu ihrem Mann&comma; »man könnte meinen&comma; das Kind dort&comma; das mit dem Herrn geht&comma; sei Klärchen&semi; jetzt kannst du sie nicht mehr sehen&comma; sie sind schon um die Ecke&comma; aber es kann ja unmöglich Klärchen sein&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>In eiligen Schritten ging der Vormund mit seinem Mündel der Bahn zu&semi; aber rasch kamen sie doch nicht von der Stelle&comma; denn zuerst rutschte ihr das Buch aus der Hand und als sie es aufheben wollte&comma; das Päckchen Backwerk&period; Es fiel in den Schnee&comma; der mußte erst wieder abgeschüttelt werden&period; »Gib das Buch&comma; ich will es tragen&comma;« sagte der Rat und nahm es ab&period; Aber nach einiger Zeit rutschte die Schürze auf den Boden&comma; da gab es wieder einen Aufenthalt&period; »Das will ich dir auch noch abnehmen&comma; aber was du ferner auf den Boden wirfst&comma; bleibt liegen&comma; verstanden&excl; Man muß auf seine Sachen achten lernen&semi; nun spring so rasch du kannst&comma; daß wir den Zug noch erreichen&period;« Er nahm sie bei der Hand&period; Die Kleine trippelte so schnell sie konnte nebenher&semi; aber ihr Ärmchen tat ihr weh&comma; so hoch hinauf zog es der große Mann&comma; indem er sie führte&comma; und den andern Arm mußte sie fest an sich pressen&semi; denn unter dem steckte die Puppe&comma; und in der Hand war das Backwerk&period; Allmählich wurde der Arm müde und konnte die Puppe nicht mehr fest pressen&comma; so daß sie nach und nach immer weiter hinunter rutschte&period; Klärchen fühlte es&comma; aber sie hatte ja die zweite Hand nicht frei&comma; um die Puppe zu halten&comma; und ganz sachte glitt diese endlich unter dem Arm hindurch und fiel sanft und leise auf den weichen Schnee&period; Klärchen wandte den Kopf zurück und wollte still halten&comma; aber der Vormund&comma; der von dem Hergang nichts bemerkt hatte&comma; trieb sie an&colon; »Nur vorwärts&comma; Kind&period;« Die Kleine wagte nichts zu sagen&comma; sie sah nur zurück&comma; ach da lag ihr Wickelkind im Schnee&excl; Immer wieder wandte sie den Kopf&semi; jetzt bog sie um eine Ecke&comma; sie sah sie nicht mehr&excl; Ihr Liebling war dahin&excl; Es war für das treue Puppenmütterlein ein Seelenschmerz&period; Dicke Tränen rollten ihr über die Wangen&period; Ihr Begleiter merkte es erst&comma; als er ein unterdrücktes Schluchzen vernahm&period; Aber er fragte nicht&comma; warum sie weine&comma; er glaubte den Grund zu wissen&period; »Nicht weinen&comma; Klärchen&comma;« sagte er&comma; »schäme dich&comma; am hellen Tag auf der Straße zu weinen&period; Nun sind wir gleich zur Stelle&comma; du wirst doch so weit marschieren können&quest;« Es war eine Erleichterung&comma; als am Bahnhof der große Mann ihre Hand frei gab&comma; der Arm hatte so weh getan&period; Und nun saß sie im Wagenabteil zweiter Klasse auf weichem Kissen&comma; und der Vormund sagte&colon; »In deinem Alter durfte ich nie zweiter Klasse fahren&comma; dir geht es besser als du es verdienst&comma; sei nur recht dankbar&period;« Da kämpfte das kleine Wesen seinen Kummer nieder und sagte&comma; die Tränen verschluckend&colon; »Ich danke schön&period;«<&sol;p>&NewLine;<p style&equals;"text-align&colon; center&semi;">VI&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Es war ein Uhr&comma; als Herr Stahlhammer mit seinem Mündel in der Wohnung seiner Schwester ankam&period; Als Mine die Tür aufmachte und unerwartet an der Hand des Vormunds das Kind vor sich sah&comma; von dem sie schon gehofft hatte&comma; daß es vielleicht für immer wegbleiben würde&comma; machte sie ein sehr erstauntes Gesicht&period; Für erstaunte Gesichter hatte aber Herr Stahlhammer keinen Sinn&period; Was er tat&comma; war doch immer vernünftig&comma; und über das Vernünftige hat niemand zu staunen&period; Er ließ sie deshalb nicht zu Wort kommen&comma; sondern fragte kurz&colon; »Fräulein Stahlhammer zu Hause&quest;« und ging&comma; als dies bejaht wurde&comma; mit dem Kind ins Zimmer&period; »Ich bringe das Kind zurück&comma;« sagte er zu seiner Schwester und mit einem Blick auf den Tisch&comma; von dem sie offenbar im Begriff war&comma; das Tischtuch wegzunehmen&comma; setzte er mißfällig hinzu&colon; »Schon fertig&quest; Mir unbegreiflich&comma; wie man so frühzeitig essen mag&excl; Ich bin natürlich um mein Essen gekommen durch diese unangenehme Sache&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Fräulein Stahlhammer sah die unvermuteten Gäste an&comma; den übelgelaunten Bruder und dann das Kind&period; Da kam es zurück nach zwei Tagen&comma; stand da fremd und verschüchtert&comma; mit deutlichen Spuren vergossener Tränen&semi; einen erfreulichen Anblick boten die beiden nicht&excl; Sie wollte dem Kind den Mantel ausziehen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich denke&comma; du sorgst zuerst für mich&comma;« sagte der Rat&comma; »das Kind kann sich wohl selbst bedienen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Fräulein Stahlhammer ging in die Küche&comma; die Kleine in das Schlafzimmer&comma; ihr Mäntelchen abzulegen&period; Ach&comma; da stand das leere Puppenbett&comma; nun war es vorbei mit ihrer Selbstbeherrschung&excl; Noch beim Essen fielen die Tränen in die Suppe und es war kein Wunder&comma; daß der Vormund zu seiner Schwester sagte&colon; »Das Kind macht mich nervös mit seinem ewigen Geheul&comma; kannst du nicht Maßregeln treffen&comma; es abzustellen&quest;« Da wurde Mine gerufen&comma; sie sollte die Kleine zu Bett bringen&period; Fräulein Stahlhammer dachte nicht anders&comma; als daß die Rückkehr zu ihr dem Kinde so schwer falle&comma; denn den wahren Grund des Kummers kannte sie nicht&period; Kaum war Klärchen mit Mine allein&comma; so brach sie in den Schmerzensruf aus&colon; »Mein Wickelkind habe ich fallen lassen&comma; im kalten Schnee liegt’s auf seinem Gesicht und friert&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Leise&comma; leise&comma; daß man dich nicht hört&comma;« mahnte das Mädchen&comma; »warum hast du es nicht aufgehoben&comma; wenn es hinuntergefallen ist&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich weiß nicht&comma; ich weiß nicht&excl;« schluchzte das Kind&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Sag’s nur niemand&comma; daß du deine Puppe verloren hast&comma; sonst geht dir’s schlecht&excl; Schlupfe unter die Decke&comma; daß man dich nicht weinen hört&semi; so ist’s recht&comma; jetzt schlafe&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Nachdem der Vormund getafelt hatte&comma; sagte er zu Fräulein Stahlhammer&colon; »Wie gedenkst du das Kind zu strafen dafür&comma; daß es ohne Erlaubnis das Haus verlassen hat&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ach&comma; Bruder&comma; das Kind ist doch genug bestraft&semi; du siehst ja&comma; wie unglücklich es ist&period; Und überdies ist es nur natürlich&comma; daß es seinem Onkel gefolgt ist&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Es muß aber lernen&comma; daß es nichts unternehmen darf ohne deine oder meine Genehmigung&period; Bestrafst du es jetzt&comma; so weiß es das für künftige Fälle&period; Das wirst du mir zugeben&quest;« Und als seine Schwester nicht gleich Antwort gab&comma; fügte der Rat etwas gereizt hinzu&colon; »Oder meinst du vielleicht&comma; wenn du sie nicht strafst&comma; sieht sie ihr Unrecht besser ein&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Rudolf&comma; du quälst mich&period; Ich kann das arme Wesen dafür nicht strafen&semi; du kannst das Kind wegnehmen&comma; – ich habe es ja nie gewollt – aber wenn du es bei mir lassen willst&comma; dann muß ich es so behandeln&comma; wie mich mein Herz treibt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Quälen wollte ich dich nicht&comma; nur belehren&comma; aber du läßt dich nicht belehren&period; Statt Gründe vorzubringen&comma; kommst du mit deinem Herzen&period; So sieh eben zu&comma; wie du zurechtkommst&period; Ich will mich nicht weiter einmischen&comma; nur an das eine möchte ich dich noch mahnen&colon; ohne Strenge wird kein Kind erzogen&period; Erinnere dich&comma; wie hart wir beide erzogen wurden&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Gewiß&comma;« sagte die Patin&comma; »das gebe ich ja zu&comma; Strenge muß sein&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nun ja&comma; das wollte ich auch nur betonen&semi; wenn du es in diesem besonderen Fall durchaus nicht für angemessen hältst&comma; so will ich da nicht eingreifen&period;« So klang die Unterredung noch versöhnlich aus&period; Ein paar Stunden später war der Vormund auf der Heimreise begriffen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Wenn wir es mit Klärchen gut meinen&comma; so müssen wir uns jetzt nach ihrem verlorenen Wickelkind umsehen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ein altes Mütterchen&comma; das an seinem Fenster saß&comma; während Herr Stahlhammer mit Klärchen vorüberging&comma; hatte die Puppe fallen sehen&period; Sie öffnete das Fenster&semi; es ging nur nicht so schnell&comma; denn zuerst mußte vorsichtig der Vorhang weggezogen werden&period; Als sie sich hinauslehnte&comma; waren die Beiden schon ein gutes Stück vom Haus weg und der schwache Ruf der Frau wurde vom Wagengerassel übertönt&period; Ein kleiner Junge sprang vorüber&period; »Reich’ mir die Puppe herauf&excl;« rief die alte Frau&comma; und so kam das verlorene Gut in ihre Hände&period; Sie hatte das ängstliche Zurückschauen Klärchens bemerkt und der schmerzliche Blick ging ihr nach&period; Wenn sie sich auch immer wieder sagte&colon; »Ein dummes Dinglein ist’s gewesen&comma; daß es seine Puppe nicht aufgehoben hat&comma; es geschieht ihr recht&comma;« so konnte sie sich doch nicht eher beruhigen&comma; als bis sie in das Anzeigeblatt eine Anzeige eingesandt hatte&colon; »Eine Wickelpuppe gefunden&period; Bahnhofstraße 5 p&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Als am nächsten Tag Frau Professor Kuhn nach ihrer Gewohnheit den Anzeiger las&comma; fiel ihr Blick auf das Wort »Wickelpuppe«&period; Sie hatte ja erst mit so viel Liebe eine solche Puppe gekleidet&period; Gut&comma; daß Klärchen in der Eile wenigstens ihre Schätze noch mitgenommen hatte&period; Wie traurig&comma; wenn sie auch ihr Wickelkind entbehren müßte&excl; Wo hatte man die Puppe gefunden&quest; In der Bahnhofstraße&period; Durch die mußte Klärchen mit dem Vormund gekommen sein&period; Wie merkwürdig&comma; daß zwei Wickelpuppen an diesem Wintertag durch die Bahnhofstraße getragen wurden&excl; Oder sollte es gar die von Klärchen sein&quest; Ja&comma; das Kind hatte so vielerlei zu tragen gehabt&semi; gewiß hatte es die Puppe fallen lassen&comma; ohne es zu bemerken&period; Die Tante hatte kaum vor den Kindern diese Befürchtung ausgesprochen&comma; als auch Heinrich schon davonrannte nach der Bahnhofstraße&period; Frohlockend kam er nach kurzer Zeit mit dem kostbaren Gut zurück&period; Das Lächeln der Vorübergehenden&comma; die den Lateinschüler so fröhlich mit der Wickelpuppe springen sahen&comma; beachtete er nicht&period; Die Leute meinten wohl&comma; es sei eine gewöhnliche Puppe&comma; ein Spielzeug&semi; aber das war es ja nicht&comma; es war etwas anderes&comma; war Klärchens Ein und Alles&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>In der Familie des Professors hatte Klärchens Entführung allgemeine Entrüstung hervorgerufen&comma; und nun&comma; da noch das Mitleid hinzukam&comma; reifte bei Konrad ein Entschluß&period; Er wollte die Puppe nach Waldeck bringen und dort bleiben über die ganzen Weihnachtsferien&comma; um zu sehen&comma; ob Fräulein Stahlhammer immer so hart gegen ihr Patchen sei&comma; wie es ihnen allen am heiligen Abend erschienen war&period; Als er am Familientisch diesen Vorschlag machte&comma; kamen von allen Seiten Entgegnungen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Fräulein Stahlhammer wird jetzt niemand aus unserem Haus willkommen heißen&comma;« meinte der Onkel&semi; die Tante fürchtete&comma; der Vormund werde es nicht billigen&semi; Heinrich fand&comma; daß er überall sonst seine Ferien lieber zubringen würde als bei Fräulein Stahlhammer&period; Aber allen wäre es von Wert gewesen&comma; Näheres zu erfahren über Klärchens neue Heimat&comma; und so war das Ende der Beratung doch&comma; daß Konrad nach Waldeck gehen und dort sein Glück probieren solle&period; Er schnürte sein Bündelchen und machte sich auf den Weg&period;<&sol;p>&NewLine;<p>An diesem Tag ging Klärchen so müßig umher&comma; daß es der Patin auffallen mußte&comma; denn sie war gewöhnt&comma; die Kleine immer mit ihrer Puppe beschäftigt zu sehen&period; »Wo ist denn heute deine Puppe&quest;« fragte sie&period; Klärchen erschrak&comma; nach Mines Warnung wagte sie nicht die Wahrheit zu sagen&period; »Hole doch deine Puppe herein&comma;« wiederholte Fräulein Stahlhammer&comma; »wo hast du sie denn&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich weiß nicht&comma;« sagte Klärchen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»So suche oder frage Mine danach&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Klärchen ging in die Küche&period; »Mine&comma; was soll ich sagen&comma; die Patin fragt nach der Puppe&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Sagst nur&comma; du habest sie bei der Tante gelassen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich habe aber schon gesagt&comma; daß ich nicht wisse&comma; wo sie ist&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Dann sagst du wieder so&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Lange scheute sich die Kleine&comma; wieder ins Zimmer zu gehen&semi; als sie es endlich tat&comma; stand Fräulein Stahlhammer in Hut und Mantel da&comma; im Begriff&comma; einen Ausgang zu machen&period; Klärchen hoffte schon&comma; sie würde nicht mehr gefragt&comma; aber das erste Wort der Patin war&colon; »Nun&comma; hast du die Puppe&quest; Hast du sie nicht gefunden&quest; Und Mine auch nicht&quest;« Die Kleine war in sichtlicher Verlegenheit&comma; die Patin merkte&comma; daß etwas nicht in Richtigkeit war&period; »Nun sag’ mir einmal&comma; wo sie ist&comma; Klärchen&quest;« Da schlug die Kleine die Augen nieder und sagte&colon; »Ich weiß nicht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Fräulein Stahlhammer suchte Mine auf&period; »Das Kind will mir nicht sagen&comma; wo die Puppe ist&period; Wissen Sie etwas davon&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ach&comma; das arme Wurm getraut sich’s nur nicht zu gestehen&comma; sie hat ja die Puppe mit auf die Reise genommen und unterwegs verloren&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Fräulein Stahlhammer war peinlich berührt&period; Das Kind hatte Mine ihr Vertrauen geschenkt&comma; ihr selbst aber die Unwahrheit gesagt&period; Ja&comma; diesmal mußte Strafe sein&semi; das war ein anderer Fall&comma; lügen durfte das Kind nicht&comma; um keinen Preis&period; Als sie wieder ins Zimmer kam&comma; warf die Kleine einen ängstlichen Blick auf sie&comma; ein böses Gewissen war deutlich auf dem Gesicht geschrieben&period; »Klärchen&comma;« sagte die Patin&comma; »warum hast du mir nicht gesagt&comma; daß du deine Puppe verloren hast&quest; Warum hast du gesagt&colon; ich weiß nicht&quest; Da hast du mich angelogen&comma; und das ist ganz abscheulich&comma; so mag ich dich nicht&comma; und so mag der liebe Gott dich nicht&period; Sieh&comma; wenn ein Kind so böse ist&comma; dann wird es genommen und zur Strafe da hinauf gesetzt&period;« Mit diesen Worten faßte Fräulein Stahlhammer die kleine Gestalt&comma; hob sie hoch hinauf und setzte sie oben auf den Schrank&comma; der an der Wand stand&period; Die Kleine schrie&comma; streckte beide Arme ängstlich an die Wand und wagte gar nicht&comma; von der Höhe herunter zu schauen&period; »Da bleibst du nun sitzen&comma;« sagte Fräulein Stahlhammer&comma; »und nimmst dir vor&comma; daß du ein andermal nicht mehr lügen willst&period; Alle unartigen Kinder werden da oben ganz brav&period; Sei nur still&comma; denn solange du noch weinst&comma; bist du noch ganz unartig und fällst vielleicht herunter&period; Wenn du aber brav sein willst und ruhig&comma; dann kannst du gar nicht fallen&comma; und wenn ich heimkomme&comma; hebe ich dich herunter&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Als Klärchen das hörte&comma; war sie ganz still&semi; die Patin ging&period; Draußen sagte sie noch zu Mine&colon; »Ich habe das Kind zur Strafe auf den Schrank gesetzt&period; Wenn ich in einer halben Stunde nicht kommen sollte&comma; dann holen Sie sie herunter&comma; aber früher nicht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die Patin ging&semi; neugierig schlich Mine sich ins Zimmer&period; Wirklich&comma; da saß die Kleine hoch droben&comma; regungslos an die Wand gedrückt&period; Mine fühlte sich selbst schuldig&comma; ihr Gewissen schlug&comma; gerne hätte sie die Kleine aus ihrer Lage erlöst&period; »Ich möchte dich gerne herunterholen&comma; Klärchen&comma;« sagte sie&comma; »aber wenn die Patin vielleicht noch einmal umkehrt&comma; zankt sie&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; du darfst mich nicht holen&comma; sonst falle ich&comma;« sagte Klärchen&period; »Bloß&comma; wenn man brav ist&comma; hält man fest&comma; die Patin hat’s gesagt&period; Gelt&comma; ich bin jetzt brav&quest; Ich lüge jetzt nicht und ich lüge auch das nächstemal nicht&comma; wenn ich ein Wickelkind verliere&period; Gelt&comma; dann kann ich gar nicht fallen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; nein&comma; du fällst nicht&comma;« beruhigte Mine&period; Sie hatte wirklich Mitleid&period; »Ich gehe schnell hinaus&comma; weil jemand geklingelt hat&comma; aber dann komme ich gleich wieder herein zu dir&period;« Geklingelt hatte Konrad&period; Daß er gerade in diesem Augenblick erschien&comma; paßte Mine vortrefflich&semi; er sollte nur seine kleine Schwester in ihrer traurigen Lage sehen&comma; das konnte schon zu dem Entschluß beitragen&comma; sie nicht hier zu lassen&period; Sie führte ihn unvorbereitet ins Zimmer und der gute Junge erschrak&comma; als er sein Klärchen in solcher Höhe erblickte&period; Sie aber strahlte&comma; als sie ihn hereinkommen sah&period; »Konrad&comma; Konrad&excl;« rief sie&comma; wagte sich aber nicht zu rühren&period; »Fräulein Stahlhammer hat sie da hinauf gesetzt&comma;« sagte Mine&comma; »zur Strafe&semi; ich darf es nicht herunterholen&comma; das arme Kind&period; Gut&comma; daß Sie da sind&comma; dann ist sie doch nicht so allein&comma; denn ich sollte kochen&comma;« und sie eilte in die Küche&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Konrads erster Gedanke war&comma; wie er wohl seine Schwester befreien könne&comma; denn er war empört&comma; sie in dieser hilflosen Lage zu finden&period; Aber als er nur ein Wort von seiner Absicht sagte&comma; wehrte Klärchen ab&period; »Ich muß bleiben&comma;« sagte sie&comma; »bis die Patin heimkommt&comma; ich muß still sein&comma; daß ich nicht falle&period;« »Aber was hast du denn Böses getan&quest;« fragte Konrad&comma; und mit tiefem Ernst im Gesichtchen antwortete die Kleine&colon; »Gelogen&excl;« Das war auch nach Konrads Ermessen ein ernster Fall&period; »Wegen meinem Wickelkind&comma;« sagte Klärchen&period; »Konrad&comma; es ist in den Schnee gefallen&comma;« und nun brach wieder der Jammer hervor&period; Aber da hatte Konrad den besten Trost&period; Schnell packte er sein kleines Ränzchen aus und hob hoch in die Höhe&comma; daß es Klärchen wohl hätte erreichen können&comma; das wiedergefundene Kleinod&period; Aber so groß auch ihr Verlangen war&comma; sie wagte nicht&comma; sich vorzubeugen&period; »Mein Wickelkind&excl;« rief sie und winkte zärtlich mit den Händchen&period; »Warte&comma; ich bringe dir’s&period;« Mit diesen Worten zog Konrad einen Tisch herbei&comma; stieg hinauf und legte die Puppe in Klärchens Arme und nun&comma; da er doch schon so hoch war&comma; schwang er sich vollends auf den Schrank&comma; setzte sich neben die kleine Schwester&comma; legte den Arm hinter sie&comma; und so beschützt fühlte sich die Kleine ganz glücklich&semi; streichelte bald den Bruder&comma; bald die Puppe&comma; bekannte auch ihre Unwahrheit und nahm die brüderlichen Ermahnungen zur Wahrhaftigkeit sehr ernst auf&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Während so das Geschwisterpaar nebeneinander saß&comma; kam Fräulein Stahlhammer mit eilenden Schritten schon wieder auf ihr Haus zu&period; Sie hatte mehrere Besorgungen machen wollen&comma; aber sie war kaum eine Viertelstunde aus dem Haus gewesen&comma; als der Gedanke an Klärchen sie beunruhigte&period; Wenn das Kind herunterfiele&quest; Aber sie selbst war auf diesem Strafplatz als kleines Mädchen auch gesessen und öfter als einmal ihr Bruder&comma; und man konnte doch von dem breiten festen Schrank gar nicht herunterfallen&period; Aber Klärchen war zarter&comma; ängstlicher&comma; wenn sie sich zu sehr aufregte oder wenn sie einschliefe&quest; Nein&comma; sie wollte lieber ihre Ausgänge ein andermal machen und heimgehen&period; »Ich hätte nicht fortgehen sollen&comma;« sagte sie sich&comma; »aber meine Mutter ist auch einmal fortgegangen&period;« Ja&comma; Fräulein Stahlhammer wußte es noch genau&comma; ihr Bruder war wohl schon eine Stunde lang zur Strafe droben gesessen&comma; und so oft ihn die Mutter fragte&comma; ob er nun brav sein wolle&comma; hatte er trutzig die Antwort verweigert&period; So war die Mutter fortgegangen und er hatte bis Abend ausharren müssen&period; Ob wohl auch Klärchen so trutzig sein würde&quest; Wie würde sie sie wohl finden&quest; Ungewöhnlich rasch stieg sie die Treppe hinauf&comma; schloß die Wohnung auf und öffnete mit wahrem Herzklopfen die Türe des Zimmers&period; An viele Möglichkeiten hatte sie gedacht&comma; aber an die nicht&comma; daß statt eines Kindes zwei auf dem Schrank sitzen würden&period; Wie ein Schutzengel erschien ihr der Knabe da oben&comma; der die ängstliche Kleine umschlungen hielt&semi; nur waren die langen Beine&comma; die da in beschmutzten Stiefeln am Schrank herunter hingen&comma; so gar nicht engelhaft anzusehen&period; Und nun machte der Schutzengel einen Satz herunter auf den Tisch&comma; von da auf den Boden&comma; grüßte in einiger Verlegenheit und sagte&colon; »Ich bin gerade zufällig mit der Puppe gekommen und habe sie Klärchen hinaufgereicht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Im ersten Augenblick war Fräulein Stahlhammer nur glücklich gewesen&comma; daß sie das Kind wohlbehalten vor sich sah&comma; im zweiten dachte sie&colon; Hätte lieber mein Bruder statt ihr Bruder Klärchen so getroffen&period; Was wird er denken und daheim berichten von mir&excl; »Klärchen ist in Strafe&comma;« sagte sie jetzt&comma; »weil sie mir die Wahrheit nicht gesagt hat&period; Aber sie will jetzt gewiß wieder brav sein&comma;« fuhr sie fort&comma; sich zu dem Kinde wendend und voll Sorge&comma; ob es nun einen peinlichen Auftritt geben werde&period; »Ich bin schon die ganze Zeit brav gewesen&comma;« sagte Klärchen&comma; »der Schrank hat auch gar nicht gewackelt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So ist’s recht&comma;« sagte die Patin&comma; der es ganz leicht ums Herz wurde&comma; »dann komm&comma; mein Kind&excl;« Und sie faßte Klärchen und hob sie herunter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Es war inzwischen Mittag geworden und Fräulein Stahlhammer lud Konrad zu Tisch&period; Er nahm es dankbar an&semi; noch hatte er die Frage nicht über die Lippen gebracht&comma; ob er einige Tage bleiben dürfe&period; Daheim war er wie ein Märtyrer angesehen worden&comma; daß er seine Ferienzeit bei Fräulein Stahlhammer zubringen wollte&comma; jetzt aber kam er sich nur wie ein zudringlicher Gast vor&period; Die Schwester kam ihm unwillkürlich zu Hilfe&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Darf denn der Konrad jetzt oft da essen&quest;« fragte sie und rückte ihren Stuhl ganz dicht an den seinigen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Das will er selbst nicht&comma;« sagte Fräulein Stahlhammer&comma; »sonst dürfte er’s wohl&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»O doch&comma; ich möchte schon&comma; wenn Sie es erlauben&comma;« sagte er&comma; sich an die Patin wendend&comma; »dürfte ich einige Tage dableiben&quest;« Fräulein Stahlhammer schien betroffen&period; Sie hatte so ein unbestimmtes Gefühl&comma; als habe man ihr einen Kundschafter ins Haus geschickt&comma; denn freiwillig war noch nie ein Kind zu ihr gekommen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Warum möchtest du da bleiben&quest;« fragte sie und sah ihn fest dabei an&period; Unwillkürlich erinnerte sich Konrad&comma; wie er daheim gesagt hatte&comma; er möchte dahinter kommen&comma; wie Fräulein Stahlhammer eigentlich sei&comma; und das harte Urteil&comma; das man über sie gefällt hatte&comma; kam ihm ins Gedächtnis&period; Er geriet in sichtliche Verlegenheit&semi; den wahren Grund konnte er nicht angeben&comma; Ausflüchte zu machen war er nicht gewöhnt&period; Aber Fräulein Stahlhammer brauchte auch keine Antwort mehr&period; Sie wußte genug&period; Ruhig und fest&comma; ihre große Gestalt stramm aufrichtend&comma; sagte sie&colon; »O ja&comma; du kannst hier bleiben so lange du willst&semi; dein Onkel und deine Tante können auch selbst kommen&comma; und es ist mir sogar lieber&comma; sie bleiben länger da als wenn sie&comma; wie dein Onkel an Weihnachten&comma; auf fünf Minuten kommen und dann ganz falsche Eindrücke mit wegnehmen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Es war gut&comma; daß Klärchen in der Herzensfreude über des Bruders längeren Besuch voll Fröhlichkeit war und harmlos plauderte&comma; sonst wäre das Mittagessen wohl etwas peinlich gewesen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Fräulein Stahlhammer war unwillkürlich zurückhaltend&semi; es lag ihrem Wesen fern&comma; sich einen guten Schein geben zu wollen&semi; sie war in diesen Tagen eher weniger herzlich gegen Klärchen als sonst&comma; und das Kind&comma; da es seinen geliebten Bruder als Gespielen hatte&comma; wandte sich nie an die Patin&period; Die Geschwister waren viel allein miteinander und da ging der Kleinen das Herz auf&comma; und allmählich kam alles zu Tag&comma; was sie erlebt hatte&period; Immer kehrte in ihren Berichten der Satz wieder&colon; »Das darf man nicht vor der Patin sagen&comma; Mine hat es verboten&period;« Auch daß Mine oft fortging und Klärchen ganz allein zu Hause ließ&comma; kam unter dem Siegel der tiefsten Verschwiegenheit heraus&comma; und Konrad war noch keine acht Tage im Haus&comma; als er schon den Eindruck hatte&comma; daß die anscheinend so wohlmeinende Mine auf sein Schwesterchen nur einen schlimmen Einfluß ausübe&comma; obwohl er nicht recht durchschauen konnte&comma; warum&period; Mit schwerem Herzen trennte er sich&comma; als die Feiertage vorüber waren&comma; von der Kleinen&comma; die ihn nicht ziehen lassen wollte&period; Es war ihm&comma; als ließe er sie unter Fremden&comma; während er selbst in einen trauten&comma; fröhlichen Familienkreis heimkehren durfte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Herr und Frau Professor Kuhn hatten inzwischen einen Beschluß gefaßt&period; Wenn Konrad mit ungünstigen Berichten zurückkäme&comma; so wollten sie an Ostern&comma; wo einer ihrer Kostgänger abgehen würde&comma; dem Vormund anbieten&comma; Klärchen zu sich zu nehmen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Und nun kam Konrad&comma; noch betrübt von dem Abschiedsschmerz&comma; und gleich der Beginn seiner Erzählung&comma; wie er die Kleine auf dem Schrank in Strafe getroffen habe&comma; weil sie nicht gewagt habe&comma; das Ungeschick mit der Puppe einzugestehen&comma; erregte einen Sturm der Entrüstung&semi; und als er noch den zweifelhaften Einfluß Mines hervorhob&comma; wurde beschlossen&comma; noch heute an den Vormund zu schreiben&period; Der Professor faßte einen Brief ab&comma; in dem er sich erbot&comma; Klärchen zu sich zu nehmen&comma; da sie ja nur auf Probe bei Fräulein Stahlhammer untergebracht sei&period; Die Geschwister wären wohl am glücklichsten&comma; wenn sie beisammen wären&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Herr Stahlhammer saß eben am Frühstück&comma; als der Brief ankam&period; Er erbrach ihn schon mit gerunzelter Stirne und sie wurde nicht heller beim Durchlesen&period; Am nächsten Sonntag fuhr er zu seiner Schwester hinaus und legte den Brief vor sie&period; »Da lies&comma;« sagte er&comma; »dieses Getue mit dem Kind ist mir allmählich zuwider&period;« Fräulein Stahlhammer las den Brief&period; Der Kundschafter hatte also keine befriedigende Kunde gebracht&period; Das tat ihr weh&period; Sie tat doch an dem Kind was sie konnte&period; Sie hätte es vielleicht selbst nach einem halben Jahr gern abgegeben&comma; aber daß diese Familie es ihr abverlangte&comma; verletzte sie&period; Konrad war nett gewesen&comma; sie hatte ihm zugetraut&comma; daß er Gutes berichten würde&period; Er kam ihr falsch vor&period; »Was soll ich den Leuten antworten&quest;« fragte ihr Bruder&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Daß ich das Kind behalten will&comma;« sagte Fräulein Stahlhammer bestimmt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Dauernd&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; dauernd&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das ist mir sehr angenehm&comma; Schwester&period; Ich werde dem Professor Bescheid geben und dann wird hoffentlich von dem Mädchen nicht mehr gesprochen&comma; bis es konfirmiert ist&semi; wenn alle Mündel so viel Plage machten&comma; fände man keinen Vormund mehr&excl;« Diesmal zog der Rat sehr befriedigt heimwärts und schrieb ganz artig&comma; er danke für den Vorschlag&semi; seine Schwester wolle das Kind dauernd behalten&comma; es sei dort in vorzüglicher Pflege&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als nach ihres Bruders Weggehen Fräulein Stahlhammer ihr Pflegekind aufsuchte&comma; und es allein in einer Ecke des Schlafzimmers still sitzend fand&comma; kam es ihr vor&comma; als habe sie dem Kind ein schweres Leid angetan&period; Ein fröhlicher Familienkreis hatte sich ihr geboten und sie hatte es daraus verbannt durch ihr Wort&colon; »Ich will es behalten&period;« Und dieses Wort hatte sie nicht aus edlen Gründen gesprochen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Bitter enttäuscht waren die Brüder&comma; als die abschlägige Antwort des Vormunds eintraf&period; Zu ändern war daran nichts mehr&comma; das sahen sie ein&comma; aber etwas konnte doch getan werden&comma; so dachte wenigstens Heinrich und er schmiedete ganz im stillen Pläne&period; Mußte Klärchen bei der Patin bleiben&comma; so sollte wenigstens Mine fort&comma; und das wollte er bewerkstelligen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Am nächsten Sonntag wanderte er ganz allein nach Waldeck&period; Von vier bis sechs Uhr war die Patin im Verein der Dienstmädchen&comma; das wußte er&period; Er strich ums Haus herum&comma; bis er die hohe Gestalt der Fräulein Stahlhammer über die Straße schreiten sah&comma; und bis sie endlich seinen Blicken in der Ferne entschwand&semi; dann ging er hinauf und als ihm Mine öffnete&comma; folgte er ihr in die Küche&comma; ohne nach seiner Schwester zu fragen&period; Heinrich war ein gut Stück kleiner als Konrad&comma; sah noch recht kindlich aus für seine zwölf Jahre&comma; aber ein schelmisches&comma; aufgewecktes Gesicht sah unter dem welligen Haar hervor&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Was willst du denn von mir&comma; Heinrich&quest;« fragte das Mädchen verwundert&period; »Ich habe Ihnen etwas mitgebracht&comma; Mine&comma;« sagte er und zog aus seiner Tasche ein Zeitungsblatt hervor&period; Neugierig sah sie hinein&comma; als er das Blatt aufschlug&period; »Da lesen Sie einmal&comma; Mine&comma; das ist unser Lokalanzeiger&comma; da sind lauter schöne Stellen für Dienstmädchen ausgeschrieben&period; Zum Beispiel da&colon; »Ein Dienstmädchen gesucht bei hohem Lohn&comma;« und da »Bei guter Behandlung« und vollends die Anzeige müssen Sie lesen »Alljährlich steigender Lohn und beste Behandlung&period;« Mit großer Aufmerksamkeit folgte Mine Heinrichs Fingerzeig&period; »Fein&comma;« sagte sie&comma; »aber ich will ja gar nicht fort von hier&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Warum denn nicht&quest; In der großen Stadt ist’s doch schöner&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Schon&comma; aber ich habe hier einen guten Bekannten&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ach&comma; gute Bekannte bekommen Sie bei uns auch&comma; sogar einen Jungfrauenverein gibt’s&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das ist doch wieder was anderes&comma;« sagte Mine&comma; »und warum soll ich denn fort&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich habe eben so gedacht&comma;« sagte der Schelm ganz ernsthaft&comma; »das Klärchen macht doch schon Arbeit und wenn nun mein Bruder und ich auch noch kommen –«<&sol;p>&NewLine;<p>»Zu uns&quest; Ins Haus&quest; Für ganz&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wir Geschwister möchten eben gern beisammen sein und Platz ist ja da&period; Wir haben freilich viele Sachen&period; Zum Beispiel meine Raupensammlung&semi; die müßte ich schon in der Küche aufstellen&comma; denn im Zimmer paßt das nicht&comma; weil die Raupen doch manchmal durchgehen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Pfui tausend&comma; sei mir still davon&comma;« sagte Mine&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Oho&comma; meine Raupen sind schön&comma; da sehen Sie doch einmal&comma;« und auf einmal zog er aus seiner Tasche ein Gläschen&comma; in dem ein paar Raupen von der dicksten Sorte herumkrochen&period; Er band es auf&comma; Mine wich ein paar Schritte zurück&comma; er folgte ihr&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Geh mir weg mit dem häßlichen Getier&comma; ich kann’s nicht leiden&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So&quest; das ist aber ärgerlich&period; Denn wo ich bin&comma; da sind auch Raupen und beim besten Willen kann man das nicht vermeiden&comma; daß sie manchmal herumkriechen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Schöne Aussicht&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Darum meine ich eben auch&comma; ob Sie nicht einen andern schönen Dienst suchen wollen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; wenn drei Kinder ins Haus kommen und Ungeziefer dazu&comma; dann gern&period; Es gibt ja auch hier Plätze genug&period; Mach doch dein Raupenglas wieder zu&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Gleich&comma; gleich&comma; lassen Sie doch sehen&comma; ich meine&comma; es krabbelt schon eine an Ihrem Rücken&comma; ja&comma; jetzt kommt sie an den Hals&period;« Mine tat einen lauten Schrei&period; »Tu sie weg&comma; du abscheulicher Bub du&comma; gleich tu sie weg&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma;« sagte Heinrich&comma; »aber sachte&comma; daß ihr nichts geschieht&comma; es ist eine von meinen größten&comma;« und der Schlingel berührte Mine sachte am Hals&comma; so daß sie die Raupe zu verspüren meinte&period; »Ich bitte dich&comma; Heinrich&comma; sei so gut&comma; nimm sie weg&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; wenn Sie mir versprechen&comma; daß Sie gehen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Gern&comma; gern&comma; ich mag ja gar nicht mehr bleiben&period; Ist das Tier weg&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Gleich kommt’s weg&period; Gehen Sie im nächsten Monat&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; ja&comma; auf den Ersten&comma; so bald wie möglich&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Dann ist’s recht&semi; da ist ja schon die Raupe wieder im Glas&comma; sehen Sie nur&period;« Lachend lief er dem zürnenden Mädchen davon&period; »Jetzt will ich zu Klärchen&comma;« sagte er&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als sich Mine ein wenig beruhigt hatte&comma; nahm sie das Zeitungsblatt wieder&semi; die feine Stelle mit dem alljährlich wachsenden Lohn fesselte sie doch und gab ihr zu denken&semi; schließlich konnte man seine guten Bekannten auch von der Stadt aus treffen&period; Heinrich machte sich zeitig auf den Heimweg&period; Er war in vergnügter Stimmung&period; Der erste Plan war gelungen&comma; nun kam der zweite&period; Zu Hause sagte er gar nichts davon&comma; denn Onkel und Tante wollten sich nicht in die Angelegenheiten von Fräulein Stahlhammer mischen&semi; es war ja auch nicht nötig&comma; das konnte er schon selbst besorgen&period; Er wollte auch Konrad nicht einweihen&comma; denn der hatte immer so vielerlei Bedenken und würde auch jetzt immer nur sagen&colon; »Das geht nicht&period;« Es mußte aber fein gehen&excl;<&sol;p>&NewLine;<p style&equals;"text-align&colon; center&semi;">VII&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Unter der großen Anzahl von Dienstmädchengesuchen konnte man am nächsten Tag im Lokalanzeiger lesen&colon; »Es wird ein recht gutes&comma; freundliches Dienstmädchen gesucht bei stets steigendem Lohn&period; Näheres um zehn Uhr im Gymnasiumshof&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Als der Zeitungsträger den Lokalanzeiger wie jeden Tag mittags ins Haus brachte&comma; sah Heinrich ganz begierig nach&colon; richtig&comma; da kam seine Anzeige unter vielen andern&period; Er war überzeugt&comma; daß niemand außer Stellensuchenden diese Anzeige lesen würde und daß er gewiß ganz unvermerkt während der Unterrichtspause&comma; die von zehn bis ein Viertel auf elf Uhr stattfand&comma; in den Hof des Gymnasiums gehen und sich unter den Dienstmädchen&comma; die da kommen würden&comma; die freundlichste heraussuchen könne&period; Name und Wohnung der Patin hatte er schön deutlich auf einen Zettel geschrieben&comma; den wollte er dann der Auserwählten geben&comma; damit sie sich Fräulein Stahlhammer anbiete&period; Nur durfte sie nicht sagen&comma; wer sie geschickt habe&semi; wenn sie ihm nur das gewiß versprach&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Es hatte aber doch noch jemand anders als nur Dienstmädchen die Anzeige gelesen&period; Der Schuldiener des Gymnasiums hatte eine Frau&comma; die von der ganzen Zeitung nichts las als die Anzeigen&comma; diese aber gründlich&period; Sie brachte am Abend ihrem Mann das Blatt&period; »Da sieh doch nur&comma; wer kann das sein&comma; der die Dienstmädchen in unseren Hof bestellt&excl;« Der Schuldiener machte ein ernstes Gesicht&period; »Das ist ein Unfug&comma;« sagte er »und muß dem Herrn Rektor gemeldet werden&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Laß mich nur erst besinnen&comma;« sagte die Frau&comma; »es kommt doch darauf an&comma; wer’s ist&semi; das bring ich schon heraus&comma; es muß ja von unseren Professoren jemand sein&period; Einer&comma; der nicht will&comma; daß das Mädchen sich in der Wohnung zeigt&comma; weil der alten noch nicht gekündigt ist&period; Der Herr Rektor selbst ist’s natürlich nicht&comma; der Herr kümmert sich nicht um das Dienstpersonal&comma; und von den alten Herren täte so etwas auch keiner&period; Weißt du&comma; wer das ist&quest; Niemand anders als der neue Mathematikprofessor&period; Bei dem ist immer Magdnot&comma; sie ist keine rechte Hausfrau und er ist ein guter Mann und ein absonderlicher&period; Der macht sich gar nichts daraus&comma; wenn’s seine Frau haben will&comma; und läßt die Mädchen kommen und schaut sie durch seine Brille an und nimmt dann natürlich die ungeschickteste&period; Da muß ich schon um den Weg sein und zum Rechten sehen&comma; daß er nicht gar so dumm hineintappt&period; Brauchst dem Rektor nichts zu sagen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Aber der Diener kannte seine Pflicht&period; Er ließ seine Frau reden und brachte das Zeitungsblatt dem Rektor der Anstalt&comma; einem älteren ruhigen Herrn&comma; dem schon Schwierigeres im Leben vorgekommen war&period; Ihm teilte er auch die Vermutung seiner Frau mit&period; »Es kann ja sein&comma; daß Professor Graun&comma; der hier noch fremd ist&comma; auf diesen etwas wunderlichen Gedanken kam&comma;« sagte der Rektor&comma; »ich werde ihn vorher fragen&comma; dann kann die Sache noch anders eingerichtet werden&period; Es wäre mir lieb&comma; wenn sich Ihre Frau nicht einmischte&comma; können Sie das verhindern&quest;« fragte er mit feinem Lächeln&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Herr Rektor&comma; Sie wissen ja selbst&comma; sie ist ein wenig neugierig&comma; sozusagen gewalttätig&semi; man bringt sie nicht recht aus dem Weg&comma; wenn so etwas los ist&period;« »Nun es wird sich schon machen lassen&comma;« sagte der Rektor&comma; »die Sache ist ja gar nicht so vieler Worte wert&period; Wenn Professor Graun morgen früh kommt&comma; so bitten Sie ihn&comma; einen Augenblick zu mir zu kommen&period;« Damit war der Diener entlassen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Am nächsten Morgen vor acht Uhr&comma; als der Mathematikprofessor ins Gymnasium kam&comma; wurde ihm der Auftrag des Rektors ausgerichtet&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wissen Sie vielleicht&comma; wer diese Anzeige eingerückt hat&quest;« fragte der Rektor&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; davon habe ich keine Ahnung&period;« Der Rektor ging in den großen Gang&comma; der in dem alten Gymnasiums-Gebäude auf drei Seiten den Hof umschloß&period; Durch diesen Gang hatten die Klassenzimmer ihren Eingang&period; Mit dem Anzeiger in der Hand stellte sich der Rektor an eines der Fenster&period; Um diese Zeit herrschte hier lautes Leben&comma; alle die Schüler polterten die Treppe herauf und trabten über den Gang nach ihren verschiedenen Zimmern&comma; dazwischen war der langsamere&comma; festere Tritt der Lehrer hörbar&period; Heute wurde von letzteren ein jeder abgefaßt&semi; der Rektor fragte nach der Anzeige&comma; aber keiner wollte etwas davon wissen&period; Unter diesen Professoren war auch Heinrichs Onkel&period; Professor Kuhn aber ahnte ebensowenig wie die andern den Urheber der Anzeige und konnte darüber keinen Aufschluß geben&period; Allmählich kamen nur noch vereinzelte Schüler&comma; jetzt schlug es 8 Uhr&comma; und die größte Stille herrschte in dem noch eben so belebten Gebäude&comma; der Unterricht begann&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Schlag 10 Uhr ertönte unten in des Dieners Wohnung ein zweimaliges Glockenzeichen&semi; dies war der verabredete Ruf&comma; dem die Frau des Dieners in das Rektoratszimmer zu folgen hatte&period; Sie stand schon am Posten am Eingang des Hoftors&comma; ihre Neugierde war aufs höchste gespannt&period; Nein&comma; wie fatal&comma; gerade in dem Augenblick klingelte ihr der Rektor&period; Diesmal sollte nur ihr Mann an ihrer Stelle gehen&period; »Peter&excl;« rief sie&comma; Peter&excl;« Von Peter kam keine Antwort&comma; dagegen wiederholte sich noch etwas stärker das Glockenzeichen&semi; da gab es kein Besinnen mehr&period; Sie ging die Treppe hinauf&comma; so schnell als es ihr&comma; der wohlbeleibten Frau&comma; möglich war&period; Einen Blick warf sie noch zurück&comma; ehe sie den Hof aus dem Auge verlor&comma; und da glaubte sie gerade noch ein Mädchen&comma; ein ganz fein gekleidetes&comma; durch das Hoftor kommen zu sehen&period; Der Rektor wartete schon unter der Türe seines Zimmers auf sie&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Gehen Sie sogleich hinauf in die Bodenkammer und holen Sie mir aus dem Kasten Nr&period; 5 alle diejenigen Hefte&comma; die mit Klasse IX Jahrgang 88 bezeichnet sind&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ach&comma; das war bitter&excl; Bis diese Hefte ausgesucht waren&comma; ging jedenfalls eine Viertelstunde hin&excl; Eine so bedeutsame Viertelstunde&excl; An eine Widerrede war nicht zu denken&comma; sie mußte hinauf in die Bodenkammer&period; Aber etwas Glück ist doch meist beim Unglück&comma; der Kasten Nr&period; 5 stand nahe bei der Dachlücke&comma; und aus dieser herunter konnte man den Hof überblicken&period; Und da sah denn die gute Frau von ihrer Höhe aus was vorging&period; Die Schüler rannten wie alle Tage während der Pause in den Hof hinunter&comma; der Herr Rektor und die Herren Professoren blieben aber nicht wie sonst in der kalten Jahreszeit in ihren Zimmern&semi; einer nach dem andern erschien auf dem Gang&comma; offenbar war jeder neugierig zu sehen was im Hof vor sich ging&semi; auch Professor Kuhn war unter ihnen&semi; und hinter seinem Fenster im Erdgeschoß blickte der Schuldiener hervor&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nun kam von der Straße herein durch den Torweg ganz unbefangen ein Dienstmädchen und sah sich um&comma; nicht ahnend&comma; daß sie von so vielen gestrengen Herren beobachtet wurde&comma; denn sie traten alle etwas zurück&comma; um nicht bemerkt zu werden&period; Unter den herumtollenden Knaben trat einer auf das Mädchen zu&period; Es war Heinrich&period; »Das ist der kleine Schubert&comma;« sagte einer der Lehrer zu dem andern&period; »Ihr Kostgänger&comma; nicht wahr&comma; Herr Professor Kuhn&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Mein Neffe und Pflegesohn&period; Sie sind verwaist&comma; die beiden Schuberts&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ein aufgeweckter&comma; netter Bursche&semi; von allen merkt keiner außer ihm&comma; daß dies Mädchen jemanden sucht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; er ist immer dienstfertig&comma; und wie eingehend er Bescheid gibt&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Der betreffende Herr oder Dame&comma; die die Mädchen hierher bestellt hat&comma; scheint sich verspätet zu haben&semi; aber da kommt schon wieder eine&comma; das ist eine stattliche Person&semi; und richtig&comma; der kleine Schubert nimmt sich ihrer wieder an&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die Herren Professoren lachten&period; Hätten sie das Zwiegespräch zwischen dem Dienstmädchen und Heinrich gehört&comma; so wären sie wohl erstaunt gewesen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich habe mir ja gleich gedacht&comma; daß das nichts Rechtes ist&comma;« sagte die große stattliche Köchin&comma; »nur weil ich gerade vom Markt komme&comma; hat mich die Neugier hereingetrieben&comma; wer sich denn die Mädchen in den Gymnasiumshof bestellt&period; Daß es nur so ein kleiner Lausbub ist&comma; hätte ich mir aber doch nicht gedacht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Es ist aber eine ganz gute Stelle&comma;« sagte Heinrich&comma; »und ich hab’s getan wegen meiner kleinen Schwester&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Was wär’ denn hernach der Lohn&quest;« fragte die Köchin von oben herab&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»So genau weiß ich das nicht&comma;« sagte Heinrich und dann&comma; da hierauf das Mädchen höhnisch lachte und so gar nicht gutmütig aussah&comma; fügte er offenherzig hinzu&colon; »Ein besonders gutes Mädchen müßte es aber sein&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; ja&comma; und eine rechte dumme dazu&excl; Sieh&comma; da kommt so was&comma; das sieht dumm genug aus&comma; um auf deinen Leim zu gehen&period;« Die Große verschwand&comma; ein kleineres&comma; vielleicht siebzehnjähriges Mädchen erschien im Hof&comma; und diesmal ging Heinrich gleich auf sie zu&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Oben bemerkte der Rektor&colon; »Man könnte meinen&comma; der kleine Schubert habe sie bestellt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; wahrhaftig&comma;« sagte sein Klassenlehrer&comma; »er ist oft ein rechter Schelm und hat närrische Einfälle&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Es kommt mir auch wunderlich vor&comma;« meinte Professor Kuhn&comma; dem es schon geraume Zeit unbehaglich zu Mute war&comma; während er seinen Neffen beobachtete&period; Inzwischen hatte Heinrich in eiligen Worten – denn er fürchtete&comma; das Ende der Pause möchte seine Unterhandlungen unterbrechen – dem Mädchen gesagt&comma; er wisse eine feine Stelle bei einem alten Fräulein und einem herzigen kleinen Mädchen&period; Und dann schilderte er so rührend sein verwaistes Schwesterchen&comma; daß er des Mädchens Teilnahme erregte&period; »Ich habe meine Mutter auch schon lange verloren&comma;« sagte sie&comma; »und deshalb bin ich schon seit meinem fünfzehnten Jahr im Dienst und hab’s so hart als Spülerin in einer Schenke&period; Wenn ich in ein so feines Haus kommen könnte&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Freilich können Sie&comma; da ist Name und Wohnung aufgeschrieben&period; Fahren Sie nur gleich am Sonntag hinaus&comma; aber ja nicht sagen&comma; daß ich Sie geschickt habe&comma; bloß&colon; Sie hätten’s gehört&comma; nicht von wem&period; Und wenn Sie erst mein Klärchen sehen&comma; dann werden Sie sich gar nimmer besinnen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wie ist denn die Wohnung&quest; Viele Zimmer und weiße Böden&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja freilich&comma; Platz genug und alles sauber und rein&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich meine nur so&comma; wenn’s so viele Zimmer sind&comma; wegen dem Putzen&comma; wenn alle Böden weiß sind –«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja so&comma; ich glaube&comma; sie sind doch nicht weiß&comma; mehr so bräunlich –«<&sol;p>&NewLine;<p>»Vielleicht Parkett&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; ja wahrscheinlich&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Parkett ist zum Reinigen fast noch anstrengender&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich glaube auch gar nicht&comma; daß sie Parkett sind&comma; wie heißt man die Böden&comma; die so bequem sind zum Putzen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Die angestrichenen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; ja&comma; angestrichen sind glaube ich alle&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Und wie ist denn der Lohn&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Der ist hoch und alljährlich wachsend&comma; so viel ich weiß&period; Fräulein Stahlhammer wird Ihnen das alles sagen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ist’s ein gutes Fräulein&quest; Ich frage ja nur&comma; weil’s das Kind nicht gut hat&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja so&comma; ja das Fräulein ist in allen wohltätigen Vereinen und schreibt sehr schöne Briefe&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich wollte schon hinaus am Sonntag und mir’s ansehen&comma; aber ums Fahrgeld ist mir’s halt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ach&comma; ans Fahrgeld habe ich gar nicht gedacht&semi; aber warten Sie nur&comma; ich kann Ihnen schon etwas geben&semi; dreißig Pfennig kostet die Fahrkarte&comma; so viel habe ich vielleicht noch Taschengeld&comma; aber die Anzeige war so teuer&period;« Heinrich zog sein Beutelchen&period; »Nein&comma; siebenundzwanzig sind’s nur noch&comma; aber drei können Sie wohl darauflegen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma;« sagte das Mädchen gutmütig&comma; »den letzten Pfennig will ich Ihnen auch nicht abnehmen&comma; wenn ich nur zwanzig bekomme&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Gut&comma;« sagte Heinrich&comma; »dann habe ich doch noch sieben im Beutel&comma; die Woche ist noch lang&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die Professoren hatten von Heinrichs Worten nichts verstehen können&comma; aber als sie sahen&comma; daß sich allmählich eine ganze Anzahl Schüler neugierig um die Beiden sammelte und daß Heinrich seinen Geldbeutel hervorzog&comma; machten sie der Sache ein Ende&semi; Professor Kuhn rief seinen Neffen herauf&comma; gerade in dem Augenblick&comma; als das kleine Dienstmädchen durch den Torweg verschwand&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als Heinrich in fröhlicher Stimmung&comma; dem Ruf seines Onkels folgend&comma; die Treppe hinaufsprang&comma; war er nicht wenig bestürzt&comma; den ganzen Gang voll Professoren zu sehen&comma; ja sogar den Rektor neben seinem Onkel und dem Klassenlehrer&period; Ihm ahnte nichts Gutes und sein Herz klopfte angesichts so vieler gestrenger Herren&period; Es begann auch sogleich ein peinliches Verhör&period; Der Rektor fragte zuerst&colon; »Was hast du mit dem Mädchen im Hof gesprochen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Einen Augenblick zauderte Heinrich&period; So gewissenhaft wie sein älterer Bruder war er von Natur nicht und nicht immer hatte er bei seinen Streichen der Versuchung widerstanden&comma; sich ein wenig herauszuschwindeln&period; Diesmal aber&comma; in dem Gefühl&comma; daß er in bester Absicht gehandelt hatte und auch unter dem Eindruck der Würdenträger&comma; die vor ihm standen&comma; hielt er mit der Wahrheit nicht zurück&comma; sondern sagte gerade heraus&colon; »Ich habe das Mädchen gedungen für Fräulein Stahlhammer&comma; bei der meine kleine Schwester ist&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So war von dir diese Anzeige verfaßt&quest;« fragte der Rektor&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma;« sagte Heinrich&comma; »die ist von mir&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wer hat davon gewußt&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wem hast du es vorher mitgeteilt&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Gar niemand&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Heinrich&excl;« sagte der Onkel vorwurfsvoll&comma; »weder der Tante noch Konrad&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Niemand&comma;« sagte Heinrich&comma; »sie wären doch alle dagegen gewesen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Damit gibst du zu&comma;« sagte langsam und nachdrücklich Heinrichs Klassenlehrer&comma; »daß du dir wohl einer unrechten oder törichten Handlung bewußt warst&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Für unrecht habe ich’s nicht gehalten&comma;« sagte Heinrich&comma; »aber für anders als man’s gewöhnlich macht&comma; und das wollen sie immer nicht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Sie wollen es nicht&quest; Wer ›sie‹&quest;« fragte der Klassenlehrer scharf&period; »Wen meinst du mit diesem geringschätzigen ›sie‹&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Bloß die Menschen&comma;« sagte Heinrich&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich verstehe den Zusammenhang nicht&comma;« sagte der Rektor&comma; sich an Professor Kuhn wendend&comma; »was kann ihn veranlaßt haben&comma; für andere Leute ein Mädchen zu dingen&quest; War er beauftragt&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; es geschah offenbar aus Mitleid&period; Seine kleine Schwester wird in ihrem Kosthaus von dem Dienstmädchen allem Anschein nach nicht gut behandelt und beeinflußt&semi; darüber waren die Brüder – und ich allerdings mit ihnen – sehr betrübt&period; Meine Frau und ich konnten uns aber der Verhältnisse wegen nicht einmischen&comma; und so scheint er auf diesen Ausweg verfallen zu sein&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nun&comma;« fragte der Rektor&comma; »und was hast du denn ausgerichtet&quest; es sind wie mir scheint mehrere gekommen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; zwei waren nichts&comma; aber die dritte ist fein&comma; sie hat mir versprochen&comma; daß sie nach Waldeck fährt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Man darf vielleicht&comma;« sagte der Onkel&comma; sich an den Rektor und den Klassenlehrer wendend&comma; »die Anhänglichkeit der drei erst kürzlich verwaisten Geschwister als Entschuldigung für Heinrich ansehen&period; Er hat es gut gemeint mit seiner Schwester&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wenn Sie es so auffassen&comma;« sagte der Rektor&comma; »so schließe ich mich Ihnen an&comma; Sie kennen die Verhältnisse&period; Ich sehe keine strafbare Handlung in dem Vorgefallenen&semi; du kannst gehen&comma; Heinrich&period;« Dieser ließ sich’s nicht zweimal sagen&semi; wie ein Wiesel schlüpfte er zwischen den Herren hindurch&comma; möglichst schnell&comma; denn wer konnte wissen&comma; ob die Sache nicht eine andere Wendung nehme&semi; seinem Klassenlehrer traute er nichts Gutes zu&comma; er sah ihn so ungnädig an&period; In der Tat sagte dieser auch etwas mißbilligend zum Rektor&colon; »Er ist gut durchgekommen für diese unziemliche Handlung&comma; fast zu gut&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma;« sagte der Rektor&comma; »schicken Sie ihn nach Schluß der Schule noch einmal allein in mein Zimmer&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Diese Worte waren sehr nach dem Sinn des gestrengen Lehrers&semi; Heinrich aber war bestürzt&comma; als er durch den Lehrer erfuhr&comma; daß noch etwas nachkommen sollte&period; Er fand sich nach dem Schluß der Schule im Zimmer des Rektors ein&period; &lpar;Auf dem Tisch lagen die Hefte der IX&period; Klasse aus dem Jahrgang 88&period;&rpar; »Du bist heute ohne Strafe durchgekommen&comma;« sagte der Rektor&comma; »das verdankst du der Fürsprache deines Onkels&period; Mit väterlicher Treue ist er für dich eingetreten&period; Einen andern Mann an seiner Stelle hätte es gekränkt&comma; daß du ohne sein Wissen solche Dinge unternimmst&period; Er hat bewiesen&comma; daß er dich lieb hat&period; Hast du auch ihn lieb&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma;« sagte Heinrich&comma; und das kam von Herzen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Dann beweise auch du es&period; Wie&comma; das muß dir dein Herz sagen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich will’s tun&comma;« sagte Heinrich&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Und noch etwas&colon; du hast dich darüber beschwert&comma; daß die Menschen nie etwas anders machen wollen&comma; als man es gewöhnlich macht&comma; und das war der Grund&comma; warum du deine Absicht&comma; ein Mädchen zu dingen&comma; nicht vorher verraten hast&comma; nicht wahr&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma;« sagte Heinrich&comma; »es heißt immer&colon; das kann man nicht&comma; oder&colon; so macht’s niemand&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Da hast du recht&period; Viele Menschen getrauen sich ihr ganzes Leben hindurch nicht&comma; nach eigenen Gedanken zu handeln&period; Bei ihnen heißt es&colon; so machen’s alle Leute&period;« »Ja&comma; ja&comma;« sagte Heinrich von Herzen zustimmend&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Es soll mich freuen&comma; wenn du einmal nicht zu denen gehörst&comma; sondern wenn du später als Mann sagst&colon; Ich tue&comma; was gut und verständig ist&comma; ob’s nun andere auch so machen oder nicht&period; Aber wohlverstanden&colon; erst als Mann&period; So lange du noch jung und unselbständig bist&comma; darfst du dir nicht herausnehmen&comma; nach eigenem Gutdünken zu handeln&semi; kannst auch überzeugt sein&comma; daß es meistens nicht gut ausfallen würde&period; Also für die nächsten Jahre&colon; Vertraue alles deinem Onkel an&comma; und was du ihm nicht sagen magst&comma; das unternimm auch nicht&period; Und jetzt gehe und tue was recht ist&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Heinrich kam später als sein Onkel von der Schule heim&period; Inzwischen hatte dieser noch über die Sache nachgedacht und war ärgerlich über den Jungen&period; Wer konnte wissen&comma; was der alles anstellen würde&comma; nachdem er einmal angefangen hatte&comma; hinter seiner Pflegeeltern Rücken solche Dinge zu unternehmen&excl; Und wie sollte diese Sache ausgehen&excl; Fräulein Stahlhammer ließ sich kein Mädchen aufdrängen&comma; am wenigsten&comma; wenn es von dieser Seite kam&semi; Mine würde auch nicht gehen&comma; und bei der ganzen Sache nichts herauskommen als Verstimmung&period; Der Professor saß eben vor seinem Schreibtisch&comma; in dem er seine Hefte verwahrte&comma; ehe er zu Tisch ging&period; Die Jugend versammelte sich schon im Eßzimmer&comma; da ging die Türe auf und Heinrich sah herein&period; Er gehörte nicht zu denen&comma; die ihre Empfindungen schwer über die Lippen bringen&period; Lebhaft ging er zu seinem Onkel und dessen Hand fassend sagte er&colon; »Das war so fein von dir&comma; Onkel&comma; daß du mir geholfen hast&period; Mein Professor hätte mich ja am liebsten in den Karzer gesteckt&comma; wenn du mir nicht zu Hilfe gekommen wärst&comma; ich danke dir recht schön dafür&excl; Sogar der Herr Rektor hat etwas von deiner väterlichen Fürsorge gesagt&comma; es war etwas sehr Schönes&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Den Onkel freute Heinrichs Dankbarkeit&comma; er sah schon wieder ganz freundlich auf seinen Neffen&period; »Die Hauptsache ist&comma;« sagte er&comma; »daß du nicht noch einmal so etwas tust&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; in den nächsten Jahren nicht mehr&comma; das habe ich schon mit dem Herrn Rektor ausgemacht&period; Aber dann&excl; Gehen wir jetzt zum Essen&comma; Onkel&quest; Ich habe in der Pause nichts essen können&comma; bin furchtbar hungrig&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So komm&comma;« sagte der Onkel und sie gingen unwillkürlich Hand in Hand – es war wohl der Rektor&comma; der diese Hände ineinandergelegt hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p style&equals;"text-align&colon; center&semi;">VIII&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Am nächsten Sonntag&comma; als Mine eben in ihrer Küche abspülte&comma; klingelte es und ein Mädchen meldete sich&period; Sie sei aus der Stadt hierhergeschickt worden&comma; weil man hier ein Dienstmädchen suche&period; Mine traute kaum ihren Ohren&period; »Das ist aber unerhört&comma;« rief sie&comma; »ich habe ja noch gar nicht gekündigt und mein Fräulein weiß von nichts&period; Wer hat Sie denn geschickt&quest; Gewiß Frau Professor Kuhn&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; die kenne ich nicht&comma; im Hof ist’s besprochen worden&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das kann ich nicht begreifen&period; Ja was mache ich denn jetzt&quest; Versuchen Sie’s eben und gehen Sie hinein&period; Wenn das Fräulein Sie will&comma; dann soll’s mir auch recht sein&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Da ist ein Mädchen&comma;« sagte Mine&comma; indem sie die Türe aufmachte zu dem Eßzimmer und sich rasch wieder zurückzog&period; Fräulein Stahlhammer saß da&comma; die Zeitung lesend&comma; und Klärchen war mit ihrer Puppe beschäftigt&period; »Was möchten Sie von mir&quest;« fragte Fräulein Stahlhammer&comma; »wer sind Sie&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Katharine Schwarz heiße ich und weil ich gehört habe&comma; daß Sie ein Mädchen suchen&comma; wollte ich mich vorstellen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das ist jedenfalls eine Verwechselung&comma;« sagte Fräulein Stahlhammer&comma; »ich suche keines&period; Wer hat Ihnen denn das gesagt&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Im Hof ist’s gesprochen worden&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So&comma; da wird viel geklatscht&period; Ich habe mein Mädchen schon seit fünf Jahren und behalte sie auch&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Dann bin ich ganz umsonst von der Stadt herüber gefahren&comma;« sagte das Mädchen&period; »Ich wäre erst so gerne gekommen&semi; so ein stilles Plätzchen bei guten Leuten&comma; das gefiele mir&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das tut mir leid für Sie&period; Vielleicht ist’s in einem der Nachbarhäuser&period; Meine Mine weiß das&period; Kommen sie einmal mit mir in die Küche&period;« Das Mädchen folgte ihr&period; »Mine&comma; nehmen Sie sich um das Mädchen an&comma; sie ist irrtümlicher Weise zu uns gekommen&period; Schenken Sie ihr eine Tasse Kaffee ein&comma; vielleicht wissen Sie hier auch ein Plätzchen für sie&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Nun waren die beiden zusammen in der Küche&semi; Mine räumte noch ihr letztes Geschirr auf und Katharina ließ sich den Kaffee schmecken&comma; nachdem sie zuerst große Umstände gemacht hatte&comma; ihn anzunehmen&period; »Da gefiele mir’s&comma;« sagte sie&comma; »so ein freundliches Fräulein&comma; das gleich Kaffee einschenken läßt und so stattlich und hochgewachsen und alles so nobel und fein im Haus&comma; und dem Kind sieht man’s von fern an&comma; wie gut es ist&period;« Im Lauf des Gesprächs hatte Mine bald herausgebracht&comma; daß kein anderer als Heinrich das Mädchen hergeschickt hatte&period; Ja&comma; der Schlingel&comma; wenn der wirklich ins Haus kam mit seinen Raupen und der große Bruder auch noch dazu&comma; dann waren ihre guten Tage dahin&excl; Sie hatte ja eigentlich auch versprochen zu gehen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Inzwischen hatte Klärchen zur Patin gesagt&colon; »Kann das gute Mädchen nicht bei uns bleiben&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wir haben ja unsere Mine&comma;« sagte die Patin&comma; »die ist auch gut&period;« Fräulein Stahlhammer nahm wieder die Zeitung&comma; aber es war nicht viel mit dem Lesen&period; Nie hatte sie noch daran gedacht&comma; Mine zu entlassen&comma; und jetzt auf einmal kam ihr der Gedanke&comma; wie verlockend es wäre&comma; mit dem jungen Mädchen&comma; das so freundlich aussah&comma; ganz neu anzufangen&period; Mine war im Lauf der Jahre so selbständig geworden&comma; sie nahm ihr auch die Kleine ganz aus der Hand&period; Sie sagte so oft&colon; »Die Kleine spürt’s&comma; daß Sie seine Mutter nicht sind&comma;« das tat ihr jedesmal weh&period; Ein neues Mädchen würde so etwas nicht denken und jedenfalls nicht sagen&period; Was wohl Mine zu dem Vorschlag sagen würde&comma; daß sie diesem Mädchen weichen sollte&quest; Unentschlossen ging sie auf und ab&comma; es fehlte ihr der Mut&period; »Was würde mein Bruder von mir denken&quest;« sagte sie sich selbst&comma; »er würde zu mir sagen&colon; »Du&comma; die große Stahlhammer&comma; traust dich nicht mit deinem Mädchen zu reden&quest;« Wirklich&comma; sie war allmählich dieser Mine gegenüber ganz schüchtern geworden&period; Sie schämte sich ihrer Schwäche&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Klärchen&comma; sage doch Mine&comma; sie möge herein kommen&period;« Mine kam&comma; Klärchen blieb in der Küche und schloß Freundschaft mit Katharine&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Es scheint ein ordentliches Mädchen zu sein&quest;« sagte Fräulein Stahlhammer zu Mine&period; »Ja&comma; ein gutes Zeugnis hat sie bei sich und ein armes Ding ist’s&comma; dem’s immer hart gegangen ist bisher&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Nun nahm Fräulein Stahlhammer einen Anlauf&colon; »Wie wär es&comma; Mine&comma; wenn ich es mit diesem Mädchen versuchte und Sie mit einem andern Dienst&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Zu Fräulein Stahlhammers großem Erstaunen war Mine’s sofortige Antwort&colon; »Gerade wollte ich’s auch vorschlagen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p style&equals;"text-align&colon; center&semi;">&ast; &nbsp&semi; &nbsp&semi; &nbsp&semi; &nbsp&semi; &nbsp&semi; &nbsp&semi; &nbsp&semi; &nbsp&semi;&ast;<br&sol;> &ast;<&sol;p>&NewLine;<p>Einen Monat später war Mine abgezogen&comma; in der Küche hauste das neue Mädchen&period; Es war der erste Abend&period; Bisher war es immer Mine gewesen&comma; die Klärchen begleitet hatte&comma; wenn sie zu Bett ging&semi; heute besorgte das die Patin selbst&comma; sie wollte es nun immer tun&period; Sie blieb noch ein wenig sitzen am Bett der Kleinen und diese plauderte ganz zutraulich&period; »Kommst du jetzt alle Tage selbst mit mir&quest;« fragte das Kind&period; »Ja&comma; wenn ich nicht im Verein bin&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Hat unsere Katharina auch einen Verein&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; Kind&comma; Mine hat ja auch keinen gehabt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber sie ist doch oft abends fortgegangen&comma; wenn du fort warst&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wirklich&quest; Das hast du mir nie gesagt&period; Hat sie dich dann allein gelassen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; aber das hat man gar nicht sagen dürfen&comma; nur dem Konrad habe ich’s gesagt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das mußt du dir nicht verbieten lassen&comma; Klärchen&period; Wenn die Katharina einmal will&comma; daß du mir etwas nicht sagst&comma; dann mußt du gleich antworten&colon; Der Patin sage ich alles&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So&quest; So soll ich’s machen&quest;« sagte die Kleine ganz verwundert&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; so sollst du’s machen&comma; so machen es alle lieben kleinen Kinder&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die Patin gab dem Kind einen Kuß und beide hatten das Gefühl&comma; es sei etwas weg&comma; das sie bisher getrennt hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Mehrere Sonntage waren vergangen&comma; ohne daß zur Familie des Professors irgend etwas aus dem Hause Stahlhammer gedrungen wäre&period; Die Brüder scheuten sich&comma; hinzugehen&comma; wußten sie doch nicht&comma; wie Heinrichs Einmischung in die Dienstbotensache aufgenommen worden war&period; Da begegnete diesem eines Tages auf dem Schulweg Mine&comma; und mit stolzer Befriedigung erfuhr er&comma; daß die von ihm gesandte Katharine wirklich Gnade gefunden und Mine ihr Platz gemacht hatte&period; Aber Mine wußte auch noch das allerneuste&period; Fräulein Stahlhammer läge krank zu Bett und werde wahrscheinlich bald sterben&period; Er hatte das kaum zu Hause erzählt&comma; als seine Tante erklärte&colon; »Das ist für mich die Gelegenheit&comma; endlich einmal Fräulein Stahlhammer aufzusuchen&semi; schon lange liegt es mir schwer auf der Seele&comma; daß kein freundliches Einverständnis zwischen uns herrscht&comma; ich mache ihr einen Krankenbesuch&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Es war einer der ersten schönen Frühlingstage&comma; als sie hinausfuhr aus der großen Stadt und das hübsche Häuschen aufsuchte&comma; das am Ende des Städtchens lag&comma; ganz nahe an den Anlagen&comma; die bald in den Wald übergingen&period; Das neue Dienstmädchen fragte Fräulein Stahlhammer gar nicht erst&comma; ob sie zu sprechen sei&comma; sondern ließ den Besuch ohne weiteres ein&period; Im Schlafzimmer lag&comma; unwohl&comma; aber durchaus nicht schwer krank&comma; Fräulein Stahlhammer im Bett und das Kind saß nahe dabei&comma; spielend an seinem Tischchen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Tante hatte zuerst keine Aufmerksamkeit für das Kind&comma; sie trat ans Bett und sagte&colon; »Ich habe gehört&comma; daß Sie krank sind&comma; und wollte mich deshalb nach Ihnen umsehen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Danke&comma;« sagte Fräulein Stahlhammer&comma; »es geht mir schon besser&semi; aber Ihr Besuch ist mir sehr lieb&comma; ich wollte Ihnen schon in diesen Tagen schreiben und kann es doch nicht recht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Hocherfreut über diesen unerwartet freundlichen Empfang setzte sich die Tante ans Bett und nach einigen Reden über die Art der Krankheit sagte Fräulein Stahlhammer&colon; »Was ich mit Ihnen besprechen wollte&comma; mag ich nicht gern vor der Kleinen sagen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Lebhaft erhob sich die Tante&comma; trug das Kindertischchen mit allem was darauf lag&comma; in das Wohnzimmer&comma; die kleine Nichte folgte und die zwei Frauen waren allein&period; »Ich habe Klärchen so viel beobachtet&comma; seit ich krank bin&comma;« sagte die Patin&comma; »sie plaudert immer laut mit ihrer Puppe und da höre ich denn&comma; wie sie so innig von ihrer Mama spricht&comma; wie sie ihrem Puppenkind verspricht&comma; wenn es groß sei&comma; dürfe es zu Onkel und Tante und zu den Brüdern&period; Ja&comma; einmal&comma; als sie im Eifer des Spiels ganz meine Gegenwart vergessen hatte&comma; hörte ich sie sagen&colon; Wenn du nicht brav bist&comma; mußt du zur Patin nach Waldeck&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das dumme Gänschen&comma;« rief die Tante&comma; »Sie sollten gar nicht darauf hören&comma; was sie mit ihrer Puppe schwätzt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich habe es aber gehört&comma;« sagte die Patin&comma; »und ich weiß jetzt&comma; daß sie mein Haus nur als einen Strafplatz ansieht&semi; ich glaube&comma; es war nicht recht von mir&comma; daß ich das Kind von Ihnen fernhalten wollte&period; So gerne ich Klärchen gehabt hätte&comma; wenn sie sich wohl bei mir gefühlt hätte&comma; so möchte ich sie doch Ihnen übergeben&comma; weil sie bei Ihnen eine glücklichere Kinderzeit haben wird&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die Tante merkte wohl&comma; daß es Fräulein Stahlhammer schwer wurde&comma; diese Worte auszusprechen&period; Sie tat ihr so leid&comma; die einsame Kranke&period; »Ich begreife nicht&comma;« sagte sie&comma; »warum das Kind Ihre Liebe nicht durchfühlt&period; Es ist vielleicht ein Mißverständnis dabei&period; Aber freilich&comma; das Natürlichste ist&comma; daß ein Kind unter andern Kindern aufwächst&period; Leider sind es bei uns lauter Knaben&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ihnen wird Klärchen ein liebes Töchterchen werden&comma;« sagte Fräulein Stahlhammer&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wir nehmen sie auch gerne zu uns&period; Zu Ostern läßt es sich zwar nicht mehr einrichten&comma; aber von den Sommerferien an können wir sie aufnehmen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Dann behalte ich sie noch diesen Sommer hindurch&comma;« sagte die Patin bereitwillig&period; »Ihre Brüder können sie besuchen so oft sie wollen&comma; und ich werde ihr auch eine kleine Kamerädin verschaffen&period; Eine meiner Bekannten hat auch so ein einzelnes Töchterchen im gleichen Alter&period; Bis jetzt hielt ich das Kind absichtlich fern&comma; damit Klärchen sich mehr an mich anschließe&comma; aber nun&comma; da sie doch fort kommt&comma; ist’s gleichgültig&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Bitte sprechen Sie dann selbst mit dem Vormund darüber&comma;« sagte Frau Professor Kuhn&comma; »mein Mann würde wohl nicht gern noch einmal bei ihm seinen Vorschlag wiederholen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; das werde ich tun&period; Ich weiß&comma; daß seit Weihnachten die beiden Männer nicht gut miteinander stehen&period; Glauben Sie mir&comma; ich war damals nicht so herzlos&comma; als Sie denken mußten&semi; ich wollte dem Kind am Christfest bescheren&comma; der geputzte Baum stand schon versteckt im Kämmerlein&period; Das Kind wußte es nur nicht und Mine sagte leider nichts davon&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So war es&quest;« sagte die Tante&period; »Das zu hören freut mich noch nachträglich&semi; ich werde es daheim erzählen&comma; ich selbst war trotz allem Anschein immer von Ihrer edlen Gesinnung überzeugt&period;« Sie drückte warm die Hand der Patin und fügte herzlich hinzu&colon; »Wenn Sie wieder wohl sind&comma; kommen Sie mit dem Kind zu uns&comma; nicht wahr&semi; wir wollen uns näher kennen lernen und späterhin&comma; wenn Klärchen ganz bei uns ist und Sie besuchen uns&comma; dann werden Sie auf einmal merken&comma; daß das Kind Sie doch lieb hat&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wollen Sie Klärchen rufen&quest; Ich möchte es ihr gleich mitteilen&period;« Die Tante führte das Kind herein&period; »Klärchen&comma;« sagte die Patin&comma; sich im Bett aufrichtend&comma; »weißt du&comma; was deine Tante mit mir ausgedacht hat&quest; Im Sommer&comma; wenn deine Brüder Ferien haben&comma; darfst du zu ihnen und darfst ganz und für immer bei Onkel und Tante bleiben&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber der Vormund holt mich gleich wieder&comma;« sagte Klärchen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Diesmal nicht&comma;« sagte die Patin&comma; »jetzt erlaubt er es&comma; er führt dich vielleicht selbst in die Stadt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Nun sah man der Kleinen an&comma; daß sie die Wichtigkeit der Nachricht erfaßte&period; Sie schmiegte sich zärtlich an die Tante und sagte&colon; »Dann bist du meine Mama und der Onkel ist mein Papa und die Brüder sind wieder alle Tage meine Brüder&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; so wird es&comma;« sagte die Tante&semi; aber sie schob sanft die Kleine weg zur Patin hin und sagte&colon; »Sieh&comma; deine Patin hat das so eingerichtet&comma; weil sie weiß&comma; daß es dich freut&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So&comma;« sagte Klärchen freundlich&comma; »hast du’s eingerichtet&quest; Gelt dann bist du auch froh&comma; wenn ich fort bin&comma; dann sind alle&comma; alle froh&excl;« rief sie in einem Ton&comma; der glückselig klang&comma; wie ihn die Patin noch nicht an ihr gehört hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Fräulein Stahlhammer erholte sich langsam und für diesen Sommer gab sie ihre Tätigkeit in den Vereinen auf&comma; sie sollte so viel wie möglich im Freien sein&period; Sie nahm Klärchen mit sich zu den täglichen Gängen in den nahen Wald&semi; und nicht nur Klärchen&comma; sondern auch die kleine Altersgenossin&comma; die sie ihr zur Kamerädin bestimmt hatte&period; Es war ein Ereignis für Klärchen&comma; als zum erstenmal die kleine Mathilde sich zu ihr gesellte&comma; denn eine Freundin hatte sie noch nie gehabt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Von nun an&comma; wenn Fräulein Stahlhammer an einer Bank am Saume des Waldes Rast machte&comma; spielten die Kinder stundenlang mit ihren Puppen im Moos und Gebüsch und waren voll Fröhlichkeit miteinander&period; Mathilde kam in aller Unbefangenheit zu Fräulein Stahlhammer mit all ihren Anliegen&comma; und Klärchen&comma; die zuerst staunte über diese Zutraulichkeit&comma; gewöhnte sich bald selbst daran&semi; vergessen schien jetzt die Vergangenheit&comma; vergessen auch die Zukunft&comma; die Gegenwart war schön&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Eines Tages&comma; als Fräulein Stahlhammer wieder auf der Bank im Wald saß und die Kinder spielten&comma; kam des Wegs eine ganze Schar kleiner Mädchen&comma; zwei Lehrerinnen an der Spitze&period; Sie machten mit ihren Schülerinnen einen Waldspaziergang&comma; und da sie Fräulein Stahlhammer kannten&comma; blieben sie ein wenig stehen und begrüßten sie&period; Mathilde&comma; die manche der Kinder kannte&comma; kam herbeigesprungen&comma; Klärchen hielt sich zur Patin&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Im Herbst kommt ihr beiden wohl auch in die Schule&comma; nicht wahr&quest;« sagte eine der Lehrerinnen freundlich zu den Kindern&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich schon&comma;« sagte Mathilde&comma; »ich freue mich darauf&comma; aber Klärchen kommt fort&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die lustige Schar zog wieder davon und die Kinder kehrten zu ihren Puppen zurück&period; Aber Klärchen war nicht recht bei der Sache und nach einer Weile kam sie zögernd zur Bank her&comma; auf der die Patin lesend saß&comma; legte ihr die Hände auf den Schoß und sagte leise&colon; »Patin&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Diese sah auf die Kleine hinunter&colon; »Was willst du&comma; Kind&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Patin&comma; darf ich zu den Brüdern&comma; oder muß ich hin&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Du darfst&comma; du mußt nicht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Patin&comma; dann will ich lieber bei dir bleiben&comma; darf ich&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ob du darfst&quest;« sagte die Patin&semi; ihr Buch fiel auf den Boden&comma; denn das Kind war auf einmal auf ihrem Schoß&comma; das Kind&comma; das doch schon bald Schulkind werden sollte&semi; und es schlang beide Arme um ihren Hals und Fräulein Stahlhammer drückte es an sich und besaß nun&comma; was sie so lange gewünscht hatte&colon; ein Kinderherz&comma; das sie lieb hatte&excl; Wie sie es gewonnen hatte&comma; wußte sie selbst nicht zu sagen&semi; seitdem sie nicht mehr danach gestrebt hatte&comma; war es ihr zugefallen&period; Und es wurde ihr fester&comma; unbestrittener Besitz&period; Klärchen bestand die Probe&colon; Mit Bangen ließ die Patin das Kind für einige Tage zu den Brüdern zu Besuch&comma; um zu sehen&comma; ob es sich nicht getäuscht habe&semi; aber aus dem lauten Getümmel des knabenreichen Hauses in der Großstadt verlangte es bald zurück in das stille&comma; ländliche Häuschen&comma; zu der Patin und zu der kleinen Freundin&period; Onkel und Tante freuten sich darüber&comma; auch die Brüder fanden sich nun leicht darein&comma; sahen sie doch ihr Schwesterchen glücklich&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Und der Vormund&quest; Er kam&comma; als er von dem veränderten Entschluß hörte&comma; nach langer Zeit wieder einmal eines Morgens heraus nach Waldeck&period; Er sagte zu Katharine&comma; die ihm die Türe öffnete&colon; »Wenn Sie mich künftig nicht eine Viertelstunde warten lassen&comma; ist es mir lieber&semi;« die Schwester fragte er&colon; »Hältst du es mit all deinen Beschlüssen so&comma; daß du sie dreimal umstößt&quest;« Er empfahl Klärchen&colon; »Sei nur recht dankbar&excl;« und dann kehrte er mit der Überzeugung&comma; ein gewissenhafter Vormund zu sein&comma; möglichst bald aus dem »elenden Nest« zurück&comma; zur feinen Mittagstafel in der Stadt&period;<&sol;p>

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