Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Das kleine Dummerle und andere Erzählungen
(Agnes Sapper, 1904, empfohlenes Alter: 7 - 14 Jahre)

Das kleine Dummerle

<p>Am 1&period; Juli&comma; mittags um 12 Uhr&comma; kam Herr Musiklehrer Pfäffling in bester Laune aus der Musikschule&period; Er hatte heute seinen Gehalt eingenommen und außerdem noch eine ganz nette Summe für Hausunterricht&period; Ja&comma; er hatte sich mit allerlei fleißigen und faulen Schülern redlich geplagt&comma; das ganze Jahr hindurch&comma; hatte Violin- und Flöten-&comma; Klavier- und Zitherstunden gegeben von frühmorgens bis spät abends&period; Nun winkte die Ferienzeit&semi; in 14 Tagen sollte sie beginnen&comma; und zum erstenmal seit vielen Jahren hatte Herr Pfäffling so viel erspart&comma; daß er eine Ferienreise unternehmen konnte&period; Fast unerlaubt kam es ihm vor&comma; sich solchen Aufwand zu gestatten&comma; denn er war Familienvater und hatte sieben Kinder&period; Aber seine Frau war vor Jahren auch einmal verreist gewesen&comma; seitdem galt es für ausgemacht&comma; daß nun er an der Reihe sei&period; So wollte er denn fort&semi; nicht weit&comma; nur nach Bayreuth&comma; wo so herrliche Musik zu hören war&comma; und von dort noch ein wenig ins Fichtelgebirge&comma; um Wald- und Bergluft zu genießen&comma; solange eben das Geld reichte&period; So ging Herr Pfäffling gleich von der Schule aus in die Buchhandlung&comma; erwarb sich dort eine Karte vom Fichtelgebirge&comma; und weil er sie schon auf dem Weg nach Hause studierte&comma; so kam er später heim als sonst und fand die ganze Familie um den gedeckten Tisch versammelt&period; Da war seine getreue Hausfrau&comma; die einstweilen die Suppe ausschöpfte&semi; auf der einen Seite des Tisches saßen die ältesten&comma; drei große Lateinschüler&comma; und ihnen gegenüber die Zwillingsschwestern&comma; zwei zehnjährige Mädchen&period; Neben der Mutter hatte das Jüngste seinen Platz&comma; das dreijährige Töchterchen&period; Diese sechs saßen schon um den Tisch&period; Der siebente aber&comma; der Frieder&comma; ein kleiner Abcschütz mit einem gutmütigen Gesichtchen&comma; stand am Fenster und spielte auf einer Ziehharmonika&period;<&sol;p>&NewLine;<p>In solchem Familienkreis geht es lebhaft zu und die Hausfrau findet oft kaum Zeit zum Essen&comma; bis sie den Kindern vorgelegt hat&comma; und es ist ein Glück&comma; wenn für sie noch etwas auf der Platte bleibt&comma; nachdem alle Teller voll sind&period; Sie sah auch ein wenig mager aus&comma; die gute Frau Pfäffling&comma; aber ihr Mann war auch nicht dicker&comma; ebenso waren die drei Jungen lang aufgeschossen&comma; die Zwillingsschwestern schmal und das jüngste&comma; das Elschen&comma; gar ein zartes Geschöpf&period; Nur der Frieder war rundlich und hatte frische rote Backen&period; Das Essen ging rasch vorüber&comma; übrig blieb nichts und es waren alle so gerade zur Not satt geworden&period; Vater Pfäffling nahm gleich wieder seine Karte vom Fichtelgebirge vor&comma; breitete sie aus&comma; und so viel Köpfe darüber Platz hatten&comma; so viele steckten sich zusammen&comma; um des Vaters Finger zu folgen&comma; der den geplanten Reiseweg bezeichnete&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Es gibt nichts Schöneres als so im Geist zu reisen&semi; da geht alles so leicht und glatt&comma; ohne Hindernis&semi; und doch können auch die Reisen im Geist jäh unterbrochen werden – es klopfte jemand an der Türe&comma; alle Köpfe hoben sich&comma; der Hausherr trat ein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ein paar Reden wurden gewechselt über das Wetter und die bald beginnenden Ferien&comma; und dann&comma; ja dann kam es eben heraus&comma; daß der Hausherr leider die Wohnung kündigen&comma; und daß die Familie Pfäffling ausziehen müsse&period; Ein Verwandter wollte die Wohnung mieten und fast doppelt so viel Miete zahlen wie Herr Pfäffling&comma; der ja die Wohnung halb umsonst gehabt habe&semi; der Verwandte habe auch nur ein Kind und da kämen nicht so fatale Sachen vor wie z&period; B&period; gestern&comma; wo die jungen Pfäfflings durch den Hof gesprungen seien und die Stangen umgestoßen hätten&comma; die das Waschseil hielten&comma; so daß die frisch gewaschene Wäsche auf den Hof gefallen sei und die Hausfrau alles noch einmal habe waschen müssen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»So etwas habt ihr getan&comma; Kinder&quest;« rief Vater Pfäffling und wandte sich nach den Angeschuldigten um&semi; aber merkwürdigerweise standen bloß noch die Mädchen da&comma; die Knaben hatten sich einer nach dem andern beim Erscheinen des Hausherrn hinausgedrückt&period; Doch nicht alle&comma; Frieder&comma; der kleine Dicke&comma; stand noch beim Vater&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Glauben Sie nicht&comma; daß ich solche Unarten unbestraft lasse&comma;« sagte Herr Pfäffling zum Hausherrn&period; »Sie dürfen ja nur klagen&comma; dann werden die Jungen bestraft&period; Kommt nur gleich her&comma; ihr Schlingel&comma;« rief der Vater und faßte den Kleinen&comma; der ihm zunächst stand&period; »Wo sind denn aber die andern&comma; sie waren doch eben noch da&quest; Wegen dir allein ist mir’s gar nicht der Mühe wert anzufangen&comma; schnell hole deine Brüder&period;« Der Frieder ging und rief mit weinerlichem Stimmchen die Brüder&semi; von denen war aber nichts zu sehen und nichts zu hören&comma; er kam allein zurück und sagte&colon; »Sie sind alle fort&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da lachte der Hausherr und sagte&colon; »Die sind nicht so dumm wie du&comma; spring doch nur auch davon&comma; du brauchst nicht für die andern die Schläge zu kriegen&comma; du bist ja gar nicht einmal dabei gewesen&period;« Und dann wandte der Hausherr sich zu Herrn Pfäffling&colon; »Es ist nicht nur wegen der Kinder&comma;« sagte er&comma; »die sind ja gut in Zucht&comma; aber ich kann’s meinen Verwandten nicht abschlagen&comma; daß sie zu mir ins Haus ziehen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der Hausherr ging&comma; die Eltern sahen sich bestürzt an&period; So billig wie sie hier seit zehn Jahren gewohnt hatten&comma; würden sie jetzt nirgends unterkommen&comma; und schon der Auszug kostet Geld&period; Herr Pfäffling ging mit langen Schritten hin und her und schalt bald über die Kinder&comma; bald über den Hausherrn&period; »Wäre ich nur schon fort gewesen&comma;« rief er endlich&comma; »hätte ich nur meine Reise schon in Sicherheit gebracht&comma; jetzt wird nichts mehr daraus oder meinst du&comma; es ginge doch&quest;« fragte er&comma; hielt mit seinem raschen Gang inne vor seiner Frau&comma; die ganz betroffen am Tisch stand und in Gedanken verloren auf die Karte niedersah&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Meinst du&comma; es reicht vielleicht doch zur Reise&quest;« wiederholte Herr Pfäffling&period; Sie sah ihn traurig an&colon; »Wenn’s nur zum Leben reicht&comma;« sagte sie&comma; »wer weiß&comma; wieviel Miete wir künftig zahlen müssen&excl;« Da ging er wieder auf und ab&comma; der Ärger wich und die Sorge kam&semi; immer langsamer und nachdenklicher wanderte er durch das Zimmer und als er wieder am Tisch vorbeikam&comma; faltete er sorgfältig die Karte vom Fichtelgebirge&comma; reichte sie einem der Kinder und sagte traurig&colon; »Tragt sie nur wieder in die Buchhandlung zurück und sagt&comma; der Vater brauche keine Reisekarte&period;«<&sol;p>&NewLine;<p style&equals;"text-align&colon; center&semi;">&ast; &nbsp&semi; &nbsp&semi; &nbsp&semi; &nbsp&semi; &nbsp&semi; &nbsp&semi; &nbsp&semi; &nbsp&semi;&ast;<br&sol;> &ast;<&sol;p>&NewLine;<p>»An Wohnungen fehlt’s wenigstens nicht&comma;« sagte Herr Pfäffling&comma; als er am nächsten Tag den Anzeiger mit heimbrachte&comma; in dem ganze Reihen Wohnungen zur Miete angeboten waren&period; Und er machte sich auf den Weg&comma; um solche anzusehen&comma; die ihm passend erschienen&period; In der Langenstraße waren zwei ausgeschrieben&period; Die erste war zu teuer&comma; die zweite noch viel teurer&period; Unser Musiklehrer erschrak ordentlich&period; »Wenn ich so viel Miete zahlen müßte&comma; dann bliebe uns kein Geld mehr übrig fürs tägliche Brot&comma;« sagte er und wanderte weiter hinaus&comma; der Vorstadt zu&comma; eine endlose Straße entlang&comma; bis er Nr&period; 80 erreicht hatte&comma; wo eine Wohnung frei war&period; Ja&comma; da war es nicht mehr so schrecklich teuer&comma; da konnte man sich doch auf Unterhandlung einlassen&period; Der Hausherr führte ihn durch die Zimmer&period; Ein wenig klein waren diese&period; Herr Pfäffling stellte im Geist die Bettstellen und sprach so halblaut vor sich hin&colon; »Hier mein Bett und das von meiner Frau&comma; hier Karl&comma; Wilhelm und Otto&comma; hier Marianne&comma; da Frieder –«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; erlauben Sie einmal&comma;« unterbrach ihn jetzt der Hausherr&comma; »wieviel haben Sie eigentlich Kinder&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wir haben sieben&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Sieben&period; Bei sieben tut’s mir leid&comma; daß ich Ihnen sagen muß&comma; sieben nehme ich nicht in meine Wohnung&period; Ich habe meist so Parteien mit einem Kind&comma; auch zwei und drei lasse ich mir gefallen&comma; aber vier sind mir schon zu viel und gar sieben&comma; nein&comma; da ist mir’s doch zu leid um meine neuen Fußböden&comma; lieber lasse ich die Wohnung leerstehen&period;« »So&comma;« entgegnete Herr Pfäffling&comma; »dann will ich auch nicht länger auf Ihren kostbaren Fußböden herumtreten&comma;« und ärgerlich verließ er das Haus&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nun hinaus in die Sonnenstraße&comma; dort gibt es auch einfache Häuser&period; Ein großer&comma; weißer Zettel am Fenster des dritten Stocks zeigte schon von weitem&comma; daß hier etwas zu hoffen war&period; Der Werkmeister Schall war der Besitzer&period; Er stand unter der Haustüre und zeigte bereitwillig die Wohnung&period; Diesmal überlegte Pfäffling nur ganz in der Stille&comma; wie sich die Betten stellen ließen&period; Von seinen sieben Kindern ließ er nichts verlauten&period; Die Wohnung gefiel ihm&comma; der Preis war nicht zu hoch&comma; jetzt nur gleich fest mieten&period; Dem Werkmeister war es auch recht&comma; er holte einen Mietvertrag zum Unterschreiben&comma; und während er Tinte und Feder bereitlegte&comma; fragte er nach dem Namen seines Mieters&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Pfäffling&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Und der Stand&comma; wenn ich bitten darf&comma; der Beruf&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Musiklehrer&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So&comma; das ist freilich sozusagen ein lebhafter Beruf&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Stört in unserem Fall nicht viel&comma;« sagte Herr Pfäffling&comma; »ich gebe viel Unterricht außer Haus&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das ist gut&comma; denn ich muß Ihnen gleich sagen&comma; im untern Stock wohnt eine Dame&comma; eine feine Dame&comma; die leidet an Kopfweh und braucht Ruhe&period; Aber wenn die Stunden alle außer Haus sind&comma; ist’s schon gut&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Alle habe ich nicht gesagt&comma; aber die meisten&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Und Ihre eigene Familie ist doch nicht etwa sehr groß&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Sehr groß&quest;« sagte Pfäffling&comma; »was heißt das&comma; es gibt noch viel größere&comma; und übrigens kommt alles darauf an&comma; ob Kinder streng gehalten werden&semi; die meinigen dürfen keinen Unfug treiben&period; Schreiben wir nur den Vertrag&comma; ich habe nicht viel Zeit&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Aber der Hausherr war hartnäckig&period; »Wissen möchte ich doch&comma; wieviel Personen ins Haus kommen und was für welche&comma;« sagte er&comma; »wieviel Kinder&comma; bitte&quest; Sind’s Knaben oder Mädchen&quest;« Nun half nichts mehr&comma; Herr Pfäffling mußte bekennen&colon; »Vier Buben sind’s&comma; und dann noch so ein paar kleine Mädels&comma; die merkt man nicht viel&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der Werkmeister legte die Feder wieder weg&period; »Es geht nicht&comma;« sagte er&comma; »es ist unmöglich&comma; Musikstunden sind schon schlimm&comma; dazu aber noch ein halbes Dutzend Kinder&comma; nein&comma; was zu viel ist&comma; ist zu viel&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber Mensch&comma;« rief Pfäffling außer sich&comma; »wir müssen doch auch wohnen&comma; was sollen wir denn tun&comma; wenn uns niemand hereinläßt&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>In diesem Augenblick erschienen zwei ältere Damen unter der Türe&comma; sie wollten die Wohnung besehen&period; Der Hausherr begrüßte sie höflich – für unsern armen Musiklehrer hatte er keinen Blick mehr&comma; der konnte gehen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Am Torweg war auch eine Wohnung frei&period; Die Hausfrau hängte eben im Vorgärtchen Wäsche auf&semi; als sie hörte was Pfäfflings Begehr war&comma; holte sie ihren großen Schlüsselbund und schickte sich an&comma; mit ihm hinaufzusteigen in den vierten Stock&period; Herr Pfäffling dachte bei sich&colon; »Eigentlich ist’s ganz unnötig&comma; daß ich die Wohnung ansehe&comma; ich nehme sie ja doch&comma; mag sie sein wie sie will&comma; aber ob die Frau uns nimmt&comma; das ist die Frage&excl;« Er sagte aber nichts und ging voraus&comma; die Treppe zum ersten Stock hinauf&period; Langsam folgte ihm die Hausfrau&comma; die wohlbeleibt war und schwer atmete&period; Pfäffling wurde ein wenig ungeduldig&comma; er war schon so lang unterwegs und ihm war es ganz gleichgültig&comma; wie die Zimmer aussahen&period; Auf dem ersten Treppenabsatz mußte die Frau ein wenig ausschnaufen&period; Jetzt konnte er sich nicht mehr zurückhalten&period; »Ich will Ihnen lieber gleich mitteilen&comma; daß ich Musiklehrer bin&comma;« sagte er&comma; »wenn Sie also keinen wollen&comma; dann verlieren wir weiter keine Zeit&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Sie stutzte einen Augenblick&comma; dann sagte sie gnädig&colon; »Steigen Sie nur weiter hinauf&period;« Im Nu war Pfäffling die zweite Treppe droben&comma; die Hausfrau keuchte nach&period; Auf dem zweiten Treppenabsatz wieder Pause zum Atemholen und Pfäffling&colon; »Ich will Ihnen nur gleich sagen&comma; daß wir sieben Kinder haben&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Um Himmels willen&comma;« rief die Frau&comma; »haben Sie denn für jedes Stockwerk so eine Hiobspost&quest; Bis wir in den vierten Stock hinaufkommen&comma; spielen Sie die Regimentstrommel und haben noch ein Dutzend Buben in der Kost&excl; Ich tu’ aber nicht mehr mit&excl;« Und die schwerfällige Frau machte Kehrt&comma; hörte gar nicht mehr auf die guten Worte&comma; die ihr Pfäffling gab&comma; und brummte noch vor sich hin&colon; »Gott bewahre mich vor so einer Gesellschaft&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Unser Musiklehrer rannte zum Haus hinaus und spornstreichs heim – für heute hatte er’s satt&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Als er bei Tisch erzählte&comma; wie es ihm ergangen war&comma; fühlten sich die Kinder ordentlich beschämt&comma; daß die Eltern ihretwegen nirgends aufgenommen wurden&comma; und nach Tisch&comma; wo sie sonst alle im Hof herumtollten&comma; standen sie ganz bescheiden in einem Eckchen beisammen und besprachen die Wohnungsnot&period; »Wir Großen können nichts dafür&comma; daß wir so viele sind&comma;« sagte der Älteste&comma; »wir drei waren schon immer da&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Und wir zwei auch&comma;« sagte eine der Zwillingsschwestern&comma; »aber der Frieder und Elschen sind nachher dazugekommen&period;« »Ja&comma; die sind schuld&comma; daß wir so viele sind&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ach das Elschen macht ja nichts aus&comma; das ist so klein und still&comma; das bemerkt kein Hausherr&period; Aber der Frieder&comma; ja der Frieder mit seiner ewigen Ziehharmonika&comma; wenn der nicht wäre&comma; dann wären wir bloß sechs&period;« Sie sahen alle auf den Frieder&comma; der stand da wie ein kleiner Sünder und fühlte sich schuld an der ganzen Wohnungsnot&period; Und als seine Geschwister längst schon die Sorge abgeschüttelt hatten und lustig im Hofe spielten&comma; war er noch still und nachdenklich&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Frieder stand immer ein wenig allein unter den Geschwistern&period; Die drei großen Brüder sahen auf ihn herab und nannten ihn das Dummerle&period; Er war eigentlich nicht dumm&comma; aber weil er immer Harmonika spielte&comma; hörte und sah er manchmal nicht&comma; was um ihn vorging&comma; und stellte oft wunderliche Fragen&period; Die Zwillingsschwestern gingen immer miteinander und brauchten ihn nicht&comma; so blieb nur das Elschen übrig und mit dem konnte er noch nicht viel besprechen&semi; aber er hatte es doch sehr lieb&comma; schon weil es nicht auf ihn heruntersehen konnte&comma; wie all die andern&comma; sondern weil es sogar zu ihm hinaufblicken mußte&semi; er hatte es lieb&comma; weil es nie Dummerle zu ihm sagte&comma; denn es war noch kleiner und dummer als er&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Dies kleine Elschen wandte sich auch oft an ihn&comma; denn Frieder hatte mehr Zeit und auch mehr Geduld als die größern Geschwister und wenn Elschen noch so oft des Tages eine ihrer fünf schönen Glaskugeln verlor&comma; so suchte sie Frieder unverdrossen wieder zusammen&period; Die Kleine verstand noch nichts von der Wohnungsnot&comma; aber Frieder war sehr davon bedrückt&comma; und als er an diesem Nachmittag aus der Schule kam&comma; fiel ihm ein&comma; er wolle auch helfen Wohnung suchen&period; Sein Weg führte ihn durch die Kaiserstraße&comma; das war die eleganteste Straße der Stadt&period; In dieser gab es ja prächtige Häuser&comma; da mußten feine Wohnungen sein&comma; wenn er so eine finden könnte&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Mit dem Schulranzen auf dem Rücken&comma; in seinem verwaschenen blau und weiß gestreiften Sommeranzug ging Frieder in eines des stattlichsten Häuser&comma; die teppichbelegte Treppe hinauf und drückte auf die Klingel im ersten Stock&period; Er mußte ein wenig warten&comma; denn das Dienstmädchen war eben am Scheuern&semi; sie mußte erst ihre nasse Schürze ablegen&comma; schnell eine weiße antun&comma; rasch am Spiegel ihr Haar glatt streichen – so&comma; nun war sie allerdings schön genug&comma; um unserem Frieder aufzumachen&period; Der zog sein Mützchen ab und sagte&colon; »Wir suchen eine Wohnung&period;« Er mußte es noch zweimal sagen&comma; denn das Mädchen meinte immer&comma; es habe ihn falsch verstanden&period; Dann lachte sie und sagte&colon; »Du kleiner Däumling&comma; du willst eine Wohnung suchen&quest; Geh&comma; da würde ich doch noch zwanzig Jahre warten&comma;« und damit ließ sie den kleinen Mann stehen und schloß die Türe&period; »Zwanzig Jahre können wir doch nicht warten&comma;« dachte Frieder und ging eine Treppe höher&period; Dort öffnete ihm ein Junge&comma; nur ein paar Jahre älter wie er&period; Als dieser erfaßt hatte&comma; was Frieder wollte&comma; führte er ihn in das Zimmer und rief einer Dame&comma; die da saß&comma; zu&colon; »Sieh doch&comma; Mama&comma; da ist so ein komischer&comma; kleiner Junge&comma; der will bei uns eine Wohnung suchen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die Mama sah dem kleinen Eindringling ein wenig mißtrauisch entgegen&comma; sie fragte ihn&comma; wem er gehöre&period; Der Musiklehrer Pfäffling hatte aber einen guten Namen und war der Dame nicht unbekannt&period; Sie fragte nun noch allerlei&period; Der Frieder antwortete&comma; so gut er’s verstand&period; Man konnte ihm wohl anmerken&comma; wie ernst es ihm war mit der Wohnungsnot&period; Die Dame konnte ihm aber doch nicht helfen&period; »Liebes Kind&comma;« sagte sie&comma; »geh du lieber heim&comma; dein Vater wird schon selbst eine Wohnung finden&period;« Der Frieder schüttelte traurig das Köpfchen&period; »Nein&comma;« sagte er&comma; »uns will niemand nehmen&comma; weil wir sieben Kinder sind&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das ist aber arg&comma; Mama&comma;« sagte der kleine Sohn des Hauses&comma; »wenn sie keine Wohnung finden&comma; dann müssen sie immer auf der Straße bleiben&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Bewahre&comma;« entgegnete die Mama&comma; »sie kommen schon unter&semi; sieben Kinder sind nicht so schlimm&comma; da drüben wohnt eine Familie mit acht Kindern und es gibt auch solche mit zehn&excl;« Da lauschte der Frieder&comma; das war ihm eine gute&comma; neue Botschaft&excl; Jetzt war er beruhigt&semi; das mußte er gleich daheim erzählen&comma; die wußten das gewiß nicht&period; Er gab das Wohnungsuchen auf und ging heim&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als Frau Pfäffling im Kreis der Ihrigen erzählte&comma; daß sie an diesem Nachmittag vergeblich in vielen Häusern gewesen sei&comma; sagte Frieder ganz ernsthaft&colon; »Ich habe auch Wohnungen gesucht und keine gefunden&period;« »Du hast gesucht&quest; ja wo denn&quest; wie denn&quest;« fragten alle durcheinander und während er erzählte&comma; wurde er von den Großen unbarmherzig ausgelacht und von den Eltern gezankt&comma; daß er allein in fremde Häuser gegangen war&period; Frieder ließ das Köpfchen hängen&period; Niemand bemerkte&comma; daß Tränen in seinen Augen standen&comma; nur die kleine Else sah es&comma; weil sie gerade an ihn herankam und zu ihm aufsah&comma; und sie streichelte den Bruder&period; Sie verstand auch noch nicht&comma; warum die andern lachten&comma; und das tat dem Frieder wohl&comma; in ihren Augen war er doch kein Dummerle&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Pfäffling hatte aber doch eine Wohnung ausfindig gemacht&period; Freilich war sie auch teurer als die seitherige&comma; gerade etwa um soviel teurer als Herrn Pfäfflings Reise gekostet hätte&comma; aber es waren doch so viele Zimmer darin&comma; daß die große Familie gut Platz hatte&period; Frau Pfäffling berichtete genau über die innere Einteilung&period; »Du hast ja noch gar nicht gesagt&comma; in welcher Straße sie liegt&comma; das möchte ich doch vor allem wissen&comma;« sagte Herr Pfäffling&period; Da kam es etwas zögernd heraus&colon; »Sie liegt in der Hintern Katzengasse Nr&period; 13&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»In der Hintern Katzengasse&quest; Die kennt man ja nicht einmal dem Namen nach&period; Wollen wir doch sehen&comma; wo die liegt&period;« Auf demselben Tisch&comma; wo kürzlich die Karte vom Fichtelgebirge aufgelegen war&comma; wurde nun der Stadtplan ausgebreitet&comma; und wieder steckten sich alle Köpfe zusammen&comma; bis die Hintere Katzengasse gefunden wurde&period; Sie führte von der Vorderen Katzengasse nach der alten Trödlergasse&period; »Eine feine Lage ist’s nicht&comma;« sagte Pfäffling&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; aber dort nimmt man uns doch auf&period; Die Kaiserstraße wäre feiner gewesen&comma; wo unser Dummerle gesucht hat&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wem gehört denn das Haus&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Einem Seifensieder&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Riecht’s da nicht den ganzen Tag nach dem Seifenbrei&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Es riecht wohl ein wenig&comma; das kann nicht anders sein&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Da ist wohl auch kein Gärtchen oder Hof dabei&comma; und das Haus ist nördlich gelegen&comma; ein Sonnenstrahl dringt kaum in diese engen Gassen&comma;« sagte Pfäffling seufzend&period; »Es können nicht alle auf der Sonnenseite wohnen&comma;« erwiderte Frau Pfäffling&comma; »wie viele müssen im Schatten vorlieb nehmen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wollen wir morgen noch einmal suchen&comma; und dann&comma; wenn wir gar nichts Besseres finden&comma; nun&comma; dann müssen wir uns eben begnügen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Am nächsten Tag fand sich nichts Besseres und mit schwerem Herzen wurde der Beschluß gefaßt&comma; in der Hintern Katzengasse Nr&period; 13 einzumieten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Inzwischen war in der schönen Wohnung&comma; die Frieder in der Kaiserstraße angesehen hatte&comma; eine kleine Teegesellschaft versammelt&period; Die Dame des Hauses erzählte von dem kleinen Pfäffling&comma; der mit dem Ränzchen auf dem Rücken nach einer Wohnung bei ihr gesucht habe&period; Wie groß mußte die Verlegenheit der Familie sein&comma; wenn sie alle Kinder bis herunter zum sechsjährigen ausschickte auf Suche nach Wohnung&excl; Ein älteres Fräulein aus der Gesellschaft&comma; das ein warmes Herz für die Not anderer Leute hatte&comma; erklärte&comma; da müsse geholfen werden&period; Gleich am nächsten Morgen wolle sie zu Herrn B&period; gehen&comma; der kenne alle Wohnungen der Stadt&comma; der müsse Rat schaffen&period; So ging Fräulein A&period; zu Herrn B&period; und dieser wieder zu Frau C&period;&comma; und als die Sache noch ein Stück weiter durchs Alphabet gelaufen war&comma; kam eines Morgens der Schreinermeister Hartwig&comma; fragte nach dem Musiklehrer Pfäffling und sagte dem Dienstmädchen&comma; er habe eine Wohnung anzubieten&period; Herr Pfäffling gab eben in seinem Zimmer Geigstunde&comma; während am andern Ende der Wohnung einer seiner Jungen Klavier übte&comma; und zwischen darin saßen die Zwillinge und sangen so laut sie konnten darauf los&comma; weil sie die zweierlei Musik übertönen wollten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Pfäffling hatte in der Küche die Frage wegen der Wohnung vernommen und hätte sie nur gekonnt&comma; sie hätte heimlich alle Musik zum Schweigen gebracht&semi; aber da führte ihr das Mädchen schon den Herrn her und weil auch gerade die andern Kinder über den Gang sprangen&comma; so konnte man kaum das eigene Wort verstehen&period; Die Mutter führte Herrn Hartwig ins Zimmer und im Vorbeigehen faßte sie einen ihrer Jungen und flüsterte ihm zu&colon; »Es ist ein Hausherr da&comma; rufe den Vater&comma; und mache&comma; daß man euch nicht so hört&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Das wirkte&semi; die Kinder wußten ja&comma; um was es sich handelte&period; »Ein Hausherr&comma;« so ging’s von Mund zu Mund&semi; alle Musik&comma; aller Lärm verstummte&comma; auf den Zehen schlichen sich die Kinder hinaus&comma; lautlos wurden die Türen geschlossen&comma; eine ungewohnte Stille herrschte im Haus&period; Herr und Frau Pfäffling waren allein mit dem Schreinermeister Hartwig&period; »Wenn Sie noch keine Wohnung gefunden haben&comma;« sagte dieser&comma; »so möchte ich Ihnen eine in meinem Hause anbieten&comma; draußen in der Frühlingsstraße&period; Platz genug gäbe es da&comma; und es schadet auch nichts&comma; daß Sie zehn Kinder haben&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Sieben&comma; sieben&comma; bloß sieben&comma;« riefen die beiden Eltern wie aus einem Mund&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Um so besser&comma; uns hat man von zehn gesagt&semi; es hat sich halt so herumgesprochen in der Stadt und darüber haben sich die Kinder vermehrt&period; Es ist ein großer Holzplatz am Haus&comma; da können sich die Kinder tummeln&period; Und was den Mietzins betrifft&comma; da werden wir uns schon einigen&period; Bei uns ist’s nämlich so&colon; Mich hat noch nie ein Lärm gestört&comma; und meine Frau&comma; die hat die Liebhaberei Gutes zu tun&comma; wie eben jeder Mensch so seine Liebhaberei hat&period; Darum sagt sie&colon; Eine gute Mietpartei nehmen ist keine Kunst&comma; aber eine schlechte Mietpartei aufsuchen&comma; das ist christlich&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der »schlechten Mietpartei« klangen diese Worte wie Musik&comma; und nach fünf Minuten schon war Pfäffling mit dem freundlichen Hausherrn unterwegs in die Frühlingsstraße und ließ sich von der Hausfrau mit der christlichen Liebhaberei&comma; Gutes zu tun&comma; die sonnige Wohnung zeigen und ohne Schriftstück&comma; mit freundlichem Handschlag wurde der Mietvertrag zu billigem Preis abgeschlossen&period; Fröhlichen Herzens ging unser Musiklehrer von der Frühlingsstraße in die Hintere Katzengasse&comma; freute sich&comma; als er schon von ferne den Seifengeruch in die Nase bekam&comma; und teilte dem Seifensieder mit&comma; daß er sich zu einer andern Wohnung entschlossen habe&period; Dann vorbei an der Buchhandlung&comma; wo er zum zweitenmal die Karte vom Fichtelgebirge verlangte&comma; und nun heim zur begeisterten Schilderung der künftigen Wohnung in der Frühlingsstraße&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die ganze Familie teilte seine Freude&semi; nur der Frieder hörte zufällig nichts davon&comma; weil er eben mit seiner Harmonika im Hof war&comma; und niemand dachte daran&comma; daß er die Neuigkeit nicht erfahren hatte&period; Er wunderte sich im stillen&comma; als beim Mittagstisch alle so vergnügt vom nahen Umzug sprachen und sogar sagten&comma; sie bekämen es viel schöner als jetzt&semi; denn er dachte&comma; es handle sich noch um die Hintere Katzengasse&period; »Mir gefällt’s besser da&comma;« sagte er&comma; »weil wir doch einen Hof haben&period;« »Der elende Hof voll Wäschepfosten&comma;« sagte einer der Brüder&comma; »da will ich doch lieber einen Holzplatz&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Schau&comma; schau&comma; dem Frieder allein ist die neue Wohnung nicht gut genug&comma; der will eben in die Kaiserstraße&comma;« sagte der Vater neckend zu ihm&comma; und auch die andern lachten&period; Es wußte niemand&comma; daß man ihm eigentlich die neue Wohnung verdankte&comma; auch er selbst nicht&comma; und so schwieg Frieder&period; Er fand es zwar wunderlich&comma; daß man heute so zufrieden sein sollte mit dem Tausch&comma; aber ihm kam ja oft etwas sonderbar vor&comma; was die Großen sagten&comma; und er fragte nie viel&comma; sie hatten alle immer keine Lust&comma; ihn aufzuklären&period;<&sol;p>&NewLine;<p>So kam es&comma; daß Frieder bei der Meinung blieb&comma; man habe in der Hintern Katzengasse eingemietet&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wenn der Umzug doch sein muß&comma; dann so bald wie möglich&comma;« sagte Pfäffling&comma; »noch vor meiner Reise«&comma; und mit großem Eifer wurden alle Vorbereitungen getroffen&period; Manche Bekannte boten ihre Hilfe an&comma; und viele luden die Kinder für den Umzugstag zu Tisch&comma; so daß es eine ganz schwierige Beratung gab&comma; was man annehmen konnte und ablehnen mußte&period; Die Eltern hatten viel zu tun&semi; sie überließen es den Kindern&comma; wo und wie jedes zu seinem Mittagstisch gelangen würde&period; So fanden die großen Jungen glücklich heraus&comma; daß Brauns auf zwölf Uhr und Schwarzens auf ein Uhr geladen hatten&comma; das konnten sie beides vereinigen&comma; und sie freuten sich königlich auf das doppelte Mittagessen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Tag des Umzugs kam&period; Gegen Mittag fuhr der vollbeladene Wagen ab&comma; die Eltern folgten ihm in die neue Wohnung&comma; während die Kinder gleich von ihren Schulen aus zu den Familien&comma; die sie geladen hatten&comma; gegangen waren und sich’s da schmecken ließen&period; Nur unser Frieder hatte nicht recht erfaßt&comma; wie das alles eingerichtet war und wo er zu Mittag essen sollte&period; Er wollte die Mutter noch einmal fragen und ging wie gewöhnlich von der Schule aus heim&comma; in die alte Wohnung&period; Alle Türen standen weit offen&period; Betroffen blieb Frieder unter der Türe der verlassenen Wohnung stehen&period; Wo war denn alles&quest; Er ging von einem Zimmer ins andere&comma; Papier und Stroh lagen auf dem Fußboden zerstreut&period; Da&comma; im Winkel&comma; mitten unter dem Staub&comma; sah er eine von Elschens Kugeln&comma; die schöne rote&comma; die hob er auf und schob sie in seine Tasche&period; Dann ging er durch all die leeren Räume&comma; seine Schritte hallten&comma; aber sonst war alles stille&period; Ihm wurde ganz unheimlich zumute&comma; Tränen kamen ihm in die Augen&comma; als er sich so verlassen fühlte&period; Ja&comma; sie waren alle ausgezogen und ihn hatten sie vergessen&period; Jetzt kamen Schritte die Treppe herauf&comma; der Hausherr war’s und eine Scheuerfrau mit Besen und Wassereimer&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Bist du noch da&comma; Frieder&quest;« fragte er&period; »Deine Leute sind schon in der neuen Wohnung&comma; mache nur&comma; daß du auch hinkommst&comma; sonst wirst du hinausgekehrt&period;« Da ging Frieder die Treppe hinunter&semi; er wußte jetzt&comma; was er zu tun hatte&comma; er mußte in die neue Wohnung gehen&period; Also in die Hintere Katzengasse Nr&period; 13&period; Wo diese lag&comma; wußte er ungefähr&semi; hinter dem Markt hatte er sagen hören&comma; und auf dem Markt war er schon oft gewesen&period; Er machte sich auf den Weg&period; Der war weit und heiß&semi; der kleine Fußgänger mit dem Schulranzen kam langsam vorwärts und dachte dabei&comma; daß er zum Mittagessen bei Bekannten eingeladen sei&comma; wenn er nur gewußt hätte&comma; wo&quest; Endlich gelangte er doch auf den Markt und sah sich um&period; Rechts&comma; links&comma; überall gingen Straßen und Gassen ab&comma; welche aber war die richtige&quest; Zweifelnd kam er bis mitten auf den Platz&comma; da trieben sich ein paar Kinder herum&period; An die wandte er sich&period; Ein Mädchen wies ihm den Weg&period; »Dort&comma;« sagte sie&comma; »wo der Seifenladen ist&comma; da ist Nr&period; 13&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der Seifensieder stand unter der Ladentüre und als er sah&comma; daß der kleine ABC-Schütz mit dem Ränzchen auf dem Rücken unschlüssig vor dem Hause stehen blieb&comma; fragte er&colon; »Wen suchst denn du&comma; Kleiner&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich möchte in unsere neue Wohnung&comma;« sagte Frieder&period; »Wie heißt du denn&quest;« »Frieder Pfäffling&period;« »Pfäffling&quest; Pfäffling&quest; Gehörst du dem Musiklehrer&quest; Ja&quest; Der hat ja hereinziehen wollen&comma; hat sich aber dann anders besonnen&period; Bist du sein Bub und weißt das nicht&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich weiß gar nichts&comma;« sagte Frieder und sah recht jämmerlich darein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Geh nur wieder in deine alte Wohnung&comma;« sagte der Mann&comma; »und frage dort&comma; wo du hin sollst&comma; dort sagt man dir’s schon&period; So etwas ist mir aber noch nicht vorgekommen&comma; daß man auszieht und sagt den Kindern nicht einmal wohin&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Dem Frieder kamen trübe Gedanken&comma; während er die Hintere Katzengasse wieder hinaufging nach dem Markt&period; Seine Eltern waren also in eine andere Wohnung gezogen und ihm hatte man nichts davon gesagt&comma; weil man ihn nicht brauchen konnte&period; Der neue Hausherr hatte gewiß nur sechs Kinder aufnehmen wollen&semi; er war der siebente&comma; er war zuviel&period; Das kam ihm alles ganz natürlich vor&comma; aber traurig war es&period; Und jetzt war er so hungrig&period; Für heute war er wenigstens noch zum Mittagessen eingeladen&period; Vielleicht bei Brauns&quest; Dort wollte er es einmal versuchen&period; Den Weg dahin konnte er freilich nur von zu Hause oder von der Schule aus finden&period; So ging er bis zu seinem Schulhaus&period; Dort traf er einen seiner Schulkameraden&comma; der schon wieder in die Nachmittagsschule ging und höchlich erstaunt war&comma; daß Frieder erst zum Essen gehen wollte&period; Auch ein anderer Kamerad&comma; der kleine Meinert&comma; kam schon des Wegs&period; »Du&comma; Meinert&comma;« rief ihm der erste Kamerad zu&comma; »der Pfäffling will erst zum Essen gehen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»O&comma; der kommt viel zu spät&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Gelt&comma; ich sag’s auch&comma; der kommt zu spät&period;« So eingeschüchtert wagte sich »der Pfäffling« auch nicht mehr weg&comma; sondern ging hinauf in das Schulzimmer&comma; setzte sich todmüde auf seinen Platz in der Bank&comma; ließ das heiße Köpflein hängen und schlief ein&period; Aus diesem Mittagsschlaf erwachte er erst&comma; als gegen zwei Uhr die andern Kinder alle heraufstürmten und der Lehrer kam&period; Sehr gut bestand Frieder heute nicht in der Schule und die zwei Stunden schienen ihm eine Ewigkeit&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als sie endlich überstanden waren und er die Treppe herunterkam&comma; ohne zu wissen&comma; wohin er sich dann wenden solle&comma; da rief plötzlich eine Stimme&colon; »Frieder&excl;« Er sah auf und da stand sein Vater vor ihm und sagte freundlich zu ihm&colon; »So Frieder&comma; ich habe auf dich gewartet&comma; ich will dich abholen in die neue Wohnung&comma; die Mutter hat Angst gehabt&comma; daß du sie nicht findest&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ei&comma; wie da der kleine Frieder verklärt zu seinem Vater aufsah&comma; wie er sich dicht an ihn drängte und mit ihm ging&excl; Und wie ihm dann auf einmal die Tränen aus den Augen schossen und all der Jammer im Durcheinander herauskam&colon; Kein Mittagessen – die alte leere Wohnung – die Hintere Katzengasse und die Angst&comma; daß man nur noch sechs Kinder haben wolle&excl; Vater Pfäffling drückte fest die kleine Hand&comma; die in der seinigen ruhte&comma; und sagte&colon; »Frieder&comma; wo wir sind&comma; da gehörst du auch hin und in der Frühlingsstraße Nr&period; 20 da wird auch für unser Dummerle der Tisch gedeckt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>In der neuen Wohnung war noch ein buntes Durcheinander und Frieder hätte wohl nicht so schnell etwas zu essen gefunden&comma; wenn nicht die neue Hausfrau mit der Liebhaberei&comma; Gutes zu tun&comma; dagewesen wäre&period; Sie brachte eine riesige Kanne mit Kaffee und Milch zum Einstand&comma; um die sich bald die ganze Familie scharte&semi; viele Freunde und dankbare Musikschüler schickten Vorräte für die Speisekammer&comma; so daß alles in Hülle und Fülle da war&comma; wie sonst nie im Jahr&comma; und alle Pfäfflinge&comma; jung und alt&comma; voll Vergnügen waren&period; Frieder wurde freilich von den Geschwistern viel geneckt und mußte sich oft Dummerle nennen lassen&comma; aber er ließ sich’s gar nicht anfechten&comma; er war jetzt glücklich&excl; Und als das Elschen am Abend zu ihm kam mit vier Kugeln in den Händen und klagte&colon; »Die rote Kugel ist nicht mit eingezogen&comma;« da freute er sich darüber&comma; daß er noch einmal in die verlassene Wohnung gekommen war und dort die Kugel gefunden hatte&comma; ging mit der kleinen Schwester auf den Holzplatz&comma; wo die großen Geschwister auf den Balken schaukelten und kletterten&comma; und spielte mit ihren Kugeln&comma; wie sie es in der alten Wohnung getan hatten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Bald war die neue Wohnung eingerichtet und Herr Pfäffling rüstete sich zur Reise&period; Seine Tasche war gepackt&comma; alles lag bereit&comma; am nächsten Morgen wollte er abreisen&period; Das Wetter war herrlich und lockte hinaus&comma; er sang und pfiff den ganzen Tag vor Freude und unterbrach sich nur manchmal&comma; um zu seiner Frau zu sagen&colon; »Nächstes Jahr bist du an der Reihe&comma;« oder zu den Kindern&colon; »Wenn ihr groß seid&comma; dürft ihr auch reisen&period;« Sie freuten sich alle mit ihm&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber – in der Nacht wurde Elschen krank&period; Sie konnte nicht sagen&comma; was ihr fehlte&comma; aber sie weinte und wimmerte und wälzte sich in ihrem Bett herum&period; Am frühen Morgen wurde der Arzt geholt&period; Er untersuchte&comma; fragte und wurde nicht klug daraus&comma; was dem Kind fehle&period; Als Frau Pfäffling sagte&colon; »Mein Mann kann doch unbesorgt abreisen&quest;« da zuckte er die Achseln und meinte&colon; »Ich würde doch noch einen Tag zusehen&period;« Den ganzen Tag konnte die Kleine nichts essen und lag stöhnend im Bettchen&comma; und am nächsten Tag fand der Arzt sie kränker als am vorhergehenden&period; Traurig schlichen die Kinder umher&comma; jedes teilte die Angst der Eltern um die Kleine&comma; alle Musik verstummte&period; In diesen Tagen waren Pfäfflings eine gute Mietpartei für die Hausleute&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Elschen aber konnte doch nicht schlafen&comma; so sehr man ihr Ruhe verschaffte&period; Der kleine Frieder stand an ihrem Bett&semi; ihn lächelte sie manchmal an und sprach auch ein paar Worte mit ihm&comma; aber von den andern Geschwistern wollte sie nichts wissen&period; So ließ ihn die Mutter manchmal allein am Bett&comma; wenn sie selbst nach der Haushaltung sehen mußte&comma; die zwei hatten sich ja so lieb&period; Vater Pfäffling ging unruhig im Haus herum&comma; an seine Reise dachte er schon fast nicht mehr&comma; so groß war die Sorge um das Kind&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Eben war der Arzt wieder dagewesen&period; »Wenn ich nur erst herausfände&comma; was dem Kinde fehlte&comma;« sagte er&comma; »aber so kann ich ihm gar nicht helfen&period;« Die Eltern begleiteten ihn hinaus und Frieder stand am Bett&period; Die kleine Schwester sah ihn an und streckte ihm die Händchen hin&period; »Elschen&comma;« sagte er schmeichelnd&comma; »willst du unsre schönen Glaskugeln&quest;« und er schüttelte ein wenig das Büchschen&comma; in dem dieses ihr gemeinsames Lieblingsspiel verwahrt war&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; nein&comma; nein&excl;« rief die Kleine mit ungewohnter Heftigkeit und streckte ihre Hände wie abwehrend gegen das Büchschen&comma; und als Frieder es schnell beiseite legte&comma; flüsterte sie ihm ganz leise zu&colon; »Die rote Kugel schmeckt so hart&period;« Dann legte sie sich auf die Seite und schloß die Augen&period; Frieder blieb ganz still bei ihr stehen&period; Zuerst kam es ihm komisch vor&comma; daß Elschen so etwas Dummes sagen konnte&period; Wer weiß denn&comma; wie Kugeln schmecken&excl; Frieder war kein großer Denker&comma; aber nach einer Stunde war er doch mit seinen Gedanken so weit gekommen&comma; daß er sich sagte&colon; »Die rote Kugel ist nicht im Büchschen&comma; vielleicht hat das Elschen sie gegessen&period;« Und nun fing er an&comma; im Zimmer nach der Kugel zu suchen&comma; ob sie nicht doch irgendwo lag&period; So trafen ihn die Eltern&comma; gerade als er mit einem Stecken unter der Kommode herumfuhr und damit einigen Lärm machte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ruhig&comma; ruhig&comma;« wehrte die Mutter&comma; und der Vater&comma; der immer neben der Sorge auch ein wenig Ärger empfand wegen seiner mißlungenen Reise&comma; fuhr ihn ungeduldig an&colon; »Geh doch hinaus zu den andern&comma; was treibst du denn da&quest;« »Ich muß die rote Kugel suchen&comma; denn – –&period;« »Geh hinaus mit deinen Kugeln&excl; Wenn du nicht still bei Elschen bleiben kannst&comma; dann darfst du auch nicht mehr zu ihr&comma;« und unsanft wurde der Kleine zur Türe hinausgeschoben&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Da ging er hinunter auf den Holzplatz&comma; setzte sich auf einen Balken und dachte an sein Schwesterchen&period; Nach und nach wurde ihm alles klar&colon; die rote Kugel war am Sonntag noch in der Büchse gewesen&comma; dann war das Elschen krank geworden und seitdem war die Kugel weg&period; Und wenn das Elschen sie nicht gegessen hätte&comma; dann wüßte es doch nicht&comma; daß sie hart schmeckt&period; Und das hatte sie ihm deshalb ganz leise gesagt&comma; damit es die Eltern nicht hörten&comma; denn so eine schöne Glaskugel essen ist schade&comma; da wird man gezankt&period; Der Bruder wollte auch seine Schwester nicht verraten&comma; damit sie nicht gezankt würde&comma; er sagte zu niemand ein Wort&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Am nächsten Morgen hatte er sich doch wieder an Elschens Bett gemacht&period; Die Eltern beachteten ihn nicht und sprachen miteinander&period; Sie erwarteten den Arzt&period; »Wenn er nun gar nicht herausbringt&comma; was dem Kind fehlt&comma;« sagte Vater Pfäffling&comma; »dann müssen wir doch einen andern Arzt dazu holen&period;« »O ja&comma; bitte&comma;« sagte die Mutter&comma; »laß ihn holen&comma; ehe es zu spät ist&comma; heute nacht habe ich schon gemeint&comma; sie stirbt mir« – und die Mutter weinte&period; Daß seine Schwester sterben könnte&comma; daran hatte Frieder noch gar nicht gedacht&comma; und mit einemmal wurde es ihm ganz klar&comma; daß er nicht verschweigen dürfe&comma; was er wußte&comma; lieber Elschen verraten als sie sterben lassen&period; Da klingelte schon der Arzt&period; »Mutter&comma;« fing Frieder an&comma; »du weißt doch&comma; daß wir so eine rote Kugel haben –&period;« Aber die Mutter fiel ihm ins Wort&colon; »Aber Frieder&comma; meinst du denn&comma; wenn das Schwesterchen so krank ist&comma; will man etwas von deinen Kugeln wissen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der Arzt kam und untersuchte die kleine Kranke&period; Unterdessen näherte sich Frieder dem Vater&period; »Vater&comma;« begann er leise&comma; »Vater&comma; wir haben doch eine rote Kugel gehabt und – –« »O du mit deinen verwünschten Kugeln&excl;« rief Herr Pfäffling so laut und ärgerlich&comma; daß das kranke Kind erschreckt und der Arzt erstaunt herüber blickte und sagte&colon; »Es wird immerhin besser sein&comma; wenn die Kinder nicht im Krankenzimmer sind&comma;« und Vater Pfäffling machte die Türe auf und wies mit strenger Miene dem Frieder den Weg&period; Der aber&comma; der sonst nie wagte&comma; ungehorsam zu sein&comma; schlüpfte an der Türe vorbei zum Arzt&comma; der über das Bett der Kleinen gebeugt stand und sie behorchte&period; Er schlang beide Arme um den Hals des Arztes und flüsterte ihm ganz leise zu&colon; »Die rote Kugel hat das Elschen gegessen&comma; ja&comma; und darum ist sie krank&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die Eltern hatten nicht verstanden&comma; was Frieder leise gesagt hatte&comma; und so sahen sie mit Staunen&comma; daß der Doktor sich von der kleinen Kranken weg eifrig dem Frieder zuwandte und nun&comma; wahrhaftig – sie hörten es ganz deutlich – fing auch der Doktor an&comma; von den Kugeln zu sprechen&comma; die Herr Pfäffling eben verwünscht hatte&period; Der Arzt nahm den Frieder&comma; der ein wenig ängstlich nach dem Vater hinübersah&comma; auf die Kniee und redete sehr freundlich mit ihm&comma; während die Eltern auf seine Worte lauschten&period; »Wie war denn das mit der Kugel&comma; Frieder&quest; Sage mir’s nur noch einmal ganz genau&semi; weißt du&comma; das muß ich alles erfahren&comma; wenn ich deine Schwester gesund machen soll&period; Hast du es denn gesehen&comma; daß sie die Kugel geschluckt hat&quest; Nein&quest; Aber erzählt hat sie dir’s&quest; Was hat sie denn erzählt&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nur daß die rote Kugel hart schmeckt&period; Und das weiß man doch nicht&comma; wie die rote Kugel schmeckt&comma; wenn man sie nicht gegessen hat&period; Und die Kugel ist auch nicht mehr da&comma; sieh nur her&period;« Und Frieder öffnete das Kästchen&period; »Fünf müssen es sein&comma; und es sind doch nur vier&period;« Elschen fing ängstlich an zu weinen&period; »Jetzt weint sie&comma;« sagte Frieder und schien selbst den Tränen nahe&comma; »ich habe sie doch auch nicht verraten wollen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So etwas muß man verraten&comma;« sagte der Arzt&comma; und nun wandte er sich an die Eltern&comma; die in große Aufregung versetzt waren durch Frieders Mitteilung&period; »Wenn es so ist&comma; wie der Kleine sagt&comma; dann kann dem Kind geholfen werden&period; Ich bin überzeugt&comma; daß die Sache sich so verhält&comma; denn nur durch so etwas läßt sich diese Krankheit erklären&period; Am besten ist es&comma; ich bringe gleich heute nachmittag einen geschickten Chirurgen mit&comma; vielleicht ist eine Operation vorzunehmen&period;« Frau Pfäffling erschrak darüber&period; »Unser Frieder ist so ein Dummerle&comma;« sagte sie&comma; »auf seine Reden hin kann man doch keine Operation vornehmen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Der scheint mir gar kein Dummerle zu sein&comma;« sagte im Fortgehen der Arzt&comma; »wer weiß&comma; ob Sie ihm nicht das Leben Ihres Kindes verdanken&period;« Die Mutter aber traute der Sache noch nicht und sie fing an&comma; nach der Kugel zu suchen und rief alle Kinder zu Hilfe&period; In der ganzen Wohnung wurde aus allen Ecken vorgekehrt&comma; der Vater setzte einen Finderlohn aus und in jedem Zimmer traf man eines der Kinder der Länge nach auf dem Boden liegend und unter die Möbel schlupfend&comma; um zu suchen&period; Nur Frieder suchte nicht mit&comma; er sah dem Treiben verwundert zu und sagte nur&colon; »Ich habe schon lange gesucht&comma; da ist unsere rote Kugel nie&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Am Nachmittag wurde die Kleine so krank und schwach&comma; daß es aussah&comma; als ob sie den Abend nicht mehr erleben könnte&comma; und so eilte Herr Pfäffling fort und holte die beiden Ärzte zur Hilfe&period; Sie kamen&comma; brachten eine Krankenschwester mit&comma; gingen ins Krankenzimmer und schlossen die Türe ab – niemand&comma; nicht einmal die Eltern durften mit ihnen hinein&period; Das war nun eine bange Stunde&period; Die ganze Familie war im Wohnzimmer beisammen&comma; lauschte auf die Geräusche&comma; die hie und da aus dem Krankenzimmer über den Vorplatz herübertönten&comma; und wartete&period; Der Mutter Auge ruhte auf Frieder&period; Sollte wirklich gerade dieses Kind&comma; das kleine&comma; unbeachtete Dummerle&comma; den wahren Grund der Krankheit gefunden haben&quest; Er saß ganz ruhig mit seinem Büchschen in der Hand da&comma; während Herr Pfäffling aufgeregt im Zimmer hin und her lief und das lange Warten kaum ertragen konnte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Endlich&comma; endlich hörte man&comma; daß die Türe des Schlafzimmers aufgeschlossen wurde&comma; Herr Pfäffling eilte hinaus in den Vorplatz&comma; die Mutter ihm nach&period; Da kamen schon die beiden Ärzte auf sie zu und der Hausarzt rief ihnen entgegen&colon; »Nun&comma; da hätten wir ja die verlorene Kugel wieder&comma;« und er hielt hoch in der Hand&comma; daß es alle sehen konnten&comma; die rote Kugel&excl; Der Mutter stürzten die Tränen aus den Augen&period; »Darf ich hinein&quest;« fragte sie und war schon durch die Türe und bei dem kleinen Liebling&comma; ehe sie Antwort bekommen hatte&period; Das Kind lag bleich in seinem Bettchen und erkannte die Mutter nicht&comma; aber die Krankenschwester sagte zu der besorgten Mutter&colon; »Seien Sie nur ganz getrost&comma; es ist so gut gegangen&comma; die Ärzte sind ganz zufrieden&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Leise&comma; leise schlichen sich allmählich alle Kinder herein&comma; während draußen die Ärzte mit dem Vater sprachen&period; Die großen Brüder&comma; die Zwillingsschwestern&comma; jedes wollte das Elschen sehen&period; Da konnte der kleine Frieder nicht beikommen und das Schwesterchen nicht sehen&period; Er wollte hinausschlüpfen&comma; aber die Herren standen unter der Türe&period; Der Arzt bemerkte ihn&period; »Das ist der Kleine&comma;« sagte er zu dem Chirurgen&comma; »ein kluges&comma; aufmerksames Kind&comma; dem verdankt die kleine Schwester gewissermaßen das Leben&period;« »Ja&comma;« sagte Herr Pfäffling&comma; »das kommt daher&comma; daß er sein Schwesterchen so lieb hat&comma; er ist sonst nicht der Klügste&comma; da muß die Liebe den schlummernden Verstand geweckt haben&period;« Die Geschwister alle hörten das&comma; sie wandten sich Frieder zu und sahen ihn staunend an&period; Dieser selbst beachtete das nicht&comma; er hatte ein anderes Anliegen&comma; und da er sah&comma; daß die Ärzte ihn freundlich anblickten&comma; wagte er es vorzubringen&period; Er streckte das Büchslein hin&comma; in dem die vier Kugeln waren und sagte&colon; »Da herein gehört die rote Kugel&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Das Elschen erholte sich so schnell&comma; daß es schon nach einigen Tagen wieder ganz lustig und munter war&comma; und Herr Pfäffling rüstete sich abermals zur Reise&period; Ohne Sorge konnte er sein Töchterchen verlassen&comma; das noch im Bett lag&comma; aber fröhlich mit Frieder plauderte&period; Die Mutter folgte dem Reisenden noch die Treppe hinunter&comma; die Zwillingsschwestern begleiteten den Vater an die Bahn&comma; die Brüder sollten ihn dafür bei der Heimkehr abholen&period; Als Frau Pfäffling allein die Treppe wieder herauf und ins Zimmer kam&comma; sagte sie zu ihren drei Großen&colon; »Gottlob&comma; daß des Vaters Reise doch noch zustande gekommen ist&comma;« und sie fing an&comma; den Tisch abzuräumen&comma; an dem der Vater noch eine kleine Mahlzeit eingenommen hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nun kam auch Frieder&comma; der bei dem Schwesterchen geblieben war&comma; herein&comma; nahm seine Ziehharmonika und spielte ein Lied&period; Aber mitten in der Melodie unterbrach er sich und fragte&colon; »Wann reist denn der Vater fort&quest;« Da sahen ihn alle an&comma; lachten und fragten&colon; »Hast du’s nicht gemerkt&comma; daß der Vater abgereist ist&quest; Er hat sich doch von dir und Elschen auch verabschiedet&period; Bist du denn doch wieder unser Dummerle&quest; Und der Vater hat erst gesagt&comma; niemand darf dich mehr so heißen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da besann sich der Frieder eine Weile&comma; nahm seine Melodie wieder auf&comma; wo er sie unterbrochen hatte&comma; und spielte sie zu Ende&period; Dann deutete er auf das Klavier und sagte langsam&colon; »Weil doch da oben noch die Karte vom Fichtelgebirge liegt&comma; kann doch der Vater nicht fort sein&period;« Was gab es für einen Aufruhr bei diesen ruhig gesprochenen Worten&excl; Die Mutter&comma; die Geschwister&comma; alle waren in einem Augenblick am Klavier&colon; richtig&comma; da lag die Karte&semi; wie war es möglich&comma; daß der Vater die vergessen hatte&excl; Dann ein Blick auf die große Wanduhr – reicht es noch&comma; kann man noch vor Abgang des Zuges an die Bahn kommen&comma; dem Vater die Karte bringen&quest; »Es geht nicht mehr&comma;« meint die Mutter&period; »Es geht&comma; es geht&comma;« meint einer der Jungen und nimmt schon die Karte&comma; reißt die Mütze vom Nagel und hinaus zur Türe&colon; »Ich kann schneller laufen&comma;« »und ich länger&comma;« ruft der Zweite und Dritte&comma; und einer hinter dem andern hinaus&comma; die Treppe hinunter&comma; mit einem Gepolter&comma; daß sogar die freundliche Hausfrau zu ihrem Mann sagte&colon; »So ein Gepolter dürfen die Kinder nicht anfangen&comma; es ist besser&comma; wenn man es ihnen gleich das erstemal verwehrt&period;« Der Hausherr meinte das auch und ging an die Türe&comma; aber die drei waren zum Haus hinaus&comma; schossen davon und man hörte nur noch&comma; wie droben das Fenster aufgemacht wurde und Frau Pfäffling ihren Jungen nachrief&colon; »Rennt nur&comma; was ihr könnt&comma; es kann noch reichen&excl;« Aber die drei hörten schon nichts mehr und waren im Nu um die Ecke&period; »Es muß etwas Besonderes los sein&comma;« sagte die Hausfrau zu ihrem Mann&comma; »da kann man nicht zanken&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der Musiklehrer Pfäffling war zeitig an die Bahn gegangen&comma; er konnte sich in Ruhe einen guten Platz im Zug wählen&comma; stieg ein und plauderte durchs offene Fenster mit seinen zwei Töchtern&period; Nun reichte er ihnen noch die Hand heraus zum Abschied&colon; »Grüßt mir die Mutter noch einmal und das Elschen&comma; und nun geht nicht so nahe an den Zug&comma; er wird gleich abfahren&comma; daß nicht noch ein Unglück geschieht –« »Und du wieder nicht reisen kannst&comma;« sagte eine der Schwestern&period; »Ja&comma; diesmal hat’s schwer gelingen wollen&comma; gottlob&comma; daß ich soweit bin&period;« »Fertig&excl;« rief der Zugführer&comma; und der Bahnbeamte setzte eben das Pfeifchen an den Mund&comma; um das Zeichen zur Abfahrt zu geben&comma; da stürzte auf den Bahnsteig heraus ein Bub&comma; atemlos&comma; schweißtriefend&comma; und ein zweiter hinter ihm drein&comma; und riefen schon von der Ferne&colon; »Vater&comma; Vater&excl;« Der dritte war nicht nachgekommen&comma; der hatte unterwegs einen Schuh verloren&period; Der Zugführer empfand ein menschliches Rühren&comma; er war doch auch Vater&semi; wenn zwei Kinder so nach dem Vater riefen&comma; durfte er wohl einige Sekunden zögern&period; Er nahm das Pfeifchen von den Lippen&comma; alle Umstehenden sahen auf die heranstürmenden Jungen&comma; auch Pfäffling erblickte sie&comma; und wie der Blitz durchfuhr ihn der Gedanke&colon; »Es ist etwas geschehen – du kannst nicht reisen – das Elschen ist wieder krank&excl;« Da hatte sein Ältester den Wagen erreicht&comma; streckte ihm etwas entgegen&colon; »Die Karte&excl;« Der Pfiff ertönte&comma; der Zug fuhr ab und noch aus weiter Ferne sahen die Kinder&comma; wie der Vater sie grüßte und ihnen fröhlich zuwinkte mit der Karte vom Fichtelgebirge&excl;<&sol;p>

«

»