Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Das kleine Dummerle und andere Erzählungen
(Agnes Sapper, 1904, empfohlenes Alter: 7 - 14 Jahre)

Ein Wunderkind

<p>Wunderkinder gibt es aller Art&period; Solche&comma; die wie Mozart mit drei Jahren Klavier spielen&comma; andere&comma; die im gleichen Alter mehrere Sprachen lesen können&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Von einem Wunderkind ganz eigener Art möchte ich erzählen&period; Mein Wunderkind heißt Fridolin und ist das älteste Kind von armen Arbeitersleuten&period; Es war sechs Jahre alt geworden&comma; ohne daß jemand ahnte&comma; was für ein besonderes Geschick in dem Kleinen steckte&comma; bis eines Tages der Vater zu ihm sagte&colon; »Nimm meinen Sonntagsrock und trag ihn zum Schneider&comma; daß er den Riß am Ärmel flicke&period;« Fridolin trug den Rock zum Schneider und dieser versprach&comma; den Schaden wieder gut zu machen&period; »Ich will darauf warten&comma;« sagte Fridolin&period; »So schnell geht’s nicht&comma;« entgegnete der Schneider&semi; »ich habe vorher noch anderes zu nähen&period;« »Ich kann ja warten&comma;« wiederholte das kleine Bürschlein&period; »Da dürftest du lange warten&comma;« meinte der Schneider&comma; »geh du nur wieder heim&period;« »Ich kann auch lang warten&comma;« versetzte der Kleine und rührte sich nicht von der Stelle&period; Zwei junge Burschen&comma; ein Geselle und ein Lehrling&comma; die auch an der Arbeit saßen&comma; lachten über den Kleinen&comma; der sich nicht vertreiben ließ&semi; da lachte der Schneider auch&comma; legte den Rock beiseite&comma; setzte sich an die Arbeit und sagte zu seinem Gesellen&colon; »Laß den Knirps nur stehen&comma; er wird schon bald genug kriegen&period;« Aber Fridolin bekam nicht genug&period; Er stand hinter dem Gesellen und sah ihm zu&comma; wie er Knopflöcher nähte&period; Acht Uhr war es wie er gekommen war&comma; und um zehn Uhr stand er noch da&period; – Nun trat die Meisterin ins Zimmer mit Bier und Brot&comma; und der Meister setzte sich mit dem Gesellen an den Tisch&period; Fridolin aber&comma; ohne ein Wort zu sagen&comma; nahm den Platz ein&comma; an dem der Geselle gearbeitet hatte&comma; und ergriff die Arbeit&comma; die jener beiseite gelegt hatte&period; Der Schneider beobachtete den wunderlichen Kleinen aus der Ferne&semi; als er aber merkte&comma; daß er sich an des Gesellen Arbeit vergriff&comma; trat er leise hinter ihn und sah ihm zu&period; Dann winkte er den Gesellen und alle drei sahen mit Staunen&comma; wie die Kinderfingerchen die Nadel behend durch den dicken Stoff schoben&comma; wie Stich an Stich kam&comma; daß auch nicht fadenbreit dazwischen fehlte&comma; und wie das Schneiderlein so in seine Arbeit vertieft war&comma; daß es nicht einmal nach ihnen aufschaute&period; »Wer hat dich gelehrt&comma; Knopflöcher machen&quest;« fragte jetzt der Schneider&period; »Der da&excl;« antwortete Fridolin und deutete auf den Gesellen&comma; dem er vorher zugesehen hatte&period; Da staunte der Meister und fragte den Kleinen nach allerlei&colon; ob er zu Hause auch schon genäht habe&comma; woher er’s könne usw&period;&comma; aber es war aus dem Büblein nicht viel herauszubringen&period; Nun tat’s ihm der Schneider zulieb und machte sich an das Ausbessern des Rockes&comma; den Fridolin gebracht hatte&comma; und der Kleine stand dabei und verwandte kein Auge davon&period; Als die Arbeit fertig war und Fridolin mit dem Rock gehen wollte&comma; sagte der Schneider zu ihm&colon; »Dich freut unser Handwerk&comma; das seh’ ich&comma; komm du nur ein andermal wieder&comma; wenn du zusehen willst&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Als am nächsten Morgen in aller Frühe die Meisterin aus der Türe trat&comma; um droben in der Kammer den Lehrbuben zu wecken&comma; saß der kleine Fridolin auf der Treppe und sagte&colon; »Ich will nähen helfen&period;« Da ließ ihn die Meisterin ein und der Schneider gab ihm eine Arbeit&comma; von der er dachte&colon; Verdirbt er’s&comma; so ist nicht viel daran verloren&period; Aber Fridolin verdarb nichts und kam nun alle Tage&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Herbst zog ins Land und Fridolin mußte in die Schule&period; Er war der kleinste unter all seinen Kameraden und im Lernen nicht stark&semi; aber er war brav&comma; machte seine Sache&comma; so gut er eben konnte&comma; und der Lehrer konnte das stille Kind wohl leiden&period; Eines Tages aber saß Fridolin mit geschlossenen Augen auf seinem Platz in der Schule&period; »Schläfst du&quest;« rief ihn der Lehrer an und berührte ihn mit dem Stock&period; Erschrocken fuhr Fridolin auf&comma; aber nach ein paar Minuten drückte er schon wieder die Augen zu&period; »Was ist’s heute mit dir&quest;« rief ihm der Lehrer zu und schüttelte ihn&colon; »Bist du faul oder krank&quest;« »Nein&comma;« antwortete der Kleine weinerlich&comma; »aber die Naht ist ganz krumm&comma; die kann ich nicht sehen&excl;« und er deutete auf die Jacke des Knaben&comma; der vor ihm saß&period; Alle Kinder lachten&comma; aber der Lehrer sagte&colon; »Redest du im Traum oder hast du den Verstand verloren&quest;« »Nein&comma; nein&comma;« rief Fridolin&comma; »die Naht muß so laufen&comma;« und im Nu hatte er ein Stückchen Schneiderskreide aus seiner Tasche genommen und zeichnete damit eine schnurgerade Linie über den Rücken seines Kameraden herunter&period; Der Lehrer sah nun wohl&comma; daß der Kleine recht hatte und daß die Naht etwas krumm lief&period; Er wußte nicht&comma; sollte er lachen über den kleinen Sonderling oder staunen über seinen scharfen Blick&period; »Setze dich vor zu mir&comma;« sagte er und führte Fridolin an einen andern Platz&comma; wo er seine Augen offen halten konnte&comma; ohne durch Jackennähte zerstreut zu werden&period; Nach der Schule sagte Fridolin zu seinem Kameraden&colon; »Wenn du mir Zwirn mitbringst&comma; mache ich dir die Naht an deiner Jacke zurecht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Und so geschah es&period; Von diesem Tag an wurde Fridolin der Flickschneider für seine ganze Klasse&period; Als die Ferien begannen&comma; kam der Schneider zu Fridolins Eltern und bat&comma; daß ihm der Kleine nähen helfen möchte&period; Der Vater war nicht wenig stolz auf seinen kleinen Sohn und fragte&comma; was ihm der Schneider an Lohn geben wolle&comma; denn jeder Arbeiter sei seines Lohnes wert&period; Die beiden Männer handelten hin und her&comma; Fridolin stand dabei und sagte kein Wort&period; Endlich wurden sie miteinander eins&comma; der Schneider verabschiedete sich und war schon unter der Türe&comma; da sprach Fridolin&colon; »Geld will ich nicht&comma; ich will Tuch&excl;« Der Schneider kam wieder zurück und der Vater sagte&colon; »Hättest auch früher reden können&comma; sei nur zufrieden&comma; jetzt ist’s schon ausgemacht&period;« Aber Fridolin war nicht zufrieden&comma; er wiederholte ganz bestimmt&colon; »Um Geld näh’ ich nicht&comma; ich will Tuch&excl;« »Ja&comma; wozu denn&quest;« fragte der Schneider&period; »Zu einem Anzug für unseren Kleinen&comma;« antwortete Fridolin und meinte damit seinen jüngsten Bruder&comma; den er sehr lieb hatte&period; »Er ist schon so ein Sonderling&comma; dem man seinen Kopf lassen muß&comma;« sagte der Schneider&comma; versprach ihm schönes Tuch zu liefern und ging&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Jeden Tag arbeitete nun Fridolin bei dem Meister&semi; er lernte Maß nehmen und Zuschneiden&comma; er sah beim Anprobieren auf den ersten Blick&comma; wo es fehlte&comma; und seine Fingerchen wurden immer geschickter und gingen so flink auf und ab wie eine kleine Nähmaschine&comma; so daß es ganz wunderbar anzusehen war&period; Am liebsten aber arbeitete er für seine Geschwister daheim&comma; und was er ihnen machte&comma; das saß so nett und stand so fein&comma; wie wenn es aus dem feinsten Herrenkleidergeschäft hervorgegangen wäre&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Jahre vergingen&comma; Fridolin kam aus der Schule und man durfte sich nicht lange besinnen&comma; was er werden sollte&comma; er war ja schon etwas&colon; Der geschickteste Schneider im Städtchen&period; Gewachsen war er nicht viel&comma; und wenn er jemand das Maß nehmen sollte&comma; so mußte er auf einen Schemel&comma; ja manchmal auf den Stuhl steigen&comma; um hinaufreichen zu können&period; Er lebte ganz still nur für seine Arbeit&comma; wußte nicht&comma; wie es in der Welt draußen zugeht&comma; und hatte keine anderen Freunde als seine kleinen Geschwister&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Mit zwanzig Jahren sah er noch aus wie ein Kind&period; Um diese Zeit hörte der Vater&comma; daß in der Hauptstadt ein tüchtiger Schneidermeister gestorben sei&comma; der gute Kundschaft gehabt habe&comma; und er dachte sich&colon; »Das Geschäft könnte mein Fridolin übernehmen&semi; alles&comma; was er zum Handwerk braucht&comma; ist dort&comma; Gesellen und Lehrlinge sind da und wissen&comma; wie es betrieben wird&comma; da dürfte er sich nur hineinsetzen und könnte sein Glück machen&excl;« Die Mutter hatte zwar ihre Bedenken und meinte&comma; der Fridolin könne nicht ohne sie sein&comma; er sei zu unpraktisch für so ein Geschäft&period; Aber der Vater sagte&colon; »Wenn du ihn immer versorgst wie ein Kind&comma; wird er nie ein Mann&comma; er soll nur hinaus in die Welt&comma; dann wird er schon klug werden&period;« Fridolin selbst redete nicht darein und ließ seine Eltern die Sache ausmachen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nach kurzer Zeit saß er als Schneidermeister in der Großstadt&period; Ein ganzes Stockwerk war für ihn und seine Gesellen eingerichtet&period; Unten im Hause wohnten ordentliche Leute&comma; diesen hatte die Mutter ihren Sohn anempfohlen&comma; und so hoffte sie&comma; es werde sich alles gut machen&period; Die Gesellen und Lehrbuben lachten zuerst über das Meisterlein&comma; aber bald bekamen sie Achtung vor seiner Kunst&period; Der erste Kunde&comma; der sich einfand&comma; war ein alter Herr&period; Er hatte hier kurz vorher einen Anzug machen lassen und nun betrat er in diesem das Geschäft&comma; erklärte sich nicht ganz zufrieden mit der Arbeit und wollte etwas daran verändert haben&period; Den kleinen Meister Fridolin sah er wohl für den jüngsten Lehrjungen an und beachtete ihn nicht&comma; sondern wandte sich mit seinem Anliegen an den ältesten Gesellen&period; Der prüfte den Anzug und behauptete&comma; er stehe tadellos und sei nach der neuesten Mode&period; Da sprang unser Meisterlein auf&comma; stellte flugs einen Schemel neben den Herrn&comma; stieg hinauf und indem er mit seiner Kreide ein paar Striche über das Tuch zog&comma; sagte er&colon; »Hier sitzt der Fehler&period;« Der Geselle mußte zugeben&comma; daß der Meister recht habe&comma; und am nächsten Tag war unter des Schneiderleins geschickten Händen der Fehler schon verbessert&period; Der alte Herr freute sich über die gute Arbeit und empfahl das Meisterlein seinem Hausgenossen&comma; einem jungen Baron&comma; der viel auf seine Kleider hielt&period; Der bestellte sofort unsern Fridolin&comma; daß dieser ihm das Maß nehme&period; Aber Fridolin schüttelte bloß den Kopf&comma; sah von seiner Arbeit nicht auf und sagte ganz ruhig zu dem Bedienten&colon; »Der Herr soll zu mir kommen&period;« Die Gesellen waren nicht wenig erstaunt über diese Antwort und der älteste flüsterte dem Meister zu&comma; der vorige Meister sei auch immer zu den Herren ins Haus gegangen&period; Aber Fridolin sagte ganz ruhig&colon; »Ich kann nicht&comma; ich muß meinen Schemel haben und meinen Stuhl&comma; ich bin zu klein&comma;« und der Diener des Herrn Baron mußte mit dieser Antwort abziehen&period; Der Herr Baron war nun neugierig&comma; das kleine Schneiderlein zu sehen&comma; und bemühte sich selbst in die Werkstatt&period; Rührig sprang unser Fridolin vom Schemel auf den Stuhl und vom Stuhl auf den Schemel&comma; um dem großen Herrn das Maß zu nehmen&comma; und als er damit fertig war&comma; setzte er sich sofort wieder an die Arbeit&comma; ließ den hohen Herrn stehen und der Geselle mußte ihn zur Türe geleiten&period; Der Anzug wurde aber ein Meisterwerk&comma; und bald bemühten sich die vornehmsten jungen Herren in das Geschäft des Schneiderleins&comma; und sie taten es um so lieber&comma; als unser guter Fridolin sie nicht mit der Rechnung bedrängte&period; »Meisterlein&comma;« sagte eines Tages der älteste Geselle&comma; der eine wahre Liebe zu ihm gefaßt hatte&comma; »wie steht’s mit den Rechnungen&quest; Früher hat der Lehrbub sie ausgetragen&comma; ich meine es wäre Zeit&comma; die Herren sollten bezahlen&period;« Da machte Fridolin ein ängstliches Gesicht&comma; denn die Rechnungen zu stellen&comma; das hatte er nie recht lernen können&period; »Die Rechnungen&quest;« sagte er&comma; »die sind schwer zu machen&period;« Da lächelte der Geselle und sagte&comma; er werde es wohl fertig bringen&comma; und besorgte die Sache&period; Des Barons Diener war der erste&comma; der kam&comma; um die Rechnung zu bereinigen&period; Fridolin&comma; der gerad am Zuschneiden war&comma; nahm das Geld&comma; zählte es aber nicht nach&comma; schob es beiseite&comma; daß es bald zwischen den verschiedenen Tuchresten lag&comma; und merkte nicht&comma; wie die jungen Gesellen darüber kicherten&comma; auch wohl eines oder das andere Geldstück zu sich nahmen&comma; nur damit es nicht unter die Lumpen fiele&semi; und schließlich wäre wohl alles verschwunden&comma; wenn nicht der älteste Geselle das Geld zusammengerafft und es seinem lieben Meisterlein in die Tasche geschoben hätte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ein Vierteljahr war verflossen&comma; da schnürte der wackre Geselle&comma; dessen Zeit nun abgelaufen war&comma; sein Bündel&period; Er war schon viele Jahre in der Fremde gewesen und wollte zurückkehren in seine Heimat&period; Der treue Bursche brachte noch&comma; ehe er abreiste&comma; alles Geschäftliche möglichst in Ordnung&semi; aber er war nicht lange weg&comma; so ging alles nicht mehr in der Werkstatt&comma; wie es sollte&period; Das Schneiderlein machte zwar seine Arbeit prächtig und war von früh bis spät so emsig&comma; daß ein Meisterstück nach dem andern aus seinen Händen hervorging&period; Aber die Arbeiter trieben&comma; was sie wollten&comma; und hatten mehr Geld als ihr Meister&period; Fridolins Eltern wußten davon nichts&period; Sie hatten sich in der ersten Zeit einmal nach ihm umgesehen und seitdem hörten sie nichts mehr&comma; denn das Schreiben war Fridolins Sache nicht&period; Da wurden sie eines Tages durch einen Brief aus der Stadt überrascht&period; Er war nicht von Fridolin&comma; aber von seiner Hausfrau&period; Die schrieb&comma; die Eltern sollten doch nach dem Sohn sehen&semi; es sei gar nicht zu beschreiben&comma; was für eine Unordnung in der Werkstatt herrsche und wie er von den Gesellen betrogen und bestohlen werde&period; Sie habe es ihm schon oftmals selbst gesagt&comma; aber er könne wohl nicht anders&comma; ihr Mann sage immer&comma; bei dem habe sich der Verstand ganz auf eine Seite geschlagen&period; Die Mutter seufzte&colon; »Ich hab’s ja gleich gewußt&comma; daß es nicht geht&comma;« und der Vater wurde ganz nachdenklich und sprach vor sich hin&colon; »Die Leute haben recht&comma; der Verstand hat sich bei ihm ganz auf die eine Seite geschlagen&period;« Am nächsten Tag reiste die Mutter in die Hauptstadt&period; Das Schneiderlein sprang von der Arbeit auf&comma; als es die Mutter so unverhofft vor sich sah&comma; und aus seinen blauen Kinderaugen strahlte ihr die helle Freude entgegen&period; Aber was sie sonst sah und erfuhr&comma; war schlimm genug&period; Obwohl Fridolin die feinste Kundschaft hatte und von früh bis spät arbeitete&comma; war doch kein Geld da&period; Denn meistens vergaß er&comma; für seine Arbeit eine Rechnung zu schicken&comma; und wenn ehrliche Leute von selbst zahlten&comma; so ließ er das Geld offen herumliegen&comma; daß es nehmen konnte&comma; wer da wollte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»So kann’s nicht fortgehen&comma;« sagte die Mutter zum Sohn&comma; als sie mit ihm allein war&period; »Nein&comma; so kann’s nicht fortgehen&comma;« gab Fridolin zu&period; »Das muß man ändern&comma;« erklärte die Mutter&period; »Ja&comma; das muß man ändern&comma;« wiederholte der Sohn&period; »Fridolin&comma;« erklärte nun die Mutter bestimmt&comma; »du mußt heiraten&comma; daß du eine tüchtige Hausfrau bekommst&period;« Da sah das Schneiderlein sie ganz bestürzt an und schüttelte den Kopf&period; »Davon versteh ich nichts&comma; Mutter&comma;« sagte er&comma; und so sehr ihn auch die Mutter überreden wollte&comma; er gab nicht nach&period; So mußte sich denn die Mutter auf einen andern Ausweg besinnen&period; »Ist’s dir recht&comma; wenn wir zu dir ziehen&comma; der Vater und ich und die Kinder alle&quest;« Diesmal wurde ihr Vorschlag anders aufgenommen&period; Fridolin strahlte mit dem ganzen Gesicht&period; »Ja&comma;« sagte er&comma; »und bleib du nur gleich da&comma; Mutter&period;« »So leicht geht das nicht&comma; erst muß ich mit dem Vater reden und der Umzug kostet Geld&excl; Wo soll das so schnell herkommen&quest;« Jetzt tat es dem Fridolin zum erstenmal leid&comma; daß er kein Geld hatte&comma; und er fing an&comma; seine Schubladen zu durchsuchen&period; »Mutter&comma;« sagte er&comma; »ich habe anfangs einen ehrlichen Gesellen gehabt&comma; der hat immer das Geld eingenommen und manchmal hat er gesagt&colon; ›Meisterlein&comma; Ihr Geld verstecke ich vor den Buben&comma; vielleicht brauchen Sie’s einmal&comma;‹ aber ich weiß nicht mehr&comma; wohin er’s versteckt hat&period;« Nun machte sich die Mutter auch daran&comma; alles zu durchsuchen&comma; und richtig entdeckte sie ganz unten im Kasten in einer alten Knopfschachtel mehrere Goldstücke&period; Das war nun eine Freude&comma; und die Mutter dankte im Geiste dem wackeren Gesellen&comma; der so für ihren Sohn gesorgt hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nach einigen Wochen schon war die ganze Familie in die Stadt gezogen&comma; und obwohl unser Schneiderlein nicht viel Worte machte&comma; sah man ihm an&comma; wie glücklich er sich fühlte&period; Nun kam auch Ordnung ins Haus&period; Gleich am ersten Tag blieben die Gesellen bis um 12 Uhr an der Arbeit&comma; während sie sonst schon um 11 Uhr davongelaufen waren&period; Sie merkten&comma; daß nun eine Meisterin da war&comma; die ein strenges Regiment führte&period; Um 12 Uhr deckte die Mutter im Nebenzimmer den Tisch&semi; der Vater kam zum Essen&comma; die Kinder versammelten sich&comma; die Mutter trug die Suppe auf&comma; nur Fridolin fehlte noch&period; »Der merkt nicht&comma; daß Essenszeit ist&comma;« sagte der Vater und schickte den Kleinen in die Werkstatt&comma; daß er Fridolin hole&period; Der war aber nicht da&period; Er war wie verschwunden&period; Nach einer halben Stunde kam er wieder&comma; und nun stellte sich’s heraus&comma; daß er nach alter Gewohnheit in sein Kosthaus gegangen war und ganz vergessen hatte&comma; daß nun daheim für ihn der Tisch gedeckt war&period; Aber Fridolin lachte mit dem ganzen Gesicht&comma; als er andern Tags mit all seinen Geschwistern um den Tisch saß&comma; und er legte den kleinen Brüdern einen Kloß nach dem andern auf den Teller&comma; schaute ihnen vergnügt zu und fragte immer wieder&colon; »Schmeckt’s euch&quest;« so daß die Mutter ihm wehrte und sagte&colon; »Iß du lieber selbst&period;« Doch der Fridolin schien vom Zusehen satt zu werden&comma; er aß nie so viel wie andere Leute&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Vater sah mit Stolz&comma; wie die vornehmsten Herrn vor dem Haus anfuhren und sich von dem kleinen Schneiderlein das Maß nehmen ließen&semi; wie sie ihm dann wohl ein Weilchen bei der Arbeit zusahen und staunten&comma; wenn seine kleinen Hände mit der Schere so flink durch den Stoff fuhren&comma; als wüßte die Schere von selbst ihren Weg&period; Mit der Zeit kamen statt der fremden Arbeiter die Brüder zur Hilfe&comma; die auch nicht ungeschickt waren&comma; und so gedieh das Geschäft immer besser&period; Die ganze Familie lebte in Glück und Frieden&comma; die Kinder alle konnten etwas Tüchtiges lernen und fürs Alter wurde jedes Jahr etwas zurückgelegt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Unser Schneiderlein war aber noch nicht vierzig Jahre alt&comma; als es eines Tages von der Arbeit weg zur Mutter kam&comma; die nebenan im Zimmer saß&period; Sie sah erstaunt auf&comma; was wollte er wohl mitten am Nachmittag&quest; »Mutter&comma; mir ist so weh&comma;« sagte Fridolin&comma; setzte sich auf den Schemel neben sie und legte seinen Kopf in ihren Schoß wie ein Kind&period; Die Mutter erschrak&period; »Du bist krank&comma; Fridolin&comma;« sagte sie&comma; »komm&comma; wir schicken den Bruder zum Arzt&period;« Aber er hielt die Mutter zurück&period; »Laß nur&comma; Mutter&comma;« bat er&comma; »einen Riß kann man schon flicken&comma; aber wenn das ganze Tuch mürb ist&comma; dann kann man nimmer helfen&period;« »O Herzenskind&comma; was ist dir denn&quest;« rief die Mutter&comma; »komm&comma; lege du dich ins Bett&excl;« »Ich lieg schon drin&comma; ich lieg so gut&comma;« antwortete Fridolin mit matter Stimme und dann legte er seine feinen&comma; weißen Hände zusammen und sagte ganz leise&colon;<&sol;p>&NewLine;<p style&equals;"margin-left&colon; 30px&semi;">»Lieber Gott&comma; mach mich fromm&comma;<br&sol;>Daß ich zu dir in den Himmel komm&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Dann fielen ihm die Augen zu – für immer&period; Die alten Eltern haben ihn nie verschmerzen können und die Geschwister alle haben ihm ein treues Andenken bewahrt und werden noch ihren Kindern und Enkeln erzählen von dem kleinen Schneiderlein&comma; dem Wunderkind&excl;<&sol;p>

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