Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Das kleine Dummerle und andere Erzählungen
(Agnes Sapper, 1904, empfohlenes Alter: 7 - 14 Jahre)

Helf, wer helfen kann!

<p>Am heißen Herd in der Küche schaltete mit eifrigen Händen und glühenden Wangen Frida&comma; der liebliche Backfisch&period; Die Mutter war ausgegangen&comma; um vor Tisch noch einen dringenden Besuch zu machen&comma; und Frida hatte versprochen&comma; ihre ungeteilte Aufmerksamkeit dem Braten zuzuwenden&period; Da ertönte die Klingel&period; »Es wird der Vater sein&comma;« dachte Frida und öffnete&period; Es war aber nicht der Vater&comma; sondern ein Freund desselben&comma; der ihn auf der Durchreise ein paar Stunden besuchen wollte&period; Frida geleitete ihn in das Besuchszimmer und setzte sich zu dem Gast&comma; der sich freundlich mit ihr unterhielt&period; Bald aber wurde sie unruhig und hörte nur noch mit halbem Ohr auf den Fremden&period; Sie dachte an den verlassenen Braten&comma; an das Feuer&comma; das bald ausgehen mußte&comma; und überlegte&comma; ob es nicht unhöflich wäre&comma; wenn sie den Gast allein ließe&period; Inzwischen hatte der Herr weiter mit ihr gesprochen&comma; Frida hatte aber in ihrer Zerstreutheit nicht viel davon gehört&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Haben Sie auch Töchter&quest;« fragte sie jetzt&comma; um nur irgend etwas zu sagen&period; Er sah sie erstaunt an&period; »Das sind eben meine Töchter&comma; von denen ich Ihnen erzählte&period;« Frida errötete&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Es fiel ihr ein&comma; daß er von einer Marie und einer Elise gesprochen hatte&period; »Ja&comma; ich meine nur&comma; ob Sie viele Töchter haben&quest;« sagte sie in ihrer Verwirrung&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Er lächelte&period; »Nicht sehr viele&comma; bloß zwei&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>In diesem Augenblick hörte Frida mit wahrem Entzücken den wohlbekannten Tritt ihres Vaters&period; Mit großer Freude begrüßten sich die beiden Freunde und eine der ersten Fragen des Vaters an den Gast war&colon; »Du bleibst doch bei uns zu Tisch&quest;« Die Einladung wurde angenommen und Frida von ihrem Vater mit den Worten entlassen&colon; »Nun geh du in die Küche und mach dein Meisterstück&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ja&comma; ein schönes Meisterstück war es&comma; das Frida vorfand&comma; als sie hinauskam&excl; Schwarz wie eine Kohle lag der Braten in der Pfanne und der Geruch des angebrannten Fleisches erfüllte die ganze Küche&period; Da war nichts mehr zu retten&excl; Verzweifelt stand die junge Köchin und hatte nur den einen Gedanken&colon; wenn doch die Mutter käme&comma; die wüßte Rat&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Da klingelte es wieder&period; Eifrig sprang Frida zu öffnen&period; Aber es kam bloß ein Dienstmädchen mit einem Korb am Arm und einem Netz&comma; in dem ein großer Fisch war&period; Sie kam offenbar vom Markt und hatte den Auftrag&comma; Fridas Eltern auf den nächsten Abend einzuladen&period; Aber Frida hörte nur halb die Worte des Mädchens&period; Sie konnte ihre Blicke nicht von dem Fisch abwenden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Brauchen Sie diesen Fisch für heute mittag&quest;« fragte Frida&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»O nein&comma; erst für morgen abend&comma;« antwortete das Mädchen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ach&comma; wenn Sie mir den Fisch abtreten möchten&excl; Wir haben unerwartet einen Gast bekommen und ich weiß nicht&comma; was ich ihm zu Mittag vorsetzen soll&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Recht gerne&comma;« antwortete das Mädchen&comma; »ich kann bis morgen schon noch einen Fisch bekommen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ist er tot&quest;« fragte Frida&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja wohl&comma; aber ganz frisch&comma; eben erst abgeschlagen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Das Mädchen nahm den Fisch heraus&comma; legte ihn auf eine Platte in der Küche&comma; Frida bezahlte&comma; was das Mädchen verlangte&comma; und gab noch ein schönes Trinkgeld&period; Als das Mädchen fort war&comma; wandte sich Frida eifrig ihrem Fisch zu&comma; um ihn kunstgerecht zu bereiten&period; Aber&comma; o Schrecken&comma; der »tote« Fisch hatte sich von der Platte heruntergeschnellt und schlug mit dem Schwanz auf den Küchentisch&period; Nun war Frida ratlos&period; Einen halbtoten Fisch aufschneiden&comma; das konnte sie nicht und noch viel weniger ihn töten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Und das heißt die dumme Person tot&excl;« sagte sie in Verzweiflung&comma; »wenn ich sie nur zurückrufen könnte&period;« Aber die war nicht mehr zu sehen&period; Da klingelte es wieder&period; Jetzt endlich mußte es doch die Mutter sein&comma; die heiß ersehnte&period; Frida flog zur Türe&period; Aber diesmal war es nur ein Handwerksbursche und vollends einer&comma; der etwas Warmes zu essen verlangte&period; »Ach&comma; wir haben ja selbst gar nichts&comma;« sagte Frida in so verzweifeltem Ton&comma; daß ihr der junge Bursche aufs Wort glaubte und wieder davonging&period; Als er aber die halbe Treppe hinunter war&comma; kam Frida ein Einfall&period; Sie rief ihm nach&colon; »Hören Sie&comma; können Sie einen Fisch töten&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ob ich was kann&quest;« rief der Bursche erstaunt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ob Sie einen Fisch ganz tot machen können&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Warum denn nicht&quest;« sagte er&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»O so kommen Sie doch gleich herauf&comma;« bat Frida und der Bursche ließ sich’s nicht zweimal sagen&period; Als er den Fisch in der Küche liegen sah&comma; sagte er&colon; »Der ist ja schon tot&period;« »O bewahre&comma; der tut nur so und sowie er allein mit mir ist&comma; bewegt er sich wieder&semi; Sie müssen ihn ganz tot machen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da ergriff der junge Mann den Fisch und schlug ihm den Kopf mit solcher Macht auf&comma; daß dieser fast davonflog&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nun ist er gewiß ganz tot&comma;« sagte der Bursche&comma; »ich kann ihm aber auch noch den Bauch aufschlitzen&comma; wenn Sie wollen&period;« Bereitwilligst reichte Frida ein Messer her&period; Sie gewann immer mehr Vertrauen zu ihrem Küchenjungen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Können Sie ihn vielleicht auch ausnehmen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich habe es zwar noch nie getan&comma; aber so fest wird’s nicht sein&comma; daß ich’s nicht herausreißen kann&period; Wollen Sie nicht zusehen&comma; ob ich’s recht mache&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich sehe es gut aus der Ferne&comma;« sagte vom Herd aus Frida&comma; die ihr Grauen vor dem Fisch gar nicht mehr los werden konnte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Darf man alles herausreißen&comma; was darinnen ist&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nehmen Sie nur alles heraus&comma; was gut ist&comma; kann ich ja wieder hineintun&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der Bursche brauchte nicht einmal seine ganze Kraft&comma; um den Fisch auszunehmen&comma; und er machte seine Sache ganz geschickt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nun war Frida wieder in glücklicher Stimmung&period; Ihr Mißtrauen gegen den Tod des Tieres war verschwunden und eifrig machte sie sich daran&comma; den Fisch kunstgerecht zuzubereiten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Kann ich dem Fräulein sonst noch etwas helfen&quest;« fragte der Bursche&period; »O ja&comma; bitte&comma; wenn Sie mir noch helfen wollten&comma; kleine Kartoffeln zu richten&comma; wäre ich recht froh&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Einträchtig machten sich die Beiden an dies Geschäft und Frida erzählte dabei ihr Mißgeschick mit dem Braten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Man wird ihn doch noch essen können&comma;« tröstete der Handwerksbursche&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ach nein&comma; sehen Sie nur her&comma; wie schrecklich er aussieht&excl;« Er fand es nicht so schrecklich&comma; sondern behauptete&comma; da wären noch manche Leute froh daran&period; »Wenn Sie ihn vielleicht mitnehmen wollten&comma;« sagte Frida ganz schüchtern&comma; »dann müßte ich ihn doch nicht mehr sehen und ungesund ist es&comma; glaube ich&comma; nicht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Durchaus nicht&comma;« versicherte der Bursche&period; Der Braten wurde eingewickelt und verschwand in der Tasche des jungen Mannes&comma; der sich nun dankbar entfernen wollte&period; Frida aber schenkte ihm für seine Hilfe noch ein Stück Geld und dankte ihm sehr&period; Vergnügt eilte der Handwerksbursche die Treppe hinunter&comma; auf der ihm Fridas Mutter begegnete&period; Diese hatte sich bei ihrem Besuch verspätet und kam eiligst herauf&period; Als sie von Frida hörte&comma; daß ein Gast angekommen sei&comma; war ihre erste Frage&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ist auch der Braten gut geworden&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ach nein&comma; Mutter&comma; der ist verbrannt&comma; solange ich den Herrn unterhalten mußte&period; Aber wir haben einen prächtigen Fisch für heute mittag&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Einen Fisch&quest; Woher&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Von der Köchin des Herrn Dr&period; N&period;&semi; sie war da&comma; um Euch – oder nein&comma; ich glaube bloß den Vater&comma; auf morgen – oder nein – ich glaube auf übermorgen einzuladen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber Kind&comma; wo hattest du denn deine Gedanken&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ach&comma; bei dem Fisch&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nun laß nur den Braten sehen&comma; wir schneiden noch die schönsten Stücke auf&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Es geht nicht&comma; Mutter&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Er kann doch nicht ganz verbrannt sein&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich mochte ihn gar nicht mehr sehen und habe ihn dem Handwerksburschen mitgegeben&comma; der mir den schrecklichen Fisch totschlug&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Kind&comma; du wirst doch den dreipfündigen Rindsbraten nicht hergegeben haben&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Alle weiteren Erörterungen wurden durch den Gast abgeschnitten&comma; der&comma; als er die Stimme der Hausfrau hörte&comma; herauskam&comma; sie lebhaft begrüßte und in Beschlag nahm&period; Als Frida bei Tisch den wohlgeratenen Fisch auftrug&comma; erntete sie großes Lob&comma; aber sie schlug beschämt die Augen nieder und dachte an den verbrannten Braten&period; Die Herren aber waren in heiterer Stimmung&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Aha&comma;« sprach der Gast&comma; »da merkt man doch gleich&comma; daß man in einer katholischen Stadt ist&comma; ihr habt heute&comma; am Freitag&comma; Fisch&period; Ich finde es sehr hübsch&comma; wenn man sich nach der Sitte des Ortes richtet&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Als am Abend der Gast fort war und die Mutter alles erfahren hatte&comma; berechnete sie im stillen&colon; Ein feiner Fisch und ein Trinkgeld dem Mädchen&comma; ein dreipfündiger Rindsbraten und ein Trinkgeld dem Handwerksburschen – und sie kam zu dem Schluß&comma; auch den dringendsten Besuch nie mehr vor Tisch zu machen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Handwerksbursche zehrte mittags und abends an dem Braten&comma; von dem er nur die verbrannte Rinde abgelöst hatte&comma; und er fragte sich&comma; ob er es wohl noch einmal in seinem Leben zu so einem kräftigen Stück Fleisch bringen werde&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Frida aber tat um Mitternacht einen lauten Schrei&comma; denn ihr träumte&comma; der Fisch sei vom Tisch herunter und in ihren Schoß gesprungen&excl;<&sol;p>

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