Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Das kleine Dummerle und andere Erzählungen
(Agnes Sapper, 1904, empfohlenes Alter: 7 - 14 Jahre)

Im Thüringer Wald

<p>Im Thüringer Wald&comma; hoch droben zwischen den Bergen&comma; liegt das Dörflein Oberhain&period; Kleine&comma; schiefergraue Häuslein ohne Scheunen und Ställe&comma; ohne Gärten und Felder stehen eins neben dem andern dicht am Berg&comma; im Schatten der nahen Waldbäume&period; Wenn im Frühjahr die kleinen Kartoffeläcker bestellt sind&comma; die sich am Berghang hinziehen&comma; ist die Arbeit getan&period; Im Sommer erklingt nicht das Dengeln der Sensen&comma; denn es gibt kein Heu auf den kleinen&comma; nassen Wiesen&period; Im Herbst sieht man keinen Erntewagen&comma; denn niemand hat Garben einzubringen&semi; im Winter hört man nicht dreschen&comma; denn es ist kein Korn gewachsen&period; Keine Viehherde zieht durchs Dorf&comma; nur ein paar Geißen grasen da und dort oder ein Schweinlein läßt sein Grunzen vernehmen&period; So sieht ein Dorf aus ohne Bauern&period; Aber doch leben Leute genug in den schieferbedeckten Häuschen&comma; Leute&comma; die von früh bis spät fleißig sind&period; Was mögen sie wohl treiben&quest;<&sol;p>&NewLine;<p>Es war im Juni des Jahres 1900 früh am Morgen&period; Aus der Türe eines der Häuschen trat eine kleine Frau&semi; sie war nicht kräftig und rotbackig wie eine Bäuerin&comma; schmächtig und blaß sah sie aus&semi; doch ging sie ganz munter ums Haus und holte von den Reisern&comma; die dort aufgeschichtet lagen&comma; ein Büschel&period; Die Türe hatte sie weit offen stehen lassen und man konnte durch dieselbe in das Zimmer sehen und in die Kammer daneben&period; In dieser standen zwei Betten&period; Aus dem einen war eben die Frau herausgeschlüpft und der Mann lag noch darin&period; Im andern Bett ruhten zwei Kinder&semi; eigentlich gehörte wohl noch ein drittes hinein&comma; aber das war offenbar herausgefallen&comma; denn es lag auf dem Boden&comma; war halb unter die Bettstatt hinuntergekugelt&comma; schlief aber dort unten ganz ruhig weiter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als die Frau mit dem Holz wieder in die Stube kam und Feuer im Ofen anmachte&comma; verließ der Mann das Bett&comma; kleidete sich an&comma; hob den kleinen Kerl unter der Bettstatt hervor&comma; legte ihn in sein Bett und sagte zu seiner Frau&colon; »Den Johann haben sie wieder herausgeworfen&comma; hast nicht gesehen&comma; daß er auf dem Boden gelegen ist&quest;« »Wohl&comma;« sagte die Frau&comma; »aber es ist ja nicht kalt und schadet ihm nichts&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; ja&comma; im Sommer tut sich’s noch&comma; aber die Kinder werden alle Tag’ größer&comma; sie haben zu dritt nimmer Platz in dem Bett&comma; wie soll’s im Winter werden&quest;« »Geh&comma; sorg dich nicht um den Winter&comma; jetzt um Pfingsten herum&comma;« sagte munter die kleine Frau und setzte einen Topf voll Kartoffeln aufs Feuer&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als der anfing zu sprudeln&comma; erwachten die Kinder fast alle zur gleichen Zeit und bald saß die ganze Familie einträchtig um den Tisch&period; Mit dem Anrichten der Kartoffeln machte die Hausfrau nicht viele Umstände&comma; sie wurden mitten auf den Tisch geschüttet&comma; da kollerten sie schon von selbst nach allen Seiten und jedes langte zu und aß&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Mutter&comma; der Johann schiebt die Kartoffeln mit den Schalen hinein&comma;« sagte Marie&comma; die Sechsjährige&period; Aber die Mutter lachte bloß&colon; »Er denkt halt&comma; so geben sie mehr aus&comma;« sagte sie&period; »Geh&comma; Marie&comma; schäl du sie dem Johann&comma;« mahnte der Vater&comma; und die Schwester tat es auch&comma; aber lange hatte sie nicht die Geduld dazu und einige Schalen bekam der Kleine immerhin noch mit zu essen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nach dem Frühstück wischte Frau Greiner mit beiden Armen den Tisch ab&comma; daß die Kartoffelschalen nach rechts und links auf den Boden flogen und rieb mit ihrer Schürze darüber&period; Vater Greiner war inzwischen an den Ofen gegangen&comma; in dem trotz des warmen Junimorgens noch das Feuer brannte&period; Dort stand ein Kessel&comma; von dem kein lieblicher Duft ausströmte&colon; Aus alten Papierabfällen und Kreide&comma; aus Mehl und Leimwasser rührte da Greiner einen wunderlichen Brei zusammen und bald brodelte die Masse und erfüllte mit ihrem Dunst das ganze Stübchen&period; Papiermasché war es&comma; das er da bereitet hatte&comma; und nun ging er an seine Arbeit&period; Er hatte neben sich eine Anzahl von Formen&comma; so etwa&comma; wie unsere Kinder Formen haben&comma; wenn sie mit Sand spielen&period; Sie füllen ihre Förmchen mit dem feuchten Sand und pressen ihn hinein&comma; und wenn sie dieselben umstürzen&comma; so stehen kleine Törtchen oder dergleichen da&period; So füllte Greiner in seine Formen das Papiermasché&comma; drückte es fest an&comma; und was herauskam&comma; das waren Puppenköpfe&comma; lauter Puppenköpfe&period; Schön sahen diese noch nicht aus&comma; sie waren weiß und weich&comma; hatten noch keine Augen&comma; und vorsichtig mußten sie zum Trocknen auf die Stäbchen gesteckt werden&comma; die an Brettern rings um den Ofen gestellt waren&period; So saß nun auf seinem Holzstuhl Vater Greiner stundenlang zwischen dem übelriechenden Brei und all den dampfenden Köpfchen&comma; arbeitete und hustete dabei&comma; denn seine Lunge war krank geworden von der schlechten Luft&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Seine Frau hatte aber auch nicht umsonst den Tisch sauber gemacht&period; Bald lag auf demselben ein Ballen weißen Hemdentuches&comma; aus dem sie Stoff zu Puppenkörpern herausschnitt&semi; das ging so flink&comma; im Nu war ein ganzer Stoß geschnitten&period; Dann ging’s ans Nähen&semi; ringsum mußte der Balg zugenäht werden&comma; nur oben&comma; wo später der Kopf darauf kommt&comma; blieb er offen&period; War er genäht&comma; so mußte er umgewendet werden&comma; aber das tat Frau Greiner nie selbst&comma; dazu war ihre Zeit zu kostbar&period; Jetzt lagen ein paar Bälge fertig genäht da&period; »Philipp&comma; da komm her&comma;« rief die Mutter dem Fün&fjlig;ährigen zu&comma; »umwenden&excl; Philippchen&comma; umwenden&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Das Philippchen wollte nicht recht&period; Es kugelte mit dem dreijährigen Bruder&comma; dem Johann&comma; auf dem Boden herum&semi; da war so allerlei&colon; Sägspäne&comma; die man beim Ausstopfen der Puppenkörper verstreut hatte&comma; Papierabfälle und Kartoffelschalen&semi; denn nur am Samstag wurde das alles zusammengekehrt&comma; unter der Woche gönnte sich Frau Greiner nicht die Zeit&period; Und heute war Freitag&comma; da waren schon Abfälle aller Art auf dem Boden und damit unterhielten sich die zwei Kleinen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Philippchen&comma; geh zur Mutter&comma;« sagte jetzt der Vater&comma; »wenn die Marie aus der Schule heimkommt&comma; dann darfst du wieder springen&comma; aber jetzt mußt du halt dran&comma; da hilft nichts&period;« Das Philippchen setzte sich nun auf die Bank am Tisch und nahm einen der genähten Puppenbälge&period; Er stülpte ihn um&comma; das ging leicht&semi; aber dann kam eine mühsame Arbeit&colon; die Ärmchen und Beinchen umzukehren&semi; doch mit seinen feinen Fingerchen konnte er das besser als große Leute&period; Wenn er nur auch immer fleißig weiter gearbeitet hätte&semi; aber die Mutter spornte ihn an&comma; wenn er seine Hände ruhen ließ&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>»Philipp&comma; was wird der Herr sagen&comma; wenn ich morgen zu ihm nach Sonneberg komme und kann nicht so viel abliefern&comma; als ich versprochen habe&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Was sagt er dann&comma; Mutter&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So&comma;« sagt er&comma; »so wenig Bälge bringt Ihr&quest; Der Korb ist ja nur halb voll&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Was sagst du dann&comma; Mutter&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Dann sag’ ich&colon; Ja&comma; Herr&comma; es ist ein Jammer&comma; mein Philipp ist halt so faul&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Was sagt dann der Herr&comma; Mutter&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Dann sagt er&colon; ›Euch geb’ ich keine Arbeit mehr&comma; da geb’ ich’s lieber dem Haldengreiner&comma; der ist fleißiger&period;‹<&sol;p>&NewLine;<p>»Und dann&comma; Mutter&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Und dann müssen wir alle Hungers sterben&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Auf das hin regte Philipp fleißig seine Fingerlein und sah eine ganze Weile nicht von seiner Arbeit auf&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Es ist ein Elend&comma; daß man’s mit allem Fleiß nicht weiter bringt&comma;« fing der Hausvater nach einer Weile an&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Warte nur&comma; es kommt schon besser&comma;« sagte die Frau&comma; »am letzten Samstag ist in Sonneberg allgemein die Rede gewesen&comma; daß aus Amerika große Bestellungen gekommen sind&comma; da gibt’s Arbeit genug&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Was hilft’s&comma; wenn’s nicht besser bezahlt wird&quest; Wir bringen doch nicht mehr fertig&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das mußt nicht meinen&period; Der Johann ist jetzt schon drei Jahre&comma; mit vier kann man ihn schon anweisen und mit fünf hilft er so viel wie der Philipp&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Dafür muß der dann in die Schule&comma; das gibt auch wieder einen Ausfall in der Arbeit&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Die paar Schulstunden mußt nicht so rechnen&comma;« sagte die Frau&comma; »die bringen sie bei Nacht herein&period; Dem Haldengreiner sein Achtjähriger&comma; der hat schon manche Nacht durchgeschafft&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Weiß schon&comma; dann schlafen sie in der Schul’&comma; soll gar nicht gut sein für die Kinder&semi; dumm und schwach bleiben sie&comma; hat der alte Lehrer gesagt&comma; und der neue Lehrer sagt’s auch und er hat recht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Geh zu&comma; was der Lehrer sagt&comma; mußt nicht so anschlagen&comma; er möcht’ halt&comma; daß die Kinder lernen&period; Der alte hat’s immer gewollt&comma; und der neue ist auch nicht besser&period; Da ist einer wie der andere aufs Lernen aus&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber ist’s nicht wahr&comma; daß wir Leute schwach sind&quest; Sogar der Schulz sagt&comma; die wenigsten von unseren Burschen geben Soldaten&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Was Soldaten&comma; wir brauchen doch keine&comma; es ist ja seit dreißig Jahren Frieden im Land&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Jetzt&comma; Frau&comma; du redest aber dumm daher&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die Frau lachte&period; »Wird halt der Lehrer recht haben&comma; daß wir dumm sind&period; Aber wieviel Nächte hab’ ich auch schon durchgeschafft&excl; Aber was willst denn machen&quest; Wir können’s doch nicht ändern&period; Geh&comma; stopf du dir die Pfeife&comma; daß dir die schweren Gedanken vergehen&comma; am Samstag bring’ ich dir wieder ein Päckchen Tabak mit&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der Trost verfing am besten&semi; über den Qualm der Pfeife kam der sorgliche Hausvater in gemütliche Stimmung&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Inzwischen wurde es immer dumpfer und heißer in dem Stübchen&semi; der Johann wollte auch nicht mehr gut tun&comma; da kam gerade zur rechten Zeit die Schwester aus der Schule heim&period; Sie hatte noch nicht die Bücher abgelegt&comma; als Philipp schon den Puppenbalg aus der Hand warf&comma; den er eben in Arbeit hatte&colon; »Da&comma; Marie&comma;« rief er&comma; »jetzt komm du her&period;« »Halt&comma;« sagte der Vater&comma; »zuerst müssen die Köpfe hinaus in die Sonne&comma; so lang bleibst du noch sitzen&comma; Philipp&period;« Der kleine fün&fjlig;ährige Arbeiter setzte sich mit weinerlichem Gesicht wieder an die Arbeit&semi; Marie nahm eines der Bretter&comma; auf dem die Köpfe standen&comma; und trug sie hinaus&period; Sie wußte schon&comma; wie sie’s zu machen hatte&colon; am Gartenzaun wurde ein Köpfchen neben dem andern aufgesteckt&comma; auch auf die Fensterbretter außen wurden sie zum Trocknen gestellt&comma; überall&comma; wo irgend ein Platz zu finden war&period; An sonnigen Tagen waren gar viele Gärten und Häuser im Dorf so eigenartig geschmückt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt kam Marie wieder zurück in die Stube&semi; der kleine Philipp sah begierig auf&comma; ob ihn die Schwester nun ablösen würde&period; Die aber nahm ihre Schiefertafel&comma; ihr Schulbuch und ihren Griffel und machte alle Anstalten&comma; ihre Schulaufgabe zu schreiben&period; Aber da erhob sich allgemeine Einsprache&colon; »Was fällt dir denn ein&comma; Marie&comma;« rief die Mutter&comma; »gerad’ nur von der Schul’ heim und wieder schreiben&comma; du bist wohl nicht recht bei Verstand&excl; Als ob wir keine Arbeit hätten&excl; Elias&comma; siehst nicht den Übermut&quest;« rief sie dem Mann zu&period; Der wandte sich um und wollte auch etwas dagegen sagen&comma; aber da kam der Husten und verhinderte die Einsprache&semi; sie war auch nicht mehr nötig&comma; denn der Philipp fing so laut an zu heulen&comma; daß Marie ihren »Übermut« aufgab&comma; die Bücher beiseite schob und des kleinen Bruders Arbeit nahm&comma; ohne ein Wort zu sagen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»So&comma; Philippchen&comma;« sagte die Mutter&comma; »jetzt gehst du in die Wirtschaft und holst um zwanzig Pfennige Speck zu Mittag&semi; nimmst auch den Johann mit&comma; daß er auch sein Vergnügen hat&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Er hat gar keinen Rock an&comma; darf er im Hemd mit&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Den Rock mußt ihm halt anziehen&comma; er liegt in der Kammer auf dem Bett&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; der hat schon gestern keinen Häckel mehr gehabt&comma; den kann man nimmer zumachen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Sei nicht so dumm&comma; Philippchen&comma; suchst eben&comma; ob du nicht eine Stecknadel findest&comma; daß der Rock so lange hält&comma; bis ihr wieder heimkommt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Könntest nicht so einen Häckel hinnähen&quest;« fragte der Vater&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Es ist halt alles zerrissen&comma;« sagte die Mutter&comma; »aber am Sonntag will ich’s schon richten&period; Johann&comma; gelt&comma; tust dein Röckchen schön halten&comma; daß es auf der Gasse nicht herunterfällt&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das Geld&comma; Mutter&comma; hast keine zwanzig Pfennig&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Was fragst so dumm&comma; Philipp&comma; du weißt doch&comma; daß am Freitag das Geld aus ist&semi; sag nur&comma; die Mutter zahlt’s morgen&comma; wenn sie von Sonneberg mit dem Geld heimkommt&period;« Die Kinder gingen&semi; der Johann hielt mit beiden Händchen seinen Rock hoch&comma; denn die krumme Stecknadel&comma; die der Philipp gefunden hatte&comma; taugte nicht viel und der Rock wollte immer herunterrutschen auf dem Weg zum Wirt&comma; der zugleich der Metzger war&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wenn man’s doch richten könnt’&comma;« sagte Greiner zu seiner Frau&comma; »daß man immer gleich bezahlen täte&comma; was man holt&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Der Wirt borgt gern&comma;« entgegnete die Frau leichthin&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber doch rechnet er mehr an&semi; elf Pfennige statt zehn&comma; wenn er hat borgen müssen&comma; und der Krämer macht’s auch so&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So ist’s halt&comma; Elias&comma; das kannst doch nicht ändern&comma; es war immer schon so&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber anders wär’s halt doch besser&period; Wenn man nur ein einziges Mal ein klein Sümmchen ins Haus bekäm’&comma; daß man das alte zahlen könnt’ und das neue auch&semi; von da an dürft’ mir nichts mehr auf Borg geholt werden&comma; kein Lot Kaffee&period; Aber wir bringen’s nie zu einem Sümmchen und wenn wir uns die Finger wund arbeiten&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So red’ doch nicht so viel&comma; mußt sonst doch nur husten&comma; wer kann’s denn wissen&comma; ob’s nicht einmal besser kommt&quest; Deine Schwester ist doch auch eine reiche Frau geworden und lebt in Köln am Rhein und muß gar nichts arbeiten&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; die hat ihr Glück gemacht&comma; aber an uns denkt sie nicht&semi; das macht halt&comma; sie ist so jung schon fortgekommen und hat unser Elend vergessen&comma; die weiß gar nicht&comma; wie wohl unsereinem einmal ein Goldstücklein tät&excl; Schon lang hat sie nichts geschickt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Weil sie auch gar so weit weg ist&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Von Köln aus könnt’ man schon etwas schicken&semi; unsere Puppen schickt man doch sogar bis nach Amerika&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Amerika&excl; Das ist nicht so weit&comma; da fahren die Schiffe alle Tage herüber und hinüber und am Samstag kannst in Sonneberg oft genug so einen Herrn aus Amerika sehen und aus England auch&semi; aber aus Köln kommt keiner&comma; das muß viel weiter weg sein&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Viel näher ist’s&comma; Frau&comma; das könntest auch wissen&comma; nach Amerika mußt übers Meer&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Und nach Köln wirst über den Rhein müssen&comma; der soll auch so ein großes Wasser sein&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Der ist doch nur ein Fluß&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Meinetwegen&comma; ich hab’ auch keinen Fluß und kein Meer gesehen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt unterbrachen die Kinder&comma; die den Speck brachten&comma; die Unterhaltung&period; Die Mutter setzte wieder Kartoffeln zu&comma; und um 12 Uhr legte die ganze Familie für ein Stündchen die eintönige Arbeit beiseite und die müden Hände durften ein wenig ruhen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Warum hast heute so schnell deine Schulaufgabe schreiben wollen&quest;« fragte Vater Greiner sein Schulmädchen&period; Marie wollte nicht heraus mit der Sprache&period; »Warum&comma; sag’s&comma; bist abgestraft worden&quest; Hast doch gestern abend geschrieben&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma;« antwortete Marie&comma; »aber der Lehrer hat’s nicht lesen können&semi; ich soll’s bei Tag schreiben&comma; sagt er&comma; gleich zuerst&period; Denn was wir bei der Nacht schreiben&comma; könne er gar nicht lesen&comma; so schlecht sei’s&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wart nur&comma;« tröstete die Mutter&comma; »im Winter&comma; wenn die stille Zeit kommt und keine Arbeit im Haus&comma; dann kannst schreiben&comma; wann du willst&comma; den ganzen Tag&period; Aber jetzt geht’s halt nicht&comma; jetzt kommt die strengste Zeit für uns&comma; da muß schon der Lehrer nachgeben&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ja&comma; es war strenge Arbeitszeit im ganzen Dorf&comma; denn im Sommer werden die Puppen gemacht&comma; die im Winter auf dem Weihnachtstisch liegen sollen&period; Bis spät in die Nacht hinein arbeitete Vater Greiner und seine Frau&comma; um alles fertig zu bringen&period; Am Samstagmorgen standen sie frühe auf&period; Da wurde der riesengroße Huckelkorb vollgepackt mit all den fertigen Puppenkörpern&comma; die Köpfe wurden in großen Schachteln noch oben auf den Korb geschnürt und ein langes Tuch darüber gebunden&period; Solch einen Korb aufzuhuckeln&comma; ist ein ganzes Kunststück&comma; und mancher kräftige Mann möchte die Bürde nicht auf sich nehmen&period; Aber Frau Greiner&comma; so schwächlich sie erschien&comma; war von Jugend auf gewöhnt&comma; die Last zu tragen&comma; und nahm sie auch heute fröhlich auf sich&period; Ihr Mann zog noch sorglich die Schnur fest&comma; daß nichts ins Wanken geraten konnte von den oben aufgepackten Schachteln&comma; die hoch über den Kopf der Frau hinausragten&comma; und die Kinder sahen ernsthaft zu&semi; sie wußten schon&comma; daß der Samstag immer der wichtigste Tag war&comma; an dem die Mutter die Arbeit ablieferte und neue heimbrachte&comma; und Geld dazu für die ganze Woche&period; Ein gut Stück Weg liefen sie neben ihr&comma; dann mußten sie umkehren&comma; aber diesmal nicht alle&period; Für Marie war heute ein besonderer Samstag vor andern&comma; sie durfte mit in die Stadt&comma; und die Mutter wollte für sie einen eigenen Huckelkorb einkaufen&comma; damit sie künftig helfen könnte tragen&comma; wenn es gar zu viel für die Mutter würde&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Und so wanderte sie neben der Mutter her durchs Dörfchen&period; Aber sie blieben nicht lange allein&comma; denn da und dort kamen aus den kleinen Häusern Frauen und Mädchen mit schwerbeladenen Huckelkörben und mit kleinen Handwagen&semi; sie zogen alle dieselbe Straße nach Sonneberg&period; Zwischen den schönen Waldbergen hindurch gingen sie gebückt unter der Last&comma; aber doch in fröhlichem Geplauder&comma; und als sie in die Nähe der Stadt kamen&comma; sahen sie von anderen Ortschaften her ähnliche Gestalten der Stadt zupilgern&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Mutter&comma; was haben die in ihren Körben&quest; Die tragen nicht so schwer wie du&comma;« fragte Marie&period; »Das sind die von Lauscha&comma;« sagte Frau Greiner&comma; »die machen Glaskugeln und Christbaumschmuck und Puppenaugen&period; Die sind auch nicht besser bezahlt als wir&comma; aber jetzt paß auf&comma; der dort mit dem schweren Korb&comma; das ist ein Augeneinsetzer&comma; die sind am besten bezahlt&period;« Achtungsvoll sahen Mutter und Tochter nach dem Mann mit dem schweren Korb&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nun machte die Straße eine Biegung und Sonneberg&comma; die freundliche Stadt&comma; erschien mit ihren schönen&comma; schiefergedeckten Häusern mitten unter grünen Hügeln&period; Hier strömten von allen Seiten die Bewohner der umliegenden Ortschaften zusammen und suchten die großen Geschäfte auf&comma; die aus den abgelieferten Köpfen&comma; Körpern und Gliedern die Puppen fertig machen und in alle Welt hinaus versenden&period; Marie ging neben der Mutter her&comma; sah nach den schönen Häusern hinauf und las die Aufschriften&colon; »Spielwarenfabrik« hieß es an dem einen&comma; »Fabrik gekleideter Puppen« an dem andern&comma; und so fort&semi; die ganze Stadt schien wegen der Puppen da zu sein&period; Darüber wunderte sich Marie auch gar nicht&semi; ihre Eltern&comma; ja fast alle Menschen&comma; die sie kannte&comma; lebten ja auch durch die Puppen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt endlich waren sie an der Fabrik angelangt&comma; für die Greiner arbeitete&comma; und mit Herzklopfen folgte Marie ihrer Mutter durch das große Eingangstor in den Hofraum und durch eine Tür in ein Arbeitszimmer&comma; in dem schon mehrere Frauen und Mädchen standen und warteten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Eine Frau packte eben die Puppenkörper aus&comma; die sie gebracht hatte&comma; und ein Herr mit der Brille auf der Nase sah einen jeden prüfend an&comma; warf ihn dann neben sich in einen großen Kasten und zählte dabei&period; Die Frau sah ängstlich zu&period; Jetzt warf der Herr einen der Körper beiseite und am Schluß noch einen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Zwei gehen ab&comma; die sind ungleich gearbeitet&comma; müssen noch einmal aufgetrennt werden&period;« Die Frau legte sie stillschweigend wieder in ihren Korb&comma; bekam dann einen Zettel&comma; auf dem stand&comma; wieviel sie abgeliefert hatte&comma; und ging mit diesem in das nächste Zimmer&comma; wo sie ausbezahlt wurde und neue Aufträge für die nächste Woche erhielt&period; So kam eine der Frauen nach der anderen an die Reihe&comma; auch Frau Greiner lieferte ab&period; Ihre Arbeit wurde tadellos befunden und vergnügt strich sie ihr Geld ein&period; Für die nächste Woche gab’s Arbeit genug&comma; fast mehr als Frau Greiner versprechen konnte&period; Der Herr vermerkte es in seinem Buch&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Mutter&comma; so viel bringen wir doch nicht fertig&quest;« fragte Marie&comma; als sie aus dem Zimmer waren&period; – »Ich weiß wohl&comma; aber das darf man nicht sagen&comma; sonst heißt’s später&comma; wenn’s weniger Arbeit gibt&comma; gleich&colon; Ihr habt uns auch im Sommer im Stich gelassen&comma; wie die Arbeit drängte&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber wenn wir’s in dieser Woche nicht fertig bringen&quest; O da möcht’ ich nicht dabei sein&comma; wenn du zu dem Herrn kommst und zu wenig ablieferst&comma; da würd’ ich mich fürchten&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wir werden schon fertig&semi; wenn der Tag nicht reicht&comma; so gibt’s doch noch die Nacht&period; Jetzt komm&comma; jetzt gehen wir zur Großmutter und schauen&comma; wie’s der Alten geht&comma; und deinen Korb kaufen wir auch&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die Großmutter wohnte ganz oben im alten Teil des Städtchens&comma; wo kleine Häuschen in engen Gassen sich am Berg hinziehen&period; Marie war vor Jahren einmal dagewesen und hatte ihre Großmutter und die Tante&comma; bei der sie wohnte&comma; besuchen dürfen&comma; sie konnte sich’s kaum mehr erinnern&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Sie stiegen eine schmale Treppe hinauf und kamen in einen dunklen Gang&period; Marie hielt sich an der Mutter&period; »Gelt&comma; dir kommt’s dunkel vor&quest;« sagte die Mutter&comma; »aber ich find’ gut meinen Weg&comma; ich bin ja da aufgewachsen&comma; und wie ich so alt war wie du&comma; bin ich durch den Gang gesprungen&comma; wie wenn’s heller Tag wär’&period;« Sie kamen an einer Tür vorbei&comma; man hörte sprechen&period; »Das ist noch nicht die rechte Stub’&comma; da wohnt ein Stimmacher&semi; weißt so einer&comma; der den Puppen die Stimme einsetzt&comma; daß sie Papa und Mama sagen können&period; Und da gegenüber ist jetzt einer&comma; der macht Puppenschuh’&comma; hörst nicht seine Maschine&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber da wohnen viel Leut’&comma; Mutter&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Was meinst auch&comma; in Sonneberg sind die Wohnungen gar teuer&comma; aber jetzt sind wir an der rechten Tür&comma; da wohnen wir&period;« Ohne anzuklopfen machte Frau Greiner die Türe auf&colon; »Guten Tag&comma; Mutter&comma; guten Tag&comma; Regine&period; Seid ihr wohlauf&quest; Marie&comma; kennst die Großmutter noch&quest; Geh vor&comma; gib ihr die Hand und deiner Tante Regine auch&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die alte Frau&comma; die am Fenster saß&comma; nickte freundlich den Ankommenden zu und erwiderte den Gruß&period; Aber sie stand nicht auf von ihrem Stuhl&comma; denn sie war an der Arbeit&period; Einen Puppenkopf hatte sie vor sich&comma; einen ganz fertigen&comma; schön bemalten&comma; mit Augen im Kopf&comma; aber oben war das Köpfchen noch offen&comma; dem leimte sie eben das Deckelchen auf&comma; mit dem schön gelockten Haar&period; Und die Tante&comma; die kniete eben vor dem Ofen und zog aus der Röhre ein Backblech hervor&period; Aber Kuchen war nicht auf dem Blech&comma; etwas ganz anderes kam zum Vorschein&period; Glasröhrchen&comma; umwickelt mit blonder und brauner Mohärwolle&comma; die wie Haar aussah&comma; lagen da nebeneinander auf dem Blech und waren im Ofen getrocknet worden&period; Mit geschickten Fingern streifte Regine die aufgewickelte Wolle vom Glasröhrchen ab&comma; und nun war es eine festgerollte schöne Locke&comma; fertig zum Aufkleben auf den Puppenkopf&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Wenn auch die beiden Frauen ihre Arbeit kaum unterbrachen&comma; waren sie doch freundlich gegen ihre Besuche&comma; fragten nach Mann und Kind und wunderten sich&comma; daß Marie schon so groß sei&period; Auf dem Ofen stand eine Kanne mit Kaffee&period; »Schenk dir ein und deiner Marie auch&comma;« sagte die Großmutter&comma; »hol das Brot aus der Schublade und schneid euch ab&comma; es ist euch vergönnt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da saßen sie und aßen und Marie sah dabei auf die Tante&comma; wie sie so blitzschnell die Löckchen abstreifte und von der schönen Mohärwolle&comma; die neben ihr stand&comma; neue feuchte Strängchen um die Glasröhrchen wickelte&comma; daß in kurzer Zeit das Blech wieder voll war und in die Herdröhre wanderte&period; »Das Frisieren ist schöner als das Bälgemachen&comma; Mutter&comma;« sagte Marie&comma; »das möcht’ ich lieber tun&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Gefällt dir’s&quest;« sagte ihre Tante&period; »Wenn du aus der Schule bist&comma; dann kommst du nur zu uns und hilfst mir&period; Die Großmutter wird alt&comma; der zittern jetzt schon die Hände&period;« Aber Frau Greiner lachte&period; »Du wärst nicht dumm&comma;« sagte sie zu ihrer Schwester&period; »So lang die Kinder klein sind&comma; soll ich sie haben&comma; und wenn sie aus der Schul’ sind&comma; sollen sie dir verdienen helfen&period; Die Marie wird schon daheim bleiben müssen&period; Wir haben jetzt auch Arbeit genug&comma; ich kann sie nimmer allein tragen&semi; einen Korb will ich der Marie kaufen&comma; daß sie mir künftig tragen hilft&period; Wir müssen gehen&comma; daß wir vor Abend noch heimkommen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Stolz kehrte Marie mit dem neuen Huckelkorb auf dem Rücken von Sonneberg heim&period; Im Dorf hielten sie sich mehr als einmal auf&comma; ehe sie ins eigene Haus kamen&period; Beim Metzger und beim Krämer&comma; beim Bäcker und bei der Nachbarin&comma; die Geißmilch verkaufte&comma; waren Schulden zu bezahlen und überall wurde noch ein wenig eingekauft&comma; so daß die kleine Barschaft schon ziemlich zusammengeschmolzen war&comma; als sie ihr Haus erreichten&period; Der kleine Philipp sprang ihnen entgegen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ihr kommt so spät heut’&comma;« sagte er&comma; »es steht schon lang einer da und wartet auf dich&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wer ist’s denn&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Der den Stoff verkauft&comma; der will Geld&period;« »O den kann ich schon gar nicht leiden&comma;« sagte die Mutter&comma; »hätt’ ihn der Vater doch fortgeschickt&period;« »Der Vater ist auf dem Kartoffelacker&comma; den Johann hat er mitgenommen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Vor dem Hause setzte Frau Greiner den Huckelkorb ab&comma; mit dem sie gar nicht durch die niedrige Türe gekonnt hätte&comma; und dann trat sie ins Zimmer&period; Am Fenster stand der Kaufmann&comma; der von Zeit zu Zeit in den Ort kam und das Tuch verkaufte&comma; aus dem die Puppenkörper angefertigt wurden&period; Ihm war Frau Greiner viel schuldig&comma; und so ungern sie ihr Geldchen&comma; das sauer verdiente&comma; hergab&comma; so langsam sie auch die Markstücke aufzählte&comma; sie durfte sie doch nicht behalten&comma; sie wanderten in die große Geldbörse des Kaufmanns&period; Er hätte ihr sonst keinen neuen Stoff gegeben und sie brauchte doch so viel für die Bestellungen&comma; die sie angenommen hatte&period; Nachdem sie bezahlt hatte&comma; rollte er bereitwillig seinen Ballen auf&comma; und sie konnte von dem schönen weißen Stoff haben so viel sie wollte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wollen Sie ihn nicht gleich zahlen&comma; Frau Greiner&comma; oder wenigstens einen Teil davon&quest; Sie haben ja noch Geld&comma; wie ich sehe&comma; und Sie bekommen jeden Meter um zehn Pfennig billiger&comma; wenn Sie gleich bezahlen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Aber Frau Greiner entsetzte sich ordentlich über den Vorschlag&period; »Noch mehr zahlen&excl;« rief sie&period; »Was meinen Sie denn&comma; von was sollten wir denn leben in der Woche&quest; Und muß ich nicht auch was zurücklegen für den Hauszins und etwas für die Steuer und für die Sterbekasse&quest; Und gerade heut’&comma; wo wir einen Huckelkorb gekauft haben&excl; Marie&comma; zeig deinen Korb&period; Sehen Sie&quest; Gleich bar hab’ ich die Hälfte vom Preis auf den Ladentisch hinlegen müssen&comma; sonst hätte ich ihn gar nicht mitbekommen&semi; nein&comma; bis Ende der Woche reicht’s nimmer zu einem Päckchen Zichorie&comma; das kann ich schon jetzt sehen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nun&comma; ich bin ja zufrieden&comma; ich habe es ja nur gut mit Ihnen gemeint&comma;« beschwichtigte der Kaufmann&period; »Jetzt ist ja die beste Zeit vom Jahr&period; Leben Sie wohl&comma; und guten Verdienst&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Greiner verwahrte das kleine Geldsümmchen im Schrank&semi; auch den Stoff schloß sie sorgfältig hinein&comma; denn am Samstag abend wurde nicht mehr gearbeitet&period; Der Mann kam ganz erschöpft vom Acker heim&comma; er war die Feldarbeit nicht gewöhnt&comma; auch die Frau war müde von dem langen Marsch&period; Aber als sie dann mit den Kindern um den Tisch mit den Kartoffeln saßen&comma; wurden sie alle wieder guten Muts&period; Es sah auch heute abend ganz nett in der Stube aus&comma; die Arbeit war weggeräumt&comma; der Boden aufgekehrt&period; Das hatte der Mann besorgt&comma; während die Frau in der Stadt war&comma; und nun machte er Feierabend und setzte sich auf die Bank vor dem Haus&semi; die Nachbarn erschienen auch&comma; da und dort standen sie beisammen und plauderten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber die Frauen hatten noch nicht Feierabend&period; »Schlupft ins Bett&comma; Kinder&comma; daß ich euere Hemden waschen kann&comma;« sagte Frau Greiner&period; Die Kleinen besaßen jedes nur ein Hemd&comma; das wurde immer in der Nacht von Samstag auf Sonntag gewaschen und am Ofen getrocknet&period; Marie hatte schon zwei Hemden&comma; dafür mußte sie aber auch schon helfen beim Waschen&period; Heute kam’s ihr sauer an&comma; sie war so müde&comma; und als die Mutter einmal von der Waschwanne an den Brunnen ging&comma; um Wasser zu holen und wieder ins Haus zurückkam&comma; war die kleine Wäscherin nicht mehr zu sehen und nicht zu errufen – sie war schnell ins Bett geschlupft und schlief schon fest&period; Frau Greiner lachte und ließ sich’s gefallen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Am Montag morgen saß die Familie wieder an der Arbeit und jedes von ihnen hätte gedacht&comma; daß dieser Tag und all die nächsten genau so verstreichen würden&comma; wie die vorigen&comma; denn eintönig floß das Leben dieser fleißigen Leute dahin&semi; doch diese Woche brachte einen andern Ton&period; Er kam durch den ins Haus&comma; der gar oft Aufregung bringt&colon; durch den Postboten&period; Der Postbote war gar kein so seltener Gast in der Familie Greiner&comma; denn er brachte manchmal Anerbietungen von Kaufleuten&comma; manchmal auch Mahnungen wegen rückständiger Zahlungen&period; Derentwegen machte er die Türe gar nicht auf&comma; sondern legte sie nur durchs Fenster aufs Gesimse&period; Heute aber kam er ins Zimmer und sagte&colon; »Daß ihr nur nicht erschreckt&colon; diesmal bringe ich einen Trauerbrief&excl;« Sie erschraken aber doch&period; »Ich habe ja sonst keine Zeit&comma; die Sachen zu lesen&comma;« sagte der Postbote&comma; »aber die Anzeige habe ich lesen müssen&comma; weil’s mich doch gewundert hat&comma; wer an euch so vornehm schreibt und weil’s so eine ganz besondere Traueranzeige ist&period;« Er ging&period; Die Anzeige kam aus Köln&period; Die Aufschrift lautete&colon; an »Herrn Fabrikbesitzer Greiner mit Familie« und der Inhalt war freilich zum Erschrecken&colon; Herr und Frau Fabrikant Langbeck in Köln waren an einem Tag infolge eines Unglücksfalls plötzlich gestorben&period; Frau Langbeck war Greiners Schwester&period; Greiner und seine Frau standen ganz erschüttert beisammen und starrten auf die Nachricht und konnten sie kaum glauben&period; Und dann hätten sie so gerne Näheres gewußt&period; Was für ein Unglücksfall konnte das gewesen sein&quest; Immer wieder lasen sie das Blatt&comma; aber es standen nur so wenige Worte darin&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Haben wir nicht erst in den letzten Tagen von deiner Schwester gesprochen&quest;« sagte Frau Greiner&period; »Vielleicht gerade in der Stunde&comma; in der sie verunglückt ist&semi; das war eine Ahnung&comma; es war mir gleich damals so traurig zumute&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Auch die Kinder&comma; die manchmal von ihren reichen Verwandten in Köln gehört hatten&comma; staunten das schwarzgeränderte Papier an&comma; das solche Trauerkunde gebracht hatte&period; Aber nach einer Viertelstunde saßen Greiner und seine Frau wieder an der Arbeit&comma; und wenn er auch seine Schwester wirklich betrauerte&comma; und wenn sie auch voll Mitleid an die verwaisten Kinder dachte&comma; Zeit durfte nicht versäumt werden&semi; er mußte doch wieder an seine Formen zurück und sie mußte die Bälge nähen&comma; wie wenn nichts geschehen wäre&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Und doch sollte das&comma; was geschehen war&comma; mehr Einfluß auf ihr Leben haben&comma; als sie ahnten&period; Es vergingen ein paar Tage&comma; da reichte der Postbote wieder einen Brief mit Trauerrand durchs Fenster&comma; der wieder an Herrn Fabrikbesitzer Greiner überschrieben war&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Was ist aber das&excl;« rief Frau Greiner entsetzt&period; »Jetzt sind wohl auch noch die Kinder verunglückt&period; Ich habe doch auch so viel an sie denken müssen&period; Ich will’s nur gleich vorlesen&comma; du hast ja doch die Hände voll Brei&excl;« Der Brief war von einem Verwandten des verstorbenen Fabrikanten Langbeck&period; Er teilte mit&comma; es habe sich leider herausgestellt&comma; daß das Geschäft des Verstorbenen zurückgegangen sei und er sein Vermögen eingebüßt habe&period; Nun müsse gesorgt werden für die drei mittellos hinterbliebenen Kinder&colon; ein Mädchen von sieben Jahren&comma; ein Knabe von vier&comma; und einer von einem halben Jahr&period; Greiner möchte erklären&comma; ob er nicht eins oder zwei der Waisen aufnehmen könne&period; Die Kinder seien etwas verwöhnt&comma; weil sie in einem reichen Hause aufgewachsen seien&comma; aber guten Charakters&period; Nur der vierjährige sei ein wilder Junge und brauche gute Zucht&period; Baldiger Bescheid wäre erwünscht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Greiner nahm diese Anfrage schwer auf&period; Ihn drückte ohnedies die Sorge für seine Familie&semi; es war kein Brot übrig und war kein Platz frei für ein weiteres Familienglied&period; Er war kränklich und schwach und wollte sich keine neue Lasten aufbürden&comma; die alte drückte ihn schon schwer genug&period; Aber seine Frau sah’s anders an&period; »Wir nehmen das Mädchen&comma;« sagte sie&comma; »die Große&comma; die Siebenjährige&period; Bedenk doch nur den Nutzen&excl; Ein Bett hat sie&comma; denn in reichen Familien hat jedes ein Bett&comma; das muß sie mitbringen&comma; da kann unsere Marie bei ihr schlafen&comma; denk nur die Wohltat&period; Und dann die Arbeit&comma; die sie tun kann&excl; Sieben Jahre&comma; wahrscheinlich bald acht&comma; gleich kann sie Bälge füllen und jedes Jahr verdient sie mehr&period; Und dann bedenk doch&comma; es sind doch deiner Schwester Kinder&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Vater Greiner wurde ganz überstimmt&comma; denn auch die Kinder stellten sich auf der Mutter Seite&comma; Marie vor allem freute sich bei dem Gedanken an eine große Schwester&period; Aber wenn er auch nicht mehr viel sagte&comma; es lag ihm doch schwer auf der Seele&comma; und oft mußte ihn seine Frau in den nächsten Tagen drängen&comma; bis endlich ein Brief nach Köln abging&comma; in dem sich Greiner bereit erklärte&comma; Edith&comma; das siebenjährige Töchterchen&comma; aufzunehmen&period; Gleich darauf kam der dritte Brief aus Köln&period; Er war von der Hand eines jungen Mädchens geschrieben&comma; das als Kinderfräulein in der Familie Langbeck diente&comma; und gerichtet an Frau Greiner&period; Sie teilte mit&comma; daß Edith&comma; schon ehe Greiners Brief angekommen war&comma; eine freundliche Unterkunft gefunden habe&comma; nicht so die Knaben&period; Sie bitte nun im Einvernehmen mit dem Vormund herzlich&comma; statt Edith das jüngste Knäblein&comma; den kleinen Alex&comma; aufzunehmen&period; »Es ist ein goldiges Kind&comma;« schrieb das Fräulein&period; »Es war unser aller Liebling&semi; ich mag gar nicht daran denken&comma; daß ich mich nun von ihm trennen muß&comma; und ganz gewiß werden auch Sie und Ihr Herr Gemahl die größte Freude an ihm haben&comma; und er wird herrlich gedeihen in der köstlichen Luft des Thüringer Waldes&period; Ich bin im Begriff&comma; in meine Heimat zu reisen&comma; komme nahe an Thüringen vorbei und wurde von dem Vormund der Kinder gebeten&comma; Ihnen den Kleinen zu übergeben&period; So bringe ich Alex&comma; wenn Sie nicht abtelegraphieren&comma; schon übermorgen&period; &lbrack;&ast;&rsqb; Unter Soxhlet versteht man eine Vorrichtung zum Kochen der Milch für kleine Kinder&period; Alex ist mit Soxhlet&lbrack;&ast;&rsqb; aufgezogen&comma; ich bringe diesen deshalb auch mit&period; Wenn Sie dadurch auch mehr Mühe haben&comma; wird es doch für die ersten Wochen&comma; bis der Kleine eingewöhnt ist&comma; gut sein&period;« Der Brief war unterschrieben&colon; »Elisabeth Moll&comma; Kindergärtnerin&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Greiner hatte den Brief vorgelesen&period; Bei dem Wort »Soxhlet« stockte sie&comma; das Wort hatte sie noch nie gelesen&period; »Wen bringt sie mit&quest;« fragte Greiner&period; »Den Soxhlet bringt sie mit&semi; das muß der größere Bruder sein&comma; der vierjährige&comma; der wilde&comma; von dem sie neulich geschrieben haben&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Soxhlet&comma; den Namen habe ich aber noch nie gehört&comma;« sagte Greiner&period; »Die vornehmen Leut’ haben immer so tolle Namen«&comma; meinte die Frau&period; »Alex steht gerade so wenig im Kalender&comma; und Edith heißt bei uns auch niemand&period; Es kann auch gar niemand anders sein&comma; als der größere Bub&comma; sie schreibt ja&comma; das Mädchen habe eine Unterkunft gefunden&comma; aber die Buben nicht&period; So schicken sie halt beide zu uns&comma; das ist eine schöne Bescherung&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Diesmal war sogar Frau Greiner besorgt&comma; wie das gehen solle&comma; und große Bestürzung herrschte in der Familie&period; Vater Greiner war ungehalten&period; »Mir kommt’s auch gar nicht recht vor&comma; wenn man schreibt&comma; man wolle ein Mädchen und man schickt einem dann zwei Buben&excl; Man hätt’s nicht tun sollen&comma; und wenn’s auch meiner Schwester Kinder sind&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wer weiß&comma; ob sie nur Betten mitbringen&comma;« sagte Frau Greiner&period; »Kinder&comma; da dürft ihr euch schmal machen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wie heißt der Böse&comma; Mutter&quest;« fragte Marie&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Soxhlet heißt er&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Bei wem schläft der&quest; Vor dem fürcht’ ich mich&comma; gelt&comma; den legst nicht zu mir&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Der kommt ja nur für ein paar Wochen&comma;« sagte die Mutter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; wenn das nur wahr ist&comma;« sagte Greiner&period; »Wenn ihn aber niemand abholt&comma; dann bleibt er halt an uns hängen&comma; auf die Straße kannst ihn doch nicht setzen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Du meine Güte&comma; du denkst auch gleich ans Schlimmste&comma;« rief Frau Greiner&period; »Das wär doch gar zu arg&period; Es ist schon der Kleine schlimm&comma; der schreit noch bei Tag und Nacht&comma; und das ist noch das ärgste&comma; wenn man nicht einmal seine paar Stunden Nachtruh’ hat&period; Aber auch noch so einen Wilden dazu&comma; der die Sägspäne verstreut oder deine Köpfe umstößt&comma; so einen können wir nicht brauchen&period; Weißt noch&comma; wie der Lehrer einmal so Kostbuben gehabt hat&quest; Gleich ist der eine zum Täuflingsmacher und hat das Papiermasché umgeworfen&excl; Jetzt rechne nur einmal die Kosten&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Sie schreibt doch etwas vom abtelegraphieren&semi; kann man das nicht telegraphieren&comma; daß sie den Soxhlet nicht mitbringen sollen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wenn’s halt nicht recht teuer ist&comma; so ein Telegramm nach Köln&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Man könnt’ ja fragen&comma; was es kostet&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Jedes Wort wird da gerechnet&comma; bis du nur überschreibst&colon; an Fräulein Elisabeth Moll in Köln am Rhein&comma; äußere Ringstraße Nr&period; 5&comma; hast schon – zähl’ einmal – hast schon zehn Wörter und steht noch nichts vom Soxhlet darin&period; Dann&comma; so barsch möcht’ ich auch nicht sein&comma; daß ich nur schreibe&comma; sie sollen ihn nicht mitbringen&comma; man müßt’ doch auch erklären&comma; warum&period; Wieviel gäb’ das Wörter&excl; Das geht nicht in ein Telegramm&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Und zum Brief ist’s zu spät&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; zu spät&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt wurde es ganz still im Zimmer&period; Vater Greiner bückte sich wieder über seine Arbeit wie immer&comma; nur sah sein abgemagertes Gesicht noch sorgenvoller aus&comma; als sonst&comma; und auch Frau Greiner hatte nicht ihren gewohnten fröhlichen Ausdruck&period; Marie hatte sich gefreut auf die Genossin&comma; nun kamen statt ihrer kleine Buben&comma; von denen hatte sie schon vorher genug&period; So machte auch sie ein betrübtes Gesicht&comma; während sie die Puppenbälge mit Sägspänen ausstopfte&comma; und es lag eine rechte Mißstimmung über der ganzen Familie&period; Aber nach einem kleinen Weilchen erschien schon wieder ein heiterer Zug auf dem Gesicht von Frau Greiner&comma; und indem sie nach ihrem Mann hinsah&comma; sagte sie&colon; »So hat dich wohl niemand genannt&comma; ›mein Herr Gemahl&excl;‹« und sie lachte und die Kinder auch&period; »Was wohl das Fräulein&comma; wenn sie kommt&comma; für Augen macht&comma; wenn sie meinen Herrn Gemahl sieht in seinem großen Schurz voll Papiermaschétropfen und in seinem verflickten Kittel&quest; Ich meine&comma; die stellen sich alles viel nobler bei uns vor&comma; weil sie doch auch immer an den Herrn Fabrikbesitzer schreiben&period; Die denkt nicht&comma; daß du nur ein Drücker bist und bei uns alles so armselig ist&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ja&comma; damit hatte Frau Greiner richtig geraten&period; Fräulein Elisabeth Moll&comma; die seit einem Jahr in der Familie Langbeck treue Dienste leistete&comma; hatte sich eine ganz falsche Vorstellung von der Familie Greiner gemacht&period; Frau Langbeck hatte von ihren Verwandten in Thüringen nur einmal gesprochen&period; »Mein Bruder&comma;« hatte sie gesagt&comma; »verfertigt solche Puppen&comma; wie Edith hier eine hat&period; Auch mein Vater hat sich schon damit abgegeben&period;« Da nun Herr Langbeck Besitzer einer großen Fabrik war&comma; so hatte sich das Fräulein unwillkürlich Herrn Greiner als den Besitzer einer eben so großen Puppenfabrik vorgestellt&comma; und weil in der Familie Langbeck alles hübsch und vornehm eingerichtet war&comma; so machte sie sich auch vom Haus Greiner ein solches Bild&period; Sie war es&comma; die den Vormund auf diesen Bruder der Frau&comma; auf den Fabrikbesitzer Greiner&comma; aufmerksam gemacht hatte&period; Der Vormund fühlte sich sehr erleichtert&comma; als sich eine anscheinend so günstige Aussicht für einen seiner kleinen Pflegebefohlenen eröffnete&period; Er war nicht allzu gewissenhaft&comma; hielt es nicht für nötig&comma; sich näher nach den Thüringer Verwandten zu erkundigen&comma; noch auch mit ihnen persönlich in Briefwechsel zu treten&period; Im Vertrauen auf das bewährte Kinderfräulein beauftragte er dieses&comma; bei der Familie Greiner anzufragen&comma; und als kein absagendes Telegramm eintraf&comma; wurden die Reisevorbereitungen getroffen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>In einen Reisekoffer packte das Fräulein die ganze niedliche Aussteuer des Kindes&colon; all die spitzenbesetzten Hemdchen&comma; die gestickten Kleidchen und die feine Bettwäsche&period; Den Kleinen kleidete sie mit besonderer Sorgfalt an&comma; damit er den Verwandten einen guten Eindruck mache&period; In den Güterwagen wurde des kleinen Reisenden Korbwagen gestellt&comma; daß er bei Ankunft in Thüringen sein gewohntes Bett gleich fände&period; So trat das junge Mädchen die Reise an&comma; froh&comma; das Haus verlassen zu dürfen&comma; dessen Zusammenbruch sie miterlebt hatte&comma; und in der besten Zuversicht&comma; für ihr geliebtes Pflegekind treu gesorgt zu haben&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der kleine Alex lachte fröhlich&comma; als die Fahrt begann&period; Er wußte nicht&comma; was dieser Tag für sein Leben bedeutete&period; Ahnungslos ließ er sich aus dem Haus des Reichtums und Wohllebens in die Stätte der Armut und Not versetzen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die ganze Nacht hindurch und den folgenden Morgen dauerte die Reise&period; Sonneberg war die letzte Station&semi; hier mußte Elisabeth die Bahn verlassen&period; Der Korbwagen wurde ausgeladen&comma; der schlafende Kleine liebevoll hineingebettet und nun stand sie da und sah sich um&period; Sie hatte sicher gehofft&comma; hier abgeholt zu werden und wartete&comma; sich umsehend&comma; eine gute Weile&period; Es mußte für Herrn Fabrikant Greiner oder seine Gemahlin ein leichtes sein&comma; sie und ihr zukünftiges Pflegekind aufzufinden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ach&comma; sie wartete vergeblich&period; Greiner und seine Frau saßen an der Arbeit wie immer&semi; keinem wäre auch nur der Gedanke gekommen&comma; einen Arbeitstag zu versäumen&comma; selbst wenn sie genau die Ankunftszeit der Reisenden gewußt hätten&period; Aber nun sah Fräulein Elisabeth jemand&comma; der ihr als Wegweiser dienen konnte&period; Am Bahnhof standen wartend zwei Frauen&period; Die trugen eine große »Schanze«&comma; einen flachen Korb&comma; in dem wohl ein halbes Hundert Puppen dicht aneinandergeschichtet lagen&comma; lauter Puppen&comma; in Hemden und Häubchen&comma; offenbar frisch aus der Fabrik – gewiß aus der Fabrik von Herrn Greiner&comma; dachte das Fräulein&period; Sie ging auf die beiden Frauen zu und fragte&comma; ob sie aus der Fabrik von Herrn Greiner in Oberhain kämen&period; Nein&comma; daher kamen sie nicht&comma; wußten auch nichts von dem Namen&semi; aber das Dorf Oberhain war ihnen wohlbekannt und auch&comma; daß heute kein Postwagen mehr dorthin ging&period; So erkundigte sich das junge Mädchen nach einem Gasthaus und bat dort um einen Wagen&comma; der sie mit dem Kleinen sofort nach Oberhain fahren könnte&period; Ein solcher fand sich auch&comma; groß genug&comma; daß hintenauf der Korbwagen gepackt werden konnte&comma; und Elisabeth stieg mit Alex ein&comma; froh&comma; endlich so weit zu sein&period; »Wo soll ich halten in Oberhain&quest;« fragte der Kutscher&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Bei Herrn Fabrikbesitzer Elias Greiner&comma;« sagte Elisabeth&comma; »die Wohnung kennen Sie ja wohl&quest;« Nein&comma; er kannte sie nicht&comma; er war schon oft in Oberhain gewesen&comma; hatte aber nie eine Fabrik bemerkt&period; Er wollte sie aber schon erfragen&period; Nun ging’s vorwärts&comma; zuerst flott und rasch durchs Städtchen&comma; dann langsamer die aufwärts steigende Straße hinan&comma; rechts Wald&comma; links Wald&comma; ein herrlicher Anblick für die Städterin&period; Die köstliche Waldluft strömte herein&comma; Elisabeth war in glücklichster Stimmung&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Mein kleiner Schatz&comma;« sagte sie zu dem schlummernden Kind&comma; »gelt&comma; ich habe dir eine schöne Heimat ausfindig gemacht&comma; wie wirst du da rote Bäckchen bekommen&comma; mein Liebling – aber Papa und Mama können sich nicht mehr darüber freuen&comma; armer Schneck&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Als die ersten Schieferhäuschen von Oberhain auftauchten&comma; fuhr der Kutscher langsamer&comma; wandte sich zurück und rief in den Wagen&colon; »Wie soll die Fabrik heißen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Elias Greiner&period;« Ein paar Schulkinder kamen des Wegs&period; »He&comma;« rief der Kutscher sie an&comma; »wo ist die Fabrik von Elias Greiner&quest;« Die sahen sich an und kicherten und ein Junge sagte&colon; »Bei uns im Dorfe ist keine Fabrik&period;« Fräulein Elisabeth wurde ängstlich&period; »Das kann ich nicht begreifen&comma;« sagte sie&period; »Ich weiß aber gewiß&comma; daß der Name richtig ist&comma; wir haben erst vorige Woche so überschrieben und Antwort erhalten&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wir wollen’s schon herausbringen&comma;« sagte der Kutscher&comma; »es heißt sich mancher Fabrikant&comma; der keine Fabrik hat&period;« Er trieb die Pferde an&comma; daß sie rasch durch die Dorfstraße fuhren bis ans Wirtshaus&period; Bei dem Geräusch des vorfahrenden Wagens trat der Wirt unter die Türe&period; Die Kutsche hielt&comma; der Kleine wachte auf und fing an zu weinen&period; Neugierig sammelten sich einige Leute um die Kutsche&comma; während der Kutscher vom Bock aus mit dem Wirt Beratung hielt&period; Elisabeth verstand nicht genau&comma; was die beiden im Thüringer Dialekt miteinander verhandelten&comma; aber sie hörte&comma; wie der Wirt dem langsam Davonfahrenden nachrief&colon; »Es kann gar kein anderer gemeint sein&comma; als der Drücker Greiner&semi; keiner sonst heißt Elias&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Und nun ging’s noch ein Stück langsam weiter&comma; die Dorfstraße wurde enge&comma; ein Häuschen kam zum Vorschein mit einem halb zerfallenen Bretterzaun&comma; über und über mit blassen Puppenköpfen ohne Augen besteckt – vor dem hielt der Kutscher&comma; sprang vom Bock&comma; öffnete den Schlag und sagte&colon; »So&comma; jetzt haben wir die Fabrik&excl;« und sich dem Fenster zuwendend&comma; wo Maries Kopf erschien&comma; rief er&colon; »Wohnt da der Elias Greiner&quest;« Der hatte schon den Wagen halten hören&comma; und nun kamen sie alle heraus&colon; Voran die Frau&comma; dann die Kinder&comma; barfüßig alle&comma; der Johann in bloßem Hemdchen&comma; zuletzt der Mann&period; Ach&comma; dem Fräulein wurde so weh ums Herz – das sollte die Fabrik sein&comma; der Fabrikant&excl; Ärmlichere Gestalten hatte sie kaum je gesehen&excl; Noch hoffte sie&comma; es möchte ein Irrtum sein&comma; aber nun kam Greiner dicht heran&comma; sah das Kind auf dem Arm des Fräuleins&comma; betrachtete bewegt das liebliche Gesichtchen und sagte&colon; »Das ist also meiner Schwester Kind&excl;« »Ja&comma;« sagte Elisabeth&comma; aber unwillkürlich blieb sie dicht am Wagen stehen – keinen Schritt machte sie auf das Haus zu&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Greiner fand bestätigt&comma; was sie sich schon gedacht hatte – das junge Mädchen war enttäuscht über das&comma; was sie vor sich sah&comma; bitter enttäuscht&period; Sprachlos und ratlos stand sie da&comma; das Kind fest an sich drückend&period; Frau Greiner war nicht gekränkt darüber&comma; das junge Mädchen dauerte sie&period; »Kommen Sie nur herein&comma; Fräulein&comma;« sagte sie&comma; »das Kind ist ja noch so klein&comma; das merkt den Unterschied noch gar nicht&period; Gelt du&comma; Kleiner&comma; gelt du bist froh&comma; wenn du nur etwas zu essen bekommst&quest;« Freundlich blickte sie das Kind an und dieses lächelte wieder&comma; und ehe sich’s Elisabeth versah&comma; hatten diese ärmliche Mutter und dieses schön geputzte Kind die Arme nacheinander ausgestreckt und lachend trug Frau Greiner den kleinen Alex ins Häuschen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ihr folgten die Kinder&comma; die bewundernd auf den neuen Ankömmling sahen&comma; während Greiner half&comma; den Koffer abzuladen&comma; und Elisabeth den Kinderwagen richtete&period; Es war ihr schon ein wenig leichter ums Herz&comma; hatte sie doch ihren kleinen Pflegling in Mutterarme übergeben&period; Sie folgte ins Zimmer&period; Da freilich war eine Hitze&comma; ein Dunst und Geruch&comma; daß sie nicht glaubte&comma; bleiben zu können&period; »Sie haben Feuer an diesem heißen Tag&quest;« fragte sie&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Das bringt eben das Geschäft mit sich&comma;« sagte Greiner und deutete auf seine Arbeit&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt aber sprach Frau Greiner die Frage aus&comma; die allen längst auf den Lippen lag&colon; »Haben Sie den Soxhlet nicht mitgebracht&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Doch&comma;« sagte Elisabeth&comma; »ich werde ihn gleich hereinholen&comma; er ist draußen im Koffer&comma; ich will nur zuerst dem Kleinen das Reisekleidchen abnehmen&period;« Greiner und seine Frau warfen sich vielsagende Blicke zu&comma; sie wußten nun&comma; daß Soxhlet kein menschliches Wesen war&period; Nicht so die Kinder&period; Für sie war die ganze elegante Erscheinung des Fräuleins mit dem Kind&comma; der schöne Korbwagen&comma; der feine Lederkoffer so wunderbar&comma; daß es ihnen auf ein Wunder mehr auch nicht ankam&comma; und sie glaubten nicht anders&comma; als daß der wilde Soxhlet im Koffer eingesperrt sei&period; Neugierig schlichen sie miteinander hinaus in den kleinen Vorplatz&comma; wo der Koffer abgestellt worden war&period; Marie blieb vorsichtig in einiger Entfernung stehen&comma; Philipp aber trat näher&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Bleib da&excl;« rief die Schwester ängstlich und leise&comma; daß es der Soxhlet nicht hören sollte&period; Als sich aber der unheimliche Koffer ganz still verhielt&comma; wurden die Kinder kecker&period; Sie kamen nahe heran&comma; Philipp wagte sogar mit dem Fuß einen Stoß gegen den Koffer&comma; sprang aber dann doch vorsichtig zurück&period; »Hast nicht gehört&comma; wie er gebrummt hat&quest;« sagte Marie&comma; »paß auf&comma; daß er nicht herausfährt&period; Der muß doch arg bös sein&comma; daß er so eingesperrt wird&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt kam Fräulein Elisabeth mit dem Kofferschlüssel heraus&comma; kniete nieder und schloß auf&period; Die Kinder blieben ängstlich und fluchtbereit in der Ferne stehen&comma; wunderten sich&comma; daß ihre Mutter so ruhig herantrat&comma; und dann waren sie halb beruhigt&comma; und doch halb enttäuscht&comma; als der Deckel aufgehoben wurde und lauter harmlose Dinge&comma; Kleidungsstücke und Wäsche hervorkamen&period; »Und da ist der Soxhlet&comma;« sagte das Fräulein und vor den erstaunten Augen der Umstehenden zog sie ein Blechgestell mit einer Anzahl leerer Fläschchen heraus&comma; ein Ding&comma; so harmlos und unschuldig wie nur möglich&comma; so daß die Kinder sich verblüfft ansahen&period; »Das ist der Soxhlet&quest;« sagte Frau Greiner und machte dabei ein nicht eben geistreiches Gesicht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Sie haben sich den Soxhlet vielleicht anders vorgestellt&comma;« sagte das Fräulein&period; »Ich will Ihnen gleich die Behandlung erklären&period; In der Berliner Anstalt&comma; wo ich als Kindergärtnerin ausgebildet wurde&comma; hat man uns so gelehrt&colon; ›Um die Milch keimfrei zu machen&comma; wird sie in die Fläschchen gefüllt&comma; die mit durchlochter Gummiplatte bedeckt und in den Blechtopf voll kochenden Wassers gestellt werden&comma; woselbst man sie fünf Minuten kochen läßt&period; Danach werden die Fläschchen durch Glaspfropfen geschlossen und die Milch noch eine halbe Stunde gekocht&period;‹« Frau Greiner hatte geduldig und aufmerksam zugehört&period; Jetzt schloß das Fräulein mit der Bemerkung&colon; »Alex ist doch ein zartes Kind&comma; über die Sommermonate sollten Sie ihn noch weiter so ernähren&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma;« sagte Frau Greiner&comma; »ich will schon alles recht machen&period; Milch haben wir ja nicht&comma; wir kaufen halt so viel&comma; daß es grad zum Kaffee reicht&period; Aber den wird er schon auch mögen und auch Kartoffeln&comma; und an Speck und Hering soll’s ihm gewiß nicht fehlen&period; Das ist bei uns zulande die Hauptnahrung&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber doch nicht für so kleine Kinder&quest;« sagte Elisabeth entsetzt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Es ist ja kein Wochenkind mehr&comma;« entgegnete Frau Greiner&period; »Seien Sie nur ruhig&comma; ich will’s ihm schon in die Soxhletfläschchen tun&comma; so oft eben Milch da ist&period;« Inzwischen hatte Elisabeth weiter ausgepackt&period; »Da sind seine Badehandtücher&comma;« sagte sie&comma; »und da ist der Badethermometer&comma; ich habe ihn mitgebracht&comma; aber ich weiß nicht&comma;« setzte sie zweifelnd hinzu&comma; »ob Sie den Thermometer ver – – – ob Sie an ihn gewöhnt sind&quest; Wir haben das Bad auf 24 Grad erwärmt&comma; ich glaube&comma; auf dem Lande prüft man die Wärme mehr so mit dem Arm&comma; oder nicht&quest; Sie baden Ihre Kinder doch auch&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»O ja&comma; gebadet wird jedes&comma; so bald als es auf die Welt kommt&comma; aber hernach kommt man nimmer leicht dazu&comma; das braucht’s auch nicht&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ach&comma;« sagte Elisabeth&comma; »uns hat man gelehrt&comma; daß die Hautpflege so wichtig sei bei den Kleinen&semi; Alex ist auch so rein am ganzen Körperchen&comma; wäre es nicht möglich&comma; daß Sie ihn wenigstens immer am Samstag baden&quest; Haben Sie eine Badewanne&quest; Nein&quest; Ich wollte ihm gerne noch eine kaufen von meinem Geld&comma; wenn hier welche zu haben sind&semi; oder ich schicke Ihnen eine aus Sonneberg&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Lassen Sie das nur&comma; Fräulein&comma; meine Waschwanne tut’s schon auch&comma; und so oft ich Zeit habe&comma; will ich ihn schon baden&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ach ja&comma; bitte&comma; und dann hätte ich noch etwas auf dem Herzen&colon; In dem Zimmer riecht es so stark und es ist so überhitzt&semi; Sie werden das gar nicht so bemerken&comma; weil Sie es gewöhnt sind&semi; könnte Alex nicht in einem andern Zimmer sein&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ein anderes Zimmer haben wir gerad’ nicht&comma; aber wegen der Luft dürfen Sie gar nicht sorgen&comma; liebes Fräulein&comma; die ist berühmt im Thüringer Wald&comma; deretwegen kommen die Leute oft weit hergereist&period; Sehen Sie nur meine Kinder an&comma; die sind ja auch alle gesund&comma; auch meine verstorbenen drei waren ganz gesund&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Woran sind sie denn gestorben&quest;« fragte Elisabeth&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Das eine ist verunglückt&comma; das arme Tröpfle hat den heißen Brei über sich geschüttet&comma; den mein Mann braucht zu den Köpfen&semi; und eines hat’s auf der Lunge gehabt&comma; und das dritte ist uns nur so über Nacht weggestorben&comma; niemand hat recht gewußt&comma; daß ihm was fehlt&period; Es hat uns weh getan&comma; aber so ist’s halt&semi; wir haben ja auch an dreien genug und jetzt sind’s eben auf einmal vier geworden&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Während dieses Gesprächs waren alle Habseligkeiten des kleinen Alex ausgepackt worden mit vielen Anweisungen über die Verwendung&semi; was jetzt noch im Koffer verblieb&comma; war des Fräuleins Eigentum&period; Sie schloß wieder zu und kam mit Frau Greiner ins Zimmer&comma; wo Vater Greiner an der Arbeit saß&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der kleine Alex lag inzwischen in seinem Wagen&comma; die Kinder standen bewundernd um ihn herum&comma; Marie fuhr ihn vorsichtig hin und her&period; Elisabeth trat hinzu und sagte leise zu Marie&colon; »Willst du ihm eine treue Schwester sein&quest; Sieh&comma; der arme Kleine hat es daheim so schön gehabt&period; Gelt&comma; du fährst ihn manchmal spazieren und sorgst recht schön für ihn&quest;« Die kleine Marie nickte und sah mit großen Augen das Fräulein an&comma; das gegen die Tränen ankämpfte&comma; als sie sich über den Kleinen beugte&comma; ihn herzte und küßte und leise sagte&colon; »Behüt’ dich Gott&comma; mein Liebling&comma; ich habe es gut mit dir gemeint&comma; ich bin nicht schuld&period; Warum haben dich deine Eltern verlassen&comma; wie konnten sie dir das antun&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich muß gehen&comma;« sagte sie&comma; indem sie zu Greiner trat&comma; und sie nahm sich zusammen&comma; um ihren Tränen zu wehren&period; »Ich habe Sie noch etwas fragen wollen&comma;« sagte Greiner&comma; und nun zitterten auch seine Lippen&semi; »was war denn das für ein Unglücksfall mit meiner Schwester und ihrem Mann&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Sie starben beide in der Nacht&comma; ehe der Zusammenbruch des Geschäfts bekannt wurde&period; Näheres kann ich nicht sagen&period;« Greiner fragte auch nicht weiter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ein paar Stunden später fuhr das Fräulein ihrer Heimat zu&comma; und während sie nach langer Zeit wieder am elterlichen Tisch saß&comma; nahm Alex auf dem Schoß der neuen Pflegemutter zum erstenmal Anteil am Familienmahl und so oft er den kleinen Mund aufsperrte&comma; wurde ihm ein Stückchen Kartoffel hineingeschoben&comma; ein sorgsam geschältes&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Danach&comma; da es Feierabend&comma; draußen aber noch hell und warm war&comma; gingen sie alle zusammen hinaus&period; Frau Greiner trug stolz den schönen Kleinen auf dem Arm&comma; und da er verwundert nach den Tannen sah&comma; die am Wege standen und leise vom Wind bewegt wurden&comma; hob sie ihn hoch bis zu den Ästen und rief ihm freundlich zu&colon; »Da&comma; schau nur&comma; Alex&comma; schau&comma; jetzt bist du im Thüringer Wald&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Wieviel Arbeitsstunden waren bei Greiners versäumt worden durch all die Briefe&comma; durch die Ankunft des kleinen Pflegekinds und alles&comma; was damit zusammenhing&excl; Als am Samstag der große Huckelkorb vollgepackt wurde&comma; fand sich&comma; daß alles leicht hineinging und daß Maries neuer Korb ganz überflüssig war&semi; bei weitem nicht alle versprochene Arbeit war fertig geworden&period; Marie blieb auch ganz gern daheim&semi; den eleganten Kinderwagen mit dem schönen neuen Brüderchen vor dem Haus herumzufahren und allen staunenden Nachbarn zu zeigen war noch ein größeres Vergnügen&comma; als mit der Mutter zu gehen&period; So wanderte Frau Greiner allein der Stadt zu&comma; die Arbeit abzuliefern&period; Aber diesmal kam sie übel an&excl; Der Sonneberger Fabrikant hatte fest gerechnet auf das&comma; was sie versprochen hatte zu liefern&semi; die Zeit drängte&comma; was er heute nicht erhielt&comma; konnte er nicht fertig stellen bis zu dem Tag&comma; wo die Sendung abgehen sollte&comma; um das Schiff zu erreichen&comma; das nach Australien ging&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Greiner entschuldigte sich&comma; die Schwester ihres Mannes sei gestorben und sie hätten ein Waisenkind aufnehmen müssen&period; Die Entschuldigung wurde ganz ungnädig aufgenommen&period; Ob sie meine&comma; daß das Schiff warte&comma; bis alle Waisenkinder versorgt seien&quest; Sie solle nicht mehr Arbeit versprechen&comma; als sie leisten könne&period; Zum Unglück hatten noch einige Arbeiter weniger geliefert&comma; als sie versprochen hatten&comma; und so war der Fabrikant wirklich in Verlegenheit&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wenn ich mein Wort nicht halte&comma;« sagte er&comma; »so verliere ich meine Kundschaft&comma; was wollen Sie dann machen&comma; wenn keine Puppen mehr bestellt werden&quest;« Ganz schuldbewußt und zerknirscht stand Frau Greiner da und wagte kein Wörtlein zu sagen&comma; als ihr auf dem Zettel ein gehöriger Abzug am verabredeten Lohn gemacht wurde&period; Der Herr schien auch gar keine Lust zu haben&comma; ihr neue Aufträge zu geben&comma; und ließ sie lange stehen&comma; wie wenn sie nicht mehr da wäre&period; Da aber noch große Bestellungen vorlagen&comma; so bekam sie schließlich doch wieder Aufträge genug&comma; und diesmal verließ sie ohne Verzug die Stadt und kehrte nicht einmal bei ihrer Mutter ein&comma; um keine Zeit zu verlieren&period; Jetzt&comma; in den besten Arbeitswochen&comma; ein so elendes Sümmchen Geld heimzubringen&comma; kam ihr fast wie eine Schande vor und sie fürchtete schon ihres Mannes grämliches Gesicht&comma; wenn sie so wenig abliefern konnte&period; Im Sommer wollte er doch immer etwas zurücklegen für den Winter&comma; wo das Puppengeschäft stockt&period; Aber schließlich konnte sie auch nichts dafür&comma; es war ja sein Schwesterkind an allem schuld&period;<&sol;p>&NewLine;<p>In diesen Gedanken ging sie ihrem Dorfe zu&period; Mit ihrem flinken Schritt holte sie bald einen jungen Burschen ein&comma; der auch von Sonneberg kam und gemütlich&comma; eine Zigarre rauchend&comma; dem Dorfe zuschlenderte&period; Frau Greiner kannte ihn wohl&comma; er war auch von Oberhain und war ein Neffe ihres Mannes&period; Die Woche über arbeitete er in Sonneberg in der Fabrik&comma; Samstag abends kam er heim zu seinen Eltern&period; Frau Greiner hatte gern Reisegesellschaft&comma; sie rief schon von ferne dem Burschen zu&colon; »Georg&comma; wart ein wenig&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Er wandte sich um&comma; gesellte sich zu ihr&comma; und vom Geschäft plaudernd gingen sie nebeneinander her und kamen bis zu dem Punkte&comma; wo der Fußweg nach Oberhain von der großen Straße abzweigt und ein Wegweiser nach verschiedenen Richtungen zeigt&period; An diesem Wegweiser stand ein Herr&comma; der an seinem Reiseanzug leicht als Fremder zu erkennen war und der nun&comma; als unsere beiden Leutchen an ihm vorbeikamen&comma; mit fremder Betonung fragte&comma; wie weit es noch bis Oberhain sei&period; Ein Stündchen war’s immerhin noch auf dem Fußweg&comma; den aber ein Fremder leicht verfehlen konnte&period; So schloß sich der Herr an und sie gingen zu dritt weiter&period; Zuerst schweigsam&comma; dann siegte bei Frau Greiner die Neugier über die Schüchternheit und sie fragte&comma; ob der Herr kein Deutscher sei&quest; Nein&comma; er war Amerikaner&comma; ein Kaufmann&comma; der wegen des Puppengeschäfts nach Sonneberg gekommen war&period; Die deutsche Sprache hatte er aber gut gelernt&comma; man konnte sich wohl mit ihm verständigen&period; Er fragte Frau Greiner&comma; was sie zu Markte gebracht habe und was ihr Mann sei&period; »Mein Mann ist Drücker&comma;« sagte Frau Greiner&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Was ist das&comma; Drücker&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wenn man das Papiermasché in die Formen drückt&comma; daß es Puppenköpfe gibt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Helfen Sie auch drücken&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; ich bin Balgnäherin&comma; was die Körper für die Puppen gibt&period; Und die Kinder helfen auch&comma; sie wenden um und stopfen aus mit Sägespänen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Was fehlt noch an den Puppen&comma; wenn Sie sie abliefern&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Dann haben sie noch keine Augen und –«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wer macht die Augen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Die werden in Lauscha gemacht&comma; da kommen ganze Schachteln voll her in allen Größen&comma; die muß der Augeneinsetzer hineinmachen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ist das das Letzte&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; die Maler müssen doch erst die Backen malen und die Lippen&comma; und die Friseurin muß die Haare aufsetzen&comma; dann wird erst der Kopf auf den Balg geleimt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das kann Ihr Mann nicht&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»O&comma; mein Mann kann das alles und als jung ist er in die Industrieschule geschickt worden&comma; hat schon Köpfe und all die Formen machen lernen&comma; aber dann ist sein Vater gestorben&semi; gleich hat er dann das Lernen aufgeben müssen und hat seines Vaters Sach übernommen und ist halt auch wieder Drücker geworden&period; Mein Mann war von den besten einer auf der Schul’&comma; aber er hat halt heim müssen&comma; die Not ist gar groß bei uns&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wieviel verdienen Sie in der Woche&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja Herr&comma; das wechselt sehr&comma; bald ist’s mehr&comma; bald weniger&period; Es gibt Wochen im Winter&comma; da bekommt man gar keine Bestellung&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber in der besten Zeit des Jahrs&comma; auf wieviel bringen Sie es in der Woche&comma; Sie mit Mann und Kindern&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Die vorige Woche hab’ ich fünfundzwanzig Mark heimgebracht&comma; es ist auch schon auf dreißig gestiegen&comma; aber da muß man schon die Nacht durcharbeiten&period; Und davon müssen wir alles selbst anschaffen&comma; was wir zu den Puppen brauchen&comma; gar nichts bekommen wir geliefert&comma; das meiste geht dafür wieder hinaus und man bringt’s fast nicht dazu&comma; daß man sich für den Winter etwas zurücklegt&period; Mein Mann sorgt sich jetzt schon wieder darum&semi; ich nicht&comma; im Sommer mag ich gar nicht an den Winter denken&comma; sonst wird man ’s ganze Jahr nicht froh&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ist Ihr Mann gesund&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Er hustet halt&comma; das kommt von dem Staub vom Papiermasché und von den Sägspänen&comma; aber krank ist er nicht&comma; gottlob&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt mischte sich Georg ins Gespräch&period; »Die kräftige Nahrung fehlt halt da außen auf dem Land&comma; in der Stadt essen sie besser&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; Fleisch gibt’s nicht viel bei uns&comma; der Kaffee und die Kartoffeln sind die Hauptsache&comma; bei uns heißt’s&colon; Kartoffeln in der Früh&comma; zu Mittag in der Brüh&comma; des Abends mitsamt dem Kleid&comma; Kartoffeln in Ewigkeit&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der Amerikaner fragte nun nicht weiter&comma; der Weg wurde steiler und eine Viertelstunde gingen die drei still nebeneinander&comma; bis sie die Höhe erreicht hatten&comma; wo sie wieder auf die Landstraße einmündeten und von der Ferne einzelne schiefergraue Dächer sichtbar wurden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Das ist unser Dorf&comma;« sagte Frau Greiner&semi; »geht der Herr noch weiter heut’&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; aber Mittwoch komme ich wieder hier durch und dann will ich Ihren Mann aufsuchen&period;« Er blieb stehen bei diesen Worten und sagte&comma; indem er Frau Greiner ernst und forschend ansah&colon; »Sagen Sie ihm einstweilen&comma; daß ein Amerikaner zu ihm kommt und mit ihm sprechen will&period; Es ist vielleicht gut&comma; wenn ich Ihnen vorher schon sage warum&period; Ich möchte so eine Familie&comma; die den ganzen Puppenbetrieb versteht&comma; mit hinübernehmen nach Amerika&period; Ich habe dort Ländereien&comma; Wald&semi; die Eisenbahn geht vorbei&comma; es ist gar nicht viel anders wie hier&period; Ich sehe nicht ein&comma; warum wir die Puppen alle so weit her holen sollen&comma; das könnten wir drüben auch machen&comma; wenn wir nur die Leute dazu hätten&period; Dreimal so viel Lohn als Sie hier in der besten Woche haben&comma; kann ich Ihnen für drüben das ganze Jahr hindurch versprechen&period; Alles schriftlich&comma; natürlich&period; Ich bin schon mit dieser Absicht herübergekommen und nehme jedenfalls Leute von hier mit&period; Wenn Sie klug sind&comma; reden Sie Ihrem Manne zu&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Greiner sah den Amerikaner staunend und sprachlos an&period; Der junge Bursche lachte und sagte&colon; »Ihr könnt ja gar nimmer reden&comma; es versetzt Euch den Atem&comma; gelt&quest; Dreimal soviel und das ganze Jahr hindurch&comma; das wäre nicht schlecht&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Und selbstverständlich freie Reise&comma;« fügte der Amerikaner hinzu&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Für alle&quest; Wir haben drei Kinder&comma; nein&comma; jetzt vier&comma; das vierte ist ein Waisenkind&comma; das haben wir erst aufgenommen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das bleibt hier&period; Dazu gibt’s Waisenhäuser&period; Aber Ihre eigenen drei gehen mit&period; Die Kinderarbeit will ich bei uns auch einführen&comma; dazu brauchen wir deutsche Kinder&comma; die es vormachen als Beispiel&comma; damit es unsere davon absehen&period; Verstehen Sie&quest; Gut&comma; also reden Sie mit Ihrem Mann und lassen Sie den Vorteil nicht hinaus&comma; denn wenn Sie nicht gehen&comma; so finde ich genug andere&comma; die gerne gehen&period; Wie heißen Sie&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Er zog sein Merkbuch&comma; schrieb den Namen auf&comma; reichte der Frau einen Taler&comma; daß sie beim Mann ein gutes Wort für ihn einlege&comma; und schlug die kleine Straße ein&comma; die hier von der Oberhainer Straße abzweigte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Greiner stand still und sah ihm nach&period; »Hab’ ich nun das alles geträumt oder ist’s wahr&quest;« sagte sie zu Georg&period; Es mußte wohl wahr sein&comma; denn Georg behauptete&comma; sie habe ein unerhörtes Glück und sie hätte nur gleich »ja« sagen sollen&comma; damit ihr nicht andere Leute zuvorkämen&period; Warum sie denn auch gar kein Wort geantwortet habe&quest;<&sol;p>&NewLine;<p>»Es ist wahr&comma;« sagte Frau Greiner&comma; »ich war halt ganz wie aus den Wolken gefallen&comma; denk nur&comma; alle miteinander übers Meer&comma; die weite Reise&excl; Aber schön müßt’s sein&comma; was könnt’ man da alles sehen&comma; und ganz freie Überfahrt und drüben den dreifachen Lohn&excl; Ach&comma; der Herr wird jetzt doch nicht beleidigt sein&comma; daß ich so dumm dreingeschaut hab’&comma; er wird doch auch gewiß kommen&quest; Was meinst&comma; Georg&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Immer rascher ging Frau Greiner dem Dorf zu&comma; sie konnte es nicht mehr erwarten&comma; mit ihrem Mann zu reden&period; Im Ort&comma; gerade beim Wirtshaus&comma; trennte sich ihr junger Begleiter von ihr&period; »Sag’s noch niemand&comma; Georg&comma; weißt&comma; es gibt so viel Neider&comma; schweig still davon&comma; gelt&quest;« empfahl sie ihm noch an&semi; aber er lachte nur und ehe noch Frau Greiner&comma; die ganz oben im Dorf wohnte&comma; ihr Haus erreichte&comma; hatte Georg die merkwürdige Begegnung schon all seinen Hausgenossen erzählt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Es war schon fast eine wehmütige Abschiedsstimmung&comma; mit der die junge Frau durchs Dorf ging&period; Sie sah nach rechts und nach links und grüßte mit besonderer Herzlichkeit die Dorfbewohner&period; Alle waren ihr bekannt&comma; und in dem Augenblick waren sie ihr auch alle lieb&comma; weil sie dachte&comma; sie würde sich bald von ihnen trennen&period; Der Verdruß über die schlechte Einnahme war ganz überwunden durch die Hoffnung auf zukünftige Reichtümer&comma; und dann hatte sie ja auch noch den Taler in der Hand als Unterpfand&comma; als Beweis&comma; wenn ihr Mann etwa die wunderbare Mär nicht glauben wollte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Aus dem Hause drang ihr Kindergeschrei entgegen und als sie die Stubentüre aufmachte&comma; wurde sie von allen Seiten mit der Nachricht begrüßt&comma; Alex habe fast den ganzen Tag geschrien&period; Da lag das arme Büblein in seinem schönen Wagen&comma; zog die Beinchen in die Höhe und kreischte wie ein Kind&comma; das Schmerzen hat&period; Es war gar keine Möglichkeit&comma; die große Neuigkeit mitzuteilen&comma; die sie eben noch ganz erfüllt hatte&comma; sie verstand ihre eigenen Worte nicht&period; Deshalb nur schnell die guten Kleider abgelegt&comma; die große Schürze umgebunden und den Kleinen auf den Arm genommen&period; Lange wollte er sich nicht beruhigen&period; »Ein paar Stücklein Hering hat er heut’ mittag gegessen und seitdem schreit er&comma;« berichtete Marie&period; Mütterlich sprach die Frau dem Kleinen zu&comma; ob er gleich nichts davon verstand&colon; »Gelt&comma; armer Kerl&comma; gelt dir tut’s weh&semi; gelt&comma; ja&comma; das sind böse Leut&comma; die geben dir deinen Soxhlet nicht&comma; sei nur still&comma; mein Schatz&comma; ich kauf’ dir Milch&comma; still&comma; still&excl; Marie&comma; spring in Gottes Namen und hol’ noch einmal Milch&semi; geh zu Bauers hinüber&comma; von der schönen weißen Geiß sollen sie dir was melken&semi; zahlst gleich einen Groschen dafür&period; Nimm so ein Fläschchen mit von seinem Soxhlet&comma; daß ihm’s gut bekommt&semi; still&comma; mein Bübchen&comma; die Marie bringt dir Milch&semi; sollst es gut haben&comma; so lang du noch bei uns bist&period; Mußt ja doch bald ins Waisenhaus&period; Still&comma; mein Waislein&comma; still&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Es war spät abends&comma; alle Kinder schliefen&semi; Mann und Frau saßen beisammen und sprachen von dem großen Plan&comma; den Frau Greiner mitgeteilt und warm befürwortet hatte&period; Wenn Greiner schon im alltäglichen Leben alles schwer nahm&comma; wieviel mehr Bedenken machte er sich jetzt&comma; wo die Frage an ihn herantrat&comma; ob er mit Frau und Kind auswandern wolle in einen andern Weltteil&excl; Es war kein Fertigwerden mit ihm&semi; wenn seine Frau gegen alle seine Bedenken etwas vorgebracht hatte&comma; so fing er beim ersten wieder an&period; Als sein Bundesgenosse meldete sich von Zeit zu Zeit der kleine Alex mit leisem Wimmern in unruhigem Schlaf&period; »Wo brächten wir das arme Kind unter&quest;« fragte Greiner&period; Dann kam noch ein weiterer Bundesgenosse&comma; das war der Husten&colon; »Siehst doch&comma; ich bin ein kranker Mann&comma;« sagte er&comma; »Kranke bleiben am besten daheim&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Wenn aber dann seine Frau sagte&colon; »In Gottes Namen&comma; ich will dich auch nicht in die Fremde treiben&comma; so bleiben wir halt hier und den Taler geb’ ich dem Herrn wieder zurück&comma;« dann fing wieder Greiner an&colon; »Freilich&comma; die Hungerleiderei nimmt hierzulande kein End’&comma; nur zwölf Mark hast heut’ heimgebracht und gescholten bist auch noch worden&excl; Leicht könnt’ man’s schöner haben in Amerika&period; Wieviel sagst&comma; den dreifachen Lohn&comma; und alles will er schriftlich machen&quest; Es ist wohl wert&comma; daß man sich’s überlegt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>So besprachen sie das Für und Wider und kamen zu keinem Entschluß&period; Es war eine schwüle Sommernacht&comma; das Fensterchen der Schlafkammer stand offen&period; In seinen schweren Gedanken sah Greiner hinaus nach dem dunklen Wald und nach dem Mond&comma; der mild herabschien&semi; es war ihm&comma; als sähe er dies alles zum erstenmal&period; Schön war’s doch im Thüringer Wald und leicht wäre es nicht&comma; davonzugehen&period; Die Heimatliebe kam ihm deutlich zum Bewußtsein&comma; und nun trat seine Frau zu ihm her ans Fensterlein und sie lachte nicht wie sonst über sein nachdenkliches Wesen&comma; auch sie sah still und ernst hinaus ins Dunkle&period; »Magdalene&comma;« sagte er&comma; »kannst nicht mehr das Lied&colon; ›In allen meinen Taten laß ich den Höchsten raten&comma; der alles kann und weiß‹&semi; wie geht’s da weiter&quest;« Sie brachten den Vers zusammen&comma; und trotz aller Unentschiedenheit war Friede in ihr Gemüt gekommen&comma; als sie endlich ihr Lager aufsuchten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Am nächsten Morgen&comma; als gerade die Familie am Tisch saß und die Mutter den Kindern ihren Teil von der dünnen Kaffeebrühe verabreichte&comma; näherten sich feste Schritte der Türe&period; Frau Greiner sah ihren Mann an&colon; »Der Amerikaner&comma;« flüsterte sie&period; »Herein&excl;« Aber der eintrat&comma; war ein anderer Gast&comma; ein ganz unwillkommener&period; Es war der Steuerbote&period; Ein finsteres Gesicht hatte er&comma; vielleicht kam’s daher&comma; daß er selbst so oft mit finsterer Miene empfangen wurde&period; Ein kurzer Gruß wurde gewechselt&semi; der Steuerbeamte wies einen Zettel vor&comma; Greiner stand auf&comma; ging an die alte Kommode und schloß sie auf&period; Sein Töchterchen folgte ihm&comma; ängstlich sah sie in sein Gesicht und nun auf seine Hände&comma; die ein wenig unsicher ein Käßchen öffneten&period; »Vater&comma; reicht’s&quest;« fragte sie ganz leise und blickte besorgt zu ihm auf&period; Er gab keine Antwort&comma; es war auch nicht nötig&comma; man merkte ihm auch ohne Worte die Verlegenheit an&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Er zählte das Geld vor dem Steuerboten auf&period; »Alles haben wir nun freilich gerade noch nicht beisammen&comma;« sagte er entschuldigend&period; »Der Herr wird schon zufrieden sein&comma;« setzte freundlich Frau Greiner hinzu&comma; »er bekommt später den Rest&comma; andere haben’s auch nicht beisammen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Anderen wird dann eben gepfändet&comma; was sie an Mobiliar oder dergleichen besitzen&comma;« sagte scharf der Beamte und sah sich im Zimmer um&period; Das war ein unheimlicher Blick&period; Er blieb haften auf Alex’ Kinderwagen&period; »Da haben Sie noch ein schönes Stück&comma; das hat Geldwert&comma;« sagte der Beamte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Das bleibt im Haus&comma;« erwiderte Greiner mit ungewohnter Festigkeit&period; Schon manchmal war der Steuerbote mit geringem Betrag abgezogen&comma; aber heute war er so zäh&excl; Er wich nicht eher&comma; als bis Frau Greiner den Taler herbeigeholt hatte&comma; den ihr der Amerikaner gegeben hatte&period; Sie hatte ihn so schön in einem besonderem Büchschen aufgehoben&semi; es half nichts&comma; er mußte eingewechselt und noch zur Hälfte darauf gelegt werden&period; Erst dann verschwand der unliebsame Gast&period; Mißmutig sah die Frau ihm nach&period; »Er wittert das Geld&comma;« sagte sie&comma; »er hat’s nicht wissen können&comma; daß wir noch etwas haben&comma; aber er hat’s gespürt&comma; daß Geld im Haus ist&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Es ist ein Elend&comma;« seufzte Greiner&comma; »da geht man wahrhaftig gern aus dem Land&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So mein’ ich auch&semi; der Taler ist fort&comma; Elias&comma; das ist ein Fingerzeig&comma; wir gehen auch fort&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; und das gern&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Bist entschlossen&quest; Im Ernst&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; wie du sagst&comma; es ist ein Fingerzeig&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Kinder&comma; Kinder&comma; denkt’s euch nur&comma; wir gehen nach Amerika&excl;« rief die Mutter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt gab’s Fragen und Verwundern und eine Aufregung war in der kleinen Familie wie noch nicht leicht&period; Daß der Alex nicht mit durfte&comma; das kam allen hart vor&comma; aber die Mutter hatte schon einen Plan&colon; Nach Sonneberg wollte sie ihn bringen&comma; bei ihrer Mutter wäre er gut versorgt&semi; ihre Schwester hatte jetzt lange genug keine Kinder gehabt&comma; die sollte das arme Waislein nur nehmen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Vater Greiner sagte aber fast jede Stunde an diesem Tag&colon; »Wenn er nur auch Wort hält&comma; dein Amerikaner&excl;« worauf dann seine Frau entgegnete&colon; »Denk nur an den Taler&excl;« Ja&comma; der Taler war das Unterpfand&comma; aber er lag nicht mehr da&comma; so wirkte er auch nicht mehr recht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Im Dorfe hatte sich gar schnell die Nachricht verbreitet&comma; daß die ganze Familie Greiner auswandern würde nach Amerika&period; Dafür hatte schon Georg gesorgt&period; Öfter als sonst ging in den zwei nächsten Tagen die Türe auf&comma; die Verwandten und Freunde wollten alle genau hören&comma; wie sich die Sache verhielt&comma; und es wurde in Greiners Stübchen mehr gesprochen als gearbeitet in diesen Tagen&semi; Greiner drückte zwar unermüdlich seine Puppenköpfe aus und mahnte die Seinen&comma; denn von dem Lohn&comma; den sie in Amerika bekommen sollten&comma; würden sie jetzt noch nicht satt&period; Aber seine Frau hatte keine Seelenruhe mehr für ihre Puppenbälge&semi; sie dachte nur immer an die Zukunft und wie der Auszug zu bewerkstelligen wäre&comma; und die Kinder liefen vor das Haus und ließen sich anstaunen als die Reisenden&comma; die übers Meer wollten&period; Einmal kam Georg herein und erzählte&comma; daß ein Kamerad aus dem Nachbarort von dem Amerikaner erzählt habe&period; Ein vornehmer Herr sei es&comma; der gut zahle&comma; und beim Wirt habe er geäußert&comma; daß er am Mittwoch über Oberhain nach Sonneberg zurück wolle&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Dienstag abend war’s&period; Die Kinder lagen schon im Bett&comma; Greiner und seine Frau hatten auch Feierabend gemacht&period; Er stand vor der Haustüre und rauchte sein Pfeifchen&semi; sie nahm die Puppenköpfe ab&comma; die da und dort noch zum Trocknen am Zaun standen&comma; und plauderte dabei mit ihrem Mann&comma; als sie durch den dämmernden Abend einen älteren Mann langsam und bedächtig die Dorfstraße herauf auf ihr Häuschen zukommen sahen&period; Die Frau bemerkte ihn zuerst&comma; stieß ihren Mann an und sagte&colon; »Der Schulze kommt zu dir&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Dieser Mann&comma; der wohl schon ein Siebziger sein mochte und mit seinen weißen Haaren einen ehrwürdigen Eindruck machte&comma; war der Ortsvorsteher von Oberhain&comma; der Bauer Ruppert&period; Schon so lange verwaltete er dies Amt&comma; daß Greiner und seine Frau sich die Zeit nicht mehr erinnern konnten&comma; wo Ruppert noch nicht der Gemeindevorstand war&period; Greiner nahm die Pfeife aus dem Mund&comma; was er andern gegenüber nie für nötig hielt&comma; und grüßte den Alten&comma; der nun zu ihnen trat&comma; um ein Wort mit ihnen zu sprechen&period; Ins Haus wollte er nicht&comma; er war noch rüstig&comma; stand fest und gerade und erschien in seinen alten Tagen noch frischer als Greiner&period; Über den Gartenzaun besprachen sich die Männer&period; Ruppert wollte von Greiner selbst hören&comma; was wahr sei von dem Gerede&comma; daß sie nach Amerika übersiedeln wollten&period; Frau Greiner mußte ihm nun genau ihre Begegnung mit dem Amerikaner erzählen und alles&comma; was dieser zu ihr geredet hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Und ihr wollt gehen&quest;« fragte Ruppert&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wenn sich alles so verhält&comma; wie der Mann zu meiner Frau gesagt hat&comma; und wenn er alles schriftlich vor dem Notar macht&comma; dann wären wir entschlossen zu gehen&comma;« war Greiners Antwort&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Eine Stille trat ein&period; Frau Greiner hatte so ein unbestimmtes Gefühl&comma; als ob der Mann&comma; der nun schweigend mit ernstem Ausdruck bei ihnen stand&comma; nicht einverstanden wäre&period; Das konnte sie nicht ertragen&period; »Es ist doch natürlich&comma; daß man aus seinem Elend heraus möchte&comma; wenn man kann&comma; nicht wahr&quest; Und wenn einem jemand sagt&comma; du kannst 60 Mark verdienen statt 20&comma; so wäre man doch nicht recht gescheit&comma; wenn man nicht zulangen wollte&comma; ist’s nicht wahr&quest; Und wie ärmlich ist mein Vater gestorben&comma; alles hat man ihm verpfändet&excl; Und meinen Kindern wird’s auch einmal nicht besser gehen&comma; wenn wir sie nicht fortbringen aus dem Elend&comma; oder nicht&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Bei jeder Frage hatte der alte Mann nur zustimmend genickt&comma; wer kannte besser als er die Armut im Dorf&excl; »Ja&comma; ja&comma; ja&comma;« sagte er nun langsam und bedächtig&comma; »wenn nur eines nicht wäre&excl; Wenn die da drüben in Amerika unser Handwerk lernen und wenn sie selbst die Arbeit machen&comma; die wir jetzt tun&comma; wer wird dann noch von Thüringen Puppen kommen lassen&quest; Wenn die Amerikaner nicht mehr in Sonneberg bestellen&comma; dann fällt die beste Kundschaft weg&semi; für 2 Millionen Mark haben die Amerikaner in einem einzigen Jahr Puppen und Spielsachen nach Amerika kommen lassen und gerade am meisten von der Sorte&comma; wie wir sie in unserem Dorf machen&period; Der Bürgermeister von Sonneberg hat schon gar oft mit mir darüber gesprochen und die Herren Fabrikanten auch&period; Wißt Ihr&comma; Greiner&comma; wie mir’s vorkommt&comma; wenn Ihr geht&quest; Da oben hinter Eurem Haus kommt doch die Quelle heraus für alle unsere Brunnen&semi; gerade so kommt mir’s vor&comma; als wolltet Ihr hingehen und die Quelle verschütten&comma; daß der ganze Ort kein Wasser mehr hat&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da fiel Frau Greiner ihm in die Rede&colon; »Nein&comma; nein&comma;« sagte sie&comma; »wegen der Quelle dürfen Sie keine Sorge haben&comma; das tät mein Mann nie&comma; mit dem Graben ist’s ohnehin nicht viel bei ihm&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Magdalene&comma; was red’st so ungeschickt&comma;« sagte Greiner&comma; »das ist nur so sinnbildlich gesagt&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; Greiner&comma;« nahm der Ortsvorsteher wieder das Wort&comma; »es ist zum Vergleich&period; Wenn eine Familie hinübergeht und zeigt’s den Amerikanern&comma; wie sie’s machen sollen&comma; so ist’s eine Gefahr für unsere Einnahmequelle&period; Für Euch könnt’s ein Glück sein&comma; aber für das ganze Dorf kann’s zum Unheil ausschlagen&period; Unsere Leute haben keinen andern Verdienst als ihre Puppen&comma; das wollt’ ich Euch zu bedenken geben&comma; darum bin ich heraufgekommen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Greiner sah ihren Mann ängstlich an&comma; ob er wohl etwas gegen diese Worte zu sagen wüßte&period; Ihr selbst wollte gar nichts einfallen&period; Ja&comma; jetzt entgegnete er etwas&period; »Wer weiß&comma; ob’s dem Herrn Amerikaner gelingt da drüben&quest;« fragte er&period; »Es wird so leicht nicht sein&comma; daß er das gerade so einführt&comma; wie’s bei uns seit hundert Jahren oder wer weiß wie lang schon ist&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Da habt Ihr recht&period; Aber ich rechne so&colon; Gelingt’s ihm nicht&comma; so werdet auch Ihr Euer Glück nicht machen&comma; Ihr werdet ihm bald zur Last sein&period; Gelingt’s aber&comma; die Industrie dort einzuführen&comma; dann ist’s der helle Schaden für uns herüben&comma; das ist leicht einzusehen&period;« Ja&comma; das war einleuchtend&comma; die Frau war schon ganz überzeugt&period; Aber ihr Mann&quest; Sie mußte sich nur wundern&comma; er war halt doch ein ganzer Mann&comma; sogar mit dem Schulz konnte er’s aufnehmen&comma; denn er wußte wieder etwas dagegen zu reden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Auf jeden Fall&comma;« sagte Greiner&comma; »braucht so etwas Zeit&period; Bis die da drüben die Kunst so los haben&comma; wie wir&comma; geht wohl ein Jahrzehnt dahin&comma; und bis das dann im ganzen Amerika bekannt wird und sie die Puppen von dem Herrn beziehen&comma; statt wie bisher von unsern Fabrikanten&comma; da kann’s noch lang dauern&comma; bis dorthin leben wir wohl nicht mehr&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die Frau nickte beifällig&period; »Ja&comma; so weit hinaus sorgt niemand&comma;« sagte sie zustimmend&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Das denkt Ihr so&comma; weil Ihr jung seid&comma;« sagte Ruppert zur Frau&period; »Mir kommt’s nicht soviel vor&comma; so zwanzig Jährlein&comma; und an die Nachkommen muß man auch denken&period; Für wen hat denn der Gemeindeförster den Abhang da oben frisch aufgeforstet&quest; Für uns nicht&comma; kaum für die Kinder&comma; für die Kindeskinder vielleicht&period; Und wo nehmen wir unser Holz her&quest; Von den Bäumen nicht&comma; die wir gepflanzt haben&comma; die Alten haben uns dafür gesorgt&comma; die lange schon tot sind&period; Darum meine ich&comma; wir dürfen&comma; da wir so arm sind in unsern Walddörfern&comma; unsern einzigen Verdienst nicht den Amerikanern bringen&period; Warum&quest; – weil unsere Enkelkinder auch noch essen wollen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Nun nickten sie beide zustimmend&comma; Mann und Frau&period; Daß die Enkelkinder auch noch essen wollten&comma; das war berechtigt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Es ist schon wahr&comma;« sagte Greiner mit schwerem Seufzer&comma; »am Unglück vom Dorf möchte ich nicht schuld sein&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich noch weniger&comma; lieber Gott&comma; wenn man dächte&comma; es wäre gar kein Verdienst mehr im Ort&comma; es wäre ja zum Verzweifeln&period; Wenn aber der Amerikaner eine andere Familie mit hinübernimmt&quest;« fragte Frau Greiner&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Von unserem Dorf geht keine mit&comma;« entgegnete Ruppert&comma; »unsere Leut kenn’ ich und will schon mit ihnen reden&comma; und wegen der Nachbarorte will ich schon sorgen&semi; wenn man mit dem Amtmann spricht und mit den Pfarrern und Lehrern und mit den Ortsvorstehern und dem Notar&comma; dann wird der Amerikaner auch nichts erreichen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Schon eine gute Weile war in den stillen Sommerabend das Schreien des kleinen Alex herausgedrungen&comma; jetzt ließ sich auch noch der Johann vernehmen und die Mutter ging hinein&period; »Ihr habt jetzt ein Kostkind&quest;« fragte Ruppert&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; mein Schwesterkind ist’s&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Was bekommt ihr Kostgeld dafür&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So ein Kostkind ist’s nicht&comma; für das man Kostgeld bekommt&comma; wir haben’s bloß aus Barmherzigkeit&comma; weil die Eltern tot sind und das Vermögen verloren&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ist denn gar nichts für die Kinder übrig geblieben&quest; Der Mann Eurer Schwester war doch reich&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich weiß selbst nichts weiter&comma; der Vormund hat uns halt das Kind geschickt&period; Gewollt haben wir’s nicht&semi; das große Mädchen hätten wir gern genommen&comma; aber der Kleine ist ihnen übrig geblieben&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Der Vormund hat sich’s leicht gemacht&period; Etwas Kostgeld hättet Ihr Euch ausbedingen sollen&period; Jetzt gute Nacht&comma; Greiner&period; Wenn morgen wirklich der Amerikaner kommen sollte&comma; so sagt’s ihm nur&comma; er könne sich die Mühe sparen&comma; in den Häusern herumzulaufen&comma; von Oberhain gehe keiner mit&comma; die halten alle fest zusammen gegen Amerika&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; ja&comma; das tun wir auch&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die Gestalt des alten Mannes verschwand im Halbdunkel des Sommerabends&comma; und Greiner kehrte in die Hütte des Elends zurück&comma; aus der hinaus er sich geträumt hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Bald wurde es still und dunkel im Häuschen&period; Doch nach Mitternacht erwachte Frau Greiner an einem schweren Traum&colon; Hungrige Enkelkinder wollten dem kleinen Alex ein Leid tun&period; Sie fuhr auf in ihrem Bett&colon; da stand ihr Mann am Wagen des Kleinen und schob das weinende Kind im Wagen sanft hin und her&period; »Kannst liegen bleiben&comma;« sagte der Mann zu ihr&comma; »es ist ja meiner Schwester Kind&period;« Da legte sie sich behaglich und sagte schon wieder halb schlafend&colon; »Es ist recht&comma; Elias&comma; du wirst nicht so müd sein wie ich&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Als am nächsten Morgen die Kinder kaum erwacht&comma; schon miteinander anfingen zu plaudern von der Reise übers Meer&comma; da war’s doch traurig&comma; ihnen sagen zu müssen&comma; daß über Nacht das ganze Luftschloß eingestürzt sei&comma; daß man nicht nach Amerika ginge&comma; sondern alles bliebe wie bisher&period; Sie waren noch zu klein&comma; um den wahren Grund zu verstehen&semi; als sie aber gar nicht abließen&comma; danach zu fragen&comma; half sich die Mutter auf ihre Art und sagte&colon; »Kinder&comma; seid zufrieden&comma; da drüben gibt’s noch Menschenfresser&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber der Amerikaner geht doch auch hinüber&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Der freilich&semi; Herren fressen sie nicht&comma; bloß Kinder&period;« Da gaben sie sich zufrieden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Im ganzen Dorf war in diesen Tagen von nichts anderem die Rede gewesen als davon&comma; daß Greiners übers Meer gingen&comma; und dann&comma; daß sie nun doch nicht gingen&comma; weil Ruppert gesagt habe&colon; keiner&comma; der’s mit Oberhain gut meine&comma; dürfe dem Amerikaner folgen&period; Als nun dieser Herr&comma; nichts ahnend von der Stimmung&comma; die gegen ihn gemacht worden war&comma; am Mittag ins Dorf kam&comma; sahen ihn alle&comma; die ihm begegneten&comma; scheu an&comma; wie den Versucher zum Bösen&comma; und mit knapper Not waren sie so artig&comma; ihm die Wohnung des Drückers Greiner zu zeigen&comma; nach der er fragte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Den ganzen Morgen war es unserer Frau Greiner schon unbehaglich bei dem Gedanken&comma; daß der Herr nun abgewiesen werden mußte&comma; und wohl zehnmal wollte sie von ihrem Manne hören&comma; wie er es denn vorbringen wolle&period; Während sie an der Arbeit saßen&comma; wurde der kleine Philipp immer wieder vors Haus geschickt&comma; nachzusehen&comma; ob kein Fremder die Dorfstraße heraufkomme&comma; und richtig&comma; so gegen Mittag war es&comma; da kam er hereingerannt und rief&colon; »Er kommt&comma; er ist schon da&excl;« Und dem kleinen Kerl auf dem Fuß folgte der lange Amerikaner mit dem hellen Anzug und dem Reiseschal schräg über die Achsel geknüpft&period; Er mußte sich bücken&comma; als er durch die kleine Türe eintrat&comma; denn er war wohl einen Kopf größer als Greiner&comma; der nun von der Arbeit aufstand&comma; während seine Frau ihre Verlegenheit zu verbergen suchte&comma; indem sie nur um so eifriger an ihren Puppenbälgen nähte&comma; als ob sie der Besuch nichts anginge&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Das half ihr aber nichts&comma; denn der Amerikaner wandte sich gleich an sie&colon; »Wie geht es&comma; Madame Greiner&quest;« fragte er&semi; »haben Sie meinen Vorschlag Ihrem Manne mitgeteilt&quest; Ja&quest; Haben Sie meine Sache vertreten&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da sah Frau Greiner hilfesuchend zu ihrem Mann auf&comma; und der antwortete an ihrer Stelle&colon; »Sie hat’s schon getan&comma; daran hat sie’s nicht fehlen lassen&semi; es wäre auch nicht so ohne&comma; elend genug ist’s bei uns&comma; wie Sie sehen&period; Aber der Beschluß ist doch so ausgefallen&comma; daß wir nicht gehen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das wollen wir uns doch erst überlegen&comma; Sie und ich&period; Ich denke mir wohl&comma; daß Sie nicht gleich einem fremden Mann&comma; wie ich bin&comma; vertrauen wollen&comma; und auch ich müßte erst vom Arzt hören&comma; ob Sie gesund genug sind&comma; und noch anderes mehr&period; Die Unterhandlungen fangen jetzt erst an&comma; Sie müssen nicht gleich von einem Beschluß reden&period; Sie dürfen mir selbst einen Notar vorschlagen&comma; mit dem wir die Sache besprechen wollen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Der Notar kann da nichts ändern&comma;« sagte Greiner&comma; »wir Oberhainer gehen nicht hinüber&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der Amerikaner schien betroffen&comma; er merkte jetzt&comma; daß die Sache doch wohl schon reiflich überlegt war&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Sagen Sie mir&comma; warum nicht&period; Ich habe Ihnen Vertrauen entgegengebracht&comma; ich darf wohl auch von Ihnen Vertrauen erwarten&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Nun sprach Greiner frei heraus&semi; sagte&comma; daß er die Puppenindustrie nicht nach Amerika bringen und dadurch sein Heimatland schädigen wolle&semi; auch dann nicht&comma; wenn er selbst dabei reich werden könnte&semi; und so wie er dächten auch die andern Familien im Ort&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Darauf schwieg der Amerikaner&period; Greiner ging wieder an sein Geschäft – die Pause war schon lang gewesen für einen Wochentag&comma; auch die Kinder rührten wieder die Hände&period; Philipp stopfte Sägspäne in die Bälge&period; Marie wandte mit fabelhafter Geschicklichkeit die zugenähten Körper um&comma; und der lange Herr sah staunend auf sie herab&period; Ja&comma; solche Familien hätte er gerne gehabt&comma; drüben in seinem Wald&colon; Leute mit solch ehrenwerter Gesinnung und mit solchem Fleiß und Geschick&comma; Leute&comma; die zufrieden waren in solch ärmlicher Umgebung&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als er so still dastand&comma; sah Frau Greiner zu ihm auf und beschämt zog sie ein Päckchen Geld aus ihrer Tasche&colon; »Etwas fehlt an dem Taler&comma; den Sie mir gegeben haben&comma;« sagte sie&comma; »weil der Steuerbote so dumm dahergekommen ist&comma; wie wir gerade nur noch den Taler im Besitz gehabt haben&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich habe doch gesagt&comma; du sollst hinuntergehen zum Schulzen&comma;« sagte Greiner&comma; »er soll dir darauf legen&comma; was fehlt&comma; bis nächsten Samstag&period; Der hat’s und tut’s gern&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nicht nötig&comma;« sagte der Amerikaner&comma; »es war nicht ausgemacht&comma; daß ich den Taler wieder bekomme&period; Es war ein Geschenk&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Und nun grüßte er und sie grüßten ihn&comma; und er zog von dannen&comma; zum Ort hinaus&comma; ohne einen Versuch bei andern Familien zu machen&period; –<&sol;p>&NewLine;<p>In der Nähe von Greiners Häuschen war schon den ganzen Morgen ein Bursche herumgestrichen&colon; Georg&comma; der junge Fabrikarbeiter&comma; der bei der ersten Begegnung mit dem Amerikaner dabei gewesen war&period; Einem Kameraden hatte er aufgetragen&comma; ihn wegen eines bösen Fußes in der Fabrik zu entschuldigen&period; Als aber der Amerikaner den Ort verließ&comma; folgte ihm Georg mit seinem bösen Fuß erstaunlich schnell&period; Der Amerikaner ging mit langen Schritten vorwärts&comma; Georg hielt sich immer eine Strecke hinter ihm&comma; bis das Dorf außer Sicht war und sich der Wald dazwischenschob&period; Dann eilte er vorwärts&comma; versicherte sich noch einmal&comma; daß niemand des Weges kam&comma; lief dem Fremden nach und redete ihn an&period; Dieser erkannte ihn sofort&period; Einen Augenblick dachte er&comma; Greiner habe ihn nachgeschickt&period; Vielleicht bereute er die Abweisung&semi; aber er merkte bald&comma; daß es nicht so war&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich wollte den Herrn nur fragen&comma; ob er mich nicht nach Amerika mitnehmen wolle&period; Ich bin mit dem Puppengeschäft aufgewachsen und ich wüßte noch einen Burschen und ein Mädchen aus dem Ort&comma; die wären auch bereit&comma; mitzugehen&semi; wir drei könnten so gut wie die Greiners die Leute in Amerika anweisen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Eine Weile besann sich der Amerikaner&period; »Wißt Ihr auch den Grund&comma;« fragte er&comma; »warum die Familie Greiner nicht mit mir zieht&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja wohl weiß ich’s&comma; daß sie unser Dorf nicht um seinen Verdienst bringen wollen&period; Aber ich bin aufgeklärter&comma; ich denke&colon; Jeder ist sich selbst der Nächste&comma; und soviel ich von Amerika weiß&comma; denken sie da drüben auch so und machen Geld&comma; soviel sie können&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; ja&comma; das ist ganz richtig&comma;« sagte der Amerikaner&period; »Es ist auch das Vernünftigste&period; Aber wenn ich doch einmal Deutsche mitnehme&comma; dann will ich richtige Deutsche&comma; die das Gemüt haben&comma; wie es nur die Deutschen haben&comma; die so denken wie dieser arme Mann&comma; der Greiner&comma; denkt&period; Sie sind kein solcher&semi; Sie haben kein Herz für Ihr Dorf&colon; Sie würden auch für mein Geschäft kein Herz haben&comma; sondern würden mich verlassen&comma; sobald Ihnen ein anderer einen Dollar mehr böte&period; Guten Abend&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Mit diesem unverhofften Gruß ging der Fremde nach der andern Seite der Straße und hatte keinen Blick mehr für Georg&period; Der stand da&comma; halb zornig&comma; halb beschämt&comma; sah eine Weile dem langen Amerikaner nach&comma; wandte sich dann und schlich langsam zurück ins Dorf&period; Wer ihm jetzt begegnete&comma; der konnte eher glauben&comma; daß er einen bösen Fuß habe&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Armut und Sorge&comma; Not und Entbehrung lasten immer schwer auf dem Menschen&comma; aber am schwersten trägt er daran&comma; wenn er einen Augenblick gemeint hat&comma; er habe die Last los&comma; und wenn sie ihm nun aufs neue aufgebürdet wird&period; Es war eine trübe Stimmung im Hause des Drückers in den nächsten Wochen&comma; bis allmählich die Erinnerung an den Plan der Auswanderung verblaßte und sie wieder eingewöhnt waren in das alte Elend&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Klein Alex aber schien sich nicht einzugewöhnen&semi; er nahm nicht zu und wurde nicht kräftig wie andere Kinder seines Alters&period; Wenn gerade Geld und Zeit übrig war&comma; so wurde ihm Milch geholt und er wurde so gut gepflegt&comma; wie’s eben seine Pflegemutter verstand&period; War aber Mangel im Haus und drängte die Arbeit&comma; dann mußte sich der Kleine wieder mit Kartoffeln begnügen und Kaffeebrühe trinken wie die andern Kinder auch&period; »Er verträgt’s nicht&comma;« sagte dann Greiner und sah trübselig auf das Kleine&comma; das bei Nacht sein Pflegekind war&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; er verträgt’s nicht&comma; er ist an seinen Soxhlet gewöhnt&comma;« sagte die Mutter&period; »Aber gut ist’s&comma; daß er’s nicht weiß und nicht bös auf uns ist&comma; gelt du Kleiner&comma; gelt du magst uns doch&quest; Hast’s ja so gut bei uns&comma; kein Mensch darf dir was tun&excl; Und am Sonntag&comma; da wird’s lustig&comma; da fahren wir dich in Wald hinaus&comma; wo die Vöglein singen und pfeifen&comma; gelt du freust dich&comma; kleiner Schelm&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>So plauderte sie mit ihm&comma; ohne die Arbeit aus der Hand zu legen&comma; und lachte ihm freundlich zu&comma; und Marie&comma; Philipp und Johann machten es der Mutter nach&period; Dann lächelte der Kleine so hold&comma; daß sie ihn alle lieb hatten und ihm sein vieles Schreien verziehen&period; Sie beachteten es nicht so im Drange der Arbeit&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Sommer und Herbst waren vergangen&period; Das letzte Schiff&comma; das die Puppen zu Weihnachten nach Amerika bringen sollte&comma; war abgefahren&comma; und was unsere kleinen Leute gearbeitet hatten&comma; war nun auf der Reise in aller Herren Länder&period; Und nun stockte die Arbeit&period; Die Fabriken in Sonneberg gaben keine Aufträge mehr&period; Das war alle Jahre so im Winter&comma; aber es war immer wieder ein Schrecken für die Leute&comma; wenn der Verdienst aufhörte&period; Und doch konnten sie die Ruhe so notwendig brauchen&period; Der Kartoffelacker mußte bestellt und Holz gesammelt werden&period; Die Kammer&comma; der man den ganzen Sommer versprochen hatte&comma; daß sie auch einmal geputzt werden sollte&comma; wurde nun rein gemacht&period; Die Kleider wurden geflickt&comma; und wer kein gutes Hemd mehr hatte&comma; für den wurde jetzt ein neues genäht&period; Aber die Kost wurde immer schmäler&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Um die Weihnachtszeit war’s am schlimmsten&period; »Marie&comma; geh zum Krämer&comma;« sagte die Mutter&comma; »hol einen Hering zu Mittag&period; Drei Pfennige nimmst mit&comma; was er mehr kostet&comma; soll der Krämer aufschreiben&period;« Marie kam zurück mit leeren Händen&period; »Er gibt’s nicht mehr auf Borg&semi; es wird ihm gar zuviel&comma; sagt er&semi; aber ich soll ein Töpfchen bringen&comma; von der Heringsbrüh wolle er mir geben um drei Pfennig&period;« Und Marie nahm ein Töpfchen&period; »Sei doch gescheit und nimm den großen Topf mit&comma; dann bekommst mehr&comma;« sagte Frau Greiner&period; Aber der Krämer war auch gescheit&semi; er machte den Topf nur zur Hälfte voll&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Die Brüh ist kräftig&comma;« sagte Frau Greiner&comma; als sie sie zu den Kartoffeln auf den Tisch setzte&comma; »man könnt’ meinen&comma; man hätte einen Hering&comma; so stark schmeckt sie&period;« »Ja&comma;« sagte Greiner&comma; »aber hintennach merkt man’s doch&comma; daß man keinen Hering gegessen hat&period; Man wird halt gar nicht satt von der Brüh&period;« »Wart nur&comma; im Sommer&comma; wenn die gute Einnahm’ kommt&comma; dann holen wir wieder Speck&period;« So wurde schon im Dezember die harte Arbeitszeit wieder ersehnt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Weihnachten kam&period; Die Wege waren verschneit&comma; das Eis glitzerte an den Bäumen&comma; aber doch wanderten gar viele Dorfbewohner durch den winterlichen Wald&comma; Sonneberg zu&comma; das Christfest in der Kirche zu feiern&period; Auch Greiner und seine Frau gingen miteinander hin&period; Die Kinder ließen sie ruhig allein&comma; brav waren sie gewiß an diesem Morgen&comma; denn sie wußten von vergangenen Jahren&colon; Vater und Mutter kehrten nach der Kirche bei der Großmutter ein&comma; und die schickte Lebkuchen&comma; für jedes Kind einen&comma; und diese Freude warf ihren Schimmer voraus auf das Trüpplein der Kinder&comma; das daheim neben dem Ofen kauerte und wartete&comma; wartete eine Stunde nach der andern&comma; unfähig an etwas anderes denken zu können&comma; als an den Lebkuchen&period; Jetzt stapfte jemand in den Hausgang herein&semi; der Postbote&comma; dick beschneit&comma; erschien unter der Türe&comma; und als er nur die Kinder sah&comma; rief er&colon; »Ist der Vater nicht da oder die Mutter&quest; Da ist ein Paket&comma; ist wohl ein Christstollen darin&period; Daß ihr’s nicht aufmacht&excl; Ich leg’s lieber da hinauf&period;« Und der Bote legte den Pack oben hin auf den Kleiderschrank und ging&period; Das war nun eine Aufregung&excl; Da standen sie alle&comma; die Marie&comma; der Philipp und der Johann und sahen andächtig hinauf nach dem großen Paket in seinem braunen Packpapier und wiederholten&comma; was der Postbote gesagt hatte&colon; »Es ist wohl ein Christstollen&period;« Der Philipp&comma; der sich das Paket näher besehen wollte&comma; trug einen Stuhl herbei und hätte den Pack auch wohl heruntergeholt&semi; aber das wollte Marie nicht erlauben und darum fing sie an&comma; an dem Stuhl zu rütteln&comma; so daß der Philipp schrie und froh war&comma; als er glücklich wieder auf festem Boden stand&period; Und nun knieten sie auf der Bank am Fenster&comma; kratzten das Eis von den Scheiben und sahen hindurch&comma; ob denn die Eltern immer und immer noch nicht kämen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Endlich tauchten sie auf&comma; die zwei beschneiten Gestalten&semi; der Vater kam hustend und frierend gleich auf den Ofen zu&comma; die Mutter konnte nicht vorwärts kommen&comma; so wurde sie bedrängt und umringt von den Kindern und ihr Korb bestürmt wegen der Lebkuchen&period; Auch der kleine Alex im Wagen tat einen kleinen Juchzer&comma; als er die Mutter wieder sah&comma; und auch er bekam von dem Weihnachtsgebäck&period; »Wenn’s ihm nur gut bekommt&comma; gib’s ihm lieber nicht&comma;« sagte Greiner sorglich&period; Aber ganz entrüstet rief seine Frau&colon; »Ich werd doch nicht ihm allein keinen Lebkuchen geben&comma; wenn alle einen essen&quest; er muß doch auch merken&comma; daß Christtag ist&colon; da&comma; mein Bübchen&comma; da&comma; heute ist Weihnacht&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Einen Augenblick hatte das heißhungerige Verlangen die Kinder sogar das Paket vergessen lassen&comma; aber noch mit dem ersten Bissen im Mund verkündeten sie das Ereignis&period; Philipp sprang wieder auf den Stuhl und Marie wehrte ihm nicht&comma; so schleppte er das Paket auf den Tisch&comma; und unter gespannter Aufmerksamkeit wurden die Schnüre gelöst&period; Alle drängten sich heran und mit unbeschreiblichem Jubel wurde der Christstollen begrüßt&comma; den der Postbote prophezeit hatte&comma; und was auch dieser nicht geahnt hatte&colon; ein ganzer Kranz Würste&comma; gute feste Siedwürste&comma; und noch etwas gar liebliches&colon; ein rosa Kinderkleidchen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Sendung kam von Fräulein Elisabeth&semi; sie hatte dem kleinen Alex das Kleid gemacht&comma; der ganzen Familie zum Gruß für die Feiertage den Stollen gebacken und ihre Eltern hatten die Würste beigelegt&period; In einem Brief voll Liebe und Teilnahme fragte sie nach ihrem Liebling und ob ihn auch alle lieb hätten&period; Da umringten sie den Kleinen im Gefühl&comma; daß sie ihm das alles verdankten&comma; und sagten ihm liebe Worte&comma; und er lachte laut&comma; als sich all die freundlichen Gesichter über ihn beugten&period; Aber das schöne Kleidchen konnte ihm Frau Greiner nicht anziehen&semi; so war er nicht gewachsen und gediehen&comma; wie sich’s wohl Fräulein Elisabeth vorgestellt hatte&period; »So sollte er halt jetzt sein&comma;« sagte Greiner&period; »Wir heben das Kleidchen gut auf&comma; bis übers Jahr wird er hineingewachsen sein&comma;« sagte die Mutter und verwahrte es sorgsam&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Das gab ein Festmahl heute&excl; Wie taute der halb erfrorene abgemagerte Mann auf&comma; als die heißen Würste aufgetragen wurden&comma; und wie schmeckte diese ganze Woche die Kaffeebrühe so wunderbar&comma; wenn der köstliche Stollen dazu eingetunkt wurde&excl; Ja&comma; der Dank kam aus dem Herzen&comma; den Vater Greiner in einem Brief zu Neujahr an Fräulein Elisabeth im Namen der ganzen Familie aussprach&excl; –<&sol;p>&NewLine;<p>Januar war’s&comma; kalte kurze Tage und keine Arbeit im Haus&period; Nicht einmal bei Nacht konnte man die Sorgen verschlafen&comma; denn Alex war krank&period; Eine Frau im Dorf hatte geraten&comma; ihm von Zeit zu Zeit Überschläge zu machen auf das heiße Köpfchen&comma; und das besorgte Greiner&period; So saß er in der stillen Nacht an dem Kinderwagen&comma; und indem er auf das schöne Kind seiner verstorbenen Schwester sah und sich fragte&comma; ob es wohl bald seiner Mutter nachfolgen würde&comma; kam den Mann&comma; der jahraus jahrein handwerksmäßig die gewohnten Puppenköpfe formte&comma; das Verlangen an&comma; dies Kinderköpfchen nach dem Leben zu bilden&period; Hätte er nur Wachs gehabt&comma; wie er es in seinen jungen Jahren auf der Schule verwendet hatte&comma; so hätte er sich’s wohl zugetraut&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Es gab aber ein paar Jungen im Dorfe&comma; die jeden Tag nach Sonneberg in die Industrieschule wanderten&period; Dort lernten sie Menschen und Tiere aus Wachs bilden&period; Durch diese konnte er sich welches verschaffen&period; Er sagte nichts davon zu seiner Frau&semi; aber er ging frühmorgens vors Haus&comma; paßte einen der Burschen ab und am Abend hatte er schon&comma; was er brauchte zu seinem Vorhaben&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Und bei Nacht machte er sich an die Arbeit&period; Nie hatte es ihm Freude gemacht&comma; in den Formen Köpfe auszudrücken&comma; die ihm die Fabrik übergab&semi; denn die Puppenköpfe&comma; die da herauskamen&comma; gefielen ihm nicht&comma; er machte sie nur&comma; weil er Geld dafür bekam&period; Aber nun hatte er eine Arbeit&comma; die ihm Freude machte&semi; er konnte etwas Schönes schaffen&comma; wie vor zwanzig Jahren&comma; wo er auf der Schule war&period; Mit jugendlichem Eifer ging er daran und nach ein paar Stunden hatte er ein Köpfchen geformt&comma; das Ähnlichkeit hatte mit dem des kleinen Alex&period; Aber als er es am nächsten Morgen heimlich bei Tageslicht ansah&comma; war er unzufrieden mit seinem Werk&period; Wohl waren die einzelnen Züge ähnlich&comma; aber die Anmut und Lieblichkeit&comma; die dem ganzen Gesichtchen einen besonderen Reiz verlieh&comma; die fehlte&period; Mit einem einzigen Druck der Hand zerstörte er die Arbeit der vergangenen Nacht&semi; er hielt wieder das formlose Wachs in Händen und legte es mutlos beiseite&period;<&sol;p>&NewLine;<p>In der nächsten Nacht&comma; als der Kleine unruhig wurde und dann im Weinen innehielt und verlangend die Arme nach ihm ausstreckte&comma; war Greiner wieder ergriffen von dem rührenden Ausdruck des Gesichtchens&period; Kaum war das Kind beruhigt&comma; so konnte er dem Verlangen nicht widerstehen&comma; setzte sich an die Arbeit&comma; formte aufs neue und allmählich kam’s ihm in die Finger&comma; daß er das zum Ausdruck zu bringen vermochte&comma; was er vor sich sah&period; Ja&comma; nun schien sein Köpfchen Leben zu haben&semi; beglückt betrachtete er sein Kunstwerk&period; Diesmal verbarg er es nicht&comma; er stellte es oben auf den Kleiderkasten&semi; er wollte hören&comma; was seine Frau dazu sagen würde&period;<&sol;p>&NewLine;<p>In der Dunkelheit des Januarmorgens bemerkten weder die Frau noch die Kinder beim Aufstehen das kleine Köpfchen&comma; das auf dem Schrank stand&comma; und Greiner hatte eine gewisse Scheu&comma; davon zu sprechen&period; Doch lächelte er beim Frühstück so traumverloren vor sich hin&comma; daß seine Frau ihn verwundert ansah&period; Sie hatte aber nichts dagegen&comma; daß er so vergnüglich dreinschaute&comma; es war ihr schon lieber als das sorgliche und grämliche Gesicht&comma; das sie an ihm gewöhnt war&period; Gegen acht Uhr richtete Marie sich zur Schule&period; Sie ging in die Kammer&comma; ihr Tuch zu holen&period; Der Vater horchte auf ihre Schritte – richtig&comma; jetzt machte sie Halt&comma; sie mußte etwa vor dem Schrank stehen&period; »Mutter&comma;« rief sie nun aus der Kammer&comma; »was steht denn da oben&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich weiß doch nicht&comma; was du meinst&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Da oben auf dem Schrank&comma; es sieht aus&comma; wie ein Kopf&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt wurde die Mutter aufmerksam und Philipp sprang neugierig in die Kammer&period; »Ein Puppenkopf ist’s&comma;« rief er&comma; »aber kein solcher&comma;« und er deutete auf die&comma; welche sein Vater auspreßte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Auf dem Schrank steht doch kein Puppenkopf&comma; oder hast du etwas hinaufgestellt&comma; Elias&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Mußt eben sehen&comma;« sagte der mit seinem wunderlichen Lächeln&period; Jetzt ging die Mutter selbst hinaus und Greiner schaute ihr nach&period; Vorsichtig hob Frau Greiner das Köpfchen herunter&comma; nahm es vor ans Kammerfenster&semi; die Kinder folgten ihr&comma; der Vater horchte hinaus&period; »Das ist gar kein Puppenkopf&comma;« hörte er jetzt seinen Philipp sagen&comma; »das ist ja der Alex&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Gerade hab’ ich’s auch gedacht&comma;« rief die Frau&comma; »unser Alex&comma; ja ganz wie er leibt und lebt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da hörten sie Greiner laut und vergnügt lachen&comma; wie sie’s gar nicht gewöhnt waren&period; »Was lachst denn du so&quest;« fragte seine Frau und kam zu ihm mit dem kleinen Kunstwerk in der Hand&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Mich freut’s halt&comma; daß ihr’s erkannt habt&period; Bei Nacht hab’ ich’s gemacht&comma; daß wir doch ein Andenken haben&comma; wenn der Kleine sterben sollte&comma;« setzte er schon wieder in seiner gewohnten sorglichen Weise hinzu&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»So steht’s nicht um ihn&comma; daran brauchst gar nicht zu denken&period;« Sie trat an den Wagen&comma; das Kind schlief&comma; sie hielt das Köpfchen daneben&period; »Gut erraten hast’s&comma; wirklich gut&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wenn man danach Formen machte&comma; meinst nicht&comma; das würde schönere Puppenköpfe geben&comma; als die alten da&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; wahrhaftig&comma; Elias&comma; aber wie müßt’ man das anstellen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Einen andern Weg wüßt’ ich nicht&comma; als daß man den Kopf den Fabrikherren zeigt&comma; ob er einem von ihnen so gut gefiele&comma; daß er Formen danach machen ließe&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber der müßt ihn dir abkaufen&semi; für einen neuen Kopf hat mancher schon viel Geld bekommen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich hab’ ja nichts dagegen&comma; wenn er ihn teuer bezahlt&comma; du mußt ihn halt in die Stadt tragen&semi; meine Liebhaberei ist das nicht&comma; zu den Herren zu laufen&comma; die einen vielleicht kurz abweisen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die Frau sah das ein&period; Sie besann sich auch nicht&comma; ob es ihre Liebhaberei sei&period; Sie wollte es versuchen&period; Es gab ja eine ganze Anzahl von Fabrikanten in Sonneberg&semi; ihre Schwester wollte sie fragen&comma; an wen sie sich wenden sollte&comma; einer würde es schon annehmen&period; Das Kunstwerk wurde nun vorsichtig wieder auf den Schrank gestellt&comma; und am folgenden Tage richtete sich Frau Greiner&comma; ihr Glück in der Stadt zu versuchen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Dem lebendigen kleinen Alex versprach sie beim Abschied&comma; daß es ihm nie mehr an Milch fehlen sollte&comma; wenn sein Abbild einen Käufer fände&period; Leichtfüßig ging sie aus dem Haus – Arbeit war nicht abzuliefern&comma; der große Huckelkorb hatte seine Ruhezeit&period; Am Arm ein kleines Körbchen&comma; in dem der Schatz geborgen war&comma; ein großes Tuch um Kopf und Brust geschlungen&comma; das die Winterkälte abhalten sollte&comma; so verließ sie ihr Heim&period; Der Mann blieb in größerer Aufregung zurück als je vorher&period; Wenn sonst seine Frau zur Stadt ging&comma; so handelte es sich nur darum&comma; ob sie etwas mehr oder weniger Geld und Bestellungen heimbringen würde&semi; heute aber war die große Frage&comma; ob sie gleichgültig abgewiesen mit leeren Händen beschämt heimkommen&comma; einen kleinen Betrag bringen oder gar eine große Summe erhalten würde&quest;<&sol;p>&NewLine;<p>Einmal war’s ja vorgekommen im Dorf – das mochte aber schon dreißig Jahre her sein – daß einer ein reicher Mann geworden war durch einen besonders hübschen Puppenkopf&comma; den er geformt hatte&period; Es war Greiner zumute wie einem&comma; der ein Los genommen&comma; auf das er große Hoffnungen setzt&comma; und nun sieht er der Ziehung entgegen – wird’s eine Niete sein&comma; ein Gewinnst oder gar der Haupttreffer&quest; Der schöne Traum mit dem großen Verdienst in Amerika fiel ihm wieder ein&comma; wie schnell war er verflogen&excl; Nun ja&comma; auch der schöne Traum würde wohl heute abend vorbei sein&period; Seine Frau wird den kleinen Kopf wieder heimbringen&comma; vor ihn hinlegen und sagen&colon; es hat ihn keiner gewollt&period; Natürlich&comma; sie hatten ja in Sonneberg Formen genug&comma; was sollten sie andere machen&quest; Die alten Puppenköpfe gefielen ihnen vielleicht viel besser&comma; sie lachten seine Frau wohl aus&period; Mit all seinem Denken und Fühlen war Greiner bei seiner Frau&comma; nur körperlich weilte er unter seinen Kindern&period; Er sah und hörte kaum&comma; was sie trieben&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Inzwischen hatte Frau Greiner die Stadt erreicht und suchte Mutter und Schwester auf&period; – Auch bei diesen stockte in dieser Jahreszeit die Arbeit&period; Die alte Frau saß am Ofen und ruhte&comma; die Schwester flickte&comma; friedlich und still war’s im Stübchen&period; Aus dem Topf auf dem Ofen wurde Frau Greiner eine große Tasse voll Kaffee eingeschenkt&comma; der sie angenehm erwärmte nach dem langen Marsch durch die Kälte&period; Sie hatte schon erzählt&comma; was sie heute in die Stadt trieb&comma; aber das Kunstwerk war noch im Korb&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»So zeig doch einmal den Kopf&comma;« sagte nun die alte Frau&period; Sorgsam nahm ihn Frau Greiner heraus&comma; gespannt sah sie auf der Mutter prüfendes Gesicht&period; »Da spar’ dir nur die Müh’&comma; Magdalene&comma;« sagte sie jetzt&comma; »das ist kein richtiger Puppenkopf&period; Der sieht ja aus wie ein Kinderkopf&comma; den nimmt dir kein Fabrikant ab&period; Jetzt macht der Greiner in die dreißig Jahr Köpf’ und weiß noch nicht&comma; wie sie aussehen müssen&excl; Hättest’s ihm wohl sagen können&comma; hast’s denn du nicht gesehen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma;« sagte die Frau kleinmütig&comma; »anders ist er freilich&comma; als sonst die Puppenköpfe sind&comma; aber er hat halt gemeint&comma; so wären sie schöner&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wie&comma; laß mich’s doch auch recht sehen&comma;« sagte die Schwester und stellte den Kopf an das Plätzchen&comma; an dem sie sonst jahraus jahrein den Köpfen ihren Haarschmuck zurechtmachte&period; »So einer ist freilich noch nie dagestanden&comma;« sagte sie kopfschüttelnd&comma; »aber so unrecht ist er gerade nicht&period; Bei dem jungen Fabrikanten Weber drüben&comma; da wär’s doch nicht unmöglich&comma; daß du ihn anbrächtest&semi; da ging’ ich hin&comma; der ist fürs Neumodische&semi; wenn der ihn nicht nimmt&comma; dann nimmt ihn keiner&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Kennst du den Mann&quest; Gehst du nicht mit mir&quest;« fragte Frau Greiner&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Bis ans Haus begleit’ ich dich und wart’ unten&semi; hinauf möcht’ ich grad nicht&comma; sie sind oft so barsch&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die Schwestern gingen miteinander&comma; es war nicht weit&period; Das Haus war geschlossen&comma; am Glockenzug blieben sie zögernd stehen&period; »Meinst du nicht&comma; man lacht mich nur aus mit meinem elenden Köpfchen&quest; Sollt’ ich’s nicht bleiben lassen&quest; Der Mutter hat’s ja gar nicht gepaßt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wenn der junge Herr so zufällig herauskäm’&comma; wär’s freilich besser&comma; als wenn man so extra und großartig die Glocke zieht&period;« Eine Weile standen sie zaghaft auf dem kalten Pflaster&period; Da mußte die junge Frau an daheim denken&comma; und es war&comma; als ob sie es spürte&comma; wie ihr Mann mit all seinem Denken bei ihr war&period; »Ich muß in Gottes Namen hinein&comma;« sagte sie&comma; »ich könnt’ mich ja vor meinem Elias heut’ abend nicht blicken lassen&period;« Sie läutete&semi; die Türe wurde aufgezogen&semi; die Schwester ging einen Schritt zurück und Frau Greiner vorwärts bis an eine Türe mit der Aufschrift »Kontor«&comma; und tapfer hinein in das Zimmer&comma; wo an großen Stehpulten zwei Herren schrieben&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Sie wünschen&quest;« fragte der eine&comma; der nur einen Augenblick den Kopf erhoben hatte&comma; dann aber eifrig weiterschrieb&period; Schüchtern und unsicher brachte Frau Greiner ihr Anliegen vor&period; Einen neuen Puppenkopf habe ihr Mann gemacht&comma; weil sie ein so schönes Waisenkind hätten&comma; nach dem hätt’ er’s gemacht&comma; wie’s leibt und lebt&semi; bei Nacht&comma; weil es seiner Schwester Kind sei und Umschläge brauchte bei Nacht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; gute Frau&comma; was geht denn das uns an&comma; was wollen Sie denn eigentlich&quest;« fragte der Schreiber&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wir haben gemeint&comma; ob Herr Weber den Kopf nicht kaufen würde&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Kaufen&quest; Ja&comma; zu was denn&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Daß man Formen danach mache zu Papiermasché-Köpfen&period; Mein Mann ist Drücker in Oberhain&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wenn er Drücker ist&comma; dann soll er nur die Formen schön ausdrücken&semi; aber die neuen Köpfe&comma; das könnt’ er wissen&comma; die bezieht Herr Weber nicht von den Drückern da draußen im Wald&comma; die werden von den Künstlern geliefert&comma; von rechten Künstlern&comma; die ausgebildet sind auf der Kunstschule&period; So etwas muß gelernt sein&comma; gute Frau&period; Jetzt gehen Sie nur heim und machen Sie Ihrem Waisenkind Umschläge&comma; das wird besser sein&period;« Er lachte und der jüngere Herr am nächsten Schreibpult lachte auch&period; Aber Frau Greiner war nicht empfindlich&semi; es waren eben junge Herrn&comma; die machten sich gern lustig&comma; das nahm sie nicht schwer&period; Zeigen wollte sie doch wenigstens den Kopf&period; Sie nahm ihn aus dem Korb&period; »Das wäre er&comma;« sagte sie&semi; »der Herr Weber ist wohl nicht zu Haus&comma; daß ich ihm den Kopf zeigen könnt’&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma;« sagte der Herr und schaute nur flüchtig nach dem Köpfchen&period; »Herr Weber hat genug neue Muster&comma; fragen Sie nur anderswo&semi; Fabriken gibt es ja hier in jedem dritten Haus&comma; jedes Kind auf der Straße kann Ihnen eine zeigen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Greiner packte ihren Schatz sorgsam wieder ein&comma; und dabei sagte sie ganz treuherzig&colon; »Es wär’ mir doch recht gewesen&comma; wenn ich den Herrn Weber hätt’ einen Augenblick sprechen können&period; Weil er doch fürs Neumodische ist&comma; und so neumodisch wie der Kopf ist&comma; ganz weich ist er noch&period;« Die Herren lachten&comma; da lachte Frau Greiner mit&period; »Sie haben halt noch gut lachen&comma;« sagte sie&comma; »Sie sind jung&period; Aber für meinen Mann ist’s schon anders&comma; wenn ich mit leeren Händen heimkomm’&period; Man könnt’s Geld so nötig brauchen und er hat schon wunder gemeint&comma; wieviel ich ihm heimbring’&excl; Der macht böse Falten hin&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Halblaut sagte der ältere Schreiber zum jüngeren&colon; »So gehen Sie eben hinauf und bitten Sie Herrn Weber&comma; daß er einen Augenblick herunterkomme&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Greiner bemerkte mit großer Genugtuung&comma; daß Herr Weber nun auf einmal zu Hause war&period; Gleich packte sie ihr Köpfchen wieder aus&period;<&sol;p>&NewLine;<p>So sehr jung war der Fabrikant nicht mehr&comma; der nun eintrat und zu Frau Greiner sagte&colon; »Einen Kopf hat Ihr Mann gemacht&quest; So lassen Sie mal sehen&period;« Und während er mit dem Köpfchen in der Hand ans Fenster trat&comma; es fortwährend betrachtend&comma; fragte er&colon; »Wie heißt denn Ihr Mann&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Elias Greiner&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Hat er denn schon mehr verkauft&quest; Nein&quest; Wo hat er’s gelernt&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nur als Bub war er ein halbes Jahr auf der Schul’&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So&comma; so&comma; und was verlangen Sie für den Kopf&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die letzte Frage war eine feine Frage&excl; Die Augen von Frau Greiner leuchteten ordentlich&comma; aber was sollte sie antworten&quest; »Ich weiß nicht&comma; was ich verlangen soll&comma;« sagte sie&period; Inzwischen hatte Herr Weber mit seinem Buchhalter leise verhandelt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wer etwas verkaufen will&comma; der muß auch den Preis machen&comma;« sagte der Fabrikant&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Da wuchs Frau Greiner der Mut&period; »Ich denk’ halt so&comma;« sagte sie&semi; »Fabriken gibt’s hier in jedem dritten Haus&comma; ich könnt’ überall fragen und es dem Herrn geben&comma; der’s am besten bezahlt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die jungen Herren lachten&period; Aber der Fabrikant wandte sich ernsthaft an sie&colon; »Ich will Ihnen etwas sagen&comma; Frau&comma; und Sie können es Ihrem Mann ausrichten&colon; der Kopf ist ausgezeichnet geformt&comma; ganz nach dem Leben&comma; aber trotzdem&comma; Sie werden ihn doch nicht leicht verkaufen können&period; Es ist kein Puppenkopf&comma; wie man es gewohnt ist&period; Ihr Mann soll sich einmal hundert Puppenköpfe ansehen&colon; alle haben einen Mund so klein&comma; kleiner als die Augen und so schmal wie die Nase&period; Beim Menschen ist es ja nicht so&comma; und bei diesem Kopf auch nicht&comma; darum sieht er aus wie ein Kinderköpfchen&comma; nicht wie ein Puppenkopf&period; Mir gefällt es so&comma; weil es nach dem Leben ist&comma; ich kann die großen Puppenaugen nicht leiden&semi; aber ob es sich gut verkaufen läßt&comma; das fragt sich sehr&period; Die Kaufleute wollen eben die hergebrachten Puppenköpfe&comma; und darum dürfen Sie mir glauben&comma; wenn Sie auch zu allen Fabrikanten laufen&comma; Sie werden den Kopf schwer anbringen&period; Aber versuchen Sie es nur&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Greiner hatte kein Verlangen danach&comma; sie war froh&comma; daß dieser Mann an dem Kopf Gefallen fand&period; Auch flößte ihr seine Art Vertrauen ein&period; »Ich weiß nicht&comma; was ich fordern soll&comma;« sagte sie&comma; »aber wenn Sie ihn kaufen wollen&comma; so biete ich ihn niemand anders an&period; Sie werden mir schon geben&comma; was recht ist&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Noch einmal betrachtete der Fabrikant prüfend das kleine Kunstwerk&comma; dann sagte er&colon; »Ihr Mann soll mir schriftlich versprechen&comma; daß er in den nächsten Jahren keinen Kopf für einen anderen Fabrikanten macht als für mich&comma; dann zahle ich Ihnen für den Kopf 800 Mark&semi; davon gebe ich Ihnen die Hälfte gleich mit und die andere Hälfte&comma; sowie Ihr Mann mir das Schriftliche bringt&period; Wenn Sie einverstanden sind&comma; so wird der Handel gleich schriftlich gemacht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; ja&comma; ja&comma;« sagte Frau Greiner&comma; »einverstanden bin ich&comma; ganz einverstanden&comma;« und die Freude über die hohe Summe überstrahlte ihr Gesicht&comma; alle ihre Erwartungen waren übertroffen&period; Als sie die Summe wirklich in die Hand bekam und das Schreiben dazu&comma; sagte der Fabrikant&colon; »Ihr Mann soll die andere Hälfte des Geldes selbst holen&comma; ich möchte mit ihm reden&comma; vielleicht können wir miteinander verabreden&comma; daß er mir den Kopf auch in andern Größen liefert&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da fühlte die Frau&comma; daß ihr für jetzt und für die Zukunft eine Last abgenommen war&comma; die sie getragen hatte&comma; solang sie zurückdenken konnte – die bittere Armut&comma; unter deren Druck sie gestanden&comma; so lange sie lebte&period; Sie sagte noch mit Tränen in den Augen&colon; »Vergelt’s Gott&comma; und mein Mann wird sich selbst bedanken&comma;« und ging wie im Traum von dannen&period; Die Herren sahen ihr nach&comma; der Buchhalter meinte&colon; »Die hätt’s auch um weniger hergegeben&period;« »Ja&comma;« sagte der Fabrikant&comma; »aber es wäre nicht recht&comma; wollte man die Unwissenheit solch armer Leute ausnützen&period; Ein Künstler hätt’ das Doppelte dafür verlangt&period; Der Kopf ist vorzüglich&comma; wollen wir sehen&comma; ob wir gute Geschäfte damit machen&period;« Das Abbild des kleinen Alex wurde in kostbarem Schrank verwahrt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Draußen vor dem Haus trippelte frierend Frau Greiners Schwester auf und ab&period; »Aber du hast lang gebraucht&excl; Ich bin ganz erstarrt&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Macht nichts&comma; Regine&comma; macht gar nichts&period; Er hat’s ja gekauft&excl; Rat nur&comma; um wieviel&quest; Aber du hättest’s ja doch nie erraten – um 800 Mark&comma; Regine&excl; Komm zur Mutter&comma; komm nur schnell&excl;« –<&sol;p>&NewLine;<p>Es war schon dunkel&comma; als Frau Greiner ihr Dorf erreichte&period; Auf dem langen Wege hatte sie sich ihren Plan gemacht&colon; Am Krämer wollte sie vorbeigehen und am Metzger&comma; Schulden bezahlen&comma; einkaufen&comma; bar zahlen&period; Dann&comma; wenn sie heimkam&comma; wollte sie die Kinder hinausschicken&comma; die brauchten nichts zu wissen von dem vielen Geld&period; Danach wollte sie zu ihrem Manne sagen&colon; Den Kopf nimmt niemand&comma; der hat ja gar so einen großen Mund&comma; und dann&comma; wenn er sich recht gegrämt hatte&comma; wollte sie den Korb aufmachen und statt dem Kopf die Geldrollen vor ihn legen&period; Ja&comma; so hatte sie sich’s ausgedacht&period; Als sie aber endlich im Dorf war&comma; mochte sie sich nicht mehr aufhalten&semi; einkaufen konnte sie doch später noch&comma; jetzt heim&comma; heim&excl; Und als sie die Zimmertüre aufmachte&comma; wo all die Ihren beisammen saßen und auf sie warteten&comma; und als ihr Mann auf sie zukam und sie ansah&comma; wie wenn sein Leben abhinge von dem Wort&comma; das jetzt über ihre Lippen kommen würde&comma; da hatte sie kein Verlangen mehr&comma; ihn zu täuschen&semi; da fuhr sie ihm mit beiden Händen über seine schmalen Backen&comma; und strahlend vor Glück rief sie&colon; »Um 800 Mark haben sie ihn gekauft&comma; und er will noch mehr von dir&excl; Gelt&comma; da kannst lachen&comma; du alter Griesgram du&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der kleine Alex hatte geschlafen&comma; als die Mutter heimgekommen war&period; Nach einer Stunde etwa ließ er sein Stimmchen hören und ein einstimmiges&colon; »Jetzt wacht er&excl;« kam aus aller Mund&semi; im Augenblick war der Wagen umringt von allem was Greiner hieß&comma; denn die ganze Dankbarkeit wandte sich dem Kindlein zu&period; Des Alex’ Gesichtchen war’s ja&comma; das solches Glück ins Haus gebracht hatte&period; Milch hatten sie schon bereit&comma; zwei von seinen Soxhletfläschchen standen voll auf dem Ofen&period; Wie lieblich der Kleine all die freundlichen Gesichter anlächelte&comma; die seinen Wagen umringten&comma; und wie gierig er die Milch trank&semi; er konnte gar nicht genug bekommen&excl; Sie sahen ihm alle zu&period; »Jetzt sollst du Milch haben&comma; soviel du willst&comma; alle Tage frische Milch&comma; du lieber kleiner Schelm du&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Aber wie war es nur möglich – sie bekam ihm nicht einmal gut&excl; »Er wird die Milch doch vertragen&comma; es wird doch nicht zu spät sein&quest;« dachte Greiner&period; Am nächsten Morgen wollte er sie gar nicht nehmen&semi; er schob das Soxhletfläschchen weg&comma; wenn sie es ihm reichten und mit allen Schmeichelworten immer wieder anboten&period; In der Nacht faßte Greiner einen Entschluß&colon; »Wenn ich morgen in die Stadt gehe und das Geld hole&comma; nehme ich den Arzt mit heraus&semi; wir sind’s ihm schuldig&comma; dem Kind&comma; wir wollen alles dafür tun&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Aber das war nicht des kleinen Alex Bestimmung&period; Er war nicht gesandt&comma; Mühe und Kosten zu machen&comma; er sollte bloß aus dem Elend helfen&period; Jetzt hatte er geholfen und jetzt nahm er Abschied&period; In früher&comma; dunkler Morgenstunde&comma; als Greiner an seinem Bettchen saß&comma; lächelte der kleine Alex holdselig&comma; dann schloß er halb die kleinen Äuglein und war still&period; Ganz sanft war er entschlafen&period; Da trat der Mann ans Bett seiner Frau&period; »Magdalene&comma; wach auf&comma; unser Kleiner ist gestorben&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Das Waislein wurde betrauert&comma; wie es bei seinen eigenen Eltern und Geschwistern nicht mehr hätte betrauert werden können&comma; und dem kleinen Fremdling folgten auf den winterlichen Friedhof alle Nachbarn und Freunde&semi; denn es war keiner&comma; dem es nicht Leid getan hätte um das liebliche Kind&period; Und sie sagten untereinander&comma; es sei zu schön gewesen für diese Welt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Ortsvorsteher schrieb nach Köln&comma; man sollte den Vormund ausfindig machen und ihm den Todesfall mitteilen&period; Die Familie lasse auch fragen&comma; ob sie die Wäsche&comma; den Wagen und den Soxhlet als Erbe behalten dürfe&quest; Er&comma; Ruppert&comma; halte das für selbstverständlich&period; Er habe es nie gebilligt&comma; daß man dieser armen Familie das Kind zugeschoben habe&comma; und bitte den Vormund&comma; die Beerdigungskosten zu zahlen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Eines Tages brachte Ruppert das Geld für die Beerdigung und eine Antwort mit Entschuldigung&period; Der Vormund habe nicht gewußt&comma; daß Fabrikant Greiner in so schlechten Vermögensverhältnissen sei&period; Die Wäsche und den Wagen sollten selbstverständlich die Kostgeber als Entschädigung erhalten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Vom Soxhlet steht nichts darin&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; von dem nicht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Siehst&comma; wir sind nicht allein so dumm&comma;« sagte Frau Greiner zu ihrem Mann&period; »Die Herren wissen halt auch nicht&comma; was der Soxhlet ist&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Im Frühjahr&comma; als der Schnee schmolz&comma; richteten sie das kleine Grab&period; Rings um den Hügel gruben sie in die Erde die Soxhletfläschchen&comma; die dienten als Gläser für die Schneeglöckchen und Maiblumen&period; Sogar ein schönes Kreuz schmückte das Grab&comma; obwohl das im Dorf nicht Sitte ist bei Kindergräbern&period; Aber wo ruht auch sonst ein kleiner Erdenbürger&comma; der&comma; wie Alex&comma; eine ganze Familie aus dem Elend errettet hat&quest; Mancher wird alt und grau und hat in seinem langen Leben andern kein Glück gebracht&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Wenn ihr an Weihnachten die Puppen seht&comma; eine neben der andern ausgestellt in den Läden der großen Stadt&comma; dann schaut sie genau an&period; Ist nicht eine dabei&comma; die lebensvoll wie ein Kindergesichtchen euch ansieht zwischen all den großäugigen Puppengesichtern&quest; Dann grüßt sie freundlich&comma; ihr wißt ja&comma; wie sie entstanden ist&colon; dem kleinen Alex ist sie nachgebildet&period;<&sol;p>

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