Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Das kleine Dummerle und andere Erzählungen
(Agnes Sapper, 1904, empfohlenes Alter: 7 - 14 Jahre)

In der Adlerapotheke

<p>Auf dem stattlichen Bauerngut&comma; das dem reichen Landwirt Hollwanger gehörte&comma; gab es nun schon zum dritten Male in Jahresfrist einen Abschied&period; Der älteste Sohn war zum Militär einberufen worden&semi; den zweiten hatte der Vater auf die landwirtschaftliche Schule geschickt&comma; und der dritte&comma; Hermann&comma; der jüngste&comma; aber doch schon hoch aufgeschossen&comma; war nun auch im Begriff&comma; das Elternhaus zu verlassen&period; Er wollte Apotheker werden&comma; und so hatte er heute&comma; am Donnerstag nach Ostern&comma; in der Adlerapotheke in Neustadt als Lehrling einzutreten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Vor dem Hause stand die Kutsche&comma; in der der Vater den Sohn nach der Stadt fahren wollte&period; Der Koffer war hinten aufgepackt&comma; Mutter&comma; Schwester&comma; Knecht und Magd standen vor dem Haus in dieser Abschiedsstunde&period; Die Trennung war keine von den schwersten&semi; denn das Städtchen lag so nahe&comma; daß man die Glocken von dort läuten hörte&comma; wenn der richtige Wind wehte&period; Hermann hatte dort die Lateinschule besucht und täglich den Weg vom Elternhaus nach Neustadt zu Fuß gemacht&period; Dieser Weg hatte ihn immer an der Adlerapotheke vorbei&comma; manchmal auch hineingeführt&comma; und schon seit Jahren hatte er den Wunsch ausgesprochen&comma; Apotheker zu werden&period; Sein Vater hatte nichts dagegen&comma; er war ein reicher Mann und konnte seinem Sohne wohl einmal eine Apotheke kaufen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>So kam es&comma; daß Hermann mit fröhlichen Augen der Mutter Lebewohl sagte und erst ein ernstes Gesicht machte&comma; als er entdeckte&comma; daß seine Schwester&comma; seine treue Jugendgespielin&comma; Helene&comma; mit Tränen in den Augen dastand&period; Sie war zwei Jahre jünger als er und hing mit ganzem Herzen an diesem Bruder&period; »Weine doch nicht&comma; Helene&comma;« sagte er&comma; »ich komme ja alle vierzehn Tage heim und so oft du nach Neustadt kommst&comma; besuchst du mich in der Apotheke&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Einen Abschiedskuß noch der Mutter&comma; die ihr Töchterchen freundlich tröstend an der Hand nahm&comma; ein Händeschütteln mit dem Knecht&comma; der Magd&comma; und fort ging es mit dem Vater&comma; der flott dem Städtchen zukutschierte&period; Und Hermann konnte es nicht ändern&comma; so herzlos es ihm vorkam&comma; er freute sich über die Maßen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als das kleine Gefährt über den Marktplatz von Neustadt fuhr und vor der Adlerapotheke anhielt&comma; wurde die Ladentüre der Apotheke geöffnet&comma; und der Apotheker ging Vater und Sohn entgegen&period; Die beiden Männer mochten ungefähr in demselben Alter sein&semi; aber der Landwirt hatte die kräftigere Gestalt&comma; und sein sonngebräuntes Gesicht war ein Bild der Gesundheit&comma; was man von den etwas blassen aber feinen Zügen des Apothekers nicht sagen konnte&period; Er begrüßte die Ankömmlinge und reichte Hermann die Hand&semi; der schlug unbefangen ein und sah voll Vertrauen zu dem Manne auf&comma; der ihm kein Fremder war&comma; und den er&comma; ohne daß dieser es wußte&comma; schon seit Jahren als seinen künftigen Lehrherrn betrachtet hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Durch den Laden hindurch&comma; in dem jener den Apotheken eigentümliche Geruch herrschte&comma; der für Hermann immer etwas geheimnisvoll Anziehendes hatte&comma; führte Apotheker Mohr seine Gäste an die Treppe nach dem oberen Stock und in seine Wohnung&period; Hier wurden sie freundlich empfangen von der kleinen rundlichen Apothekerin&comma; die gleich geschäftig den Kaffeetisch deckte und sich entschuldigte&comma; daß der Kaffee noch nicht bereit sei&period; »Ich wußte nicht genau&comma;« sagte sie&comma; »um wieviel Uhr Sie kommen&comma; und lieber möchte ich meine Gäste einen Augenblick warten lassen&comma; als ihnen einen abgestandenen Kaffee vorsetzen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Während sich die Gäste setzten&comma; bat sie um die Erlaubnis&comma; daß sie und ihr Mann zu Hermann »du« sagen dürften&comma; es sei doch traulicher für Leute&comma; die an einem Tisch sitzen&period; Dies schien Hermann sichtlich zu freuen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Kaum eine Viertelstunde saß die kleine Gesellschaft gemütlich beim Kaffee beisammen&comma; da ertönte die Ladenglocke der Apotheke&comma; und Mohr mußte hinunter&semi; nach einem weiteren Viertelstündchen gab es eine zweite Störung dadurch&comma; daß Hermann seine Kaffeetasse umstieß&period; Es war seinem Vater und ihm selbst peinlich&comma; daß er sich bei der ersten Mahlzeit so einführte&comma; doch versicherte Frau Mohr&comma; der Flecken in der Kaffeedecke sei nicht schlimm&comma; aber sie bat doch&comma; sie sogleich wegnehmen zu dürfen&period; Diese Gelegenheit benützte Hollwanger&comma; um sich zu verabschieden&period; Bis an die Kutsche begleitet vom Apotheker und von Hermann stieg er ein&period; Die beiden Männer tauschten noch freundliche Worte&comma; Hermann aber wußte nichts mehr zu sagen&semi; seine Grüße an Mutter und Schwester hatte er schon aufgetragen&comma; fast ungeduldig wartete er&comma; daß sein Vater abfahre&comma; er wollte doch Apotheker werden&comma; endlich sollte es losgehen&period; Jetzt kam der letzte Gruß&comma; das Pferd folgte dem leisen Anruf seines Herrn&comma; der Wagen rasselte über den Marktplatz&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Apotheker wandte sich Hermann zu&comma; der nicht dem Wagen nachsah&comma; sondern aufmerksam nach dem großen schwarzen Adler aufblickte&comma; der dräuend über dem Eingang der Adlerapotheke wachte&period; Mohr klopfte ihm auf die Schulter und sagte in ernsthaftem Tone&colon; »So&comma; nun gehörst du in die Adlerapotheke&period;« »Ja&comma;« erwiderte Hermann ebenso&comma; und indem er fröhlich die wenigen Stufen vorauseilte und die Ladentüre aufmachte&comma; fragte er&colon; »und wie geht’s jetzt an&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wie’s angeht&quest;« wiederholte der Apotheker und sah lächelnd auf seinen eifrigen Gehilfen&period; »Wie’s angeht&comma; wenn man Apotheker werden will&comma; meinst du&quest; Ich denke&comma; man schaut sich zuerst einmal die Apotheke an&period; Komm mit&excl;« Er schloß die Ladentüre&period; »Es sollte freilich nicht sein&comma; daß mitten am Tag kein Kunde in Sicht ist&comma;« sagte er&comma; »es war auch früher nicht so&comma; erst seit Herbst&comma; wo sich die neue Apotheke hier aufgetan hat&comma; erst seitdem ist’s stiller bei mir&period; Es ist unrecht&comma; daß man hier eine zweite gegründet hat&semi; ich habe auch vorher gesprochen mit dem jungen Apotheker&comma; aber er hat es nicht einsehen wollen&comma; und nun ist bei ihm kein rechter Geschäftsgang und bei mir ist es auch nicht mehr wie früher&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Inzwischen hatte der Apotheker den Neuling in das Laboratorium geführt&comma; da standen wunderliche Kolben und Kochgeschirre aus Glas und gläserne Trichter und Röhren&period; Wißbegierig sah Hermann dies alles an&period; »Da wird so mancherlei bereitet&comma;« sagte Mohr&comma; »heutzutage gibt es zwar viele Apotheker&comma; die beziehen alles von auswärts&comma; aber ich mache noch vieles selbst&period;« »Machen wir heute auch etwas&quest;« fragte Hermann&period; »Diese Woche nicht mehr&comma; aber nächste Woche will ich Höllenstein machen&comma; der wird aus Silber bereitet&period; Da gibt meine Frau alte Kaffeelöffel dazu&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das wird fein&comma;« sagte Hermann vergnügt&period; »In meiner Familie&comma;« sagte Mohr&comma; »ist diese Liebhaberei von alters her&comma; die Mohrs sind eine altberühmte Chemiker- und Apotheker-Familie aus Koblenz&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Nun erklang die Apothekenglocke&period; »Jetzt kommt doch jemand&comma;« rief Hermann so erfreut&comma; wie wenn der Kunde schon sein Kunde wäre und lief eiligst&comma; die Türe zu öffnen&period; Ein Dienstmädchen brachte ein Rezept&comma; in einer halben Stunde wollte sie wiederkommen&comma; die Arznei abzuholen und dann sollte sie auch sechs Blutegel mitnehmen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Bei der Gelegenheit kannst du gleich den Keller kennen lernen&comma;« sagte der Apotheker&comma; »in dem sind gar mancherlei Vorräte&comma; nicht nur Blutegel&period;« Sie stiegen miteinander hinunter in die großen Kellerräume&period; In verschiedenen Abteilungen waren wohlgeordnet Fässer&comma; Flaschen&comma; Kolben aller Art&period; Der schöne Steinboden war tadellos rein gehalten&semi; in jedem Raum hing ein Lämpchen&comma; von denen der Apotheker eines anzündete&period; »Hier sind die Blutegel&semi; es muß von Zeit zu Zeit nachgesehen werden&comma; ob alle lebend sind&comma; und sie müssen mit frischem Wasser versorgt werden&period; Futter brauchen sie nicht&semi; sie bleiben ein und zwei Jahre lang ohne Nahrung&comma; inzwischen kommen wieder frische&period;« Der Apotheker hatte einen großen&comma; mit Leinwand zugebundenen Glaskolben hervorgezogen&comma; in dem schwammen die schwarzen Würmer&period; Er nahm einige heraus in ein kleines Glas&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Das nächste Mal mußt du sie selbst holen&comma; jetzt aber binde fest den Kolben zu und lösche das Lämpchen sorgfältig&semi; ich muß hinauf&comma; ich höre die Ladenglocke&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>In den Abendstunden kamen mehrere Kunden&comma; Arzneien waren einzufüllen&comma; Pulver waren zu richten und in die weißen zugeschnittenen Papierchen einzuwickeln&period; »Sieh zu und mach’s nach&comma;« sagte der Apotheker zu Hermann und deutete auf die Pülverchen&comma; die auf die einzelnen Papierchen verteilt waren&period; Während Hermann mit ungeschickten Fingern eines der Pülverchen einwickeln wollte&comma; schob er mit dem Ärmel die vier anderen kleinen Portionen zum Tisch hinunter&period; Ein ärgerlicher Ausruf entfuhr dem Apotheker&semi; der Arbeiter&comma; der dastand und auf die Pulver wartete&comma; sagte lachend&colon; »Der ist scheint’s nicht der geschickteste&period;« »Er ist neu eingetreten&comma;« sagte Mohr entschuldigend und wog neue Pülverchen ab&comma; aber Hermann wurde nicht mehr aufgefordert&comma; sie einzuwickeln&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nach einer Weile schob der Apotheker ihm ein paar Gläschen hin&comma; die er eben mit Arznei gefüllt hatte&period; »Binde die Fläschchen zu&comma; so wie dieses&comma;« sagte er&comma; indem er ein farbiges Papierchen über den Stöpsel faltete und mit einem Bindfaden fest knüpfte&period; Es sah so einfach aus und ging wie von selbst und doch&comma; als Hermann es versuchte&comma; wollte das Papier nicht stramm aufliegen&comma; das Schnürchen nicht halten&period; Eines der Gläser rutschte aus und zerbrach auf der Marmorplatte des Ladentisches&period; »So geht das nicht&comma;« sagte Mohr und sah seinen Lehrling groß an&comma; »so ungeschickt hat sich noch keiner angestellt&period; Passe auf&comma; daß das nicht noch einmal vorkommt&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Als gegen acht Uhr abends der letzte Kunde befriedigt war und Hermann mit dem Apotheker und seiner Frau beim Abendessen saß&comma; kam es ihm vor&comma; als sei er nicht in der Gunst seines Lehrherrn gestiegen&comma; denn dieser war sehr einsilbig bei der Mahlzeit&period; Nach dem Essen fragte Herr Mohr seinen Lehrling&comma; ob er Sinn für Botanik habe&comma; die jeder Lehrling studieren müsse&comma; und er führte ihn an einen Bücherschrank&comma; der viele naturwissenschaftliche Werke enthielt&period; Zu seiner Verwunderung bemerkte der Prinzipal&comma; daß Hermann in Botanik und auch in anderen Zweigen der Naturwissenschaft schon prächtig Bescheid wußte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wie kommst du dazu&quest;« fragte er&period; »In der Lateinschule hast du das nicht gelernt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; bloß für mich&semi; ich habe mir nie etwas anderes gewünscht und gekauft als naturwissenschaftliche Bücher&comma; schon seit Jahren weiß ich mir nichts Schöneres&period;« Vor seinen Büchern stehend&comma; sprach der Apotheker über die verschiedenen Werke und stellte&comma; ohne daß es Hermann nur recht bemerkte&comma; eine Prüfung mit ihm an&comma; über deren Ergebnis er staunen mußte&period; Hermann saß an diesem Abend in ein Lehrbuch vertieft&comma; bis der Apotheker ihn entschieden zum Bettgehen ermahnte und die Frau Apotheker ihn in das Stübchen führte&comma; das zwischen der Kräuterkammer und der Vorratskammer oben im Dachraum ausgebaut war&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Hermann schlief schon längst&comma; als noch zwei Paare beisammen saßen und über ihn sprachen&colon; daheim die Eltern und hier der Apotheker und seine Frau&period; »Hast du dem Apotheker nicht gesagt&comma; wie viel unser Hermann schon studiert hat auf seinen Beruf&quest;« fragte Frau Hollwanger ihren Mann&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; ich kann doch nicht mein eigen Kind anpreisen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Anpreisen freilich nicht&comma; aber du hättest doch so zufällig die Rede darauf bringen sollen&comma; daß er schon so gelehrt ist&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Der Apotheker wird’s bald selbst herausfinden&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Hast aber doch wenigstens das gesagt&comma; daß unser Hermann gar keinen größeren Wunsch hat&comma; als einmal ein Apotheker zu werden&comma; und daß ihm die Apothekerbücher lieber waren als alle Spiele und Kameradschaft&quest; So etwas muß man doch seinem Kinde zuliebe sagen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Alles Nötige ist beredet worden&comma; Frau&comma; darüber kannst du ganz ruhig sein&comma; und der Hermann ist ja auch keiner von den ängstlichen&comma; er hat ganz zutraulich getan mit dem Apotheker&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So&quest; das sieht ihm gleich&period; Er wird auch bald der Liebling sein in der Apotheke&comma; wie er es in der Schule auch war&period; Alle haben ihn gern&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das ist wahr&period; Wegen Hermann dürfen wir ruhig sein&comma; der geht seinen Weg leichter als seine Brüder&comma; gottlob&excl; Man hat sonst genug Sorgen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Während die Eltern so über Hermann sprachen&comma; sagte die Frau Apotheker zu ihrem Mann&colon; »Nun&comma; wie kommt er dir vor&quest; es ist ein lieber Mensch&comma; scheint mir&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; und gescheit&comma; aber –« und bedenklich schüttelte Mohr den Kopf&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber ungeschickt&comma; gelt&quest; Gleich hat er die Kaffeetasse umgestoßen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Und kann kein Gläschen zubinden und kein Pulver einwickeln&comma; ich will nur sehen&comma; wie das geht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Anfangs ist’s allen schwer&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber nicht so&period; Sieh ihm nur zu&comma; wenn er etwas mit der Hand tut&comma; wie er den Daumen so steif hinausstreckt&semi; er weiß gar nicht&comma; wie man die Finger biegt&comma; wie einer&comma; der in seinem Leben nie etwas mit den Händen geschafft hat&comma; nur hinter den Büchern gesessen ist&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Und so einer kommt vom Land&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; vom Land&comma; aus dem reichen Bauernhof&comma; wo so ein Bürschlein alles nur auf Knecht und Magd abladen darf und angestaunt wird&comma; weil er lateinisch kann&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber er wird sich doch machen&comma; es wäre mir leid um ihn&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Mir auch&comma; aber besser wäre es&comma; sie würden einen Lehrer oder gar einen Professor aus ihm machen&semi; Verstand ist da&comma; Geld ist da – an was sollte es fehlen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Frisch und fröhlich saß am nächsten Morgen Hermann am Frühstückstisch&period; »Wird der Mann wohl heute wieder in die Apotheke kommen&comma; der gestern die Schlafpulver geholt hat&quest;« fragte er den Apotheker&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Kann wohl sein&period; Was willst du von ihm&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich bin nur begierig&comma; ob die Pulver wirklich geholfen haben&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Warum sollten sie nicht&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Er hat doch erzählt&comma; daß die Kranke fünf Nächte vor Schmerzen nicht geschlafen habe&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; und&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Und da wäre es doch großartig&comma; wenn sie wirklich heute Nacht gut geschlafen hätte&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Sicher hat sie geschlafen&comma; diese Pulver wirken immer&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das ist doch ganz herrlich&comma; wenn man solche Mittel aus seiner Apotheke geben kann&excl;« sagte Hermann&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; ja&comma;« erwiderte Mohr&semi; aber er war seit etwa fünfundzwanzig Jahren daran gewöhnt und deshalb schon etwas abgestumpft gegen die Herrlichkeit seiner Mittel&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Und wie müssen erst die glücklich sein&comma; die so ein Mittel entdecken&excl;« fuhr Hermann fort&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Sie wurden unterbrochen durch ein ängstliches&comma; lautes Rufen&comma; das von dem Mädchen draußen zu kommen schien&period; »Was hat doch die Mine&comma;« rief Frau Mohr lebhaft aufspringend&comma; »es ist gerade&comma; wie wenn sie mich zu Hilfe riefe&comma;« und rasch sprang sie vom Kaffeetisch auf&comma; hinaus zum Mädchen&period; Einen Augenblick nachher kam sie wieder unter die Türe und rief ihrem Mann zu&colon; »Ach&comma; komm nur schnell&comma; die Mine hat eben den Keller gekehrt&comma; nun hat sie einen Blutegel am Fuß und sie sagt&comma; überall im Keller kriechen die Blutegel umher&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Er läßt nicht los&comma;« rief das Mädchen&comma; »was soll ich denn tun&quest; Ich bring ihn nicht weg&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nicht wegreißen&excl;« rief der Apotheker&period; »Salz oder Asche her&period;« Im Nu brachte Frau Mohr die Salzbüchse&period; Eine Hand voll wurde auf den Blutegel gestreut&comma; da fiel er weg und lag harmlos auf dem Boden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt aber wandte sich der Apotheker mit ernstlich bösem Gesicht zu Hermann&colon; »Hast du den Kolben mit den Blutegeln gestern abend offen gelassen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; nein&comma; ich weiß gewiß&comma; ich habe ihn zugebunden&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber wie&excl; Komm mit in den Keller&period;« Drunten klärte es sich bald auf&period; Zugebunden war der Kolben&comma; aber so lose&comma; daß die ganze Bewohnerschaft zwischen dem Tuch und dem Glas durchgekrochen war&comma; und da und dort im Keller war das Gewürm zu sehen&period; Zu Vorwürfen war keine Zeit mehr&comma; denn die Glocke an der Apotheke erklang&comma; aber die Strafe ergab sich von selbst&colon; etwa ein halb hundert Blutegel aufsuchen und einfangen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Hätte die gute kleine Frau sich nicht des ungeschickten Lehrlings erbarmt&comma; er hätte wohl den ganzen Vormittag in diesem Keller zubringen müssen&period; Aber sie wußte&comma; wie die Tiere zu fassen waren&comma; und hatte zehn im Glas&comma; bis Hermann einen herein brachte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als er endlich wieder in der Apotheke erschien&comma; sah ihn sein Herr sehr ungnädig an&period; Aber Hermann kam ihm reumütig entgegen&comma; so daß er nicht viel mehr sagte als&colon; »Über der Sache ist das Abstauben versäumt worden&comma; das sollte immer geschehen sein&comma; ehe Kunden kommen&period; Jeden Morgen muß auf allen Fächern und Ständern abgestaubt werden&period; Dort ist die Leiter&comma; aber das bitte ich mir aus&colon; nichts herunterwerfen&excl;« Glas an Glas&comma; Büchse an Büchse standen an den langen Wänden&period; Jedes mußte abgestaubt werden&period; Mit einer Vorsicht und Gewissenhaftigkeit ging Hermann daran&comma; daß in der Tat nichts fallen konnte&semi; aber freilich&comma; auf diese Art wäre er an einem Tag schwerlich fertig geworden&period; Lange konnte der Apotheker das nicht mit ansehen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Geh einmal herunter&comma; Hermann&comma; und lasse mich hinauf&comma; ich will dir zeigen&comma; wie man das macht&period; So mit einem flotten Griff über das Fach&comma; siehst du&quest; Hast du denn nie in deinem Leben etwas abgeputzt&quest;« In diesem Augenblick steckte die Frau Apotheker den Kopf herein&period; »Lieber Mann&comma; kannst du Hermann einen Augenblick entbehren&quest;« »Ja&period;« »Dann&comma; Hermann&comma; komme doch einmal mit mir hinauf in dein Zimmerchen&period;« Oben angekommen sagte Frau Mohr&colon; »Nun sieh einmal&comma; mein Junge&comma;« und sie deutete ins Zimmer&period; Hermann schaute – aber er sah nichts Besonderes&period; Nachdem er rund herum geblickt&comma; sah er die Gestrenge fragend an&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Was meinen Sie&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber sieh doch nur&comma; es ist ja nicht aufgeräumt&comma; so darf es doch nie aussehen&comma; am wenigsten in einer Apotheke&period; Bedenke nur&comma; wenn unverhofft die Inspektion käme&comma; die sieht in alle Räume des Hauses und überall muß tadellose Ordnung herrschen&period; Es ist schon vorgekommen&comma; sagt man&comma; daß ein Inspektor mit der Hand über das Treppengeländer gefahren ist und dann seine Hand besehen hat&semi; und weil Staub daran war&comma; hat man dem Apotheker die Apothekerberechtigung entzogen&period; Ja&comma; so streng wird das genommen&period; Nun sieh nur&comma; wie überall deine Kleider zerstreut sind&comma; wie der Staub auf den Möbeln liegt&excl; Den Fußboden reinigt das Mädchen&comma; aber alles andere geht dich an&period; Neben der Kommode in der Ecke hängt das Körbchen mit dem Staubtuch&period; Reiche mir das einmal her&period; Ach&comma; nun hast du das Körbchen mitsamt dem Nagel aus der Wand gerissen&semi; er hält schwer&comma; ich weiß es&period; Das muß gleich wieder gut gemacht werden&period; Siehst du&comma; so mußt du jeden Tag abstauben&period; Du wirst nicht wollen&comma; daß dein Lehrherr deinetwegen bei der Inspektion getadelt wird&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; nein&comma;« versicherte Hermann eifrig&comma; »ich habe nur davon gar keine Ahnung gehabt&period;« »Nun komm mit herunter&comma; ich zeige dir&comma; wo der Hammer ist und die Nagelkiste&comma; dann klopfst du den Nagel wieder ein für das Staubtuchkörbchen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Hermann folgte und kam bald wieder herauf mit dem Werkzeug&period; Der erste Nagel verbog sich in der Wand&comma; auch der zweite wollte nicht halten&period; Frau Mohr hatte recht gehabt&comma; daß er schwer in der Wand halte&period; Dann war es wohl besser&comma; ihn in die Seitenwand der Kommode zu klopfen&comma; im Holz hielt er wohl leichter&period; Hermann wählte einen kräftigen Kloben&comma; der sich nicht so leicht umbiegen konnte&comma; hämmerte ihn fest in das Holz der Kommode hinein und hing dann ganz befriedigt das Staubtuchkörbchen daran&period; Das war nun in Ordnung&period; Hammer und Nägel vergaß er freilich mit herunter zu nehmen&comma; ehe er wieder in die Apotheke zurückging&semi; daheim hatten sechzehn Jahre lang andere für ihn aufgeräumt – in einem Tage lernt sich die Ordnung nicht&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Der nächste Tag war ein Samstag&period; Früher als sonst war Hermann geweckt worden&comma; denn nie ging es so lebhaft zu in der Adlerapotheke wie am Samstag&comma; dem Markttag&period; Hermann wußte es&comma; und freute sich darauf&period; Noch war es dämmerig&comma; als er durch die großen Fensterscheiben der Apotheke auf den Markt sah&period; Der große Platz war leer und still&comma; nur das Wasser im Marktbrunnen plätscherte und auf dem Kirchturm gegenüber schlug es fünf Uhr&period; In der Apotheke wurde der Boden aufgewaschen&period; Im Laboratorium wurde im Vorrat allerlei gekocht und gebraut und in der Stoßkammer nebenan mußte im großen Mörser fein zu Pulver zermalmt werden&comma; was in harten Brocken hineinkam&period; Und nun mußten gebrauchte Arzneifläschchen in dem Kessel des Laboratoriums gereinigt werden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»So wird es gemacht&comma;« sagte der Prinzipal und zeigte den Kunstgriff&period; Hermann machte sich daran&comma; als er aber die gesäuberten Fläschchen in die Apotheke brachte&comma; in der schon die ersten Kunden standen&comma; und der Apotheker einen Blick auf ihn warf&comma; sagte er leise aber sehr kurz und unfreundlich&colon; »Geh’ hinaus&excl;« Warum&quest; Draußen stand Hermann und besann sich und konnte das unfreundliche »hinaus« nicht verstehen&period; Eine Weile verging&comma; da kam Mohr herein&comma; aber nur auf einen Augenblick&period; »Wie siehst du aus&excl; Du vertreibst mir die Kunden aus der Apotheke&period; Kleide dich um&comma; schnell&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Er war allerdings über und über naß und verschmiert&comma; an den Hemdkragen sogar waren braune Spritzer gekommen&comma; natürlich vom Putzen&period; Er hatte nie gedacht&comma; daß sein eigenes Aussehen nicht ganz gleichgültig sei&period; Höchst verwunderlich kamen ihm diese Anforderungen an Reinlichkeit und Ordnung vor&semi; aber er eilte in seine Kammer hinauf&comma; richtete sich frisch her&comma; warf all das nasse Zeug auf das Bett&comma; um nur möglichst schnell wieder herunter in die Apotheke zu kommen&comma; denn hier ging es nun lebhaft zu&period; Bauern und Bäuerinnen&comma; Köchinnen mit dem Marktkorb am Arm drängten sich&period; Rezepte brachten sie&comma; Dinge verlangten sie&comma; die Hermann nicht einmal dem Namen nach kannte&comma; aber jeder Wunsch konnte befriedigt werden&comma; nirgends versagte die Adlerapotheke&period; Und der Apotheker hätte in dieser Stunde freilich einen besseren Gehilfen haben sollen&comma; als Hermann war&period; Nichts&comma; gar nichts konnte er ihm anvertrauen&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Draußen&comma; auf dem Marktplatz&comma; herrschte lautes Leben&comma; Bauernwagen fuhren an mit Körben voll junger Schweinchen&comma; die ein Geschrei verführten&comma; als ginge es ihnen ans Leben&period; Auch seines Vaters Leiterwagen erkannte Hermann von ferne&comma; Hollwangers Knecht brachte Frucht zu Markte&period; In langen Reihen saßen und standen die Verkäuferinnen mit Tauben und Hühnern&comma; Butter&comma; Eiern&comma; Gemüse und Obst&period; Goldgelb schimmerten die Apfelsinen über den ganzen Platz&comma; auf dem die Frauen mit ihren Markttaschen&comma; die Dienstmädchen mit großen Körben und Netzen sich drängten und schoben&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Hermann&comma; hier&excl;« rief der Apotheker&comma; »einfüllen die Fläschchen&comma; bis sie voll sind&period;« Flink war Hermann bei der Hand&period; Eine Kanne mit kräftig nach Wein duftender Arznei hatte ihm der Apotheker in die Hand gegeben&comma; einen Trichter&comma; dazu zwei leere Fläschchen&period; Hermann steckte den Trichter in das erste Fläschchen und goß rasch hinein&period; »Es läuft über&comma; junger Herr&comma; es läuft über&comma;« rief eine Frau&comma; die wartend dastand und ihm zugesehen hatte&period; Rasch stellte Hermann die Kanne ab&comma; nahm den Trichter weg&comma; ringsum floß der schöne Wein&period; Die gefällige Frau machte Miene&comma; zu Hilfe zu kommen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Bitte&comma; bemühen Sie sich nicht&comma;« sagte der Apotheker&comma; besorgte selbst das Geschäft und Hermann flüsterte er zu&colon; »Nimm deine nasse Manschette ab&period;« Die weiße Manschette hatte einen dunkelroten Flecken&semi; wieder sprang Hermann in sein Zimmerchen hinauf&comma; warf die Manschette zu den übrigen verunglückten Kleidungsstücken und erschien in der Apotheke wieder mit frischen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Gegen Mittag leerte sich die Apotheke&semi; draußen auf dem Markt waren nicht mehr die Köchinnen in den weißen Schürzen zu sehen&comma; sie standen wohl alle in ihren Küchen und bereiteten zu&comma; was sie eingekauft hatten&period; Die Marktweiber saßen ruhig in ihren Ständen und verzehrten das Essen&comma; das ihnen in irdenen Töpfen gebracht worden war&semi; manche Wagen waren schon abgefahren&comma; andere standen vor den Wirtschaften&comma; in denen ihre Besitzer am Mittagstisch saßen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Um 1 Uhr war die Apotheke leer&period; Jetzt durfte auch droben im Eßzimmer die Frau Apotheker ihr Essen auftragen&comma; um diese Zeit war es am ruhigsten in der Apotheke&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Schließe die Türe und wische den Tisch ab&comma; Hermann&comma; und dann komme nach zum Essen&comma;« sagte Mohr und ging voraus&period; Droben nahm er seine Frau beiseite&period; »Laß die Suppe noch draußen&comma;« sagte er&comma; »ich muß erst noch etwas mit dir reden&period; Ich meine&comma; es ist am besten&comma; ich schicke den Jungen gleich heute wieder fort&comma; denn brauchen kann ich ihn doch nicht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»War er wieder so ungeschickt&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Freilich&comma; die Kunden wollten ihm zu Hilfe kommen&comma; er kann kein Fläschchen füllen&comma; er kann kein Pulver einwickeln&comma; er verschmiert seine Kleider – –«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; das brauchst du mir gar nicht zu erzählen&comma;« sagte Frau Mohr&comma; »sein nasses Zeug habe ich wohl gesehen&comma; auf den frischen&comma; weißen Bettüberwurf hat er es hingeworfen&comma; obwohl ich ihm gerade die Ordnung ans Herz gelegt hatte&period; Und was ich dir nicht sagen wollte&comma; um dich beim Essen nicht aufzuregen&comma; jetzt muß ich dir’s doch sagen&colon; einen eisernen Kloben hat er in die polierte Kommode geschlagen&comma; du weißt doch&comma; die alte Kommode mit den Messingknöpfen&quest; Einen dicken eisernen Kloben und daran hat er das Staubtuchkörbchen gehängt&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das ist stark&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das ist einfach barbarisch&excl; Die Kommode – –«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nun lasse nur die Kommode&comma; wir wollen rasch das Notwendige besprechen&period; Es ist nämlich drüben auf dem Markt des Hollwangers Knecht mit dem Wagen&comma; der könnte gleich Hermanns Koffer aufladen und Hermann selbst könnte mit heimfahren&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Hast du es dem Jungen schon gesagt&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma;« sagte Mohr&comma; »er tut mir leid und es wird mir schwer&comma; es ihm zu sagen&semi; aber zum Apotheker ist er entschieden unbrauchbar&comma; könnte mir die größten Unannehmlichkeiten machen&period; Darum ist’s am besten&comma; man schickt ihn gleich fort&comma; daß er keine Zeit verliert&comma; andere Schritte zu tun&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber den Eltern müßtest du schreiben&comma; daß er keinen schlechten Streich gemacht hat&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Freilich&comma; ich kann ihm ja das beste Lob geben&comma; ich werde schreiben&comma; daß er gescheit ist&semi; sie sollen ihn einen Professor werden lassen&semi; auch sein eifriges und freundliches Wesen&comma; das alles kann ich ihm bezeugen&comma; nur gerade zu dem Beruf ist er zu ungeschickt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>In diesem Augenblick kam Hermann eiligst herauf&period; »Es ist ein Mädchen da&comma; wollte ein Stück Glycerinseife um zehn Pfennige&period; Ich hätte es ihr gern gegeben&comma; aber weil Sie mir gesagt haben&comma; ich solle gar nichts abgeben&comma; so fragte ich sie&comma; ob sie ein wenig warten könne&period; Da sagte sie&comma; sie könne die Kleinigkeit auch in der neuen Apotheke mitnehmen&semi; aber das wollte ich doch nicht&comma; sie soll nur der Adlerapotheke treu bleiben&period; Darf ich ihr von der Glycerinseife geben&comma; die vorn liegt im Glaskasten&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; das kannst du hergeben&period;« Wie der Wind war Hermann verschwunden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Apotheker und seine Frau sahen sich an&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Er ist so liebenswürdig in seinem Eifer&comma;« sagte die Frau&comma; »er tut mir zu leid&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; ein prächtiger Mensch&comma; und wie klug&comma; daß er gleich an die Kundschaft denkt&semi; aber fort muß er doch&comma; er ist keine Hilfe für mich&comma; im Gegenteil&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich gehe hinaus&comma; wenn du es ihm sagst&comma; ich mag gar nicht dabei sein&comma;« sagte Frau Mohr&period; Kurz darauf kam Hermann wieder&comma; die Suppe wurde aufgetragen&comma; aber kein harmloses Tischgespräch würzte die Mahlzeit&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Hermann allein war unbefangen&period; »Das werde ich mir merken&comma;« sagte er&comma; »daß ein Stück Glycerinseife das erste war&comma; das ich verkauft habe&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Bei sich selbst fügte der Apotheker hinzu »und das letzte«&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Neulich habe ich gelesen&comma;« plauderte Hermann weiter&comma; »daß man das Glycerin zu Dynamit und zu andern Sprengstoffen verwendet&period; Da wundert man sich ganz&comma; wenn man’s auch zu einem so unschuldigen Stückchen Seife gebraucht&period; Das Glycerin muß ein feiner Stoff sein&comma; nicht wahr&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma;« sagte Herr Mohr einsilbig&comma; ihm tat es jetzt nur weh&comma; die Berufsfreudigkeit seines Lehrlings zu sehen&comma; der nach dem Essen aufhören sollte&comma; Lehrling zu sein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Kaum hatte Hermann den letzten Bissen zu sich genommen&comma; so sprang er auf&comma; wieder in das Geschäft zu gehen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Komm ein wenig mit mir herein&comma; Hermann&comma;« sagte Mohr&comma; ging voraus in den kleinen&comma; neben dem Eßzimmer liegenden Empfangsraum und machte die Türe zu&period; »Ich wollte dir sagen&comma; Hermann&comma; daß ich es doch besser für dich finde&comma; wenn du nicht Apotheker wirst&comma; sondern Naturwissenschaften studierst&comma; auf die Universität gehst und Chemiker und vielleicht Professor wirst&comma; was ja eine viel angesehenere Stellung ist&comma; als die des Apothekers&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; nein&comma;« sagte Hermann ganz ahnungslos&comma; was damit gemeint war&semi; »ich will viel lieber Apotheker werden&period; Ich weiß wohl&comma; daß es höhere Stellungen gibt&comma; aber mir ist eine Apotheke das liebste&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das mag sein&comma;« entgegnete Herr Mohr&comma; »aber jeder Mensch muß sich den Beruf wählen&comma; zu dem er geschickt ist&comma; und an der Geschicklichkeit zum Apotheker fehlt es dir&period; Hast du das nicht selbst schon gemerkt&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Freilich&comma; aber ich bin doch erst ein paar Tage Lehrling und muß es drei Jahre bleiben&comma; in so langer Zeit werde ich das schon lernen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Hermann&comma; es tut mir leid&comma; daß ich es dir sagen muß – ich kann dich nicht als Lehrling behalten&comma; denn ich brauche einen geschickten Jungen&comma; der mir von der ersten Woche an helfen kann&period; Um’s kurz zu machen&comma; kehre du heute abend nach Hause zurück und besprich es mit deinem Vater&comma; daß ich dir dringend zu einem andern Berufe rate&period; Euer Knecht ist wohl noch nicht heimgefahren&comma; er kann den Koffer mitnehmen&period; Es ist mir leid&comma; Hermann&comma; ich hätte dich sehr gern behalten&comma; ich habe dich lieb gewonnen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Hermann war blaß geworden vor Schrecken bei diesen Worten&period; Ganz starr sah er auf den Mann&comma; der so zu ihm redete&period; Als er aber deutlich wahrnahm&comma; daß dem Apotheker die Sache selbst zu Herzen ging&comma; da faßte er Mut und sagte&colon; »Wollen Sie nicht wenigstens einen Monat zusehen&quest; Ich will mir alle Mühe geben&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wenn ich noch einen weiteren Gehilfen hätte&comma; ginge es vielleicht&semi; aber ich bin auf meinen Lehrling angewiesen&comma; und wenn in einer Apotheke so viel ungeschickte Sachen gemacht werden&comma; so spricht sich das herum im Städtchen und die Leute verlieren das Vertrauen&period; Das schadet der Apotheke&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja dann&comma;« sagte Hermann&comma; »dann muß ich freilich gehen&comma; schaden möchte ich nicht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Als Hermann ganz verstört aus dem Zimmer trat&comma; redete ihn die Frau Apotheker an&colon; »Sei nur getrost&comma; mein Junge&comma; du kannst es noch viel weiter bringen als zum Apotheker&period; Das ist kein so schöner Beruf wie du meinst&period; Ich sage dir&colon; der Apotheker steht immer mit einem Fuß im Zuchthaus&period; Ein Versehen von ihm oder von seinem Gehilfen&comma; es kommt Gift in die Arznei&comma; es kostet ein Menschenleben und der Apotheker muß es im Kerker büßen&period; Ich habe dich sehr gern&comma; Hermann&comma; ich will es dir gar nicht nachtragen&comma; daß du mir einen Kloben in die polierte Kommode meiner Urgroßmutter geschlagen hast&comma; obwohl es mir leid ist um das schöne Möbel&semi; auch der weiße Bettüberwurf hat einen Flecken&comma; aber er geht wieder heraus&comma; der Kaffeeflecken ist auch wieder herausgegangen aus der Tischdecke und du wirst auch wieder fröhlich werden&comma; nimm es nur nicht so schwer&comma; lieber Junge&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Hermann ging langsam die Treppe hinauf in sein Zimmer und packte den Koffer&period; Er war wie im Traum&period; Mit dem Fuhrwerk seines Vaters wollte er nicht heimfahren&comma; er wollte allein und zu Fuß gehen&comma; den Koffer konnte der Knecht später holen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Kaum eine Stunde nach dem Gespräch verließ er unter den freundlichsten Wünschen von Herrn und Frau Mohr die Apotheke&period; Er hob den Kopf nicht nach dem schwarzen Adler der Apotheke&comma; zu dem er vor ein paar Tagen so hoffnungsvoll aufgeblickt hatte&semi; mit gesenktem Haupt ging er über den Markt durch die Straßen der Altstadt hinaus auf die einsame Landstraße&comma; seinem Dorfe zu&period; Und als er niemand mehr sah und ganz allein in Gottes freier Natur war&comma; da verlor er die Fassung und weinte bittere Tränen der schmerzlichsten Enttäuschung&period; Zum erstenmal in seinem Leben hatte er eine bittere Erfahrung gemacht&period; Bisher war er als ein guter Sohn liebevoller Eltern&comma; als ein eifriger Schüler freundlicher Lehrer ohne jegliche Anfechtung seinen Weg gegangen&period; Heute hatte ihm das Leben den ersten Schmerz gebracht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als Hermann am heimatlichen Hof ankam&comma; sah er von ferne seine Eltern auf den Stall zugehen&period; Jetzt kam ihm die Erinnerung&comma; daß ein Kälblein an dem Tag zur Welt gekommen war&comma; wo er mit seinem Vater in die Stadt gefahren war&period; Er konnte es kaum glauben&comma; daß das erst drei Tage her war&comma; und doch mußte es so sein&period; Er ging nach dem Stall&comma; sie standen beide bei dem Kälbchen&comma; Vater und Mutter&semi; und nun&comma; als helles Licht durch die Stalltüre hereinfiel&comma; sahen sie auf&comma; und wie aus einem Mund riefen sie&colon; »Hermann&comma; du kommst&quest;« und nach einem weiteren Blick auf ihren Sohn fügte die Mutter hinzu&colon; »Gelt&comma; du bist krank&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma;« sagte Hermann und versuchte zu lächeln&comma; aber es war ein schmerzliches Lächeln&comma; »nein&comma; krank bin ich nicht&comma; aber es ist aus mit der Apotheke&comma; Herr Mohr meint&comma; ich solle lieber etwas anderes werden&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Was hat’s gegeben&comma; Hermann&quest;« fragte der Vater und sah ihn scharf an&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Gar nichts Besonderes&comma; nur so allerlei Ungeschicktes ist mir begegnet&comma; und deshalb sagte der Prinzipal&comma; ich passe nicht zum Apotheker&comma; und das ist auch wahr&comma; nichts kann ich&comma; gar nichts&semi; alles&comma; was ich nur anrühre&comma; fällt um&comma; und was ich machen will&comma; taugt nichts&comma; meine dummen&comma; dummen Hände&comma; abhauen hätte ich sie mir mögen&excl;« rief er und mit aller Gewalt schlug er sie an die hölzerne Krippe&comma; daß ihm der Schmerz das Gesicht verzog und das Kälblein erschreckt zusammenfuhr&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Geh&comma; sei doch vernünftig&comma; Hermann&comma; komm ins Haus und erzähle genau wie alles gewesen ist&comma;« sagte der Vater&period; »Haben sie dich einfach fortgeschickt&comma; aus dem Haus gejagt&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So kann man nicht sagen&comma; freundlich waren sie&period; Aber was hilft mich das&comma; ich kann eben kein Apotheker werden&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Droben im Zimmer berichtete er mit aller Offenheit&comma; und kurz darauf brachte der Knecht zugleich mit dem Koffer einen Brief vom Apotheker&comma; der sich in aufrichtigen und freundlichen Worten über Hermann aussprach und den dringenden Rat gab&comma; ihn auf die Universität zu schicken&comma; er habe die nötigen Gaben&comma; um eine Zierde der Wissenschaft zu werden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Diese »Zierde der Wissenschaft« eröffnete eine schöne Aussicht und versöhnte einigermaßen die gekränkten Eltern&period; »Es ist ja wahr&comma;« sagte Hollwanger&comma; »diese Laufbahn ist noch viel ehrenvoller&comma; ein Apotheker ist nicht das Höchste&comma; aber nun hat man gemeint&comma; mit dem Hermann sei alles im schönsten Fahrwasser&semi; statt dessen steht er da und ich darf anfangen zu schreiben und zu laufen&comma; daß ich ihn unterbringe&comma; und das gerade im Frühjahr&comma; wo ich jede Stunde draußen sein sollte&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Mutter&comma;« sagte abends Hermann&comma; »ist denn das so etwas Arges&comma; wenn man in eine Kommode einen Kloben schlägt&quest; Wäre dir das nicht ganz einerlei&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; Hermann&comma; das ist etwas Arges&semi; wie du darauf gekommen bist&comma; kann ich nicht begreifen&period; Aber wer weiß&comma; wenn du einen schönen Schinken mitgebracht hättest&comma; so wär’s vielleicht doch anders gekommen&comma; die Frau Apotheker hätte dann eins ins andere gerechnet und ein gutes Wort für dich bei ihrem Mann eingelegt&period; Das sage ich dir&comma; Hermann&comma; wenn du auf die Universität kommst&comma; ohne Schinken für den Professor lasse ich dich nicht fort&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>In den nächsten Tagen wurde manchmal über Hermanns Zukunft gesprochen&comma; was er studieren könnte und ob man ihn zunächst auf das Obergymnasium schicken sollte&period; Hermann sprach nicht mit&comma; und wenn er gefragt wurde&comma; so war ein freudloses&colon; »Wie ihr wollt« seine Antwort&period; »Der Bub’ ist ganz verwettert&comma;« sagte der Vater&comma; »es ist nicht recht gewesen vom Apotheker&comma; er hätte erst ein paar Wochen Geduld haben sollen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; das meine ich wahrhaftig auch&comma;« sagte die Mutter&comma; und sie grollten dem Manne&period; Am meisten war die Schwester über die Behandlung des Bruders gekränkt&comma; denn für sie war er der Inbegriff des Guten und Gelehrten&period; Und sie allein ließ sich auch nicht trösten durch die Aussicht&comma; daß es ihr Bruder auf der Universität noch viel weiter bringen könnte&period; »Er hat sich doch aber eine Apotheke gewünscht und nichts anderes&comma;« war ihre Entgegnung&period;<&sol;p>&NewLine;<p>So war fast eine Woche vergangen&comma; den nächsten Sonntag wollte Hollwanger benützen&comma; um wegen seines Sohnes einen Brief zu schreiben&period; Da erschien am Samstag morgen Hermann wieder mit seinem früheren fröhlichen Gesicht&semi; und als der Vater in früher Stunde sich auf den Weg machte&comma; nach den Arbeiten draußen zu sehen&comma; ging er mit ihm&period; »Hast’s jetzt verwunden&quest;« fragte ihn freundlich der Vater&comma; »gelt&comma; wenn auch einmal Sturm und Regen die Frucht niederschlagen&comma; sie steht doch wieder auf&period; Morgen schreiben wir&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Vater&comma; ich möchte dich nur um eins bitten&comma; schicke mich den Sommer noch nicht fort&comma; laß mich noch bis Herbst daheim&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Daheim&quest; wie kommst du mir vor&comma; willst mit zur Feldarbeit&quest; Dann wüßt’ ich nicht&comma; wozu du dein Latein gelernt hast&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; aufs Feld wollt’ ich nicht&comma; bloß daheim bleiben&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Faulenzen&quest; Oder was&quest; Red’ deutsch&comma; Hermann&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich weiß halt schon vorher&comma; daß dir’s gar nicht recht sein wird&comma; Vater&comma; aber einmal muß ich’s ja doch sagen&colon; Für mich allein arbeiten möcht ich&comma; mich den Sommer über einüben&comma; damit ich im Herbst Apotheker werden kann&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Apotheker&quest; Ein hartnäckiger&comma; starrköpfiger Mensch bist du&comma; Hermann&period; Ein zäher&comma; einrissiger Kerl mit deiner verwünschten Apotheke&excl; Hast doch gehört&comma; daß du nicht taugst dazu&comma; hast’s ja selbst gesagt&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Freilich&comma; aber jetzt weiß ich so genau&comma; woran es mir fehlt&comma; Vater&comma; und sieh&comma;« sagte Hermann&comma; und wurde immer wärmer&comma; während er sein Zukunftsbild entwickelte&comma; »sieh&comma; ich könnte mir in meinem Zimmer alles einrichten wie in einer Apotheke&semi; daß ich mit Fläschchen und Pülverchen&comma; mit Wage und Glastrichter und all den zerbrechlichen Dingen umgehen lerne und alles so sauber halte wie in der Apotheke&comma; kein Stäubchen dürft’ mir im ganzen Zimmer sein&period; Von früh bis Nacht wollt’ ich mich einüben&comma; ob nicht doch vielleicht meine Hände geschickt würden&period; Nur bis Herbst&comma; Vater&comma; und wenn mir’s dann nicht gelingt&comma; will ich selbst nicht mehr&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Also versuch’s&comma;« sagte der Vater&comma; »wenn du dich schon ganz vernarrt und verbohrt hast in den Gedanken&comma; daß du Apotheker wirst&comma; so will ich dir das halbe Jahr wohl gönnen&semi; in irgend einer Apotheke in der Hauptstadt werden sie dich dann schon nehmen&comma; es sind nicht alle so ungeduldig wie der Mohr in Neustadt&comma; und ein gutes Lehrgeld kann ich zahlen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Und die Mutter legt einen Schinken dazu&comma;« setzte Hermann fröhlich lachend hinzu und der Vater lachte auch und sagte&colon; »Daß du dir’s nicht einfallen läßt&comma; deine Mutter zu verhöhnen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Bewahre&comma;« sagte Hermann&comma; »das war ja nur Spaß&comma;« und er schlug den Heimweg ein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wenn er nur wieder spaßen kann&comma; der lange Schlingel&comma;« sagte Hollwanger vor sich hin und sah nach dem Sohn zurück&comma; der mit langen Schritten&comma; von neuer Hoffnung belebt&comma; dem Haus zueilte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Am liebsten hätte Hermann in aller Stille sein Wesen getrieben und niemand ins Vertrauen gezogen&comma; aber das ließ sich nicht durchführen&semi; denn es erregte allgemeines Aufsehen im Haus&comma; als der Sohn&comma; der junge studierte Herr&comma; in der Küche erschien und sich einen Putzeimer und Wischtücher ausbat&comma; die er für immer in seinem Zimmer behalten dürfe&semi; als er den Knecht nach einer kleinen Leiter fragte und diese die Treppe hinauftrug in sein Zimmer&period; Bald drang zur Hausfrau das Gerücht&comma; der junge Herr sei heute ganz wunderlich&comma; offenbar habe er sich die Sache mit der Apotheke zu sehr zu Herzen genommen&semi; schwermütig sei er ja schon all die Tage gewesen&comma; durch so etwas sei schon mancher um den Verstand gekommen&period; Frau Hollwanger war mit ihren dienstbaren Geistern in der Waschküche beschäftigt&comma; als dies Gerede zu ihren Ohren kam und sie gewaltig erschreckte&period; Augenblicklich verließ sie die Waschküche und eilte hinauf in das »Bubenzimmer«&comma; wie es im Hause genannt wurde&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als sie die Türe aufmachte&comma; da sah sie ihren Hermann auf der Leiter stehen&comma; vor dem hohen Kleiderschrank&comma; Wassereimer und Putztuch neben sich&period; So hatte sie ihn freilich nie früher gesehen&comma; aber als er ihr jetzt bei ihrem Eintritt das Gesicht zuwandte&comma; sah er so gar nicht verstört und verwirrt aus&comma; blickte sie im Gegenteil hell und freundlich an und lachte über ihr verblüfftes Gesicht&comma; daß ihr alle Sorge verging und nur die Neugierde blieb&period; Die mußte er nun freilich befriedigen und ihr seinen Plan und seine Hoffnung mitteilen&comma; wie er es dem Vater gegenüber getan hatte&period; »Zuerst muß mein Zimmer so sauber werden wie die Apotheke&comma;« sagte er dann&comma; »du glaubst nicht&comma; Mutter&comma; wie dort alles blitzblank ist&comma; kein Stäubchen wird im Haus geduldet&comma; vom Keller bis zur Bodenkammer&comma; alles rein&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Dann will ich dir heute abend die Grete heraufschicken&comma; daß sie dir das macht&comma; laß du das nur bleiben&comma; Hermann&comma; du kannst es doch nicht und machst bloß deine Kleider schmutzig&period;« Aber da geriet Hermann in Eifer&period; »Nein&comma; nein&comma; Mutter&comma; die Grete will ich eben gerade gar nicht&comma; alles will ich selbst tun&comma; sonst bleibe ich ja immer so ungeschickt&period; Das muß ein Apotheker alles können und wegen meiner Kleider sorge dich nur nicht&semi; die müssen auch immer rein gehalten sein&comma; ich nehme mich schon in acht und Flecken mache ich selbst heraus&period; Aber einiges muß ich mir anschaffen&comma; Mutter&comma; eine Wage brauche ich&comma; wie man sie in den Apotheken hat&semi; und ein paar Kolben und Glastrichter und einen Mörser&comma; gelt&comma; das darf ich mir kaufen&quest; Und meinen Bücherständer darf ich ableeren&comma; damit ich Platz bekomme für Gläser und dergl&period;&comma; Bücher brauche ich nicht&comma; die packe ich alle zusammen in eine Kiste in der Bodenkammer&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die Mutter ließ ihren Sohn gewähren&period; Sie hatte jetzt&comma; im Frühjahr&comma; Arbeit in Fülle&comma; da war es nur bequem&comma; daß für Hermann nichts getan werden mußte&period; So durfte er unbehelligt in seiner Stube sein Wesen treiben&period; Helene war die einzige nähere Vertraute bei Hermanns Arbeit&semi; sobald sie nur aus der Schule kam&comma; war sie bei dem Bruder und nicht nur als müßige Zuschauerin&period; Sie hatte bald das Ideal der Reinlichkeit erfaßt&comma; das Hermann anstrebte&period; »Du mußt denken&comma; du seiest der Inspektor&comma; der die Apotheke besichtigt&comma;« sagte der Bruder zur Schwester&comma; du mußt überall mit den Fingern prüfen&comma; ob du irgendwo Staub findest&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Anfangs fand sie keinen&comma; aber allmählich wurde ihr Auge schärfer&period; »Hermann&comma; an der Türleiste ist Staub&comma; sieh her&comma;« sagte sie und zeigte die grauen Spuren am Finger&period; Das war ein ernster Fall&period; Die Türe wurde von da an aufgenommen unter die abzustaubenden Gegenstände&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Wenn die Ordnung tadellos erschien&comma; dann machte sich Hermann an die Arbeit&period; Da saß er an seinem Tisch und wickelte Pülverchen ein – Sandkörnchen waren es – die in die vorschriftsmäßigen Pulverpapierchen gepackt wurden&period; »Das muß ich auch versuchen&comma;« sagte die Schwester&comma; und gleich das erstemal brachte sie es glücklicher zustande als der Bruder&period; Er war bekümmert darüber&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Das kommt bloß davon&comma; daß du den Daumen so dumm hinausstreckst&comma; sieh&comma; so kann ich’s auch nicht machen&comma;« und sie ahmte seine Handbewegung nach&period; Hermann war im Winter auf die Hand gefallen&comma; der Daumen war eine zeitlang geschindelt gewesen&comma; seitdem streckte er ihn steif hinaus&period; »Ich weiß nicht&comma; warum er so steif ist&comma;« sagte Hermann&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wir wollen den Merz fragen&comma;« schlug Helene vor&comma; »er weiß&comma; was man da machen muß&period;« Der Merz war der Tierarzt&comma; er war gerade im Stall&period; Die Geschwister kamen zur Beratung&period; Der Tierarzt riet&comma; den Daumen recht viel zu bewegen&comma; er sei nicht steif&semi; es sei nur so eine dumme Gewohnheit&comma; so ein Glied immer noch so zu halten als wäre es krank&comma; die Hunde machten es auch oft so&period; Mit den Hunden wollte sich Hermann nicht gleichstellen lassen&comma; er fing an&comma; seinen Daumen zu bewegen&comma; sogar wenn er bei Tisch saß&comma; konnte man bemerken&comma; wie er den Finger einübte&semi; bald hatte das Glied seine frühere Beweglichkeit wieder erlangt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Trotzdem ging die Arbeit nicht gut von statten und oft legte sich Hermann unglücklich und mutlos zu Bett am Schlusse eines Tages&comma; den er ganz der Übung jener Handgriffe gewidmet hatte&comma; die seine Schwester mit Leichtigkeit ausführte&period; Helene war es auch&comma; die ihm Gläser und Arzneifläschchen herbeischaffte&comma; von denen er gar nicht genug bekommen konnte&period; Sie durften alt und fleckig sein&comma; denn Hermann wollte sie selbst reinigen&period; Und dann wurden sie durch den Glastrichter mit Salzwasser gefüllt&comma; kein Tropfen sollte daneben gehen&period; Dann kam das Zubinden&period; War das schön gelungen&comma; so wurden sie auf den Bücherständer gestellt&semi; waren sie nicht tadellos&comma; so wurden sie wieder und wieder aufgebunden&period; Allmählich ging das doch besser&comma; eine schöne Reihe von Fläschchen stand schon auf dem Fachwerk&period; Oben auf den hohen Schrank hatte er große&comma; schwere Glaskolben mit Wasser gestellt und wenn seine Finger müde waren vom Einwickeln der Pülverchen&comma; dann kam zur Erholung die Übung&comma; die Leiter hinauf und hinunter zu steigen&comma; mit den schweren Kolben in der Hand&period;<&sol;p>&NewLine;<p>So verbrachte er mit Ordnen und Reinigen&comma; mit Abwiegen und Einfüllen&comma; mit Pulvereinwickeln und Zubinden einen Tag um den andern&semi; und endlich&comma; im dritten Monat&comma; kam Helene&comma; wenn sie um die Wette arbeiteten&comma; ihm in der Geschwindigkeit nicht mehr nach&semi; er fing an zu hoffen&comma; daß sein Streben von Erfolg sein werde&comma; und wurde immer eifriger&period;<&sol;p>&NewLine;<p>In einer Nacht hörte der Vater&comma; der unter ihm schlief&comma; um ein Uhr Schritte in Hermanns Zimmer&period; Schon seit längerer Zeit hatte er sich nicht mehr um seines Sohnes Treiben gekümmert&comma; nun&comma; in der schwarzen Stimmung&comma; die uns nachts leicht überkommt&comma; wurde er unruhig&period; Was mochte Hermann im Schlaf stören&quest; Was trieb ihn&comma; hin und her zu gehen&quest; Leise erhob er sich&comma; der Sache mußte er auf die Spur kommen&period; Wie er vorsichtig die Treppe hinaufstieg&comma; war dem großen Mann ganz ängstlich zu Mute&comma; was würde er wohl finden&comma; wenn er nun die Türe aufmachte&quest; In der Ordnung war nur&comma; Schlafen zwischen ein und zwei Uhr nachts&period; Nun stand er vor dem »Bubenzimmer«&period; Er klinkte die Türe auf&comma; verschlossen war sie nicht&period; Hermann stand&comma; leicht angekleidet&comma; an seinem Tisch und füllte ein Arzneigläschen ein&period; »Vater&comma; du bist’s&quest;« sagte er&period; »Ich bin ganz erschrocken&comma; wie so unverhofft meine Tür aufgegangen ist&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Was machst du&comma; Hermann&quest; Bist du ein Nachtwandler&comma; oder bist du nicht recht bei Trost&quest; Weißt du&comma; wieviel Uhr es ist&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; da ist mein Wecker&comma; ein Uhr ist’s vorbei&period; Ich bin ganz wach&comma; Vater&comma; und lege mich gleich wieder&comma; sowie die Arznei fertig ist&period; Ich muß aber hie und da auch nachts etwas machen&comma; weil das öfter vorkommt in der Apotheke&semi; und das will auch gelernt sein&comma; hat Herr Mohr gesagt&comma; aber sieh&comma; ich bin gleich fertig&period;« Und Hermann füllte sein Fläschchen&comma; band es mit großer Ruhe zu und sagte&colon; »Heute war ich schon nicht mehr so schlaftrunken wie die ersten Male&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Hermann&comma; alles was recht ist&comma; aber bei Nacht muß Ruhe sein&comma; so etwas kann ich nicht haben&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nur hie und da&comma; Vater&comma; wenn ich recht leise bin&comma; daß niemand aufwacht&comma;« sagte Hermann bittend&comma; »sieh jetzt bin ich schon fertig&comma; muß nur wieder aufräumen&period;« Das Kölbchen kam zu der stattlichen Reihe&comma; die schon das zweite Fach des Gestells füllte&period; Alles in dem kleinen Reich sah wunderlich&comma; aber tadellos geordnet aus&period; Ein paar Minuten später lag Hermann schon wieder im Bett&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Getroster als er heraufgekommen war&comma; ging Hollwanger die Treppe hinunter&period; »Dem ist’s ernst&comma;« sagte er vor sich hin&comma; »dem ist’s bitter ernst&comma; der wird Apotheker&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der Frühling war vergangen&comma; der Sommer kam mit all der Arbeit&comma; die er auf dem großen Bauernhof bringt&period; Kaum etwas davon drang in Hermanns Zimmer&period; Rastlos gewissenhaft und unermüdlich verbrachte er einen Tag wie den andern und mühte sich ab&comma; um die Geschicklichkeit zu erwerben&comma; die manchem andern schon in die Wiege gelegt wird&period; Er arbeitete jetzt nach der Uhr&comma; die vor ihm hing&period; Hatte er im ersten Monat in der Viertelstunde zwei Pulver abgewogen oder eingewickelt&comma; zwei Fläschchen gefüllt und zugebunden&comma; so waren es im zweiten Monat schon vier und im dritten und vierten noch mehr und jetzt im fünften und letzten Monat ging es ihm von der Hand&comma; daß es ein Spaß war zuzusehen&period; Und sie lagen alle säuberlich in Dutzenden zusammengebunden&comma; die weißen Päckchen&comma; ein großer Kasten voll und sie standen in ungezählten Mengen nebeneinander&comma; die kleinen Fläschchen&period; Warum er sie aufhob&comma; das verstand niemand&semi; der Sand im Pulverpapier&comma; das Wasser im Arzneiglas hatten doch keinen Wert&quest;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ein klein wenig Verrücktheit ist doch dabei&comma;« dachte im stillen sorglich die Mutter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der September neigte seinem Ende zu&period; Die strengste Arbeit auf den Feldern war getan&period; Der Landwirt konnte befriedigt zurückblicken auf die Arbeit des Sommers&period; Ein stiller Sonntagnachmittag&comma; an dem der Regen gleichmäßig herunterrieselte&comma; bannte die Familie ins Zimmer&period; Hollwanger saß mit den Seinigen um den Tisch&comma; er hatte den Kalender vor sich liegen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nun&comma; Hermann&comma; wie steht’s jetzt eigentlich mit dir&quest; Der Sommer wäre vorbei&period; Länger kann’s bei dir so nicht weiter gehen&comma; höchste Zeit&comma; daß etwas geschieht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Auf ersten Oktober&comma; Vater&comma; habe ich gedacht&comma; wäre ich so weit&comma; daß ich mich als Lehrling antragen könnte&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; und darum will ich heute noch an den Onkel schreiben in der Hauptstadt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Hermann schwieg&semi; man konnte ihm leicht anmerken&comma; daß ihm der Vorschlag nicht recht war&period; »Nun&comma; was gibt’s&quest; Paßt dir’s wieder nicht&quest; Du wirst nach und nach ein wunderlicher Kauz&comma; was ist denn wieder nicht recht&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da kam es zögernd heraus&colon; »Ich möchte wieder in die Adlerapotheke&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber hör&excl;« rief die Mutter ganz vorwurfsvoll&comma; »zu dem Mann&comma; der dich so schnöd aus dem Haus gejagt hat&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&excl;« sagte der Vater&comma; »zu dem gehe ich nicht&period;« Helene sah ängstlich zum Bruder auf&comma; wie würde das weiter gehen&quest; Sie hatte ja schon lange gesagt&colon; »Die Eltern sind bös auf den Apotheker Mohr und werden’s nicht erlauben&period;« Aber auch Hermann hatte wohl gewußt&comma; daß die Eltern immer noch dem Manne grollten&comma; der ihm das Leid angetan hatte&comma; und er hatte diese Schwierigkeiten kommen sehen&period; Jetzt galt es&comma; einzutreten für seinen Mann&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>»Vater&comma;« sagte er&comma; »fortgejagt hat er mich nicht&comma; freundlich war er bis zuletzt&semi; in aller Liebe hat er mir’s gesagt&comma; daß er mich nicht brauchen könne&comma; und er hat mich auch wirklich nicht brauchen können&comma; ich war zu ungeschickt&period; Ihr glaubt gar nicht&comma; wie das in einer Apotheke jede Stunde zutage kommt&period; Ihm danke ich’s&comma; daß mir die Augen darüber aufgegangen sind&comma; was mir fehlt&comma; und jetzt könnt’ er mich brauchen&period; Und die Adlerapotheke&comma; Vater&comma; das ist eine Apotheke&comma; wie es gewiß nicht viele gibt und musterhaft gehalten&semi; und der Adlerapotheker stammt vom Mohr ab&comma; von einem berühmten Chemiker&comma; und er macht vieles selbst&comma; was andere Apotheker heutzutage nicht mehr machen&period; Er ist ein feiner&comma; gelehrter Mann&comma; bei dem könnt’ ich etwas lernen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Immer wärmer und eifriger hatte Hermann gesprochen&comma; jetzt hielt er inne und sah gespannt auf die Eltern&comma; die beide schwiegen&period; Die Schwester fand&comma; daß der Bruder den besten Grund&comma; der für die Adlerapotheke sprach&comma; gar nicht vorgebracht hatte&comma; und so wagte sie auch ein Wort&colon; »Neustadt ist näher als die Hauptstadt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Über diese Weisheit mußten die Eltern lachen&period; »Ja&comma; Neustadt ist näher&comma;« sagte der Vater&comma; »dagegen läßt sich nicht viel einwenden&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Hermann&comma; glaub’ mir’s&comma;« sprach Frau Hollwanger&comma; »sie nehmen dich dort nicht an&comma; Frau Mohr wird zu ihrem Mann sagen&colon; da kommt wieder der&comma; der in die polierten Möbel Nägel klopft&comma; daß du mir den nicht herein läßt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Überhaupt&comma;« sagte Hollwanger&comma; »werden sie schon einen Lehrling haben&comma; zwei können sie nicht brauchen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; nein&comma; sie haben keinen&comma; einen Provisor haben sie zur Aushilfe&comma; der geht aber bald&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Du weißt’s ja sehr genau&comma; woher denn&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Helene hat ja eine Freundin in der Stadt&comma; die hat ihr immer erzählen müssen&comma; wie es in der Apotheke steht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Damit ist noch lange nicht gesagt&comma; daß sie dich nehmen&period; Hermann&comma; dort frage ich nicht an&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich kann allein hingehen und mit dem Herrn reden&semi; will er mich nicht&comma; so gehe ich gleich wieder heim und wende mich&comma; wohin du willst&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wenn du die Sache ganz allein machen willst&comma; dann in Gottes Namen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber diesmal will ich dir etwas mitgeben&comma; Hermann&comma; daß die Frau Apotheker gut gestimmt wird&comma; Butter oder Eier oder Rauchfleisch&comma; was meinst du&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich glaube&comma; das macht’s nicht aus&comma; Mutter&comma; und ich kann auch gar nichts tragen&period; Ich will all meine Pulver mitnehmen und all meine Fläschchen&comma; die müssen meine Empfehlung sein&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Die Papierchen voll Sand und all die Arzneigläser voll Wasser&quest; Die willst du mitnehmen&quest; O Bub&comma; da wirst du ausgelacht&excl;« sagte die Mutter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Hermann stand betroffen&period; »Deshalb habe ich sie doch gesammelt all die Monate&period; Wenn ich die nicht zeige&comma; weiß ich nicht&comma; warum er mich annehmen sollte&comma; darauf habe ich meine ganze Hoffnung gesetzt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So laß ihn’s mitnehmen&comma;« sagte Hollwanger zu seiner Frau&period; »Jeder hat seine eigene Art&period; Du würdest’s mit Butter und Rauchfleisch probieren&comma; er meint’s mit Pulvern und Gläsern durchzusetzen&comma; er soll’s versuchen&comma; gleich morgen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Mit viel Kopfschütteln und Achselzucken sah Frau Hollwanger am nächsten Tag ihren Sohn »den ganzen Plunder«&comma; wie sie es nannte&comma; in den größten Handkoffer packen&comma; der aufzutreiben war&comma; und ihr Mißtrauen machte Hermann kleinmütig&period; Gestern war er voll guten Muts gewesen&comma; da hatte er die Eltern überredet&comma; heute hätte er das nicht vermocht&period; Aber jetzt gab es kein »zurück«&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Hermann&comma;« sagte Hollwanger&comma; »wenn’s nun fehl schlägt&comma; so nimm’s nicht schwer&semi; bitten und betteln darfst du den Apotheker nicht&comma; du bist eines reichen Landwirts Sohn&comma; hast etwas gelernt&comma; kommst überall an&period;« Er ging und die er daheim ließ&comma; sahen ihm nach&colon; wie wird er wiederkommen&quest;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Himmel war grau&comma; die Straße aufgeweicht vom gestrigen Regen&comma; ein kalter Wind blies&period; »Ungut Wetter heut zum Wandern&excl;« sagte ein Wegmacher&comma; der den Schmutz von der Straße zusammenscharrte&semi; und er sah Hermann nach&comma; der mit seinem Koffer einsam dem Städtchen zuwanderte&comma; zwischen Furcht und Hoffnung schwankend&period;<&sol;p>&NewLine;<p>An der Adlerapotheke war er nie mehr vorbeigekommen&comma; seit er sie im Frühjahr verlassen&comma; er hatte den Ort gemieden&comma; jetzt sah er sie zum erstenmal wieder und blickte nach dem schwarzen Adler&period; »Bist mir diesmal hold&comma; du finsterer Geselle&quest;« fragte er und trat mit Herzklopfen näher&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Unter der halb offenen Ladentüre stand ein junger Herr&comma; das mochte der Provisor sein&semi; mit dem wollte Hermann nichts zu schaffen haben&comma; so ging er nicht die Steinstufen zum Laden hinauf&comma; sondern durch den Seiteneingang ins Haus&period; Auf der Treppe begegnete ihm das Dienstmädchen und erkannte ihn gleich&period; »Die Frau Apotheker ist oben&comma;« sagte sie&comma; führte ihn hinauf in das kleine Besuchzimmer&comma; suchte die Frau Apotheker auf und kündigte ihn an&colon; »Der junge Herr ist da&comma; der einmal ein paar Tage in der Apotheke war&comma; wissen Sie der&comma; der die Blutegel auf mich losgelassen hat&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Was&comma; der läßt sich auch einmal sehen&quest; Das ist recht&comma;« sagte Frau Mohr&comma; während sie ihre Küchenschürze ablegte&comma; und dann kam sie mit freundlichem Gruß zu Hermann&period; »Endlich sieht man Sie einmal&comma;« sagte sie&comma; »immer wollten wir schon wissen&comma; was aus Ihnen geworden ist&period; Sie sind wohl schon im Obergymnasium und reisen nun wieder weg&comma; wie ich am Koffer sehe&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Sie wartete die Antwort auf ihre Fragen nicht ab&period; »Das müssen Sie alles auch meinem Mann erzählen&comma; ich will gleich hinunter und sehen&comma; ob er sich losmachen kann&comma; setzen Sie sich&comma; bitte&comma;« und fort war sie&comma; Hermann allein lassend&period; Dieser nutzte den Augenblick&comma; aber nicht zum Sitzen&period; Jetzt mußte sein »Plunder« wirken&period; Mit raschen&comma; geschickten Bewegungen&comma; wie er sie vor einem halben Jahr noch nicht zur Verfügung gehabt hätte&comma; nahm er vom Tisch den feinen Plüschteppich&comma; faltete ihn&comma; legte ihn sorgsam auf das Sofa&comma; nahm aus seinem Koffer das Kistchen&comma; das gedrückt voll Pülverchen in weißem Papier war&comma; und stürzte sie – es waren wohl viele Hunderte – über den Tisch aus&comma; daß ein hoher Haufe in der Mitte lag&semi; dann behend alle die Massen kleiner verkorkter&comma; mit Papierchen umbundener Arzneifläschchen rings herum&comma; es sah ganz eigenartig aus&period; Den Koffer schnell beiseite&period; Aber was lag denn da noch auf dem Grund&quest; Richtig&comma; doch ein Ballen Butter&excl; Nein&comma; er konnte sich nicht entschließen&comma; ihn heraus zu nehmen&comma; er hörte auch schon den Apotheker mit seiner Frau heraufkommen&period; Hermann ging ihm an die Tür entgegen&comma; und als er wieder in das feine Gesicht des Mannes blickte&comma; der ihn vertrieben hatte&comma; und zu dem es ihn doch unwiderstehlich hinzog&comma; überkam ihn eine große Bewegung&comma; so daß er nicht gleich Worte fand&comma; um des Apothekers herzlichen Gruß zu erwidern&period; Es wurde aber nicht bemerkt&comma; denn mit lauter Verwunderung rief die Frau aus&colon; »Ei du meine Güte&comma; was haben Sie uns denn da mitgebracht&comma; was liegt denn da&quest;« und sie ging auf den Tisch zu&period; Der Apotheker folgte&comma; und nun fühlte Hermann&comma; daß die Erklärung kommen mußte&period; »Es ist nur Plunder&comma;« sagte er bescheiden&comma; »es ist nur Sand und Wasser&period; Ich habe das alles und noch mehr gemacht im letzten Halbjahr zur Übung&comma; damit Sie mich als Lehrling brauchen können&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die Frau Apotheker lachte und sah belustigt auf die Bescherung&semi; aber er&comma; der Apotheker lachte nicht&semi; er sah genau&comma; prüfend und ernsthaft auf das&comma; was vor ihm lag&comma; strich mit der Hand durch den großen Haufen der Pülverchen&comma; nahm ein Fläschchen&comma; band es auf&comma; reichte es Hermann hin und sagte&colon; »Wie haben Sie es gemacht&quest; Ich möchte es sehen&period;« Nun galt es&comma; das Zittern der Aufregung zu überwinden&semi; wenn er jetzt auf dem kleinen freien Raum des glatt polierten Tisches ein Gläslein umwarf oder nicht gleich mit dem Schnürchen zurecht kam&quest; Aber nein&comma; er hatte ja nicht vergeblich gearbeitet&semi; es gelang ihm im Nu&semi; der Apotheker hatte gerade nur Zeit zu beobachten&comma; daß auch der Daumen seine Schuldigkeit tat&period; Ebenso schnell machte er unaufgefordert ein Pulver zusammen&period; Jetzt legte der Apotheker dem jungen Mann die Hand auf die Schulter&comma; und mit einem Ton&comma; bei dem es Hermann warm ums Herz wurde&comma; sagte er&colon; »Hermann&comma; jetzt gehörst du wirklich in die Adlerapotheke&excl;« Da hatte der junge Mann gerade nur zu tun&comma; daß ihm nicht ganz unmännliche Freudentränen in die Augen traten&period; Aber die Rührung wich bald einem solchen Glücksgefühl und einer so übermütigen Fröhlichkeit&comma; daß dem würdigen Herrn und seiner Frau das Herz aufging und sie alle Drei in ungewohnter Heiterkeit beisammen saßen&period; Und wenn Hermann erzählte&comma; wie er hundertmal des Tages die Leiter in seinem Zimmer hinaufgesprungen sei und von dem Schrank seine Wasserkolben heruntergeholt oder abgestaubt habe&comma; wie er nach der Uhr Fläschchen gefüllt habe und auch nachts allwöchentlich seine Übungen vorgenommen habe&comma; da machte sich die kleine Frau lustig über ihn und nannte ihn einen närrischen Kauz und sie lachten miteinander darüber&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Was sagen denn deine Eltern dazu&quest;« fragte der Apotheker&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; sind sie nicht bös auf uns gewesen&quest;« setzte Frau Mohr hinzu&period; Da fiel Hermann der Butterballen ein&semi; jetzt&comma; ja jetzt konnte der seine Dienste leisten&semi; rasch holte er ihn&comma; überreichte ihn der Frau Apotheker und sagte&colon; »Das ist ein Gruß von meiner Mutter&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ah&comma;« sagte diese&comma; »sieh&comma; das freut mich ganz besonders&comma; ich hatte immer das Gefühl&comma; sie sei gekränkt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Draußen hatte es wieder angefangen zu regnen&comma; der Wind schlug die Tropfen gegen die Fensterscheiben&period; Hermann sah nach dem Fenster&period; »Jetzt gehe ich heim&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Jetzt gerade&quest;« fragten sie ihn&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Dem Sturm&comma; dem Regen&comma; dem Wind entgegen&comma;« antwortete Hermann&comma; »da draußen ist’s lustig jetzt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>War’s draußen oder war’s drinnen im Herzen so lustig&quest; »Auf Wiedersehen am ersten Oktober&comma;« sagten sie zueinander&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als sie allein waren&comma; kehrte die Frau Apotheker an den Tisch zurück&comma; an dem ihr Mann sinnend stand und mit Wohlgefallen in den Pülverchen wühlte&period; »Recht geschickt ist er geworden in der kurzen Zeit&comma;« sagte sie&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Geschickt&quest; ja&comma;« antwortete der Apotheker&period; »Geschickt sind manche&period; Aber solchen festen Willen und solche Beharrlichkeit&comma; hast du die schon getroffen&comma; Frau&quest; Damit richtet man Großes aus in der Welt&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So hätte er doch studieren sollen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Laß ihn nur in aller Stille und Bescheidenheit heranreifen in der Apotheke&semi; wenn Gott einen großen Geist in ihn gelegt hat&comma; so bricht der sich Bahn&comma; und ich will ihm helfen und ihn fördern&comma; so gut ich kann&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Fröhlich eilte Hermann seiner Heimat zu&period; Keinem Menschen begegnete er in dem Unwetter&comma; auch der Wegmacher hatte sich geflüchtet&period; Jetzt hatte er sein Dorf&comma; sein Haus erreicht&period; Rascher und lauter als sonst ertönte sein Tritt im Flur des elterlichen Hauses&period; Sie erkannten seinen Schritt nicht&period; »Das ist nicht Hermann&comma; wer kann’s sein&quest; Wer kommt&quest;« fragte die Mutter&comma; als er schon die Zimmertüre öffnete und triumphierend ausrief&colon; »Der Lehrling von der Adlerapotheke&excl;«<&sol;p>

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