Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Das kleine Dummerle und andere Erzählungen
(Agnes Sapper, 1904, empfohlenes Alter: 7 - 14 Jahre)

Mutter und Tochter

<p>Zwischen den stattlichen Bäumen des Schloßgartens wanderte Arm in Arm im Gespräch ein Paar&comma; das die Vorübergehenden wohl für ein Ehepaar hielten&comma; denn der Mann mochte ein Vierziger sein und sie in den Dreißigern stehen&period; Aber doch waren sie erst ein Brautpaar&period; Er&comma; der Direktor Hänlein&comma; ein Witwer&comma; der nach zehnjähriger Ehe seine Frau verloren hatte&semi; und sie die Witwe eines Missionars&comma; der wenige Wochen nach der Verheiratung im fernen Indien gestorben war&period; Im gleichen Jahr war er Witwer und sie Witwe geworden&period; Sie kannten sich aus der Jugendzeit und hatten sich aus weiter Ferne Teilnahme ausgesprochen&comma; aber nie hatten sie sich wieder gesehen in den fünf Jahren des Witwenstandes&period; Der Fabrikdirektor lebte mit seinem einzigen Töchterchen in München&comma; und sie wirkte als Vorsteherin einer Töchterschule in Hannover&period;<&sol;p>&NewLine;<p>In diesen Tagen nun führte eine Versammlung den Direktor für ein paar Tage nach Hannover&period; Dort trafen die beiden sich nach langen Jahren wieder&comma; und heute hatten sie den Entschluß gefaßt&comma; den ferneren Lebensweg gemeinsam zu gehen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Vieles war schon besprochen worden zwischen ihnen und nun sagte die Frau&colon; »Erzähle mir jetzt von deiner Tochter&semi; ich möchte mir ein Bild von ihr machen&period; Vierzehn Jahre ist sie&comma; nicht wahr&comma; und wie sieht sie aus&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nun&comma; wie eben so Mädchen in diesem Alter auszusehen pflegen&comma;« sagte er&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ist sie groß für ihr Alter&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ob sie gerade unter ihren Altersgenossen zu den Großen gehört&comma; weiß ich nicht&comma; ich denke&comma; sie ist mittlerer Größe&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ist sie blond oder dunkel&quest; Sieht sie dir ähnlich oder ihrer Mutter&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Besondere Ähnlichkeit mit ihrer Mutter ist mir nie aufgefallen&period;« Die Braut lächelte&period; »Du erkennst sie aber doch&comma; wenn sie dir auf der Straße begegnet&quest;« fragte sie&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Er ließ sich die Neckerei gefallen&period; »Ich habe keinen Blick für diese Dinge&period; Hätte ich geahnt&comma; daß du ein so scharfes Verhör mit mir anstellst&comma; hätte ich mir Berta noch genauer angesehen&period; Du wirst sie aber bald selbst sehen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber über ihr Wesen möchte ich etwas von dir hören&period;« Da wußte der Vater besser Bescheid&period; »Sie ist gut&comma;« sagte er&comma; »du wirst keine schwere Aufgabe mit ihr haben&semi; die Haushälterinnen&comma; die wir in den letzten Jahren hatten&comma; haben sich nie über sie beklagt&period; Ein wenig zurückhaltend ist sie&comma; etwas scheu und verschlossen gegen Fremde&period; Von ihrem Konfirmandenunterricht war sie sehr ergriffen&comma; und obwohl wir nie davon sprechen&comma; fühle ich doch&comma; daß das&comma; was sie in diesem Unterricht gelernt hat&comma; lebendig in ihr geworden ist&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»O&comma; das ist gut&comma;« sagte die künftige Mutter&comma; »dann finde ich schon den Anknüpfungspunkt mit ihr&period; Wie meinst du&comma; daß sie die Nachricht von unserer baldigen Verheiratung aufnehmen wird&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das weiß ich nicht&period; Über solche Dinge habe ich nie mit ihr gesprochen&period; Aber du weißt ja am besten&comma; wie die Mädchen ihres Alters ungefähr sind&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich meine&comma; sie sind sehr verschieden&comma;« sagte die Frau&comma; »und ich bitte dich&comma; schreibe mir&comma; wie sie deine Mitteilung aufgenommen hat&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma;« sagte der Direktor&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber seine Braut war mit der kurzen Antwort nicht zufrieden&period; »Ich fürchte&comma; du schreibst mir doch nur&colon; ›Sie hat es aufgenommen&comma; wie es eben so Mädchen mit vierzehn Jahren aufzunehmen pflegen&period;‹ Ich möchte es aber genau hören&comma; bitte&comma; auch wenn sie sich unglücklich darüber aussprechen sollte&semi; es kann mich nicht kränken&comma; sie kennt mich ja noch nicht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der Direktor versprach es&period; In glücklicher Stimmung verbrachte er diesen Abend mit seiner Braut&comma; und ehe er sich von ihr trennte&comma; wurde der Hochzeitstag festgesetzt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Direktor hatte in den letzten Jahren kein schönes Familienleben genossen&period; Verschiedene Haushälterinnen hatten sich in seinem Hause abgelöst&semi; die eine konnte nicht lange bleiben&comma; die andere wollte er nicht behalten&period; Zuletzt hatte er gar keine mehr genommen&comma; ein bewährtes Dienstmädchen hatte den Haushalt so notdürftig in Ordnung gehalten&period; Fröhlichen Herzens reiste er nun heim&comma; endlich stand ihm wieder ein glückliches&comma; behagliches Familienleben in Aussicht und seinem Kinde die richtige Leitung&period; Das Dienstmädchen wollte er vor der Hochzeit wechseln&comma; es war zu sehr Herrin im Haus geworden&comma; die zukünftige Hausfrau sollte nicht unter ihm zu leiden haben&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Allerlei Geschäfte erwarteten bei seiner Heimkehr den Direktor&semi; erst nachmittags fand er eine günstige Viertelstunde&comma; um mit seiner Tochter zu sprechen&period; Er pflegte sonst um diese Zeit allein bei einer Tasse Kaffee seine Zeitung zu lesen&period; Heute rief er Berta herbei&period; »Du kannst auch einmal eine Tasse Kaffee mit mir trinken&comma; Berta&comma;« sagte er&comma; »dabei erzähle ich dir von meiner Reise und wir feiern ganz heimlich ein kleines Fest&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Das Mädchen sah ihn groß an&period; »Der Kaffee reicht nur für dich&comma; Vater&comma; und was sollen wir denn feiern&quest;« Dabei setzte sie sich aber doch neben ihn und sah sehr begierig zu ihm auf&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Meine Verlobung mit der Witwe Frau Missionar Gruner&comma;« sagte er und fügte hinzu&colon; »Sie läßt dich grüßen als ihre zukünftige Tochter&semi; im nächsten Monat soll unsere Hochzeit sein&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Berta nahm diese Nachricht sehr ruhig auf&period; »Das ist recht&comma;« sagte sie&comma; »das ist viel gescheiter als die Haushälterinnen&comma; die immer wieder wechseln&comma; die bleibt dann doch&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; das ist zu hoffen&comma;« sagte der Vater&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Welcher ist sie ähnlich von allen&comma; die wir schon gehabt haben&quest;« fragte Berta&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Keiner&semi; du mußt sie dir nicht wie eine Haushälterin denken&comma; sondern wie eine Frau&comma; die dir Mutterliebe entgegenbringt&comma; aber auch Liebe von dir verlangt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»O weh&comma; Vater&comma;« sagte Berta mit komischem Entsetzen&comma; »Liebe habe ich gar keine&period; Weißt du noch die erste Haushälterin&comma; die zärtliche Fräulein Schmidt&comma; die immer wollte&comma; ich sollte sie lieb haben wie ein Kind&comma; und die mich immer küßte&comma; weißt du die noch&quest; Die war mir von allen die Schrecklichste&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Laß doch einmal die Haushälterinnen beiseite&comma;« sagte der Vater ärgerlich&comma; »vollends Fräulein Schmidt&semi; deine künftige Mutter hat auch nicht die Spur von Ähnlichkeit mit ihr&period; Wenn du nicht ein ganz liebeleeres Herz hast&comma; so wirst du der Frau mit Liebe entgegenkommen&comma; die uns ersetzen will&comma; was wir an deiner Mama verloren haben&period;« Berta schwieg&period; Sie besann sich über sich selbst und kam zu dem traurigen Schluß&comma; daß sie wohl in der Tat ein ganz liebeleeres Herz habe&comma; aber sie sprach es nicht aus&period; Und nun erzählte der Direktor seinem Kinde von den früheren Schicksalen der künftigen Mutter&period; Aber als er im besten Erzählen und sie im gespannten Zuhören war&comma; wurden sie unterbrochen&semi; denn Lisette&comma; das Dienstmädchen&comma; kam herein und meldete&comma; daß Luise und Lore&comma; zwei Freundinnen von Berta&comma; gekommen seien&comma; sie zu besuchen&period; Ärgerlich über die Störung sprach der Direktor&colon; »Warum kommen die beiden schon wieder&quest; Sie waren doch erst vor einigen Tagen da&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Mir ist’s selbst nicht recht&comma; daß sie fast täglich kommen und immer so lange bleiben&semi; aber ich kann es doch nicht ändern&comma;« erwiderte Berta und ging hinaus zu den beiden Schulfreundinnen&comma; die ihr in diesem Augenblick sehr ungelegen kamen&period; »Das muß alles anders werden&comma;« sprach der Vater vor sich hin&comma; »es tut not&comma; daß eine Hausfrau für Ordnung in all diesen Dingen sorgt und Bertas Verkehr überwacht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die beiden Mädchen waren inzwischen ins Wohnzimmer geführt worden&comma; wo sie unaufgefordert ihre Hüte ablegten&comma; so daß Berta wohl merken konnte&comma; sie würden so bald nicht wieder gehen&period; Sie hätte jetzt doch so gerne über das nachgedacht&comma; was der Vater ihr mitgeteilt hatte&comma; und hätte ihn noch vieles fragen mögen&period; Unmöglich konnte sie wie sonst lustig mit den Freundinnen plaudern&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Was hast du denn&quest;« fragte Luise endlich&period; »Du bist ja gar nicht wie sonst&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich habe es auch schon bemerkt&comma; was hast du denn&quest;« fragte Lorchen&semi; und nun drängten sich die beiden Mädchen an Berta und fragten und plagten sie so lange&comma; bis sie ihnen endlich mitteilte&comma; was der Vater ihr anvertraut hatte&period; »Nun begreife ich’s&comma; daß du so ernsthaft aussiehst&comma;« sagte Luise&comma; »es wird alles ganz anders werden bei euch&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Du hast’s auch gar so schön gehabt&comma; wie eine kleine Hausfrau&semi;« und Lorchen griff an den silbernen Schlüsselhaken&comma; den Berta an ihrer Schürze trug&period; Er war von ihrer Mama und nach deren Tode hatte ihn Berta sich ausgebeten und einige Schlüssel darangehängt&period; »Die Schlüssel wird sie hergeben müssen&comma; glaubst du nicht&quest;« sagte Lore zu Luise&period; »Natürlich&comma; die wird ihr die Mutter abverlangen&comma;« sagte Luise&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Berta war herzlich froh&comma; als die beiden sich endlich verabschiedeten und sie allein war&period; Sie suchte nach dem Vater&comma; er war inzwischen ausgegangen&semi; sie ging zu Lisette in die Küche&comma; fand diese mit verweinten Augen am Herd stehen und hörte&comma; daß ihr gekündigt worden war&period; Berta war sehr bestürzt&semi; Lisette hatte immer treulich zu ihr gehalten&comma; sie hatten sich lieb gehabt&comma; die beiden&period; Ja&comma; die Freundinnen hatten recht&comma; alles wurde nun anders&period; Berta schlich sich traurig ins Zimmer&comma; schloß den Schreibtisch auf&comma; in dem sie ihr Tagebuch verwahrte&comma; und während sie sonst oft über kleine Erlebnisse ihr Herz darin ausgeschüttet hatte&comma; schrieb sie heute nur die wenigen Worte hinein&colon; »Lisette geht&period; Ich bekomme eine zweite Mutter&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die Braut erhielt an diesem Abend einen getreuen Bericht darüber&comma; wie Berta die Mitteilung aufgenommen habe&period; Sie las ihn aufmerksam und sagte sich dann&colon; »Wenn sich das Kind nur vor meiner Liebe fürchtet&comma; werde ich leicht fertig werden mit ihm&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>In den nächsten Wochen war ein geschäftiges Leben und Treiben im Haus des Direktors&period; Maurer und Tapezierer&comma; Handwerksleute aller Art trieben ihr Wesen&comma; um die ganze Wohnung schön herzustellen&semi; und als sie alle endlich ihr Werk vollendet hatten&comma; begann Lisette das ihrige und reinigte und putzte&comma; bis alles nur so glänzte vor Sauberkeit&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Es soll mir niemand nachsagen&comma; daß ich das Haus nicht ordentlich übergeben habe&comma;« sagte sie und tat ihre Pflicht&comma; obwohl sie wußte&comma; daß sie nicht mehr da sein würde&comma; um den Dank der neuen Hausfrau zu ernten&period; In einem besonderen Stübchen saß eine Kleidermacherin und fertigte für Berta ein weißes Kleid an&comma; duftig und fein wie sie noch nie eines gehabt hatte&period; Eben hatte sie es zur Probe angezogen&comma; da rief der Vater nach ihr&period; »Berta&comma;« sagte er&comma; als sie zu ihm kam&comma; »ich finde den Schlüssel zum Schreibtisch nicht&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Zu meinem Schreibtisch&quest;« fragte Berta und griff nach ihrem Schlüsselbund&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Zu deinem&quest; Nun&comma; zu dem schönen Schreibtisch im Besuchszimmer&comma; der gehört doch nicht dir&excl; Gib einmal den Schlüssel&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Berta reichte ihn dem Vater hin&period; Er öffnete eine Schublade&period; »Die Sachen sind wohl von dir&comma; die müssen natürlich alle heraus&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber Vater&comma; warum denn&quest; Der Schreibtisch gehört doch mir&comma; seit Mama tot ist&comma; und ich habe auch alle die kleinen Fächer und Schubladen voll Andenken und wichtigen Sachen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Die Sachen werden so wichtig nicht sein&comma; du mußt sie jetzt anderswo unterbringen&period; Es versteht sich doch von selbst&semi; wo hat ein Kind wie du solch einen Schreibtisch&excl; Die Mutter wird ihn brauchen&comma; nimm also diese Dinge heraus und sage Lisette&comma; sie solle die Schubladen ausputzen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der Vater ging&comma; Berta aber stand ratlos da&period; Wo sollte sie alles hinräumen und warum mußte sie gerade den Schreibtisch hergeben&comma; in dessen Besitz sie so glücklich und stolz gewesen war&quest; Sie wollte es ja tun&comma; nur sollte man nicht von ihr verlangen&comma; daß sie mit Liebe der Frau entgegensehe&comma; die ihr schon jetzt solche Opfer auferlegte&period; Mit bitterem Unmut nahm sie die Schätze heraus aus den kleinen Fächern und Schubladen&comma; um den Platz frei zu machen für die Mutter&semi; und Lisette&comma; die sie an dieser Arbeit traf&comma; sagte teilnahmsvoll&colon; »Mußt du weichen&quest; Ja&comma; ja&comma; ich muß ja auch den Platz räumen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der Hochzeitstag nahte&comma; Berta sah mit klopfendem Herzen dem Augenblick entgegen&comma; wo sie zum erstenmal die neue Mutter begrüßen sollte&period; »Wenn nur der Vater nicht dabei wäre&comma;« dachte sie im stillen&comma; »ich kann nicht so liebevoll sein wie er möchte&comma; wenn ich mir auch alle Mühe gebe&period;« Vor der Abreise mußte sie von Lisette Abschied nehmen für immer&period; »Wenn du beim fröhlichen Hochzeitsmahle sitzst&comma;« sagte Lisette&comma; »so denke an mich&semi; um zwei Uhr geht der Zug ab&comma; der mich fortbringt von hier&comma;« und Berta versprach unter Tränen&comma; an sie zu denken&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Hochzeit sollte bei Verwandten&comma; nicht weit von München gefeiert werden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Direktor und seine Tochter sprachen nicht viel miteinander auf der Reise&period; Jedes war von seinen eigenen Gedanken hingenommen&semi; aber in dem Augenblick&comma; als sie in den Bahnhof einfuhren&comma; sagte der Vater leise zu seiner Tochter&colon; »Denke daran&comma; daß dir Mutterliebe entgegengebracht wird&comma; und erwidere sie um meinetwillen&period;« Sie nickte&period; Ja&comma; gewiß wollte sie dem Vater heute zuliebe tun&comma; was sie konnte&comma; aber es kam ihr vor&comma; als sei alles leer und kalt in ihrer Brust&comma; keine Spur von Liebe konnte sie empfinden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Verschiedene Hochzeitsgäste waren an der Bahn&semi; sie gingen alle zusammen nach dem Haus&comma; in dem die Braut wohnte&comma; die künftige Mutter&period; Wie im Traum wandelte Berta durch die fremden Straßen&comma; und nun ging es in ein Haus hinein&comma; und der Vater faßte sie an der Hand und sie hörte seine Stimme&colon; »Hier&comma; Berta&comma; ist deine Mutter&period;« Berta sah auf&period; Eine große&comma; stattliche Erscheinung stand vor ihr&comma; streckte ihr die Hand entgegen und begrüßte sie ruhig und mit wenigen&comma; kühlen Worten&period; Kein Kuß&comma; keine Umarmung&comma; gar nichts&comma; was an eine Mutter erinnerte&period; Berta war erstaunt&period; Sie hatte sich das so ganz anders gedacht&period; Eigentlich war es ihr aber eine Erleichterung&period; Sie selbst hatte ja auch keine zärtliche Empfindung&comma; so konnte ihre eigene Zurückhaltung nicht so auffallen&period; Die neue Mutter stellte sie nun einigen Mädchen vor&comma; die auch als Gäste geladen waren&comma; und überließ sie diesen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Erst in der Kirche sah Berta die Mutter wieder und sie mußte immer und immer wieder zu ihr hinüberblicken&period; Sie sah so ernst aus&comma; nicht fröhlich und heiter&comma; wie sich Berta eine Braut vorgestellt hatte&period; Einmal begegneten sich ihre Blicke&period; Schüchtern schlug Berta die Augen nieder vor dem ernsten&comma; forschenden Blick&comma; den sie noch lange auf sich gerichtet fühlte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nach der Trauung versammelte sich die ganze Gesellschaft beim Mahle&comma; und unter der jungen Welt&comma; die Berta umgab&comma; ging es bald sehr heiter und lustig zu&comma; so daß auch sie sich vergaß und mit den andern fröhlich war&period; Schöne Trinksprüche wurden gehalten&comma; von Braut und Bräutigam wurde viel Gutes gerühmt&semi; und alle schienen es ganz gewiß zu wissen&comma; daß auch Mutter und Tochter sich schon von Herzen lieb gewonnen hätten&period; Berta hörte auch etwas von ihren schönen&comma; kastanienbraunen Haaren erwähnen und sah&comma; wie alle Blicke auf sie gerichtet waren&comma; aber genau verstand sie die Worte nicht&comma; denn eben in diesem Augenblick wurden ihre Gedanken abgelenkt&period; Dort&comma; an der Saaltüre war eine große Uhr angebracht und die Zeiger dieser Uhr sagten ihr&comma; daß es jetzt zwei Uhr sei und daß in dieser Stunde ihre Lisette abreise&period; Bertas Fröhlichkeit war mit einem Male dahin&colon; der ganze Abschiedsschmerz erfüllte wieder ihre Seele und sie kam sich wie treulos vor&comma; daß sie ihn ein paar Stunden hatte vergessen können&period; Da wurde sie von ihrem jungen Tischnachbarn angesprochen&colon; »Fräulein&comma; der Trinkspruch gilt ja Ihnen&comma; auf Sie wird angestoßen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da raffte sich Berta zusammen&comma; ergriff ihr Glas&comma; stieß mit allen an&comma; die freundlich zu ihr herkamen&comma; und suchte ein fröhliches Gesicht zu machen&period; Es gelang ihr wohl&comma; die Fremden zu täuschen&comma; auch der Vater schien nichts zu bemerken&comma; als er mit ihr anstieß&period; Aber die Mutter&comma; hatte sie wohl auch keine Ahnung von Bertas trauriger Stimmung&quest; Ihr Blick ruhte beobachtend auf dem Mädchen&comma; das sich ihr schüchtern näherte&comma; und als sie nun zusammentrafen&comma; beugte sie sich zu Berta herab und sagte leise&comma; so daß es keines der Umstehenden hören konnte&colon; »Nur getrost&comma; der Tag wird bald überstanden sein&excl;« Verwirrt schlug Berta die Augen nieder&comma; sie fühlte&comma; daß die Mutter sie durchschaut hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Abend war gekommen&semi; ein Dienstmädchen hatte Berta in das Gaststübchen geleitet&comma; das für sie gerichtet war&comma; und nun hatte sie sich zu Bett gelegt&period; Da ging die Türe auf und die Mutter trat ein&period; Bertas erster Gedanke war&comma; sich schlafend zu stellen&comma; denn sie scheute sich&comma; mit der Mutter allein zu sein&semi; sie hatte sich schon oft vergeblich besonnen&comma; was sie antworten solle&comma; wenn die Mutter sie fragte&colon; »Hast du dich gefreut auf mich&quest; Hast du mich lieb&quest;« Und nun&comma; wenn sie so allein beisammen waren&comma; kamen sicherlich solche Fragen&period; Aber Berta war nicht gewöhnt&comma; sich zu verstellen&semi; und als die Mutter fragte&colon; »Du wachst doch noch&quest;« antwortete Berta »ja« und setzte sich in ihrem Bett auf&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich komme nur wegen deines Haares&comma;« sagte nun die Mutter&comma; »es ist ja ganz offen und wäre morgen so verwirrt&comma; daß dich das Mädchen wohl erbärmlich rupfen würde&comma; wenn sie es dir machen sollte&comma; ich will dir’s noch flechten&semi; rücke nur ein wenig näher her zu mir&comma; so&comma; jetzt wird es ganz gut gehen&period;« Sie nahm die Haarbürste und strich langsam und geduldig durch das lange&comma; verwirrte Haar&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Was hat der Onkel heute in seinem Trinkspruch über dein Haar gesagt&quest; War es nicht&comma; man müßte dich schon lieb haben wegen deines schönen&comma; kastanienbraunen Haares&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; so ungefähr war es&comma;« bestätigte Berta&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nun&comma; das ist doch ein wenig zu viel verlangt&semi; da müßte ich viele Mädchen gern haben&comma; wenn ich alle die lieb hätte&comma; die kastanienbraunes Haar haben&excl;« Berta lachte&period; »Auch sonst&comma;« fuhr die Mutter fort&comma; »ist gar zu viel vom Liebhaben gesprochen worden&period; Wie sollen wir uns denn lieb haben&comma; du und ich&comma; wir kennen uns ja noch gar nicht&period; Aber es kann ja vielleicht einmal so kommen&period; Wenn wir beide Gottes Willen tun&comma; wenn wir beide Gottes Wege gehen&comma; dann können wir uns wohl begegnen&period; Zunächst aber ist es ja noch gar nicht möglich&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Berta wurde es leichter ums Herz bei diesen Worten der Mutter&semi; es kam ihr nun nicht mehr wie ein Unrecht vor&comma; daß sie die Mutter nicht lieb hatte&comma; diese erwartete es ja gar nicht und hatte auch sie nicht lieb&period; Eine Weile war es ganz still im Zimmer&period; »Wie ruhig ist es hier in dem Stübchen&comma; es tut mir ganz wohl nach dem unruhigen Tag unter den vielen Leuten&comma;« fing die Mutter wieder an&period; »Mir ist’s heute schwerer ums Herz gewesen&comma; als die lustigen Hochzeitsgäste geahnt haben&period; Und dir war es auch nicht leicht&comma; ich habe es wohl bemerkt&comma; als der Onkel den Trinkspruch auf dich ausbrachte&period; Nicht wahr&comma; da hattest du traurige Gedanken&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma;« sagte Berta&comma; »da mußte ich an unsere Lisette denken&comma; an unser Mädchen&period; Sie hat zu mir gesagt&colon; denke an mich um zwei Uhr&comma; da reise ich ab&period; Es war aber gerade zwei Uhr auf der Uhr im Saal&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Und da hast du an unsere Lisette gedacht&comma; mitten in der Festfreude&quest; Sieh&comma; das gefällt mir jetzt von dir&period; Hast du sie lieb gehabt&comma; war sie ein gutes Mädchen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»O ja&comma;« rief Berta und fing an&comma; ihre Lisette zu rühmen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Und was waren denn ihre schlechten Eigenschaften&quest;« fragte jetzt die Mutter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Sie hat gar keine gehabt&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So&comma; und ein solch tadelloses Mädchen hat dein Vater gehen lassen&quest; Warum ist sie denn nicht geblieben&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Weil – weil eben –«<&sol;p>&NewLine;<p>»Weil sie eben gegangen ist&comma; nicht wahr&comma;« sagte die Mutter&comma; die den Grund wohl erraten mochte&period; »Aber höre&comma; wie machen wir denn das&comma; können wir sie nicht wieder bekommen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Sie ist bloß zu ihren Eltern gegangen&comma; aber Papa will eine andere&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; ja und diese ist auch schon gedungen&period; Für das nächste Vierteljahr können wir also nichts machen&semi; aber dann – wie meinst du&comma; wenn&period;&period;&period;&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>In diesem Augenblick klopfte jemand an die Türe&period; Die junge Frau wurde gerufen&comma; sie möchte doch kommen&comma; man warte schon lange auf sie&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Schon gut&comma; ich komme gleich&comma; ich habe nur vorher noch häusliche Angelegenheiten mit meiner Tochter zu besprechen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Das Haar war längst geflochten&comma; die Mutter saß auf dem Rand des Bettes&period; »Wie meinst du&comma; wenn wir beide an Weihnachten auf unseren Wunschzettel setzen&comma; daß wir Lisette wieder möchten&quest; Da wird sie uns dein Vater bescheren&comma; meinst du nicht&quest; Das wollen wir uns vornehmen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»O ja&comma;« sagte Berta&comma; ganz beglückt über diese Aussicht&comma; »das ist ein schöner Plan&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nun will ich aber hinübergehen&comma;« sagte die Mutter und stand auf&semi; »morgen werden wir uns nicht mehr lang sehen&comma; dein Vater und ich reisen ja frühzeitig ab&period; Vierzehn Tage soll die Hochzeitsreise dauern und am Tag nach uns sollst auch du heim kommen&period; Du hast es gut&comma; du kommst heim&comma; ich aber komme in ein ganz fremdes Haus und soll mich dort daheim fühlen&period; Ich habe Angst davor und so oft heute die Rede von der glücklichen Braut war&comma; dachte ich&comma; wenn Ihr nur wüßtet&comma; wie es ihr zumute ist&excl; Wenn ich als Erzieherin in eine neue Stelle kam&comma; war mir auch oft ein wenig bange&comma; aber ich sagte mir&comma; wenn dir’s nicht gefällt&comma; gehst du wieder&period; Jetzt aber muß ich bleiben&period; Wenn ich mit deinem Vater heim komme&comma; ist kein Mensch in der Wohnung&comma; der uns empfängt&comma; als das neue Dienstmädchen&semi; in allen Zimmern die dumpfe Luft&comma; die verschlossenen Fensterladen&semi; alles kalt und fremd&period; Hätte ich nicht deinen Vater so lieb&comma; hätte ich mich nie dazu entschlossen&period; Jetzt gute Nacht&comma; Kind&semi; ich gebe dir keinen Gutenachtkuß&comma; ich kann das Küssen nicht leiden bei Menschen&comma; die sich nicht lieb haben&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Gute Nacht&comma; Mutter&comma; ich danke dir für das Flechten&comma;« sagte Berta und reichte der Mutter die Hand&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nun war Berta allein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Wie ganz anders hatte die Mutter mit ihr geredet&comma; als sie es erwartet hatte&excl; Alles sagte sie sich in Gedanken noch einmal vor&period; Daß es auch der Mutter bange vor der Zukunft sein könnte&comma; daran hatte Berta vorher nie gedacht&comma; deshalb hatte die Mutter wohl auch bei der Trauung so ernst ausgesehen&period; Zum erstenmal besann sie sich nicht mehr darüber&comma; ob ihr wohl die Mutter gefiele&comma; sondern ob es der Mutter in der neuen Heimat gefallen würde&comma; und nun war es ihr recht&comma; daß zu Hause alles so schön gerichtet und geputzt worden war&period; Aber bei der Ankunft die dumpfe Luft in den Zimmern und all das&comma; was die Mutter fürchtete&semi; wenn sie nur das ändern könnte&excl; Wenn sie ihr nur einen recht freundlichen Empfang bereiten könnte&excl; Warum lag ihr denn so viel daran&comma; daß es der Mutter gefiele&quest; Berta mußte sich selber darüber wundern&semi; noch vor einer Stunde hatte sie gar nichts für sie empfunden&comma; jetzt aber fühlte sie es deutlich&colon; sie hatte die Mutter lieb gewonnen&semi; und als sie so bei ihr am Bett gesessen war&comma; wie es niemand mehr seit ihrer Mama Tod getan hatte&comma; keine von all den Haushälterinnen&comma; war eine heiße Sehnsucht in ihr erwacht&comma; wieder an einem treuen Mutterherzen zu ruhen&comma; wie in ihren früheren&comma; seligen Kinderjahren&period; Aber sie hatte nicht gewagt&comma; die Hand zu erfassen und die Mutter zu umschlingen&comma; zweimal hatte sie ja deutlich gesagt&comma; daß sie sich nicht lieb hätten&period; Aber eines hatte die Mutter gesagt&colon; sie wollten beide auf Gottes Wegen gehen&comma; dann würden sie sich vielleicht begegnen&period; Das war der Weg&comma; den sie sich seit ihrer Konfirmation vorgezeichnet hatte&semi; ja&comma; den war wohl die Mutter schon lange gewandelt&comma; sie hatte so etwas Sicheres&comma; Vertrauen erweckendes&comma; mit ihr wollte sie gehen&excl;<&sol;p>&NewLine;<p style&equals;"text-align&colon; center&semi;">&ast; &nbsp&semi; &nbsp&semi; &nbsp&semi; &nbsp&semi; &nbsp&semi; &nbsp&semi; &nbsp&semi; &nbsp&semi; &ast;<br&sol;> &ast;<&sol;p>&NewLine;<p>Nicht ohne große Mühe hatte Berta von den Verwandten&comma; bei denen sie die nächsten vierzehn Tage zubrachte&comma; die Erlaubnis erbeten&comma; daß sie einen Tag früher heimreisen und auch dem neuen Dienstmädchen schreiben dürfe&comma; daß es gleichzeitig mit ihr eintreffe&period; Viel Überredungskunst hatte sie anwenden müssen&comma; bis man ihr die Schlüssel der Wohnung anvertraut hatte&period; Endlich hatte sie ihr Ziel erreicht und stand nun mit dem neuen Dienstmädchen in der Wohnung&period; Die Läden waren alle geschlossen&comma; und sofort wurde es Berta klar&comma; was die Mutter mit der dumpfen Luft gemeint hatte&period; »Christine&comma;« sagte sie zu dem Mädchen&comma; »wir wollen alle Fenster weit aufmachen und die Türen offen stehen lassen&comma; daß die dumpfe Luft hinausgeht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Christine war gern bereit&period; Sie zeigte sich willig und eifrig&comma; alles zu tun&comma; was Berta zum Empfang der Herrschaft vorschlug&period; Am Abend erst wurde diese erwartet&period; Mittags machte sich Berta mit Christine auf den Weg&comma; um Blumen zu holen&comma; und sie brachten so große Büsche mit heim&comma; daß sie alle Gläser füllen konnten&comma; die im Hause waren&period; Bekannte des Vaters schickten eine Torte und nun wurde der Teetisch gedeckt und die Torte&comma; mit Blumen umgeben&comma; aufgestellt&period; Es sah nun sehr festlich aus&comma; und von der dumpfen Luft war nichts mehr zu bemerken&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Am Abend zündeten sie alles an&comma; was sie an Lampen und Lichtern in dem Haushalt vorfanden&period; Als zur bestimmten Stunde Bertas Eltern ankamen&comma; bemerkten sie schon auf der Straße&comma; daß alle Fenster ihres Stockwerks hell erleuchtet waren&period; »Ich weiß nicht&comma; wie ich mir das erklären soll&comma;« sprach der Direktor zu seiner jungen Frau&period; »Sicherlich haben uns die Bekannten eine Überraschung bereitet und sich in unserer Wohnung versammelt&semi; offen gestanden ist mir solch ein feierlicher Empfang nicht angenehm&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich bin auch von der Reise etwas müde&comma; und wäre lieber ohne Fremde daheim gewesen an diesem ersten Abend&comma;« sagte seine Frau&comma; »aber wir müssen gute Miene zum bösen Spiel machen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Als sie die Treppe heraufkamen&comma; sahen sie Berta unter der Glastüre stehen&period; »Du bist auch hier&quest;« riefen sie wie aus einem Munde&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; ich wollte euch gerne empfangen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Und wer ist außer dir noch da&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Niemand als das neue Mädchen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So&comma; das ist ja herrlich&comma; ah&excl; und wie gemütlich sieht es hier aus&excl;« rief die Mutter&comma; als sie ins Zimmer trat&period; »Wer hat denn alles so schön mit Blumen geschmückt&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich habe es mit Christine getan&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das ist schön von dir&comma;« sprach der Vater sichtlich erfreut&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma;« sagte die Mutter&comma; »sie ist schon eine brauchbare Haustochter und sie hat ihren Vater lieb&period;« Berta hatte freilich bei all dem mehr an die Mutter gedacht&comma; als an den Vater&semi; aber sie hatte nicht den Mut&comma; davon etwas zu sagen&semi; sie begnügte sich damit&comma; zu sehen&comma; daß es der Mutter gut gefiel in ihrem neuen Heim&comma; in dem sie bald darauf um den Teetisch saßen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als sich Berta an diesem Abend in ihr Zimmerchen zurückzog&comma; war sie sehr gespannt&comma; ob wohl die Mutter heute abend wieder zu ihr ans Bett kommen würde&period; Aber sie kam nicht&comma; so sehr Berta auch im stillen darauf hoffte&comma; so lange sie sich auch abmühte&comma; sich den Schlaf ferne zu halten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Am nächsten Morgen war es Berta ganz merkwürdig zumute&comma; als sie die Mutter als Hausfrau schalten und walten und mit ihrer Hilfe den Kaffeetisch ordnen sah&period; Wie gemütlich war dann auch das Frühstück&excl; Sonst war es bei den Mahlzeiten immer sehr still zugegangen&comma; jetzt aber war der Herr des Hauses heiter und fröhlich dabei&comma; und die Mutter voll Freundlichkeit&period; Sie wußte auch so vielerlei zu erzählen&comma; es war ein ganz anderes Leben als sonst&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Berta konnte es niemandem aussprechen&comma; wie gut ihr die Mutter gefiel&comma; aber ihrem Tagebuch wollte sie es anvertrauen&period; Als Vater und Mutter mit dem Auspacken ihres Reisegepäcks beschäftigt waren&comma; nahm sie das Buch zur Hand und schrieb&colon; »Die Mutter ist jetzt hier&comma; man kann sie mit gar keiner Haushälterin vergleichen&semi; ich habe sie sehr lieb&comma; wenn sie mich nur auch lieb hätte&comma; aber ich glaube es gar nicht bis jetzt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Was schreibst du denn&quest;« fragte in diesem Augenblick die Mutter und trat dicht heran&period; Hastig klappte Berta das Buch zu und errötete über und über&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber Berta&comma; wie unpassend&excl;« rief der Vater&comma; der dies bemerkt hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Darf ich’s denn nicht sehen&quest;« fragte die Mutter&period; »Es ist mein Tagebuch&comma;« antwortete Berta&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Laß doch die Mutter sehen&comma; was du geschrieben hast&excl;« sagte der Vater&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; ich will nicht verlangen&comma; daß sie mich ihr Tagebuch lesen läßt&comma; wenn sie es nicht gerne tut&comma;« sprach die Mutter und fügte freundlich hinzu&colon; »Aber es ist gewiß nichts Schlimmes darin&comma; was du mich nicht lesen lassen möchtest&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Fragend und fast bittend sah die Mutter auf das Mädchen&comma; das in größter Verlegenheit die Augen zu Boden schlug und sich nicht entschließen konnte&comma; das Buch zu öffnen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Das sind Dummheiten&comma;« sagte der Vater ärgerlich&comma; »ich kann solche Tagebücher nicht leiden&comma; was wird da für übertriebenes Zeug hineingeschrieben&excl; Nimm es weg&comma; Berta&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Sie gehorchte&comma; aber sie konnte lange nicht mehr vergnügt werden&period; Sie sagte sich&comma; daß die Mutter notwendig meinen müsse&comma; in dem Tagebuch stehe eine unfreundliche Bemerkung über sie&semi; aber so leid ihr das tat&comma; konnte sie doch die Schüchternheit nicht überwinden&comma; die sie abhielt&comma; der Mutter das Tagebuch zu zeigen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Am Nachmittag sollte Berta zum erstenmal wieder in ihre Schule gehen&period; Sie packte ihre Bücher zusammen&comma; zog ihre Jacke an&comma; nahm den Hut und verabschiedete sich&period; »Was hast du denn da für ein Jäckchen an&quest;« fragte die Mutter&period; »Die Ärmel gehen dir ja kaum mehr über die Ellenbogen herunter und so eng ist es&comma; daß es jeden Augenblick zu platzen droht&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Freilich&comma;« sagte Berta&comma; »meine Freundinnen haben mir es auch alle schon gesagt&semi; aber an Weihnachten und an meinem Geburtstag haben wir immer nicht an die Frühjahrsjacke gedacht&comma; und zwischen der Zeit bekomme ich keine Kleider&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Darüber will ich doch selbst den Vater fragen&comma;« sagte die Frau Direktor und suchte ihren Mann auf&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wie ist es denn mit Bertas Kleidern&quest;« fragte sie&comma; »sie sagt&comma; du werdest ihr durchaus keine Jacke kaufen&period; Ich hätte gar nicht gedacht&comma; daß du dich so eingehend um ihre Kleider kümmerst&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das werde ich dir auch ganz überlassen&semi; aber bisher mußte ich schon Einhalt tun&comma; Lisette hätte nie genug bekommen für Berta&period; Weil ich nun von Mädchenkleidern nichts verstehe&comma; habe ich es ein für alle Male so gehalten&comma; daß ich an Weihnachten und an ihrem Geburtstag all ihre Wünsche erfüllt habe und damit Punktum fürs ganze Jahr&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Dann mag es freilich im Frühjahr und Sommer manchmal knapp ausgesehen haben&period; Ich meine&comma; wir müssen ihr dringend eine Jacke kaufen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Die Zeiten sind gottlob vorbei&comma; in denen ich mich darum kümmern mußte&comma;« sagte der Direktor&period; »Du weißt&comma; was nötig ist&period; Sieh zu&comma; daß Berta so einfach wird wie du und wie auch ihre Mutter war&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Berta wunderte sich sehr&comma; als die Mutter schon nach ein paar Minuten wieder ins Zimmer kam und sagte&colon; »Ich will dich nach der Schule abholen&comma; und dann kaufen wir zusammen eine Jacke&period;« Nie war so etwas bei ihrem Vater vorgekommen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als Berta um vier Uhr aus ihrem Klassenzimmer kam&comma; stand die Mutter in eifrigem Gespräch bei der Vorsteherin&comma; die nun&comma; als Berta herzutrat&comma; freundlich zu ihr sagte&colon; »Ich glaube&comma; du wirst nun bald wieder einen bessern Platz erobern&comma; als du im letzten Jahre inne hattest&semi; solch gute Nachhilfe&comma; wie du sie jetzt bekommen wirst&comma; macht sich immer fühlbar&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Sehr höflich geleitete die Vorsteherin die Frau Direktor bis unter die Haustüre&comma; und allmählich zerstreuten sich auch die Mitschülerinnen&comma; die neugierig auf die neue Mutter gesehen hatten&period; »Berta&comma;« sprach jetzt die Mutter&comma; »die Vorsteherin hat mir gesagt&comma; du seist in den letzten zwei Jahren ziemlich zurückgekommen&period; Sie meinte&comma; du seist leichtsinnig geworden&period; Ich habe dich aber verteidigt und gesagt&comma; du seist nicht leichtsinnig&comma; aber es habe dir an der Nachhilfe und Aufsicht der Mutter gefehlt&comma; die andern Kindern zuteil wird&period; Sie freute sich&comma; als sie hörte&comma; daß ich viel im Ausland war und Kinder gelehrt habe&comma; und meinte&comma; im Französischen fehle es dir am meisten&period; Französisch und Englisch ist mir so geläufig wie Deutsch&comma; und wenn du willst&comma; kann ich dir versprechen&comma; daß du in einem Jahr auch Französisch sprechen kannst&period; Ich habe sehr nette französische Jugendschriften und Spiele&semi; wenn wir diese eifrig benützen und jede Woche zwei Tage ausmachen&comma; an welchen wir nur Französisch reden&comma; so ist dir’s in einem Jahr geläufig&period; Aber nur wenn du selbst willst&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Freilich&comma; freilich will ich&comma;« rief Berta voll Eifer&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber du solltest noch eine Freundin dabei haben&comma; es ist viel netter bei den Spielen&semi; weißt du nicht ein liebes&comma; fleißiges Mädchen&quest; Es darf aber weder Luise noch Lore sein&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Kennst du denn diese schon&quest;« fragte Berta ganz erstaunt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»O ja&comma; die kenne ich ganz genau&comma; obwohl mir nur der Vater und die Vorsteherin ein paar Worte über sie gesagt haben&period; Das sind zudringliche Mädchen&comma; die viel öfter kommen als man sie will und mit denen du gemeinsam gearbeitet hast&semi; oder offen gestanden&comma; die dich abschreiben ließen&period; Die hast du gewiß nicht wirklich lieb&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nicht so lieb wie Helene Flink&comma; die kam oft mit ihrer Mama&comma; als meine Mama noch lebte&comma; und Papa hat sie auch gern&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Gut&comma; deren Mutter werde ich besuchen und dann machen wir ein französisches Kränzchen aus&comma; willst du&quest;« Wie gerne wollte Berta&excl; Solche Geselligkeit war ihr etwas ganz neues&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Inzwischen waren sie an dem Laden angekommen&comma; in dem die Jacke gekauft werden sollte&period; Da gab es eine große Auswahl&comma; von den einfachsten bis zu den feinsten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Diese würde dir passen&comma; gefällt sie dir&quest;« fragte die Mutter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; sehr gut&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber hier haben wir etwas ganz Elegantes&comma; das würde dem Fräulein noch viel besser stehen&comma;« sagte der Ladendiener und zeigte ein reich verziertes Jäckchen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; das ist die schönste von allen&comma;« sagte ruhig die Mutter und leise fügte sie hinzu&colon; »Hat deine Mama immer das Schönste gewählt oder war sie für das Einfache&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Für das Einfache&comma;« sagte Berta und legte die schöne Jacke beiseite&period; »Aber das wäre doch etwas viel Vornehmeres&comma;« drängte der Verkäufer&period; »Ich will sie nicht&comma; ich will die andere&comma;« entschied Berta bestimmt&comma; und mehr als die schönste Jacke freute es sie&comma; daß die Mutter ihr offenbar befriedigt zunickte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>An diesem Abend hatten die Eltern noch vielerlei zu ordnen und Berta half dabei&period; »Hier sind die Schlüssel zum Schreibtisch&comma;« sprach nun der Vater&comma; »dieser kleine schließt die kleinen Fächer auf&period;« Berta erinnerte sich&comma; in welchem Unmut sie damals den Schreibtisch geleert hatte&semi; gut&comma; daß die Mutter dies nicht wußte&period; Inzwischen hatte der Vater das oberste Fächlein aufgeschlossen und siehe&comma; es war voll von Kleinigkeiten&comma; die Berta gehörten&period; »Was ist das&comma; Berta&comma;« rief der Vater&comma; und eine böse Falte zog sich auf seiner Stirne zusammen&comma; »sind diese Sachen von dir&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma;« antwortete Berta&comma; »ich habe ganz vergessen&comma; sie herauszunehmen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Vergessen&quest; das ist nicht wahr&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Doch&comma; Vater&comma; ich habe es gewiß nur vergessen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das kann doch wohl sein&comma;« warf die Mutter begütigend dazwischen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; das kann nicht sein&comma; denn ich habe ihr damals bestimmt den Auftrag gegeben&comma; sofort auszuräumen&comma; und was dabei gesprochen wurde&comma; haben wir beide auch nicht vergessen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Berta errötete tief&period; Hastig griff sie nach den Dingen&comma; die in der kleinen Schublade waren&comma; um sie herauszunehmen&period; Der Vater zog die große Schublade auf – sie war leer&semi; ebenso waren die andern alle ausgeräumt&comma; nur die einzige war vergessen&comma; an die der Vater unglücklicherweise gerade zuerst gekommen war&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ach so&comma;« sagte der Direktor&comma; »das ist etwas anderes&comma; da habe ich dir Unrecht getan&comma; ich war der Meinung&comma; du hättest gar nichts ausgeräumt&semi;« und als er sah&comma; wie Berta mit den Tränen kämpfte&comma; fügte er freundlich hinzu&colon; »Es war ja nur ein Mißverständnis&period;« Aber für Berta war es mehr&semi; die Mutter hatte sicher erraten&comma; daß sie widerwillig den Platz für sie geräumt hatte&comma; und es war Berta&comma; als wären nun all die lieblosen Gedanken aufgedeckt&comma; die sie früher gehegt hatte&period; Sie fing so bitterlich zu weinen an&comma; daß die Eltern wohl merkten&comma; es müsse seinen besonderen Grund haben&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich kann mir denken&comma; warum es dir so schwer ums Herz ist&comma;« sagte die Mutter&comma; »es tut dir weh&comma; alle deine Sachen ausräumen zu müssen&period; Es war wohl dein Lieblingsplätzchen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma;« sagte der Vater&comma; »seit ihrer Mutter Tod hat sie sich den Schreibtisch angeeignet und diese Schlüssel zu sich genommen&semi; aber es versteht sich von selbst&comma; daß sie dies alles nun abgibt&semi; nicht wahr&comma; Berta&comma; du möchtest es nicht anders haben&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; nein&comma;« rief sie&comma; aber sie war so erregt&comma; daß sie ihr Schluchzen nicht unterdrücken konnte&period; »Ich sehe&comma; wie schwer es ihr wird&comma;« sprach die Mutter&comma; »und ich will ihr gern den Schreibtisch abtreten&period; Lege deine Sachen nur wieder herein und nimm den Schlüssel zu dir&period;« Der Vater wollte Einsprache erheben&comma; aber die Mutter ließ sich nicht überreden&period; »Ich will nur&comma; was man mir freiwillig und gerne gibt&comma; es ist mir viel lieber so&period; Hier Berta&comma; nimm deine Schlüssel&period;« Ungerne folgte Berta&comma; so machte ihr der Besitz des Schreibtisches keine Freude mehr&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Beim Abendessen war keine so heitere Stimmung wie am Morgen beim Frühstück&period; Der Vater war ärgerlich über den Verdruß&comma; den es wegen des Tagebuchs und wegen des Schreibtisches gegeben hatte&semi; die Mutter sah&comma; daß Berta nicht wieder fröhlich war wie vorher&comma; und konnte es sich nicht erklären&period; Sie wußte ja nicht&comma; daß Berta mit sich selbst kämpfte&comma; ihre Schüchternheit zu überwinden und der Mutter alles zu gestehen&comma; was ihr auf dem Herzen lag&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Käme die Mutter nur wieder zu mir ans Bett&comma; dann könnte ich alles sagen&comma;« dachte Berta&comma; »aber sie kommt nicht&semi; sie ist auch am Hochzeitsabend nur gekommen&comma; weil mein Haar offen war&period;« Unwillkürlich griff Berta nach ihrem Zopf&colon; er war fest geflochten&period; »Ich mache ihn auf&comma; dann kommt sie vielleicht&comma; um ihn wieder zu flechten&comma;« und sie löste das Zopfband&semi; sie hoffte&comma; daß es im Lauf des Abends von selbst aufgehen würde&comma; wie oft war das schon geschehen&comma; wenn sie es nicht gewollt hatte&excl; Der Zopf wollte sich aber heute gar nicht lösen und als es bald Zeit für sie war&comma; zu Bett zu gehen&comma; mußte sie noch einmal heimlich nachhelfen&comma; um ihre Haare zu lockern&period; »Dein Haar ist ja ganz offen&comma;« sagte nun die Mutter&comma; »wie kommt das nur&comma; der Zopf war doch heute abend noch ganz schön&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Berta wußte nichts weiter zu sagen&colon; »Ja&comma; es ist wahr&comma; die Haare sind ganz offen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich will sie dir drüben noch einmal flechten&comma;« sagte die Mutter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Das kann Berta längst selbst&comma;« meinte der Vater&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber nicht so schön&comma; wie die Mutter&comma;« fiel Berta eifrig ein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Für die Nacht doch wohl schön genug&comma;« entgegnete der Vater&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber nicht so fest&comma;« behauptete nun Berta&period; Der Mutter fiel diese Beharrlichkeit auf&period; Ihr Blick haftete fragend auf Berta&period; »Ich will ihr gerne das Haar flechten&comma;« versicherte sie und rasch&comma; ehe der Vater noch einmal etwas einwenden konnte&comma; sprach Berta&colon; »Dann sage ich dir gleich gute Nacht&comma; Vater« und sie verließ das Zimmer&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Auf das Tischchen an ihrem Bett legte sie ihr Tagebuch offen hin&comma; daneben die Schlüssel zum Schreibtisch und dann schlüpfte sie so schnell wie möglich ins Bett&semi; sie wollte schon darin sein&comma; ehe die Mutter kam&comma; gerade wie am Hochzeitstag&period; Mit Herzklopfen wartete sie nun auf die Mutter&period; »Schon im Bett&quest;« fragte diese ganz erstaunt&comma; als sie nach wenigen Minuten ins Zimmer kam&period; »Eigentlich hätte ich dein Haar besser machen können&comma; wenn du dich nicht vorher gelegt hättest&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Mutter&comma;« sagte jetzt Berta in großer Bewegung&comma; »das Haar kann ich wohl selbst machen&semi; ich möchte dich nur bitten&comma; daß du liest&comma; was ich heute in mein Tagebuch geschrieben habe&comma; sieh&comma; da liegt das Buch&period;« Und die Mutter las den Satz&colon; »Die Mutter ist jetzt hier&comma; man kann sie mit gar keiner Haushälterin vergleichen&semi; ich habe sie sehr lieb&comma; wenn sie mich nur auch lieb hätte&comma; aber ich glaube es gar nicht bis jetzt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Und das hast du vor mir verbergen wollen&comma; dies Geständnis&comma; das mich so glücklich macht&quest;« rief die Mutter&comma; beugte sich über Berta&comma; zog sie an ihr Herz und küßte sie so innig und warm&comma; wie es Berta nie mehr erlebt hatte seit ihrer Mama Tod&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Muß ich dir jetzt noch sagen&comma; daß ich dich auch lieb habe&comma; mein Kind&comma; oder fühlst du es&quest;« fragte die Mutter und sah mit einem Blick voll Liebe auf Berta&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich fühle es&comma; Mutter&comma;« sagte Berta&comma; »aber ich habe noch eine Bitte&colon; nimm jetzt die Schlüssel zu dem Schreibtisch und lege deine Sachen hinein&comma; damit ich ganz gewiß weiß&comma; daß du mir glaubst&comma; wie gerne ich dir alles geben möchte&comma; was ich nur habe&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; mein Kind&comma; jetzt nehme ich sie gern&comma; weiß ich doch&comma; daß es einem guten Herzen eine Lust ist&comma; denen&comma; die es liebt&comma; ein Opfer zu bringen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich möchte dich auch noch etwas fragen&comma; Mutter&comma;« sagte Berta&comma; und errötend flüsterte sie&colon; »Gingest du jetzt nicht mehr von uns fort&comma; wenn es eine Stelle wäre&comma; die man verlassen kann&comma; wenn man will&comma; wie du am Hochzeitsabend zu mir gesagt hast&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»O&comma; du törichtes Kind&comma; wie kannst du nur so etwas denken&excl; Habe ich nicht Liebe gefunden und kann es etwas Besseres geben auf Erden&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Noch manch inniges Wort wurde zwischen Mutter und Kind gewechselt&comma; da ließ sich plötzlich draußen des Vaters Stimme vernehmen&colon; »Ist das Haar noch nicht geflochten&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das Haar&comma; ach ja&comma; das Haar&excl;« riefen die beiden und lachten&comma; denn das Haar war ganz und gar vergessen worden&period; »Nein&comma; wir kommen gar nicht zurecht mit dem Haar&comma;« rief die Mutter&comma; »komm nur herein und hilf uns&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich soll helfen&quest;« fragte der Vater&comma; aber beim Eintreten sagte ihm der erste Blick&comma; daß es sich nicht in Wahrheit um den Zopf handle&period; Er sah&comma; daß auf einmal alles anders geworden war zwischen Mutter und Tochter&comma; die sich bis jetzt&comma; zu seinem Kummer&comma; so kühl und zurückhaltend gegenüber gestanden waren&period; Die Mutter&comma; die gerade noch so fröhlich gelacht hatte&comma; ergriff des Vaters Hand und sagte in sichtlicher Bewegung&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>»Daß Berta und ich uns einmal in Liebe begegnen würden&comma; habe ich sicher geglaubt&semi; aber daß wir uns so schnell finden könnten&comma; hätte ich noch heute abend nicht zu hoffen gewagt&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Gott sei Dank&comma;« sagte der Vater&semi; und die drei&comma; die da beisammen im stillen Schlafkämmerchen waren&comma; sahen viel glücklicher aus&comma; als damals im strahlenden Hochzeitssaal&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Mutter aber richtete sich nun auf und sprach&colon; »Mein Kind muß jetzt schlafen&comma;« und schnell ergriff sie die Haarbürste und begann ihr Werk&period; »Morgen wollen wir es besser flechten&comma; daß es sicher nicht mehr aufgeht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ist nicht nötig&comma; Mutter&comma;« sagte Berta und lachte die Mutter dabei so schelmisch an&comma; daß dieser auf einmal klar wurde&comma; welche Bewandtnis es mit dem Haar gehabt hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Von jetzt an sollst du solche kleine List nicht mehr nötig haben&comma; ich komme von selbst an dein Bett&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Und du&comma; Mutter&comma; sollst nicht nötig haben&comma; die Lisette auf den Wunschzettel zu setzen&semi; ich will nicht&comma; daß du meinetwegen die Christine fortschickst&comma; die dich so gern hat&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So&comma; solche Pläne sind da geschmiedet worden&quest;« sagte der Vater&period; »Du wolltest wohl Lisette wieder ins Haus bringen&quest; Das wäre euch aber nicht gelungen&comma; sie heiratet&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ist es dir leid&quest;« fragte die Mutter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»O nein&comma;« antwortete Berta&comma; »jetzt kann ich sie entbehren&comma; jetzt&comma; Mutter&comma; wo du da bist&excl;«<&sol;p>

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