Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Das kleine Dummerle und andere Erzählungen
(Agnes Sapper, 1904, empfohlenes Alter: 7 - 14 Jahre)

Wie Johannes Ruhn Kaufmann wurde

<p>Die große Frage&comma; was einst aus ihm werden solle&comma; war für Johannes Ruhn schon gelöst&comma; lange ehe er aus der Schule kam&semi; denn er hatte eine solch ausgesprochene Neigung zum Kaufmannsstand&comma; daß seine Gedanken ganz und gar davon erfüllt waren&period; Sein Vater&comma; ein tüchtiger und verständiger Mann&comma; seines Zeichens ein Bahnarbeiter&comma; war allerdings der Ansicht&comma; daß für den kaufmännischen Beruf etwas Vermögen not täte&comma; und er hatte das seinige nicht in Wertpapieren angelegt&comma; der ganze Reichtum&comma; den er besaß&comma; war eine Frau und fünf Kinder&period; Deshalb äußerte Vater Ruhn manchmal Bedenken über die Zukunftspläne seines Ältesten&semi; aber wenn er seinen Johannes beobachtete&comma; wie der mit hellen Augen ins Leben sah&comma; oder wenn er ihn von seinem zukünftigen Berufe reden hörte&comma; dann hatte er&comma; ohne recht sagen zu können woran es lag&comma; den Eindruck&colon; der wird auch ohne Vermögen vorwärts kommen&period; Auch seine Frau&comma; die sonst eine sorgliche&comma; schüchterne Art hatte&comma; meinte von ihrem Johannes&colon; »Den lassen wir nur machen&comma; er findet schon seinen Weg&comma; wenn nur alle so hell wären&comma; wie der&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Als nun der Junge aus der Schule kam&comma; gingen die Eltern mit bester Zuversicht daran&comma; ihm eine Lehrstelle ausfindig zu machen&period; Der Vater hielt Umfrage&comma; die Mutter kaufte kein Salz und kein Schmalz&comma; ohne mit der Frage zu schließen&comma; ob eine Lehrstelle frei sei&semi; Johannes selbst stellte sich da und dort vor – aber es wollte nicht gelingen und die gute Zuversicht verlor sich mit jeder Woche mehr&period; In manchem Geschäft wäre wohl Platz gewesen&comma; aber es wurde Lehrgeld verlangt oder höhere Ausbildung und beides stand Johannes nicht zur Verfügung&period; Andere besahen sich den Jungen&comma; doch ihrem Blick entging das Besondere&comma; das die Eltern an ihm kannten&semi; sie sahen nur die für sein Alter noch etwas kleine&comma; zarte Gestalt&comma; nicht die hellen Augen&comma; die aus dem offenen Gesicht strahlten und von Unternehmungslust glänzten&period; Es boten sich so viele kräftige&comma; derbe Burschen an&comma; ihnen wurde der Vorzug gegeben&comma; und niemand wollte Johannes&period;<&sol;p>&NewLine;<p>So ging der Sommer hin&comma; der Herbst kam&comma; es fand sich kein Plätzchen&comma; immer kleinmütiger wurde die Stimmung bei Vater&comma; Mutter und Sohn&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Dieser machte sich einstweilen daheim nützlich&period; Die Mutter konnte ruhig auswärts Arbeit annehmen&comma; ihr Großer ersetzte ihr Kindsmagd und Köchin&comma; denn zur Untätigkeit war seine Natur nicht angelegt&comma; er mußte immer zu tun haben&comma; sonst war ihm nicht wohl&period; Aber trotz seines guten Willens vergaß er von dieser Hausarbeit&comma; die ihm nun zufiel&comma; doch so manches&comma; und das kam daher&comma; daß seine Gedanken nicht bei der Sache waren&semi; die arbeiteten unablässig und suchten nach Mittel und Wegen&comma; um das ersehnte Ziel zu erreichen&colon; Kaufmann zu werden&period; Wollte man ihn in keinem Geschäft aufnehmen&comma; so mußte es anderswie gehen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Und es kam der Tag der Eingebung&comma; die Stunde&comma; in der seine hellen Augen plötzlich den Weg vor sich sahen&comma; den er gehen mußte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Lange hatte er&comma; sinnend am Fenster stehend&comma; in den abendlichen Herbstnebel hinausgeschaut&semi; von dort war ihm das Licht nicht gekommen&comma; aber woher sonst&quest; Was ist es doch für ein geheimnisvoller Hergang&comma; wenn wir nachdenken&comma; so lange&comma; bis unserem Geist plötzlich aufleuchtet&comma; was uns ohne dieses Besinnen dunkel geblieben wäre&quest;<&sol;p>&NewLine;<p>Johannes Ruhn hätte auch nicht sagen können&comma; wie es zugegangen&comma; daß er plötzlich wußte&comma; was er tun mußte&semi; aber er war glückselig über diese Klarheit&period; Sein gutes&comma; noch kindliches Gesicht strahlte vor Freude und die Lust belebte seinen ganzen Menschen&comma; er stemmte die Hände auf das Fensterbrett&comma; hob sich vom Boden und warf die Beine hinaus wie ein junges Füllen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Und dann begann für den kleinen Geschäftsmann die Arbeit&period; Die erste mußte sein&colon; Vater und Mutter für seinen Plan zu gewinnen&period; Am Abend&comma; als die kleinen Geschwister zu Bette waren&comma; begann er mit Herzklopfen seine Gedanken zu entwickeln&colon; Weil er in keinem Geschäft ankomme&comma; müsse er selbst eines beginnen&comma; und weil kein Geld da sei&comma; müsse er etwas verkaufen&comma; was ihn selbst nichts koste&comma; was er geschenkt bekäme&period; Er wußte schon etwas&comma; nämlich&colon; alte Kistchen&comma; Büchsen und Pappschachteln&semi; die bekomme man umsonst in den Läden und auch von seinen Kameraden würde ihm jeder welche schenken&period; Wenn er die alle sauber herrichten und ausbessern würde&comma; und hätte dann einen ganzen Haufen in allen Größen und Formen&comma; dann könnte er sie verkaufen&comma; vor Weihnachten&comma; wo jedermann Pakete abschicke&comma; vielleicht auf der Messe oder an einer Straßenecke&comma; und alte Packpapiere und Schnüre müßten auch dabei sein&period; Und wenn er dann etwas Geld verdient habe&comma; dann kaufe er noch Siegellack dazu und Adreßkarten und Begleitscheine&comma; daß die Leute alles bequem beieinander hätten&comma; und den Ungeschickten würde er auch helfen zusammenpacken und – – hier unterbrach sich Johannes&period; Es kam ihm plötzlich zum Bewußtsein&comma; daß er schon eine ganze Weile redete und die Eltern noch immer kein Zeichen von Beifall gaben&period; So hielt er inne&comma; begierig&comma; was sie sagen würden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Es kamen allerlei Einwände&period; Der Mutter schien der Handel nicht fein genug&semi; ein Trödelgeschäft sei das&comma; und wenn er Trödler sei&comma; komme er nimmer hinauf in den richtigen Kaufmannsstand&semi; und ein kaltes Vergnügen wäre das&comma; im Dezember im Freien seine Ware feilzubieten&comma; da könnte man mehr als einen Schnupfen davontragen&semi; auch denke sie sich’s nicht schön&comma; betteln zu gehen&comma; um so eine Menge Schachteln zusammenzubekommen&period; Mit diesen und ähnlichen Einwänden wurde aber Johannes leicht fertig&semi; denn ihm erschien der beabsichtigte Handel sehr fein und die Kälte fürchtete er gar nicht und betteln würde er nirgends&comma; nur bitten&period; Aber nun kam ein anderes&comma; ein schwerwiegendes Wort&colon; »Ohne Erlaubnis geht das nicht&comma;« sagte der Vater&comma; »für so etwas muß man eine Eingabe bei dem Magistrat machen&comma; muß Abgaben zahlen&comma; wohl auch noch Gewerbesteuer entrichten&comma; daran scheitert die Sache&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>An so etwas hatte Johannes nicht gedacht und wollte es zuerst gar nicht glauben&period; Wie sollte denn der Magistrat sich darum kümmern&comma; wenn er&comma; Johannes Ruhn&comma; alte Schachteln verkaufen wollte&quest; Aber der Vater erklärte ihm die Sache&comma; und die schweren großen Worte&colon; Magistrat&comma; Gewerbesteuer und Abgaben drückten so sehr auf Johannes’ Luftschloß&comma; daß es einzustürzen drohte&semi; bis die Mutter dem schönen Gebilde zu Hilfe kam&comma; das sie doch selbst erst angegriffen hatte&comma; nun aber in warmer Regung des Mitleids zu stützen geneigt war&period; Sie sagte zum Vater&colon; »Du müßtest eben einen der Herren vom Magistrate darum ansprechen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Einige Tage später kam Vater Ruhn vom Rathause heim&comma; wo ihm eröffnet worden war&colon; wenn sein Junge so ein findiger Kerl sei&comma; so möge er die Sache immerhin versuchen&comma; zunächst ohne Abgabe&period; Auch stünde ihm zu seinem Versuch ein alter Marktstand unentgeltlich zur Verfügung&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Johannes Ruhn wußte sich an diesem Tage nicht zu fassen vor Glück&period; Seine Freude war so groß&comma; daß sie wie ein Strom die Geschwister&comma; ja auch die Eltern mit fortriß&comma; die gar nicht mehr zu dem Gedanken kommen konnten&comma; ob es eigentlich ein so besonderes Glück sei&comma; wenn im günstigsten Falle durch den Verkauf von alten Schachteln einige Mark verdient würden&quest; Der zu erwartende Gewinn war es auch nicht&comma; der Johannes so beseligte&semi; es war vielmehr die Freude des Erfinders&comma; die ihn erfüllte und nun seine Unternehmungslust weckte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Es dauerte gar nicht lange&comma; so füllten sich die Räume mit Schachteln&comma; Pappkästen und Kistchen aller Art&semi; denn es sprach sich bald in der Nachbarschaft herum&comma; wie hocherwünscht solche in der Familie Ruhn seien&semi; gar manche Bodenkammer wurde durchsucht und befreit von altem&comma; bestaubtem Packmaterial&comma; das von Johannes mit lebhafter Dankbarkeit in Empfang genommen und nun gereinigt und ausgebessert wurde&period; Unermüdlich schaffte er mit Zwirn&comma; mit Kleister und Leim&comma; und allmählich türmten sich die sauber hergerichteten Schachteln&comma; so daß die Familie in ihren kleinen Zimmern bedrängt wurde von diesem Überfluß und sehnlich den Tag erwartete&comma; bis sich der Segen herausergießen würde aus ihren engen Räumen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Endlich kam die erste Dezemberwoche&comma; mit ihr die Weihnachtsmesse&comma; der zur Eröffnung des »Geschäfts« bestimmte Zeitpunkt&period; Noch vor Tagesanbruch&comma; ehe die kleinen Geschwister wach waren&comma; zogen Vater&comma; Mutter und Sohn hinaus nach dem Platze&comma; der ihnen zum Aufrichten der alten Meßbude angewiesen war&period; Einmütig halfen sie zusammen&comma; doch war den beiden Eltern das ungewohnte Unternehmen peinlich&semi; sie sprachen nur leise miteinander&comma; um die Aufmerksamkeit der anderen Meßleute nicht auf sich zu ziehen&comma; während sie sich mühten&comma; den Stand aufzurichten&period; Johannes dagegen war frei von dieser Befangenheit&comma; lief zu den anderen Ständen&comma; um abzusehen wie diese zusammengefügt wurden&comma; und man durfte ihn nur ansehen&comma; um auf seinen belebten Zügen zu lesen&colon; Heute ist ein großer Tag&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Seinem Stand gegenüber war ein solcher mit Glaswaren und Porzellanfiguren&period; Er erfaßte das sofort als einen besonderen Glücksfall&semi; und als die derbe Frauensperson&comma; die eben ihre Kiste auspackte&comma; einmal innehielt und neugierig hinüberblickte zu ihm&comma; der mit so ungewohntem Kram den Markt bezog&comma; nahm er seinen Vorteil wahr&comma; trat zu ihr heran und zog artig die Mütze&colon; »Ich handle mit Packwaren&comma;« sagte er&comma; »und wenn Sie Glaswaren verkaufen&comma; dann seien Sie doch so gut und sagen Sie den Leuten&comma; daß sie bei mir Schachteln finden&period; Vielleicht traut sich dann auch mancher&comma; mehr so zerbrechliche Dinge einzukaufen&period;« So hatte er schon in der ersten Morgenstunde eine Geschäftsverbindung geschlossen&period; Seine Mutter hatte ihm verwundert nachgesehen&semi; wie vertrauensvoll ging er auf die Leute zu&comma; während sie im bedrückenden Bewußtsein des »Trödelkrames« immer Angst hatte&comma; man würde sie auslachen&period; So trieb sie auch bald ihren Mann&comma; mit ihr heimzugehen&colon; »der Johannes richtet es schon ohne uns&comma;« meinte sie&comma; und so überließen sie den kleinen Geschäftsmann seinem Schicksale&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Kalt war es an diesem Dezembermorgen und still blieb es auf der Messe&comma; ein Käufer kam auf fünf Verkäufer und nach leeren Schachteln fragte keiner&period; Aber doch – das bemerkte Johannes mit großer Befriedigung – hatten alle Vorübergehenden einen Blick für die hoch aufgebauten Schachteln&comma; für die verschiedenfarbigen Packpapiere&comma; die feine Holzwolle&comma; die Schnüre&comma; die in allen Längen und Stärken dahingen&comma; und kaum einer übersah die ungewohnte Aufschrift&colon;<&sol;p>&NewLine;<p style&equals;"text-align&colon; center&semi;">Packwaren&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Gegen Mittag wurde der Markt belebter&semi; die Porzellanhändlerin brachte ein zierliches Figürchen&comma; eine Schäferin&comma; zum Verkauf&period; »Nehmen Sie sich nur gleich da drüben eine Schachtel mit&comma; daß der Hirtenstab nicht abbricht&comma;« sagte sie zu der Käuferin&comma; und richtig&comma; das Fräulein wandte sich den Packwaren zu&period; Sie war Johannes’ erste Kundin&comma; wie eifrig wurde sie aber auch bedient&excl; Wie sorglich wurde die passendste Schachtel gewählt und wie vorsichtig die Schäferin in feinste Holzwolle gebettet&excl; Bis nach Australien hätte sie ohne Ungemach in dieser Verpackung reisen können&period; Und dann nickte Johannes voll Vergnügen seinem Gegenüber zu&comma; und bewachte gerne den Kram&comma; während die Frau ging&comma; sich einen Topf heißen Kaffees zu holen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Am ersten Abend brachte Johannes nur wenige Pfennige als Erlös heim&comma; und in den nächsten Tagen war es nicht viel besser&period; Schnee und Regen fielen durcheinander auf die Verkäufer herab&comma; die frierend von einem Fuß auf den andern trippelten&comma; das war kein Spaß&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber am vierten Tage verkündigte Johannes schon in der Frühe der Porzellanhändlerin&colon; »Der Barometer steigt&comma;« und bald darauf brach die Sonne durch und all die Glaswaren glitzerten in ihren Strahlen&semi; der Himmel wurde blau und lockte die Menschen hinaus&comma; die schnell den guten Tag benützen wollten&period; Durch die Reihen der Buden schoben und drängten sich immer mehr Kauflustige&comma; und an Johannes Ecke war gar oft der Ausruf zu hören&colon; Hier können wir gleich eine passende Schachtel auswählen&period; Das Geschäft ging gut&semi; der kleine Geschäftsmann strahlte&comma; und weil er es jedem Käufer als eine besondere Güte auslegte&comma; wenn er bei ihm kaufte&comma; so war er selbst voll Freundlichkeit und scheute keine Mühe&comma; unter seinen Schätzen den passendsten für einen jeden auszuwählen&period; Dadurch wurden die Leute zutraulich&semi; manche Unbeholfene ließen sich ihre Ware gleich von ihm verpacken&comma; die Adresse aufkleben und wollten erst noch wissen&comma; was ihre Schachtel wiege und wieviel sie wohl da- und dorthin Porto koste&period; Als das Johannes merkte&comma; brachte er der Mutter Wage mit und fing an&comma; daheim jeden Abend die Postvorschriften zu studieren&comma; die er sich verschafft hatte&semi; lernte sie auswendig&comma; wußte bald die Postsätze bis in die fernsten Länder und wünschte sich nur jeden Tag&comma; es möchte recht oft nach dieser Weisheit verlangt werden&period; Bald sprach es sich herum&colon; auf der Messe ist einer&comma; handelt mit Schachteln&comma; sieht aus wie ein Bub&comma; weiß doch alles wie ein Postbeamter&comma; ist aber nicht so kurz angebunden wie diese&comma; sondern gibt freundlich Bescheid&period; Längst wäre Johannes’ Vorrat an Schachteln zu Ende gewesen&comma; aber die Quelle für neue war ja so nahe&period; Abends&comma; wenn die Buden geschlossen wurden&comma; ging er durch die Reihen&semi; man kannte ihn nun schon und gab ihm&comma; was untertags durch Verkauf leer geworden war&period; Erhielt er es auch nicht ganz umsonst&comma; jetzt konnte er ja etwas dafür zahlen&comma; ein kleiner Gewinn sprang doch noch dabei heraus&semi; und was ihm die Hauptsache war&comma; es ging doch immer lebhaft zu vor seiner Bude und niemand mußte mit einer unpassenden Schachtel davongehen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>So verflogen ihm die Tage&comma; und mit Schmerz sah er das Ende der ganzen Herrlichkeit nahen&comma; noch drei Tage und die Messe war vorüber&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Heute ging es noch lebhaft zu&period; Vor der Bude der Porzellanhändlerin stand ein älterer Herr mit seinem Enkeltöchterchen&period; Die Kleine suchte unter den Blumengläschen&comma; und während sie wählte&comma; horchte und schaute der Herr hinüber nach der Packwarenbude&period; Er hatte als Magistratsrat die Einwilligung zur Eröffnung dieses Handels gegeben und sah nun zufällig das wunderliche Geschäft im Betrieb&period; Was ihn aufmerksam gemacht hatte&comma; war der Ruf einer noch kindlichen Stimme&colon; »Aber legen Sie keinen Brief in die Schachtel&comma; denn nach Frankreich ist das verboten&excl;« Es war Johannes&comma; der das einer Käuferin nachrief&period; Der alte Herr trat näher und beobachtete mit wachsender Teilnahme den kleinen Geschäftsmann&period; Wie betrieb der Junge seine Sache&excl; Mit welchem Eifer war er dabei&comma; wie unverdrossen half er den Käufern auswählen&comma; und beachtete ihre Bedenken&semi; er wollte nicht um jeden Preis seine Ware losschlagen&comma; man merkte es wohl&comma; daß seine Freude war&comma; die Leute gut zu bedienen&semi; und nun fragten sie den kleinen Burschen nach Porto und Gewicht&comma; und der wußte wirklich Bescheid zu geben&excl; Schon eine ganze Weile war der stattliche Mann mit der Kleinen an der Hand als stiller Beobachter dagestanden&semi; und&comma; obgleich ihn das Kind an seiner Hand zog und bat&colon; »Gehen wir doch weiter&comma; da ist ja gar nichts Schönes&comma;« blieb er doch auf seinem Posten&period; Johannes hatte schon mehrmals nach ihm aufgesehen&period; Der Herr kaufte nichts&comma; sah nicht nach den Schachteln&comma; was wollte er denn&quest; Fast unheimlich wurde es ihm unter dem scharfen Blick des großen&comma; ernst dreinsehenden Mannes&semi; hatte er vielleicht etwas einzuwenden gegen sein Geschäft&quest; »Ich habe die Erlaubnis vom Magistrat&comma;« sagte Johannes und blickte dem Herrn offen ins Auge&period; »Das weiß ich&comma;« entgegnete dieser&semi; lächelte vor sich hin&comma; blieb noch eine Weile stehen und folgte dann dem fortstrebenden Enkelkinde&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der letzte Meßtag war gekommen und bot ein trauriges Bild&period; Die Stände wurden abgeschlagen&comma; Kisten standen überall in den Wegen&comma; die mit Stroh&comma; Papier und Scherben bestreut waren&period; Die Porzellanhändlerin schenkte Johannes einen kleinen Schutzengel zum Andenken und sagte&colon; »Auf Wiedersehen&period;« Die Eltern Ruhn kamen getreulich&comma; dem Sohne zu helfen&period; Nun war die Mutter nicht mehr schüchtern&comma; das Geschäft war über all ihr Erwarten gut gegangen&semi; stolz konnte sie sein auf ihren Johannes&period; Aber dieser war heute in ganz anderer Stimmung als bei Eröffnung der Messe&period; Wie sollte es jetzt mit ihm weitergehen&quest; Er wußte keinen Weg&period; Trübselig packte er seinen Kram zusammen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Da kam des Wegs der Magistratsrat&comma; den wir schon kennen&period; Ein wenig eilig ging er&comma; wie einer&comma; der nicht zu spät kommen möchte&period; »Das ist wieder der Herr&comma;« sagte Johannes leise zu seinem Vater&period; »Der&quest;« fragte dieser dagegen&comma; »und den hast du nicht gekannt&quest; Das ist ja der Kaufmann Ulrich Wagner&comma; dem das große Kolonialgeschäft am Markt gehört&period; Was der jetzt wohl noch auf der Messe sucht&excl;« Johannes antwortete darauf nicht&comma; aber er ahnte gleich&comma; ja&comma; er fühlte bestimmt&colon; mich sucht er&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Und so war es&period; Der große Geschäftsmann kam&comma; um den Kleinen für sich zu gewinnen&period; Er hatte dazu schon vor drei Tagen die Lust verspürt&comma; sich aber die Sache wieder ausgeredet&period; So einen kleinen schmächtigen Lehrling hatte er doch noch nie in sein Geschäft aufgenommen&comma; immer größere Burschen und solche mit besserer Ausbildung&period; Der da war ja noch das reinste Kind&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber dieses Kind kam ihm nicht mehr aus dem Sinn&period; Er sah es vor sich in seinem freundlichen Eifer und konnte vor allem den Blick nicht vergessen&comma; die hellen Augen&comma; mit denen Johannes ihn angesehen hatte&comma; als er sagte&colon; Ich habe die Erlaubnis vom Magistrat&period; Es war ihm&comma; wenn er diesen Jungen mit andern Lehrlingen verglich&comma; als bekäme er mit ihm statt einer Maschine eine Seele ins Geschäft&period; Die wollte er sich nicht entgehen lassen&semi; er eilte&comma; sie für sich zu gewinnen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Zwischen Kisten und Karren hindurch kam er zu der Familie Ruhn&comma; bot dem Jungen die Hand und fragte&colon; »Wie geht’s&comma; kleiner Geschäftsmann&quest;« »Wie geht’s« ist eine leicht hingeworfene Rede&comma; die oft nichts sagen will&semi; aber Johannes fühlte eine wahre Teilnahme heraus&comma; und da ihm die Not der Zukunft heute auf der Seele lag&comma; so sah er ernsthaft auf zu dem Mann und sagte&colon; »Es geht nimmer weiter&comma;« und dabei lag in seiner Stimme und seinem Blick das Zutrauen&colon; »Zeig’ du mir&comma; wo der Weg weitergeht&period;« Und Ulrich Wagner machte den Wegweiser&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Mitten unter dem Getriebe der packenden&comma; abreisenden Meßleute wurde das Schicksal eines jungen Menschenkindes entschieden&comma; und es fand sich weder der große noch der kleine Geschäftsmann in seinem Vertrauen getäuscht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Johannes trat ein in das Geschäft von Ulrich Wagner als der kleinste Lehrling&semi; wuchs heran unter der trefflichen Leitung des großen Mannes und verdankte ihm viel&period; Doch als die Jahre vergingen&comma; da war es das Geschäft&comma; das wuchs&comma; und Ulrich Wagner verdankte das der Lust und der Kraft des ehemaligen Lehrlings Johannes Ruhn&period;<&sol;p>

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