Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Die Familie Pfäffling
(Agnes Sapper, 1907, empfohlenes Alter: 6 - 12 Jahre)

Adventszeit

<p>"Wer darf den letzten Novemberzettel vom Block reißen&comma; das dünne Blättchen&comma; das allein noch den Weihnachtsmonat verhüllt&quest;" Die jungen Pfäfflinge standen alle in die eine Ecke gedrängt&comma; wo der Kalender hing&comma; und stritten sich&comma; halb im Spaß&comma; halb im Ernst darum&comma; wer den Dezember aufdecken dürfe&period; Die Eltern&comma; am Frühstückstisch&comma; sahen auf&period; "Buben&comma; galant sein&excl;" rief der Vater&period; Da traten die vier Brüder vom Kampfplatz zurück&period; Elschen konnte den Kalender noch gar nicht erreichen&comma; so kam das Vorrecht an die Zwillingsschwestern&period; "Wir machen es miteinander&comma;" sagten sie&period; Da kam denn der erste Dezember zum Vorschein&comma; und zwar rot&comma; denn es war Sonntag&comma; und kein gewöhnlicher Sonntag&comma; sondern der erste Advent&period; Die schönste Weihnachtsstimmung stieg auf mit diesem Tag und nicht nur bei den Kindern&period; Herr Pfäffling stimmte unvermutet und ohne Begleitung an&colon; "Wie soll ich dich empfangen und wie begegnen dir&comma; O aller Welt Verlangen&comma; o meiner Seele Zier&excl;" Alle Kinder sangen mit&comma; erste Stimme&comma; zweite Stimme&comma; je nach Begabung&comma; auch die Mutter&comma; aber sie recht leise&comma; denn sie allein von der ganzen Familie war vollständig unmusikalisch und sang&comma; wie Frieder einmal gesagt hatte etwas anderes als die Melodie&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Bald darauf war es für diejenigen&comma; die zur Kirche gehen wollten&comma; Zeit sich zu richten&period; Ein Teil pflegte vormittags zu gehen&comma; einige nachmittags oder in den Kindergottesdienst&period; Frau Pfäffling wollte heute mit ihrem Mann gehen&comma; unter den Kindern gab es ein Beraten und Flüstern&period; Als nach einer Weile die Eltern&comma; zum Ausgang gerichtet&comma; an der Treppe standen und sich von den Zurückbleibenden verabschieden wollten&comma; fand sich's&comma; daß es heute gar keine solchen gab&comma; daß alle sieben bereit standen&comma; mitzugehen&period; Das war noch nie so gewesen&period; "Wer soll dann aufmachen&comma; wenn geklingelt wird&quest;" fragte Frau Pfäffling bedenklich&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Es klingelt fast nie während der Kirchenzeit&comma;" versicherte der&nbsp&semi;Kinderchor&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Aber wir können doch nicht zu neunt aufziehen&comma; das ist ja eine ganze&nbsp&semi;Prozession&excl;" wandte Herr Pfäffling ein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Wir gehen drüben&comma; auf der anderen Seite der Straße&comma;" sagten die Buben&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Aber Walburg muß wenigstens wissen&comma; daß sie ganz allein zu Hause ist&comma; hole sie schnell&comma; Elschen&comma;" rief Frau Pfäffling&period; Als das Mädchen die ganze Familie im Begriff sah&comma; auszugehen&comma; wußte sie schon&comma; was man von ihr wollte&comma; und sagte in ihrer ernsthaften Weise&colon; "Ich wünsche gesegnete Andacht"&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Draußen schien die Wintersonne auf bereifte Dächer&comma; Sonntagsruhe herrschte in der Vorstadt und die Familie&comma; die hier den Weg zur Kirche einschlug&comma; hatte die Adventsstimmung schon im Herzen&period; Die vier Buben ließen aber&comma; ihrem Versprechen gemäß&comma; die ganze Breite der Frühlingsstraße zwischen sich und den Eltern und Schwestern&comma; bis nach einer Weile Elschen dem Frieder immer dringlicher winkte&period; Da konnte er nicht länger widerstehen und gesellte sich der kleinen Schwester zu&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Adventsstimmung&comma; Weihnachtsahnung wehten heute den ganzen Tag durchs Haus&period; Wenn im November eines der Kinder vom nahen Weihnachtsfest sprechen wollte&comma; hatte die Mutter immer abgewehrt und gesagt&colon; "Das dauert noch lange&comma; lange&comma; davon reden wir noch gar nicht&comma; sonst werden die Kleinen ungeduldig&period;" So hätte sie auch gestern noch gesagt&comma; aber heute war das etwas ganz anderes&comma; man feierte Advent&comma; Weihnachten war über Nacht ganz nahe gerückt&period; Im Dämmerstündchen zog Frau Pfäffling Elschen zu sich heran und fragte selbst&colon; "Weißt du denn noch&comma; wie schön der Christbaum war&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>Sie wußte es wohl noch&comma; und als nun die Geschwister über Weihnachten plauderten&comma; da konnte sie mittun&comma; ja in der Freude auf Weihnachten stand sie nicht hinter den Großen zurück&comma; im Gegenteil&comma; wenn sie mit leuchtenden Augen vom Christkindlein sprach&comma; so war sie die kleine Hauptperson&comma; die allen die Freude erhöhte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Bald taten sich in einer Ecke die Geschwister zusammen und berieten flüsternd&comma; was sie den Eltern zu Weihnachten schenken könnten&period; Es durfte kein Geld kosten&comma; denn Geld hatten sie nicht&period; Von Geschenken&comma; die Geld kosteten&comma; sprachen sie ganz verächtlich&period; "Es ist keine Kunst&comma; in einen Laden zu gehen und etwas zu kaufen&comma; aber ohne Geld etwas recht Eigenartiges&comma; Schönes und Nützliches zu bescheren&comma; das ist eine Kunst&excl;" Ja&comma; eine so schwere Kunst ist das&comma; daß sich die Beratung sehr in die Länge zog&period; Frieder nahm nicht lange daran teil&comma; ihm klang heute immer der Adventschoral im Ohr&colon; "Wie soll ich dich empfangen&comma;" er mußte ihn ausstudieren&period; Er fing an zu spielen&comma; und als er merkte&comma; daß ungnädige Blicke auf seine Ziehharmonika fielen&comma; zog er sich hinaus in die Küche&comma; wo Walburg saß und in ihrem Gesangbuch las&period; Sie hörte diese Töne&comma; und da sie sich in ihrer Taubheit über alles freute&comma; was bis an ihr Ohr drang&comma; schob sie ihm den Schemel hin&comma; zum Zeichen&comma; daß er sich bei ihr niederlassen sollte&period; So kam die Adventsstimmung bis in die Küche&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Am nächsten Tag mußten freilich die Weihnachtsgedanken wieder in den Hintergrund treten&comma; denn in die Schule paßten sie nicht&period; Nur Frieder wollte sie auch dorthin bringen&semi; was Remboldt ihm einmal gesagt&comma; hatte er nicht vergessen&comma; er wollte seine Harmonika mit in die Schule nehmen und dort den Adventschoral vorspielen&period; Die Mutter hörte es und wunderte sich&colon; Er hatte sich noch nie zeigen oder vordrängen wollen mit seiner Kunst&comma; nun kam ihm doch die Lust&comma; sich hören zu lassen&period; Sie mochte es ihm nicht verbieten&comma; aber es war ihr fremd an ihrem kleinen&comma; bescheidenen Frieder&period; So zog er mit seiner großen Harmonika in der Hand&comma; den Schulranzen auf dem Rücken&comma; durch die Frühlingsstraße&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Freilich&comma; als er sah&comma; welches Aufsehen es bei den Schulkameraden machte&comma; bereute er es fast&period; Er hatte sein Instrument verbergen wollen bis zu der großen Pause um 10 Uhr&comma; wo die Lehrer ihre Klassenzimmer verließen und die Schüler sich in dem weiten Schulhof zerstreuten&period; Aber es ging nicht so&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Lehrer war kaum in das Schulzimmer getreten&comma; so riefen ihm auch schon ein paar kecke Bürschchen zu&colon; "Der Pfäffling hat seine Ziehharmonika mitgebracht&period;" Da verlangte er sie zu sehen und fragte&comma; ob Frieder denn mit dem großen Instrument zurechtkäme&period; Nun stießen ihn die Kameraden von allen Seiten&colon; "Spiel doch&comma; gelt&comma; du kannst es nicht&quest; Spiel doch etwas vor&excl;" Darauf spielte Frieder seinen Adventschoral&comma; vergaß seine vielen Zuhörer&comma; vergaß die Schulzeit und sagte&comma; nachdem er fertig war&colon; "Jetzt kommt&colon; Wachet auf&comma; ruft uns die Stimme&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Der Lehrer ließ ihn gewähren&comma; denn er sah&comma; wie gern ihm alle zuhörten und wie der kleine Musiker ganz und gar bei seinen Liedern war&period; "Hast du das bei deinem Vater gelernt&quest;" fragte er ihn jetzt&period; "Nein&comma;" sagte Frieder&comma; "Harmonika muß man nicht lernen&comma; das geht von selbst&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Das geht vielleicht bei euch Pfäfflingen von selbst&comma; aber bei anderen nicht&period; Was meinst du&comma;" sagte er zu dem&comma; der am nächsten stand&comma; "könntest du das auch&quest;" "O ja&comma;" sagte der&comma; "da darf man nur auf- und zuziehen&period;" "Du wirst dich wundern&comma; wenn du es probierst&excl;" entgegnete der Lehrer&comma; "aber jetzt&colon; auf eure Plätze&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Um 10 Uhr&comma; in einer Ecke des Schulhofs&comma; wurde Frieder umringt und mußte spielen&period; Es kamen auch größere Schüler von anderen Klassen herbei und die wollten nicht nur hören&comma; die wollten es auch probieren&period; Die Harmonika ging von Hand zu Hand&period; Sie zogen daran mit Unverstand&comma; einer riß sie dem andern mit Gewalt weg und der sie nun hatte&comma; der sagte&colon; "Sie geht ja gar nicht&comma; ich glaube&comma; sie ist zerplatzt&period;" Da bekam sie Frieder zurück und als er sie ansah&comma; wurde er blaß und als er sie zog&comma; gab sie keinen einzigen Ton mehr&period; Da wurden sie alle still und sahen betroffen auf den kleinen Musikanten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Wer hat's getan&quest;" hieß es nun&period; Die Frage ging von einem zum andern und wurde zum Streit&comma; aber Frieder kümmerte sich nicht darum&comma; er verwandte keinen Blick von seiner Harmonika&comma; er strich mit der Hand über sie&comma; er drückte sie zärtlich an sich&comma; er probierte noch einmal einen Zug&comma; aber er wußte es ja schon vorher&comma; daß ihre Stimme erloschen war und nimmer zum Leben zu erwecken&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nach der Schule lief er all seinen Kameraden&comma; die ihn teilnehmend oder neugierig umgaben&comma; davon&comma; er mochte nichts hören und nichts sehen von ihnen&period; Er trug seine Harmonika im Arm&comma; lief durch die lange Frühlingsstraße nach Hause&comma; rief die Mutter und drückte sich bitterlich weinend an sie mit dem lauten Ausruf&colon; "Sie ist tot&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Eine ganze Woche schlich Frieder ruhelos im Hause umher wie ein Heimatloser&period; Immer fehlte ihm etwas&comma; oft sah er auf seine leeren Hände&comma; bewegte sie wie zum Ziehen der Harmonika und ließ sie dann ganz enttäuscht sinken&period; Das bitterste an seinem Schmerz war aber die Reue&period; Er selbst hatte ja seine Freundin den bösen Buben ausgeliefert&period; Hätte er sie in der Stille für sich behalten und nicht mit ihr Ruhm ernten wollen&comma; so wäre sie noch lange am Leben geblieben&period; Dagegen half kein Trost&comma; nicht einmal die Vermutung der Geschwister&comma; daß er vielleicht eine neue Harmonika zu Weihnachten bekommen würde&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber etwas anderes half ganz unvermutet&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Es war wieder Sonntag&comma; der zweite Advent&comma; und wieder standen die Kinder beisammen&comma; noch immer ratlos wegen eines Weihnachtsgeschenks für die Eltern&period; Diesmal lief aber Frieder nicht weg&comma; wie er vor acht Tagen getan hatte&comma; er konnte ja kein Adventlied mehr üben&comma; so zog ihn nichts ab&period; Er hatte still zugehört&comma; wie allerlei Vorschläge gemacht und wieder verworfen wurden&comma; nun mischte er sich auch ein&colon; "Unten&comma;" sagte er&comma; "auf den Balken&comma; da kann man sich alles ausdenken&comma; aber da oben nicht&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"So geh du hinunter und denke dir etwas für mich aus&comma;" sagte eines der&nbsp&semi;Geschwister&period; "Für mich auch&excl;" "Und für mich&comma;" hieß es nun von allen&nbsp&semi;Seiten&period; Er war gleich bereit dazu&period; Die Schwestern gaben ihm ihren großen&nbsp&semi;Schal mit hinunter&period; Er ging auf das Plätzchen&comma; das er so gern mit seiner&nbsp&semi;Harmonika aufgesucht hatte&period; Es war kalt heute und er wickelte sich ganz&nbsp&semi;in das große Tuch&comma; saß da allein&comma; war vollständig erfüllt von seiner&nbsp&semi;Aufgabe&comma; zweifelte auch gar nicht daran&comma; daß er sie lösen würde&period; Auf der&nbsp&semi;Harmonika war ihm hier unten auch alles gelungen&comma; was er versucht hatte&period;&nbsp&semi;Der kleine Kopf war fest an der Arbeit&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als Frieder wieder heraufkam&comma; sammelten sich begierig alle Geschwister um ihn&comma; und er&comma; der in ihrem Rat noch nie das große Wort geführt hatte&comma; streckte nun seine kleine Hand aus und sagte so bestimmt&comma; wie wenn da nun gar kein Zweifel mehr sein könnte&colon; "Du&comma; Karl&comma; mußt ein Gedicht erdichten und du&comma; Wilhelm&comma; auf einen so großen Bogen Papier schöne Sachen abzeichnen und Otto muß so laut&comma; wie es der Rudolf Meier beim Maifest getan hat&comma; vom Bismarck deklamieren und Marianne soll das schönste Lied vom Liederbuch zweistimmig vorsingen&period; Aber wir zwei können nichts&comma;" sagte er&comma; indem er sich an Elschen wandte&comma; "darum müssen wir solche Sachen sammeln zum Feuer machen&comma; wie es manchmal Walburg sagt&comma; Nußschalen und Fadenrollen&comma; Zwetschgensteine und alte Zündhölzer&comma; einen rechten Sack voll&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Jedes der Kinder dachte nach über den Befehl&comma; den es erhalten hatte&comma; und fand ihn ausführbar&period; "Ich weiß&comma; was ich zeichne&excl;" rief Wilhelm&comma; "dich zeichne ich ab&comma; Frieder&comma; wie du mit deiner Harmonika immer da gestanden bist&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Und ich mache ein Gedicht über unsern Krieg in Afrika&comma; wenn der Morenga darin vorkommt&comma; dann gefällt es dem Vater&period;" Sie waren alle vergnügt&period; "Frieder&comma;" sagte Karl&comma; "es tut mir ja leid für dich&comma; daß du deine Harmonika nimmer hast&comma; aber mir bist du lieber ohne sie&period;" Die andern stimmten ein und Frieder machte nimmer das trostlose Gesicht&comma; das man die ganze Woche an ihm gesehen hatte&comma; zum erstenmal fühlte er sich glücklich auch ohne Harmonika&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Zwischen den Adventssonntagen lag ernste Lernzeit&comma; denn da galt es&comma; viele Probearbeiten anzufertigen&comma; von denen das Weihnachtszeugnis abhing&period; Die Fest- und Ferienzeit wollte verdient sein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Unter den jungen Pfäfflingen war Otto der beste Schüler&comma; und er galt viel in seiner Klasse&period; Nun saß hinter ihm ein gewisser Rudolf Meier&comma; der machte sich sehr an Otto heran&comma; obwohl dieser ihn nicht eben lieb hatte&period; Er war der Sohn von dem Besitzer des vornehmen Zentralhotels und machte sich als solcher gern ein wenig wichtig&period; Alle Kameraden mußten es erfahren&comma; wenn hohe Persönlichkeiten im Hotel abgestiegen waren&comma; und wenn gar Fürstlichkeiten erwartet wurden&comma; fühlte er sich so stolz&comma; daß sich's die andern zur Ehre rechnen mußten&comma; wenn er sich an solchen Tagen von ihnen die Aufgaben machen ließ&period; Er war älter und größer als alle andern&comma; weil er schon zweimal eine Klasse repetiert hatte&semi; dessen schämte er sich aber keineswegs&comma; sondern sagte gelegentlich von oben herab&colon; "In solch einem Welthotel müsse selbstverständlich die gewöhnliche Schularbeit manchmal hinter wichtigerem zurückstehen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Dieser Rudolf Meier hatte seine guten Gründe&comma; warum er heute ein ganzes Stück Weges mit Otto ging&comma; obwohl das Zentralhotel der Frühlingsstraße entgegengesetzt lag&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Sie sahen gar nicht wie Schulkameraden aus&comma; diese beiden&period; Otto in kurzem&comma; schlichtem&comma; etwas ausgewaschenem Schulbubenanzug&comma; Rudolf Meier ein feines junges Herrchen&comma; mit tadellos gestärkten Manschetten und Kragen nach neuester Fasson&period; Und doch wandte sich nun der um einen Kopf Größere bittend zu dem Kleinen und sagte&colon; "Ich bin etwas in Verlegenheit&comma; Pfäffling&comma; wegen der griechischen Arbeit&comma; die wir morgen abliefern sollen&period; Es ist gegenwärtig keine Möglichkeit bei uns&comma; all dies Zeug zu machen&comma; ich habe wahrhaftig wichtigeres zu tun&period; Würdest du mir nicht heute nachmittag dein Heft mitbringen&comma; daß ich einige Stellen vergleichen könnte&quest;" "Von mir aus&comma;" sagte Otto&comma; "nur wenn du mir wieder einen Klex hineinmachst&comma; wie schon einmal&comma; dann sei so gut und setze deine Unterschrift unter den Klex&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Rudolf Meier wollte auch die Mathematikaufgabe ein wenig vergleichen&period; "Was tust du eigentlich den ganzen Tag&comma; wenn du gar nichts arbeitest&quest;" sagte Otto ärgerlich&comma; "mir ist's einerlei&comma; wenn du auch alles abschreibst&comma; aber ich kann dich gar nicht begreifen&comma; daß du das magst&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Weil du nicht weißt&comma; wie es bei uns zugeht&comma; Pfäffling&comma; anders als bei euch und das kannst du mir glauben&comma; ich habe oft mehr zu leisten als ihr&period; Da ist zum Beispiel vorige Woche eine russische Familie angekommen&comma; Familie ersten Rangs&comma; offenbar steinreiche Leute&comma; gehören zur feinsten Aristokratie&period; Haben fünf Zimmer im ersten Stock vorn heraus gemietet&period; Sie beabsichtigen offenbar lange zu bleiben&comma; sieben riesige Koffer&period; Werden wohl die Revolution fürchten&comma; haben ihr Geld glücklich noch aus Rußland herausgebracht und warten nun in Deutschland ab&comma; wie sich die Dinge in Rußland gestalten&period; Gegen solche Gäste ist man artig&comma; das begreifst du&period; Da sagt nun gestern die Dame zu meinem Vater&comma; sie möchte ihren beiden Söhnen Unterricht geben lassen von einem Professor&comma; welchen er wohl empfehlen könnte&quest; Mein Vater verspricht ihr sofort Auskunft&comma; kommt natürlich an mich&period; Ich sitze an meiner Arbeit&period; Nun heißt es&colon; 'Rudolf&comma; mach deine Aufwartung droben&period; Besprich die Unterrichtsfächer&comma; gib guten Rat&comma; nenne feine Professoren mit liebenswürdigen Umgangsformen&period; Erbiete dich&comma; die Herrn Professoren aufzufordern und den Unterricht in Gang zu bringen&period;'<&sol;p>&NewLine;<p>"Ich mache feinste Toilette&comma; mache meine Aufwartung&period; So etwas ist keine Kleinigkeit&comma; besonders bei solchen Leuten&period; Du spürst gleich&comma; daß du mit wirklich Adeligen zu tun hast&comma; und der große Herr mit seiner militärischen Haltung und strengem Blick&comma; die Dame in kostbarem Seidenkostüm imponieren dir&comma; du mußt dich schon zusammennehmen&period; Die zwei jungen Herrn sehen dich auch so an&comma; als wollten sie sagen&colon; Ist das ein Mensch&comma; mit dem man sich herablassen kann zu reden oder nicht&quest;<&sol;p>&NewLine;<p>"Nun&comma; ich kenne ja das von Kind auf und lasse mich nicht verblüffen&period; Es hat ihnen denn doch imponiert&comma; wie ich von meinem Gymnasium und meinen Professoren gesprochen habe&period; Aber du kannst dir denken&comma; daß ich genug zu laufen hatte&comma; bis ich die Sache in Gang brachte&comma; und nun bin ich wohl noch nicht fertig&comma; denn sie haben gestern ein Pianino gekauft&comma; eine Violine haben sie auch&comma; da wird sich's um Musikunterricht handeln&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Bei diesem Wort horchte Otto&semi; Musikunterricht—wenn das ein Pfäffling hört&comma; so klingt es ihm wie Butter aufs Brot&period; "Wer soll den Musikunterricht geben&quest;" fragte er&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Weiß ich nicht&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Meier&comma; da könntest du meinen Vater empfehlen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Warum nicht&comma; das kann man schon machen&period; Das heißt&comma; für solche&nbsp&semi;Herrschaften muß man immer das feinste wählen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Du kannst dich darauf verlassen&comma; mein Vater gibt feinen Unterricht&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Wohl&comma; wohl&comma; aber so ein Titel fehlt&comma; Professor oder Direktor oder so etwas&comma; das hören sie gern&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Jetzt will ich dir etwas anvertrauen&comma; Meier&period; Mein Vater kommt als Direktor nach Marstadt&comma; sobald es mit der Musikschule dort im Reinen ist&period; Er hat schon seine Aufwartung dort gemacht und alle Stimmen waren für ihn&period; Nur ist es noch nichts geworden&comma; weil erst gebaut werden muß&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Dann kann ich wohl etwas für ihn tun&comma;" sagte Rudolf Meier herablassend&comma; "vorausgesetzt&comma; daß sie sich bei mir nach dem Musiklehrer erkundigen und nicht bei den Professoren&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Dem mußt du eben zuvorkommen&comma; gleich jetzt&comma; wenn du heimkommst&comma; mußt du mit den Russen sprechen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Meinst du&comma; da könnte ich so aus- und eingehen&comma; wann ich wollte&quest; Du hast keinen Begriff von Umgangsformen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Nein&comma;" sagte Otto&comma; "wie man das machen muß&comma; weiß ich freilich nicht&comma; aber wenn du das nicht zustande bringst&comma; dann möchte ich wohl wissen&comma; was du kannst&colon; dein Griechisch ist nichts&comma; deine Mathematik ist gar nichts und dein Latein ist am allerwenigsten&comma; wenn du also nicht einmal in deinem Zentralhotel etwas vermagst&comma; dann ist deine ganze Sache ein Schwindel&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ich vermag viel im Hotel&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"So beweise es&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Werde ich auch&period; Vergiß nicht&comma; daß du mir deine Hefte versprochen hast&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>So trennten sich die Beiden&period; Otto aber rannte vergnügt heim&comma; rief die Geschwister zusammen und erzählte von der schönen Möglichkeit&comma; die sich für den Vater auftat&comma; die reichen Russen aus dem Zentralhotel zum Unterricht zu bekommen&period; Sie trauten aber diesem Rudolf Meier nicht viel zu und kamen überein&comma; daß sie den Eltern zunächst kein Wort sagen wollten&comma; es sollte nicht wieder eine Enttäuschung geben&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Am Nachmittag empfing Rudolf Meier die beiden Hefte&period; Am nächsten Tag&comma; in einer Unterrichtspause sagte er leise zu Otto&colon; "Wenn ich deinen Vater empfehle&comma; gibst du mir dann deinen Aufsatz abzuschreiben&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Zehn Aufsätze&comma;" sagte Otto&comma; "mach aber&comma; daß es bald so weit kommt&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Einen Augenblick später traf Otto im Schulhof seinen Bruder Karl und erzählte ihm das&period; Da wurde Karl nachdenklich&comma; und noch ehe die Pause vorüber war&comma; faßte er Otto ab&comma; nahm ihn beiseite und sagte&colon; "Du solltest das zurücknehmen&comma; so eine Handelsschaft gefiele dem Vater nicht&period; So möchte er die Stunden gar nicht annehmen&period; Sag du dem Rudolf Meier&comma; er soll seine Aufsätze selbst machen&comma; zu solch einem Handel sei unser Vater viel zu vornehm&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Das sagte Otto und noch etwas dazu&comma; was ihm nicht der Bruder&comma; sondern der Ärger eingegeben hatte&colon; "Du bist nichts als ein rechter Schwindler&period;" So ging die Sache aus und die Kinder waren nur froh&comma; daß sie darüber geschwiegen hatten&period; Sie dachten längst nicht mehr daran&comma; als eines Nachmittags Wilhelm meldete&colon; "Vater&comma; der Diener vom Zentralhotel hat diesen Brief für dich abgegeben&comma; er soll auf Antwort warten&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Pfäffling begriff nicht die Blicke glücklichen Einverständnisses&comma; die die Kinder wechselten&comma; während ihr Mann die Karte las&comma; auf der höflich angefragt wurde&comma; ob er sich im Zentralhotel wegen Violin- und Klavierstunden vorstellen möchte&period; Die Karte war an Herrn Direktor Pfäffling adressiert&comma; und als die Brüder diese Aufschrift bemerkten&comma; flüsterten sie lachend einander zu&colon; Ein Schwindler ist er trotzdem&comma; der Rudolf Meier&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Diener des Zentralhotels bekam für die Überbringung einer so erwünschten Botschaft ein so schönes Trinkgeld&comma; wie er es von dem schlichten Musiklehrer nie erwartet hätte&comma; und als er Herrn Meier senior ausrichtete&comma; daß Herr Direktor Pfäffling noch diesen Nachmittag erscheinen werde&comma; fügte er hinzu&colon; "Es ist ein sehr feiner Herr&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Bei Pfäfflings war große Freude&period; Otto erzählte alles&comma; was Rudolf Meier von dem Fremden berichtet hatte&comma; die Eltern und Geschwister hörten ihm zu&comma; er war stolz und glücklich und konnte gar nicht erwarten&comma; bis der Vater sich auf den Weg nach dem Zentralhotel machte&period; Aber so schnell ging das nicht&comma; im Hausgewand konnte man dort nicht erscheinen&period; Herr Pfäffling suchte hervor&comma; was er sich neulich zu seiner Vorstellung in Marstadt angeschafft hatte&period; "Wenn es nur nicht wieder eine Enttäuschung gibt&comma;" sagte er&comma; während er sich eine seine Krawatte knüpfte&comma; "wer weiß&comma; wie die hohen Aristokraten sich in der Nähe ausnehmen&comma; mit denen dieser Rudolf Meier prahlt&excl;" Frau Pfäffling hatte aber gute Zuversicht&colon; "Das erste Hotel hier ist es immerhin&comma;" sagte sie&comma; "und die Russen gelten für ein sehr musikalisches Volk&comma; da wirst du hoffentlich bessere Schüler bekommen als Fräulein Vernagelding&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ach&comma; die Unglückselige kommt ja heute nachmittag&comma;" seufzte Herr&nbsp&semi;Pfäffling&comma; "ich werde aber zu rechter Zeit wieder zurück sein&comma; für meine&nbsp&semi;Marterstunde&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Er ging&comma; und sie sahen ihm voll Teilnahme nach&comma; Otto noch mehr als die andern&comma; er fühlte sich doch als der Anstifter des ganzen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Unser Musiklehrer blieb lange aus&period; Der kurze Dezembernachmittag war schon der Abenddämmerung gewichen&comma; die Lampe brannte im Zimmer&comma; auch die Ganglampe war schon angezündet und von Marie und Anne in ihr Stübchen geholt worden&period; Um fünf Uhr war Fräulein Vernageldings Zeit&period; Frau Pfäffling wurde unruhig&period; So gewissenhaft ihr Mann sonst war&comma; heute schien er sich doch zu verspäten&period; Nun schlug es fünf Uhr&comma; es klingelte&comma; Marie und Anne eilten mit der geraubten Lampe herbei&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Zwischen Fräulein Vernagelding und den Zwillingen hatte sich allmählich eine kleine Freundschaft angesponnen&period; Wenn die Schwestern so eilfertig herbeikamen mit der Lampe und gefällig Hilfe leisteten bei dem Anziehen der Gummischuhe&comma; dem Zuknöpfen der Handschuhe und dem Aufstecken des Schleiers&comma; so freute dies das Fräulein und es plauderte mit den viel jüngern Mädchen wie mit ihresgleichen&period; Als sie nun heute hörte&comma; daß Herr Pfäffling noch nicht da sei&comma; schien sie ganz vergnügt darüber&comma; lachte und spaßte mit den Schwestern&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Herr Pfäffling ruft immer 'Marianne'&comma;" sagte sie&comma; "welche von Ihnen heißt so&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"So heißen wir bloß miteinander&comma;" antworteten sie&comma; "wir können es eigentlich nicht leiden&comma; jede möchte lieber ihren eigenen Namen&comma; Marie und Anne&comma; aber so ist's eben bei uns&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Das fand nun Fräulein Vernagelding so komisch&comma; daß ihr etwas albernes&nbsp&semi;Lachen über den ganzen Gang tönte&period; Sie hatte inzwischen abgelegt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Mutter sagte&comma; Sie möchten nur einstweilen anfangen&comma; Klavier zu spielen&comma;" richtete Marie aus&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Ach nein&comma;" entgegnete das Fräulein&comma; "ich möchte viel lieber mit Ihnen plaudern&period; Klavierspielen ist so langweilig&period; Aber es muß doch sein&period; Es lautet nicht fein&comma; wenn man gefragt wird&colon; Gnädiges Fräulein spielen Klavier&quest; und man muß antworten&colon; nein&period; So ungebildet lautet das&comma; meint Mama&period; Mein voriger Klavierlehrer war so unfreundlich&comma; er sagte immer&comma; ich sei unmusikalisch&period; Herr Pfäffling ist schon mein vierter Lehrer&period; Die Herrn wollen immer nur musikalische Schülerinnen&comma; es kann aber doch nicht jedermann musikalisch sein&comma; nicht wahr&quest; Man muß es doch auch den Unmusikalischen lehren&comma; finden Sie nicht&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Bei uns ist das anders&comma;" sagte Anne&comma; "wir sind sieben&comma; da wäre es doch zuviel für den Vater&comma; wenn wir alle Musik treiben wollten&semi; er nimmt bloß die&comma; die recht musikalisch sind&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Die drei Mädchen&comma; an der Türe stehend&comma; fuhren ordentlich zusammen&comma; so plötzlich stand Herr Pfäffling bei ihnen&period; Im Bewußtsein seiner Verspätung war er mit wenigen großen Sätzen die Treppe heraufgekommen&period; Fräulein Vernagelding tat einen kleinen Schrei und rief&colon; "Wie haben Sie mich erschreckt&comma; Herr Pfäffling&comma; aber wie fein sehen Sie heute aus&comma; so elegant&period;" Herr Pfäffling unterbrach sie&colon; "Wir wollen nun keine Zeit mehr verlieren&comma; bitte um Entschuldigung&comma; daß ich Sie warten ließ&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"O&comma; es war ein so reizendes Viertelstündchen&comma;" hörte man sie noch sagen&comma; ehe sie mit ihrem Lehrer im Musikzimmer verschwand und einen Augenblick nachher wurde G-dur gespielt ohne jegliches Fis&comma; was immer ein sicheres Zeichen war&comma; daß Fräulein Vernagelding am Klavier saß&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Habt ihr dem Vater nichts angemerkt&comma; ob er befriedigt heimgekommen ist&quest;" wurden Marie und Anne von den Brüdern gefragt&period; Sie wußten nichts zu sagen&comma; man mußte sich noch eine Stunde gedulden&period; Das fiel Otto am schwersten&comma; und er paßte und spannte auf das Ende der Klavierstunde&comma; und im selben Augenblick&comma; wo Fräulein Vernagelding durch die eine Türe das Zimmer verließ&comma; schlüpfte er schon durch den andern Eingang hinein und fragte&colon; "Vater&comma; wird etwas aus den Russenstunden&quest;" Herr Pfäffling lachte vergnügt&period; "Wo ist die Mutter&comma;" sagte er&comma; "komm&comma; ich erzähle es euch im Wohnzimmer&comma;" und schon unter der Tür rief er&colon; "Cäcilie&comma; Cäcilie&comma;" und seine Frau konnte nicht schnell genug aus der Küche herbeigeholt werden&period; Sie kannte aber schon seinen Ton und sagte&colon; "Wenn ich kaum meine Tassen abstellen darf&comma; dann muß es auch im Zentralhotel gut ausgefallen sein&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Über alles Erwarten&comma;" rief Herr Pfäffling&comma; "eine durch und durch musikalische Familie&comma; die beiden Söhne feine Violinspieler&comma; ich glaube kaum&comma; daß wir einen solchen Schüler in der Musikschule haben&comma; und ihre Mutter spielt Klavier mit einer Gewandtheit&comma; daß es ein Hochgenuß sein wird&comma; mit ihr zusammen vierhändig zu spielen&period; Aber nun will ich euch erzählen&period; Im Vorplatz des Zentralhotels hat mich ein junges Herrchen empfangen&comma; den ich nach deiner Beschreibung&comma; Otto&comma; gleich als Rudolf Meier erkannt habe&period; Der führt mich nun in einen kleinen Salon&comma; spricht mit mir wie ein Herr&comma; das versteht er wirklich&comma; der Schlingel&comma; kein Mensch denkt&comma; daß man einen Schuljungen vor sich hat&comma; der von so einem Knirps&comma; wie du daneben bist&comma; seine Aufgaben abschreibt&period; Der sagte mir nun&comma; er habe es für besser gehalten&comma; mich als Herr Direktor einzuführen&comma; und ich möchte nur auch meine Honoraransprüche darnach richten&comma; die Familie würde sonst nicht an den Wert meiner Stunden glauben&comma; solchen Leuten gegenüber müsse man hohe Preise machen&period; Dann geleitete er mich die breite&comma; mit dicken Teppichen belegte Treppe hinauf&period; Rudolf Meier fühlte sich ganz als mein Führer&comma; klopfte für mich an und stellte mich dem russischen General als Herrn Direktor Pfäffling vor&period; Eine Weile blieb er noch im Zimmer&comma; als aber niemand von ihm Notiz nahm&comma; empfahl er sich&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Der General ist schon ein älterer Herr mit grauem Bart und ist nicht mehr im Dienst&comma; aber er hat eine imponierende Haltung und einen durchdringenden Blick&period; Er stellte mich seiner Frau und seinen zwei jungen Söhnen vor und bot mir einen Platz an&period; Aber sie waren alle ziemlich zurückhaltend&comma; vielleicht hatten sie nicht viel Vertrauen in die Empfehlung von Rudolf Meier&period; Sie sprachen nur ganz unbestimmt davon&comma; daß die Söhne später vielleicht einige Violinstunden nehmen sollten&comma; und ich hatte das Gefühl&colon; es wird nichts daraus werden&period; Die Unterhaltung war auch ein wenig schwierig&comma; sie sprechen nicht geläufig Deutsch&comma; versuchten es mit Französisch&comma; als sie aber mein Französisch hörten&comma; da meinte die Dame&comma; es gehe eher noch Deutsch&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Mir wurde die Sache ungemütlich&comma; es beengten mich auch die ungewohnten Glacéhandschuhe&comma; dazu mußte ich in einem weich gepolsterten&comma; niedrigen Lehnsessel ruhig sitzen und wußte gar nicht&comma; wohin mit meinen langen Beinen&comma; dabei war es mir immer&comma; als müßten sie mir ansehen&comma; daß ich kein Direktor bin&period; Endlich hielt ich es nimmer aus&comma; sprang auf&comma; worüber allerdings die Dame ein wenig erschrak&comma; zog meine Handschuhe herunter und sagte&colon; 'Ich denke&comma; es ist besser&comma; wir machen ein wenig Musik&comma; dabei lernt man sich viel schneller kennen&comma;' und ich fragte die Dame&comma; für welchen deutschen Komponisten sie sich interessiere&quest; Sie schien etwas überrascht&comma; nannte aber gleich Wagner&comma; was mir recht war&period; Da ging ich ohne weiteres an das Instrument&comma; machte es auf und fragte&comma; aus welcher Oper sie etwas hören wollte&quest; 'Bitte&comma; etwas aus den Nibelungen&comma; Herr Direktor&comma;' antwortete sie&comma; da drehte ich mich rasch noch einmal nach ihr um und sagte&colon; 'Nennen Sie mich nur mit meinem Namen Pfäffling&semi; ich wäre allerdings fast Direktor geworden&comma; werde es auch vielleicht einmal&comma; aber zur Zeit habe ich noch kein Recht auf diesen Titel&period;' Dann spielte ich&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Es war ein prächtiges Instrument&semi; die beiden jungen Herren kamen immer näher heran und hörten mit sichtlichem Interesse zu&comma; ich merkte&comma; daß wir uns verstanden&comma; und bald war alles gewonnen&period; Sie spielten dann Violine&comma; und die Dame versicherte mich&comma; daß vierhändiges Klavierspiel ihre größte Passion sei und endlich wurde ich aufgefordert&comma; jeden Tag ein bis zwei Stunden zu kommen&period; Zuletzt fragte der General noch nach dem Preis&comma; der war ihnen auch recht&comma; eine unbescheidene Forderung mochte ich nicht machen&semi; das kann Herr Rudolf Meier tun&comma; wenn er seine Hotelrechnung stellt&comma; aber ich kann das nicht so&period; Als ich fortging&comma; begleiteten die Herren mich ganz freundlich an die Türe&comma; alle Steifheit war vorbei und die Dame reichte mir noch die Handschuhe&comma; die ich vergessen hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Hinter einem Pfeiler im Treppenhaus kam Rudolf Meier zum Vorschein&period; Er hat offenbar die Verhandlungen von außen beobachtet und wird morgen in der Klasse wieder versichern&comma; zum Arbeiten habe er keine Zeit gehabt&period; Er ist aber&comma; wie mir scheint&comma; nebenbei ein gutmütiger Mensch&comma; schien sich wirklich zu freuen&comma; daß die Sache gut abgelaufen war&comma; und flüsterte mir zu&colon; 'Sie sind von allen drei Herren zur Türe begleitet worden&comma; diese Ehre ist keinem der Professoren zuteil geworden&period;' Ich habe ihm auch gedankt für seine Vermittlung&comma; und wenn ich ihn öfter sehe&comma; werde ich ihm einmal sagen&colon; Sei doch froh&comma; daß du noch ein junger Bursch bist&comma; gib dich wie ein solcher und wolle nicht mehr vorstellen&comma; als du bist&excl; Er macht sich ja nur lächerlich&semi; wer verlangt von ihm das Auftreten eines Geschäftsmannes&quest; Der General hat ihn natürlich längst durchschaut&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ja&comma; ja&comma;" stimmte Frau Pfäffling zu&comma; "er soll von dir lernen&comma; daß man sich sogar klein macht&comma; wenn andere einen zum Direktor erhöht haben&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ja&comma;" sagte Pfäffling vergnügt&comma; "und daß man trotz allem Stunden bekommt&period; Kinder&comma; kommt mit herüber&comma; jetzt muß noch ein gehöriges Jubellied gesungen werden&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Während im Haus Pfäffling in fröhlichem Chor gesungen wurde&comma; sagte der&nbsp&semi;General im Zentralhotel zu seiner Familie&colon; "Der Mann ist ein ehrlicher&nbsp&semi;Deutscher&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Rudolf Meier sagte zu sich selbst&colon; "Der Pfäffling wird mir morgen meinen&nbsp&semi;Aufsatz machen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Und Fräulein Vernagelding sprach an diesem Abend zu ihrer Mama&colon; "Die&nbsp&semi;Marianne ist süß&comma; ich möchte ihr etwas schenken&period;" Da überlegte Frau&nbsp&semi;Privatiere Vernagelding und entschied&colon; "Das beste sind immer&nbsp&semi;Glacéhandschuhe&period;"<&sol;p>

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