Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Die Familie Pfäffling
(Agnes Sapper, 1907, empfohlenes Alter: 6 - 12 Jahre)

Am kürzesten Tag

<p>Es war der 21&period; Dezember&comma; der kürzeste Tag des Jahres&period; Um dieselbe Tageszeit&comma; wo im Hochsommer die Sonne schon seit fünf Stunden am Himmel steht&comma; saß man heute noch bei der Lampe am Frühstückstisch&comma; und als diese endlich ausgeblasen wurde&comma; war es noch trüb und dämmerig in den Häusern&period; Allmählich aber hellte es sich auf und die Sonne&comma; wenn sie gleich tief unten am Horizont stand&comma; sandte doch ihre schrägen Strahlen den Menschenkindern&comma; die heute so besonders geschäftig durcheinander wimmelten&period; Es war ja der letzte Samstag vor Weihnachten&comma; zugleich der Thomastag&comma; ein Feiertag für die Schuljugend&period; Jedermann wollte die wenigen hellen Stunden benützen&comma; um Einkäufe zu machen&period; Wieviel Gänse und Hasen wurden da als Festbraten heimgeholt und wieviel Christbäume&excl; Auf den Plätzen der Stadt standen sie ausgestellt&comma; die Fichten und Tannen&comma; von den kleinsten bis zu den großen stattlichen&comma; die bestimmt waren&comma; Kirchen oder Säle zu beleuchten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Mitten zwischen diesen Bäumen&comma; von ihrem weihnächtlichen Duft und Anblick ganz hingenommen und im Anschauen versunken&comma; stand unser kleiner Frieder&period; Er hatte für den Vater etwas in der Musikalienhandlung besorgt&comma; kam nun heimwärts über den Christbaummarkt und konnte sich nicht trennen&period; Nun stand er vor einem Bäumchen&comma; nicht größer als er selbst&comma; saftig grün und buschig&period; Sie mochten vielleicht gleich alt sein&comma; dieser Bub und dies Bäumchen und sahen beide so rundlich und kindlich aus&period; Sie standen da&comma; vom selben Sonnenstrahl beleuchtet und wie wenn sie zusammen gehörten&comma; so dicht hielt sich Frieder zum Baum&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Du&excl; dich meine ich&comma; hörst du denn gar nichts&semi; so wirst du nicht viel verdienen&excl;" sagte plötzlich eine rauhe Stimme&comma; und eine schwere Hand legte sich von hinten auf seine Schulter&period; Frieder erwachte wie aus einem Traum&comma; wandte sich und sah sich zwei Frauen gegenüber&period; Die ihn angerufen hatte&comma; war eine große&comma; derbe Person&comma; eine Verkäuferin&period; Die andere eine Dame mit Pelz und Schleier&period; "Pack an&comma; Kleiner&comma; du sollst der Dame den Baum heimtragen&comma; du weißt doch die Luisenstraße&quest;" sagte die Frau und legte ihm den Baum über die Schulter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Ist der Junge nicht zu klein&comma; um den Baum so weit zu tragen&quest;" fragte die Dame&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"O bewahre&comma;" meinte die Händlerin&comma; "der hat schon ganz andere Bäume geschleppt&comma; sagen Sie ihm nur die Adresse genau&comma; wenn Sie nicht mit ihm heim gehen&period;" "Luisenstraße 43 zu Frau Dr&period; Heller&comma;" sagte die Dame&period; "Sieh&comma; auf diesem Papier ist es auch aufgeschrieben&period; Halte dich nur nicht auf&comma; daß dich's nicht in die Hände friert&period;" Da Frieder immer noch unbeweglich stand&comma; gab ihm die Verkäuferin einen kleinen Anstoß in der Richtung&comma; die er einzuschlagen hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Frieder&comma; den Baum mit der einen Hand haltend&comma; den Papierzettel in der andern&comma; trabte der Luisenstraße zu&period; Er hatte so eine dunkle Ahnung&comma; daß er mehr aus Mißverständnis zu diesem Auftrag gekommen war&comma; er wußte es aber nicht gewiß&period; Die Damen konnten die Bäume nicht selbst tragen&comma; so mußten eben die Buben helfen&period; Er sah manche mit Christbäumen laufen&comma; freilich meist größere&period; Er war eigentlich stolz&comma; daß man ihm einen Christbaum anvertraut hatte&period; Wenn ihm jetzt nur die Brüder begegnet wären oder gar der Vater&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Wie die Zweige ihn so komisch am Hals kitzelten&comma; wie ihm der Duft in die Nase stieg und wie harzig die Hand wurde&excl; Allmählich drückte der Baum&comma; obwohl er nicht groß war&comma; unbarmherzig auf die Schulter&comma; man mußte ihn oft von der einen auf die andere legen&comma; und bei solch einem Wechsel entglitt ihm das Papierchen mit der Adresse und flatterte zu Boden&comma; ohne daß die steife&comma; von der Kälte erstarrte Hand es empfunden hätte&period; Nun schmerzten ihn die beiden Schultern&comma; er trug den Baum frei mit beiden Händen&period; Aber da wurde Frieder hart angefahren von einem Mann&comma; der ihm entgegen kam&colon; "Du&comma; du stichst ja den Menschen die Augen aus&comma; halte doch deinen Baum hinter dich&comma; so&excl;" und der Vorübergehende schob ihm den Baum unter den Arm&period; Nach kürzester Zeit kam von hinten eine Stimme&colon; "Du&comma; Kleiner&comma; du kehrst ja die Straße mit deinem Christbaum&comma; halte doch deinen Baum hoch&excl;" Ach&comma; das war eine schwierige Sache&excl; Aber nun war auch die Luisenstraße glücklich erreicht&period; Freilich&comma; die Adresse war abhanden gekommen&comma; aber Frieder hatte sich das wichtigste gemerkt&comma; Nr&period; 42 oder 43 und im zweiten Stock und bei einer Frau Doktor&comma; das mußte nicht schwer zu finden sein&period; In Nr&period; 42a wollte niemand etwas von dem Baum wissen&comma; aber in Nr&period; 42b bekam Frieder guten Bescheid&comma; das Dienstmädchen wußte es ganz gewiß&comma; der Baum gehörte nach Nr&period; 47&comma; die Dame war zugleich mit ihr auf dem Markt gewesen und hatte einen Baum gekauft&period; Also nach Nr&period; 47&period; Als man ihm dort seinen Baum wieder nicht abnehmen wollte&comma; kamen ihm die Tränen&comma; und eine mitleidige Frau hieß ihn sich ein wenig auf die Treppe setzen&comma; um auszuruhen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"In der Luisenstraße wohnt nur ein Doktor&comma;" sagte sie&comma; "und das ist Dr&period; Weber in Nr&period; 24&comma; bei dem mußt du fragen&period;" Unser Frieder hätte nun lieber in Nr&period; 43 angefragt&comma; denn er meinte sich zu erinnern&comma; das sei die richtige Nummer&comma; aber Frieder traute immer allen Leuten mehr zu als sich selbst&comma; und so folgte er auch jetzt wieder dem Rat&comma; ging an Nr&period; 43 vorbei bis an Nr&period; 24 und hörte dort von dem Dienstmädchen der Frau Dr&period; Weber&comma; sie hätten längst einen Baum und einen viel schöneren und größeren&period; Jetzt aber tropften ihm die dicken Tränen herunter&comma; und als er wieder auf der Straße stand&comma; wurde ihm auf einmal ganz klar&comma; wo er jetzt hingehen wollte—heim zur Mutter&period; Es mußte ja schon spät sein&comma; vielleicht gar schon Essenszeit&period; Kam er da nicht heim&comma; so hatte die Mutter Angst&comma; und der Vater hatte ja gesagt&comma; es dürfe nichts&comma; gar nichts mehr vorkommen vor Weihnachten&period; Also nur schnell&comma; schnell heim&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Und es war wirklich höchste Zeit&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Niemand hatte bis jetzt Frieders langes Ausbleiben bemerkt&comma; als nun aber Marie und Anne anfingen&comma; den Tisch zu decken&comma; sagte Elschen&colon; "Frieder hat versprochen&comma; mit mir zu spielen&comma; und nun ist er den ganzen Vormittag weggeblieben&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Er ist gewiß schon längst bei den Brüdern&comma; im Hof&comma; auf der Schleife&period;&nbsp&semi;Sieh einmal nach ihm&comma;" sagten die Schwestern&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber Frieder war verschollen und die Geschwister fingen an&comma; sich zu ängstigen&comma; nicht sowohl für den kleinen Bruder—was sollte dem zugestoßen sein—&comma; aber wenn er nicht zu Mittag käme&comma; würden sich die Eltern sorgen und darüber ärgern&comma; daß doch wieder etwas vorgekommen sei&period; "Er wird doch kommen bis zum Essen&comma;" sagten sie zueinander und&comma; als nun die Mutter ins Zimmer trat&comma; sprachen sie von allerlei&comma; nur nicht von Frieder&period; Elschen stand an der Treppe&comma; nun kam der Vater heim&comma; fröhlich und guter Dinge und fragte gleich&colon; "Ist das Essen schon fertig&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Es ist noch nicht halb ein Uhr&comma;" entgegnete Karl&comma; der die Frage gehört hatte&period; "Es wird gleich schlagen&comma;" meinte der Vater&comma; ging aber doch noch in sein Zimmer&period; Im Vorplatz berieten leise die Geschwister&colon; "Wenn man nur das Essen ein wenig verzögern könnte&comma;" sagte Karl&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Das will ich machen&comma;" flüsterte Marie&comma; ging in die Küche&comma; zog Walburg zu sich und rief ihr dann ins Ohr&colon; "Frieder ist noch nicht daheim&comma; der Vater wird so zanken&comma; und die Mutter wird Angst haben&comma; kannst du nicht machen&comma; daß man später ißt&quest;" Walburg nickte freundlich&comma; ging an den Herd&comma; deckte ihre Töpfe auf und sagte dann&colon; "Du kannst der Mutter sagen&comma; den Linsen täte es gut&comma; wenn sie noch eine Weile kochen dürften&period;" Da sprang Marie befriedigt hinaus&comma; Walburgs Ausspruch ging von Mund zu Mund&comma; und bis es der Mutter zu Ohren kam&comma; waren die Linsen ganz hart&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"So&quest;" sagte sie verwundert&comma; "mir kamen sie weich vor&comma; aber wir können ja noch ein wenig mit dem Essen warten&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ja&comma; harte Linsen sind nicht gut&comma; sind ganz schlecht&comma;" sagten die&nbsp&semi;Kinder&period;<&sol;p>&NewLine;<p>So vergingen fünf Minuten&period; Inzwischen lief unser Frieder&comma; so schnell er es nur mit seinem Baum vermochte&period; Jetzt trabte er die Treppe herauf&comma; und bei seinem Klingeln eilten alle herbei&comma; um aufzumachen&period; Frau Pfäffling merkte jetzt&comma; daß etwas nicht in Ordnung war und ging auch hinaus&period; Da stand Frieder ganz außer Atem&comma; mit glühenden Backen&comma; den Christbaum auf der Schulter und fragte ängstlich&colon; "Ißt man schon&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>Als er aber hörte&comma; daß die Mutter ihn nicht vermißt hatte&comma; und sah&comma; wie man seinen Baum anstaunte und die Mutter so freundlich sagte&colon; "Stell ihn nur ab&comma; du glühst ja ganz&comma;" da wurde ihm wieder leicht ums Herz&period; Sie meinten alle&comma; der Christbaum gehöre Frieder&period; "Nein&comma; nein&comma;" sagte dieser&comma; "ich muß ihn einer Frau bringen&comma; ich weiß nur nimmer&comma; wie sie heißt und wo sie wohnt&period;" Da lachten sie ihn aus und wollten alles genau hören&comma; auch Herr Pfäffling war hinzu gekommen und hörte von Frieders Irrfahrten&comma; nahm ihn bei der Hand und sagte&colon; "Nun komm nur zu Tisch&comma; du kleines Dummerle&comma; du&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Die Linsen waren nun plötzlich weich&comma; und wie es Frieder schmeckte&comma; läßt sich denken&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Beim Mittagessen wurde beraten&comma; wie man den Christbaum zu seiner rechtmäßigen Besitzerin bringen könne&period; "Einer von euch Großen muß mit Frieder gehen&comma; ihm helfen den Baum tragen&comma;" sagte Frau Pfäffling&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Aber wir Lateinschüler können doch nicht in der Luisenstraße von Haus zu Haus laufen&comma; wie arme Buben&comma; die die Christbäume austragen&comma;" entgegnete Karl&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Wenn mir da z&period;B&period; Rudolf Meier begegnete&comma;" sagte Otto&comma; "vor dem würde ich mich schämen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"So&comma; so&comma;" sagte Herr Pfäffling&comma; "seid ihr zu vornehm dazu&quest; Dann muß wohl ich meinen Kleinen begleiten&comma;" und er nahm den Baum&comma; der in der Ecke stand&comma; hob ihn frei hinaus&comma; daß er die Decke streifte und sagte spassend&colon; "So werde ich durch die Luisenstraße ziehen&comma; eine Schelle nehmen und ausrufen&colon; 'Wem der Baum gehört&comma; der soll sich melden&period;'"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ich denke doch&comma;" sagte Frau Pfäffling&comma; "einer von unseren dreien wird so gescheit sein und sich nicht darum bekümmern&comma; wenn auch je ein Kamerad denken sollte&comma; daß er für andere Leute Gänge macht&period;" Sie schwiegen aber&period; Da setzte Herr Pfäffling den Baum wieder ab und sagte sehr ernst&colon; "Kinder&comma; fangt nur das gar nicht an&comma; daß ihr meint&colon; dies oder jenes paßt sich nicht&comma; das könnten die Kameraden schlecht auslegen&period; Mit solchen kleinlichen Bedenken kommt man schwer durchs Leben&comma; fühlt sich immer gebunden und hängt schließlich von jedem Rudolf Meier ab&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Nach dem Essen wurde Herr Hartwig um das Adreßbuch gebeten und mit Hilfe dessen und Frieders Erinnerung war bald festgestellt&comma; daß der Baum in die Luisenstraße Nr&period; 43 zu Frau Dr&period; Heller gehörte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die drei großen Brüder standen beisammen und berieten&period; "Ich mache mir nichts daraus&comma; den Baum zu tragen&comma;" sagte Wilhelm&comma; "ich hätte gar nicht gedacht&comma; daß es dumm aussieht&comma; wenn ihr es nicht gesagt hättet&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Aber wenn du hinkommst&comma; mußt du dich darauf gefaßt machen&comma; daß man dir ein Trinkgeld gibt&comma;" sagte Karl&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Um so besser&comma; wenn's nur recht groß ist&comma; ich habe ohnedies keinen&nbsp&semi;Pfennig mehr&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Die Beratung wurde unterbrochen durch die Mutter&comma; die mit Frieder ins Zimmer kam und sagte&colon; "Die Dame wird gar nicht begreifen&comma; wo ihr Baum so lang bleibt&comma; tragt ihn jetzt nur gleich fort&period; Otto&comma; du gehst mit&comma; deinem alten Mantel schadet es am wenigsten&comma; wenn der Baum wetzt&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Diesem bestimmten Befehl gegenüber gab es keinen Widerspruch mehr&period; Otto mußte sich bequemen&comma; Frieder zu begleiten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Sie gingen nebeneinander und waren bis an die Luisenstraße gekommen&comma; als Otto plötzlich seinem Frieder den Baum auf die Schulter legte und sagte&colon; "Da vornen kommen ein paar aus meiner Klasse&comma; die lachen mich aus&comma; wenn sie meinen&comma; ich müsse den Dienstmann machen&period; Das letzte Stück kannst du doch den Baum selbst tragen&quest; Und kannst dich auch selbst entschuldigen&comma; nicht&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Gut kann ich&comma;" sagte Frieder und ging allein seines Weges&period; Wie einfach war das nun&period; Am Glockenzug von Nr&period; 43 stand angeschrieben&colon; "Dr&period; Heller"&comma; das stimmte alles ganz gut mit dem Adreßbuch und oben im zweiten Stock stand noch einmal der Name&period; Diesmal war Frieder an der rechten Türe&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Otto hatte sich inzwischen seinen Kameraden angeschlossen und war ein wenig mit ihnen herumgeschlendert&comma; denn er wollte nicht früher als Frieder nach Hause kommen&period; Als er sich endlich entschloß&comma; heim zu gehen&comma; war es ihm nicht behaglich zumute&semi; es reute ihn doch&comma; daß er den Kleinen zuletzt noch im Stich gelassen hatte&period; In der Frühlingsstraße wollte er mit dem Bruder wieder zusammentreffen&period; Er wartete eine Weile vergeblich auf ihn&comma; dann ging ihm die Geduld aus&comma; vermutlich war Frieder schon längst daheim&period; Er hoffte ihn oben zu finden&comma; aber es war nicht so&comma; das konnte er gleich daran merken&comma; daß er von allen Seiten gefragt wurde&colon; wie es mit dem Baum gegangen sei&quest; Nun mußte er freilich erzählen&comma; daß er nur bis in die Nähe des Hauses Nr&period; 43 den Baum getragen&comma; und dann mit einigen Freunden umgekehrt sei&period; Aber nun hörte man auch schon wieder jemand vor der Glastüre&comma; das konnte Frieder sein&comma; und dann war ja die Sache in Ordnung&period; Sie machten auf&colon; da stand der kleine Unglücksmensch und hatte wieder seinen Christbaum im Arm&excl; Sie trauten ihren Augen kaum&period; "Ja Frieder&comma; hast du denn die Wohnung nicht gefunden&quest;" riefen sie fast alle zugleich&period; Da zuckte es um seinen Mund&comma; er würgte an den Tränen&comma; die kommen wollten&comma; und preßte hervor&colon; "Neunmal geklingelt&comma; niemand zu Haus&excl;" Sie waren nun alle voll Mitleid&comma; aber sie konnten auch nicht verstehen&comma; warum er nicht oben oder unten bei anderen Hausbewohnern angefragt hätte&period; Daran hatte er eben gar nicht gedacht&period; "Deshalb gibt man solch einem kleinen Dummerle einen größeren Bruder mit&comma;" sagte Frau Pfäffling&comma; "aber wenn der freilich so treulos ist und vorher umkehrt&comma; dann ist der Kleine schlecht beraten&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Jetzt wird der Sache ein Ende gemacht&comma;" rief Wilhelm&comma; "ich gehe mit dem Baum und das dürft ihr mir glauben&comma; ich bringe ihn nicht mehr zurück&comma;" und flink faßte er den Christbaum&comma; der freilich schon ein wenig von seiner Schönheit eingebüßt hatte&comma; und sprang leichtfüßig davon&period;<&sol;p>&NewLine;<p>In der Luisenstraße Nr&period; 43 wurde ihm aufs erste Klingeln aufgemacht und sofort rief das Dienstmädchen&colon; "Frau Doktor&comma; jetzt kommt der Baum doch noch&excl;" Eine lebhafte junge Frau eilte herbei und rief Wilhelm an&colon; "Wo bist du denn so lang geblieben&comma; Kleiner&quest; Aber nein&comma; du bist's ja gar nicht&comma; dir habe ich keinen Baum zu tragen gegeben&comma; der gehört nicht mir&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Wilhelm erzählte von den Wanderungen&comma; die der Baum mit verschiedenen jungen Pfäfflingen gemacht hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Der Kleine dauert mich&comma;" sagte die junge Frau&period; "Das zweite Mal&comma; als er kam&comma; war ich wohl mit meinem Mädchen wieder auf dem Markt&comma; ich habe nämlich nicht gedacht&comma; daß er noch kommt&comma; und habe einen andern geholt&comma; ich brauche ihn schon heute abend zu einer kleinen Gesellschaft&comma; da konnte ich nicht warten&period; Was mache ich nun mit diesem Baum&quest; Habt ihr wohl schon einen zu Haus&quest; Ich würde euch den gern schenken&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Wir haben noch keinen&comma;" sagte Wilhelm&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Also&comma; das ist ja schön&comma; dann nimm ihn nur wieder mit&comma; und dem netten kleinen Dicken&comma; der so viel Not gehabt hat&comma; möchte ich noch einen Lebkuchen schicken&comma; den bringst du ihm&comma; nicht wahr&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>Auch dazu war Wilhelm bereit&comma; und kurz nachher rannte er vergnügt mit seinem Baum heimwärts&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der kurze Dezembernachmittag war schon zu Ende und die Lichter angezündet&comma; als Wilhelm heim kam&period; Die Schwestern&comma; welche die Ganglampe geraubt hatten&comma; kamen eilig mit derselben herbei&comma; als Wilhelm klingelte&comma; und ließen sie vor Schreck fast aus der Hand fallen&comma; als sie den Baum sahen&period; "Der Baum kommt wieder&excl;" schrien die Mädchen ins Zimmer&period; "Unmöglich&excl;" rief die Mutter&period; "Ja doch&comma;" sagte Karl&comma; "der Baum&comma; der unglückselige Baum&excl;" "Gelt&comma;" rief Frieder&comma; "es wird nicht aufgemacht&comma; wenn man noch so oft klingelt&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Aber Wilhelm lachte&comma; zog vergnügt den Lebkuchen aus der Tasche&comma; und gab ihn Frieder&colon; "Der ist für dich von deiner Frau Dr&period; Heller&comma; und der Baum&comma; Mutter&comma; der gehört uns&comma; ganz umsonst&excl;" Als Herr Pfäffling heim kam&comma; ergötzte er sich an der Kinder Erzählung von dem Christbaum&comma; aber er merkte&comma; daß es Otto nicht recht wohl war bei der Sache&comma; und wollte sie eben deshalb genauer hören&period; "Also so hat sich's verhalten&comma;" sagte er schließlich&comma; "vor dem Lachen der Kameraden hast du dich so gefürchtet&comma; daß du den Bruder und den Baum im Stich gelassen hast&quest; Dann heiße ich dich einen Feigling&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Weiter wurde nichts mehr über die Sache gesprochen&comma; aber dies eine Wort "Feigling"&comma; vom Vater ausgesprochen&comma; vor der ganzen Familie&comma; das brannte und schmerzte und war nicht einen Augenblick an diesem Abend zu vergessen&period; Es war auch am nächsten Morgen&comma; an dem vierten Adventssonntag&comma; Ottos erster Gedanke&period; Es trieb ihn um&comma; er konnte dem Vater nicht mehr unbefangen ins Gesicht sehen&period; Da trachtete er&comma; mit der Mutter allein zu sprechen&comma; und sie merkte es&comma; daß er ihr nachging&comma; und ließ sich allein finden&comma; in dem Bubenzimmer&period; "Mutter&comma;" sagte er&comma; "ich kann gar nicht vergessen&comma; was der Vater zu mir gesagt hat&period; Soll ich ihn um Entschuldigung bitten&quest; Was hilft es aber&quest; Er hält mich doch für feig&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ja&comma; Otto&comma; er muß dich dafür halten&comma; denn du bist es gewesen und zwar schon manchmal in dieser Art&period; Immer abhängig davon&comma; wie die anderen über dich urteilen&period; Da hilft freilich keine Entschuldigung&comma; da hilft nur ankämpfen gegen die Feigheit&comma; Beweise liefern&comma; daß du auch tapfer sein kannst&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Am Montag nachmittag&comma; als die Kinder alle von der Schule zurückkehrten&comma; fehlte Otto&period; Er kam eine ganze Stunde später heim und dann suchte er zuerst den Vater in dessen Zimmer auf&period; Herr Pfäffling sah von seinen Musikalien auf&period; "Willst du etwas&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ja&comma; dich bitten&comma; Vater&comma; daß du das Wort zurücknimmst&period; Du weißt schon welches&period; Ich bin deswegen heute nachmittag lang auf dem Christbaummarkt gestanden und habe dann für jemand einen Baum heimgetragen&period; Drei von meiner Klasse haben es gesehen&period; Und da sind die 20 Pfennig Trinkgeld&comma; die ich bekommen habe&period;" Da sah Herr Pfäffling mit fröhlichem&comma; warmem Blick auf seinen Jungen und sagte&colon; "Es gibt allerlei Heldentum&comma; das war auch eines&semi; nein&comma; Kind&comma; du bist doch kein Feigling&excl;"<&sol;p>

«

»