Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Die Familie Pfäffling
(Agnes Sapper, 1907, empfohlenes Alter: 6 - 12 Jahre)

Bei grimmiger Kälte

<p>Das Neujahrsfest brachte grimmige Kälte&comma; brachte Eis&comma; mehr als zum Schlittschuhlaufen nötig gewesen wäre&period; Schon beim Erwachen empfand man die menschenfeindliche Luftströmung und es gehörte Heldenmut dazu&comma; aus den warmen Betten zu schlupfen&period; In Pfäfflings kalten Schlafzimmern war das Waschwasser eingefroren&comma; und man mußte erst die Eisdecke einschlagen&comma; ehe man es benützen konnte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als die Familie sich mit Neujahrswünschen am Frühstückstisch zusammenfand&comma; galt Herrn Pfäfflings erster Blick dem Thermometer vor dem Fenster&comma; und er mußte das Quecksilber in ungewohnter Tiefe suchen&period; "Zwanzig Grad Kälte&comma;" verkündete er&comma; "Kinder&comma; das habt ihr noch nie erlebt&semi; und Walburgs Neujahrsgruß lautete&colon; 'Die Wasserleitung ist über Nacht eingefroren&period;'"<&sol;p>&NewLine;<p>Die Straßen waren ungewöhnlich still&comma; wer nicht hinaus mußte&comma; blieb daheim am warmen Ofen und wer&comma; wie die Briefträger&comma; am Neujahrstag ganz besonders viel durch die kalten Straßen laufen und vor den Häusern stehend warten mußte&comma; bis die Türen geöffnet wurden&comma; der hörte manches teilnehmende Wort&period; Frau Hartwig brachte ihnen bei jedem Gang eine Tasse warmen Kaffees entgegen&period; Auch die Familie Pfäffling hatte ihr Päckchen Glückwunschkarten und -briefe erhalten und unter diesen Briefen war einer&comma; der noch mehr als Glückwünsche enthielt&period; Es war die Antwort auf Frau Pfäfflings Weihnachtsbrief und er brachte ihr eine warme&comma; dringende Einladung&comma; sich zum achtzigsten Geburtstag ihrer Mutter&comma; der im Februar gefeiert werden sollte&comma; einzufinden&comma; damit nach langen Jahren der Trennung auch einmal wieder die drei Geschwister mit der Mutter in der alten Heimat vereinigt wären&period; So viel Liebe und Anhänglichkeit sprach sich aus in den Briefen von Frau Pfäfflings Bruder und Schwester&comma; denen ein eigenhändiger&comma; mit zitternder Hand geschriebener Gruß der alten Mutter beigesetzt war&comma; daß Frau Pfäffling tief bewegt war und zu ihrem Mann wehmütig sagte&colon; "Ach&comma; wenn es nur möglich wäre&comma; aber es ist ja gar nicht daran zu denken&excl; So weit fort und auf ein paar Wochen&comma; denn für einige Tage würde sich die große Reise gar nicht lohnen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Es kam ganz selten vor&comma; daß Frau Pfäffling für sich einen Wunsch äußerte&comma; und so war es nur natürlich&comma; daß es der ganzen Familie Eindruck machte&comma; wenn es doch einmal geschah&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Geht es denn wirklich nicht&comma; Vater&quest;" fragte Karl&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"So ganz unmöglich kommt mir die Sache nicht vor&comma;" antwortete Herr Pfäffling&comma; indem er sich an seine Frau wandte&comma; "jetzt&comma; wo die Kinder groß sind und Walburg so zuverlässig ist&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Pfäffling wollte etwas entgegnen&comma; aber der ganze Kinderchor stimmte dem Vater zu&comma; wollte gar keine Schwierigkeit gelten lassen und versicherte&comma; es sollte in Abwesenheit der Mutter alles so ordentlich zugehen&comma; wie wenn sie da wäre&period; Aber sie schüttelte dazu ungläubig den Kopf und brach die Beratung ab&comma; indem sie sagte&colon; "Bei solch einer Kälte mag man gar nicht an eine Reise denken&comma; wir wollen sehen&comma; was der Januar bringt&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Zunächst brachte er den Abschluß der Ferienzeit&comma; die Schulen begannen wieder&period; So warm wie möglich eingepackt machten sich die Kinder auf den Weg&period; Freilich&comma; die drei großen Brüder besaßen zusammen nur zwei Wintermäntel&comma; bisher waren sie auch immer gut damit ausgekommen&comma; heute hätte jeder gerne einen gehabt&period; Otto hatte sich einen gesichert&comma; indem er ihn schon vor dem Frühstück angezogen hatte&period; Nun standen Karl und Wilhelm vor dem einen&comma; der noch übrig war&period; "Dich wird's nicht so arg frieren wie mich&comma;" sagte Wilhelm zum größeren Bruder und Karl&comma; obwohl er nicht recht wußte&comma; warum es ihn nicht so frieren sollte&comma; war schon im Begriff&comma; auf den Mantel zu verzichten&comma; als Otto sich einmischte&colon; "Laß doch Karl den Mantel&period; In den obern Klassen hat doch jeder einen&comma; es sieht so dumm aus&comma; wenn er allein keinen hat&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Dumm&quest;" sagte Herr Pfäffling&comma; "es sieht eben aus&comma; als seien keine großen Kapitalien da&comma; mit denen man ungezählte Mäntel beschaffen könnte&period; So ist's und deshalb darf es auch so aussehen&period; Übrigens&comma; länger als fünfzehn Minuten braucht ihr nicht zum Schulweg&comma; ist das auch der Rede wert&comma; wenn man eine Viertelstunde frieren muß&quest; Seid ihr so zimpferlich&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ich nicht&comma;" rief Wilhelm&comma; "ich brauche auch nur zwölf Minuten&comma;" er ließ den Mantel fahren und rannte davon&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Elschen war diesmal nicht so unglücklich wie früher über den&nbsp&semi;Schulanfang&comma; sie nahm die Schultasche her&comma; die sie zu Weihnachten&nbsp&semi;bekommen hatte&comma; packte die Tafel aus&comma; fing an zu schreiben&comma; was sie von&nbsp&semi;Buchstaben kannte&comma; und tröstete sich mit der Aussicht&comma; daß nach den&nbsp&semi;Osternferien auch sie mit den Großen den Schulweg einschlagen würde&period;<&sol;p>&NewLine;<p>So wohl es Frau Pfäffling tat&comma; wenn ihre Kinder nach solcher Ferienzeit wieder zum ersten Male in die Schule gingen&comma; so freute sie sich doch auf das erste Heimkommen&comma; denn sie wußte aus Erfahrung&comma; daß Mann und Kinder angeregt und von irgend welchen neuen Mitteilungen erfüllt&comma; zurückkommen würden&period; Um so mehr war sie überrascht&comma; daß Marianne diesmal weinend nach Hause kam&period; Die beiden Mädchen&comma; obgleich sie gut mit Wintermänteln versehen waren&comma; weinten vor Kälte und die Fingerspitzen wurden in der Wärme nur noch schmerzhafter&comma; so daß sie noch klagend im Zimmer herumtrippelten&comma; als die Familie sich zu Tisch setzen wollte&period; "Habt ihr denn eure Winterhandschuhe nicht angehabt&quest;" fragte Frau Pfäffling&period; Da kam ein kleinlautes "Nein" heraus und das Geständnis&comma; daß man sich den Mitschülerinnen mit den neuen&comma; knapp anschließenden Glacéhandschuhen habe zeigen wollen&comma; die Fräulein Vernagelding zu Weihnachten geschenkt hatte&period; Nun wurden die armen Frierenden noch von den Brüdern ausgelacht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"So&comma; du lachst auch mit&comma; Otto&comma;" sagte Frau Pfäffling&period; "Wenn du keine Glacéhandschuhe trägst&comma; so kommt es gewiß nur daher&comma; daß du keine hast&period; Aber Kinder&comma; wer von euch eitel ist&comma; der hat nichts vom Vater und ist gar kein rechter Pfäffling&comma; und das wollt ihr doch alle sein&quest; Nun kommt&comma; ihr Erfrorenen&comma; jetzt gibt es warme Suppe&period; Elschen und ich&comma; wir haben uns so gefreut&comma; bis ihr alle heimkommt und von der Schule erzählt&period; Kommt&comma; wir wollen beten&colon;<&sol;p>&NewLine;<p style&equals;"margin-left&colon; 30px&semi;">"Herr wie schon vor tausend Jahren<br&sol;> Unsre Väter eifrig waren&comma;<br&sol;> Dich als Gast zu Tisch zu bitten&comma;<br&sol;> So verlangt uns noch heute&comma;<br&sol;> Daß Du teilest unsre Freude&period;<br&sol;> Komm&comma; o Herr in unsre Mitte&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Bei Tisch kamen nun&comma; wie Frau Pfäffling erwartet hatte&comma; allerlei Mitteilungen&period; Über Weihnachten hatte man sich ganz in die Familie vergraben&comma; jetzt&comma; durch die Berührung mit der Außenwelt&comma; erfuhr man wieder&comma; was vor sich ging&period; Herr Pfäffling hatte vom Direktor der Musikschule etwas gehört&comma; was ihn ganz erfüllte&colon; Ein Künstlerkonzert ersten Ranges sollte in diesem Monat stattfinden&period; Ein Künstlerpaar&comma; das vor Jahren schon die Stadt besucht und alle Musikfreunde hingerissen hatte&comma; die Frau durch ihren herrlichen Gesang&comma; der Mann durch meisterhaftes Klavierspiel&comma; wollte auf einer Reise durch die großen Städte Europas sich hören lassen&comma; und zwar nahm an dieser Konzertreise zum erstenmal auch der kleine Sohn des Künstlerpaares als Violinspieler Anteil&comma; und die Zeitungen waren voll von überschwänglichen Schilderungen des rührenden Eindrucks&comma; den das geniale Violinspiel des wunderbar begabten Knaben mache&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Freilich waren die Preise für diesen Kunstgenuß so hoch gestellt&comma; daß unser Musiklehrer nicht daran gedacht hätte&comma; sich ein solch kostbares Vergnügen zu gönnen&comma; aber das Konzert sollte im Saal der Musikschule gegeben werden&comma; und in solchem Fall war es üblich&comma; daß die Hauptlehrer der Anstalt Freikarten erhielten&period; So gab er sich jetzt schon der Freude auf diesen großen Kunstgenuß hin&comma; umkreiste vergnügt den Tisch&comma; blieb dann hinter seiner Frau Stuhl stehen und sagte&colon; "Ich bekomme eine Freikarte zum Konzert&comma; du bekommst von deinem Bruder eine Freikarte zum 80&period; Geburtstag der Mutter&period; Nicht wahr&comma; Kinder&comma; die Mutter muß sich zur Reise richten&quest;" Sie stimmten alle ein&comma; und es schien der Mutter mit dem Widerspruch nicht mehr bitterer Ernst zu sein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nun berichteten die Kinder von mancherlei Schulereignissen&comma; ein Lehrer war krank&comma; eine Lehrerin gesund geworden&comma; ein Schüler war neu eingetreten&comma; ein anderer ausgetreten&period; Herr Pfäffling hatte nur mit halber Aufmerksamkeit zugehört&comma; jetzt aber traf ein Name an sein Ohr&comma; der ihn aus seinen Gedanken weckte&colon; "Was hast du eben von Rudolf Meier erzählt&quest;" fragte er Otto&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Er ist aus dem Gymnasium ausgetreten&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Hast du nichts näheres darüber gehört&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Sie sagen&comma; er sei fortgekommen von hier&comma; ich glaube zu Verwandten&comma; ich weiß nicht mehr&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Herr und Frau Pfäffling wechselten Blicke&comma; die nur Karl verstand&period; Gesprochen wurde nichts darüber&comma; Herr Pfäffling sollte aber bald näheres erfahren&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Er machte sich an diesem Nachmittag auf den Weg nach dem Zentralhotel&comma; im neuen Jahr die erste Musikstunde dort zu geben&period; Es war bitter kalt&comma; und selbst die russische Familie klagte über den kalten deutschen Winter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Sie müssen von Rußland doch noch an ganz andere Kälte gewöhnt sein&quest;" meinte Herr Pfäffling&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Ja&comma; aber dort friert man nicht so&comma; da weiß man sich besser zu schützen&period; Alle Fahrgelegenheiten sind heizbar&comma; alles ist mit Pelzen belegt und Sie sehen auch jedermann in Pelze gehüllt auf der Straße&period; Warum tragen Sie keinen Pelz bei solcher Kälte&quest;" fragte die Generalin&comma; indem sie einen Blick auf Herrn Pfäfflings Kleidung warf&period; Ihm war der Gedanke an einen Pelzrock noch nie gekommen&period; "Da gibt es noch vieles&comma; vieles Nötigere anzuschaffen&comma; ehe ein Pelzrock für mich an die Reihe käme&comma;" sagte er&comma; "ich kann übrigens sehr rasch gehen und werde warm vom Lauf&comma; meine Hände sind nicht steif&comma; wir können gleich spielen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Am Schluß der Stunde erzählten die jungen Herren von dem Ball im Hotel&period;&nbsp&semi;"Es war sehr hübsch&comma;" sagten sie&comma; "wir durften auch tanzen&comma; der Sohn des&nbsp&semi;Besitzers&comma; der viel jünger ist als wir&comma; hat auch getanzt&period; Er ist&nbsp&semi;übrigens jetzt nicht mehr hier&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ja&comma;" sagte der General&comma; "der Hotelier ist einsichtsvoller&comma; als ich&nbsp&semi;gedacht hätte&period; Er sagte zu mir&colon; 'Hier in diesem Hotelleben arbeitet der&nbsp&semi;Junge nicht&comma; er kommandiert nur&period; Er soll fort von hier&comma; in ein richtiges&nbsp&semi;Familienleben hinein&period;'"<&sol;p>&NewLine;<p>Herr Pfäffling erkannte diese Worte als seine eigenen&period; "Der Mann hat recht&comma;" fuhr der General fort&comma; "wenn die Verhältnisse im Haus ungünstig sind&comma; ist es besser&comma; ein Kind wegzugeben&comma; und wenn sie im ganzen Land ungünstig sind&comma; so wie bei uns in Rußland&comma; so ist es wohl auch besser&comma; die Kinder in einem andern Land aufwachsen zu lassen&period; In Rußland haben wir ganz traurige Zustände&comma; die jungen Leute&comma; die dort aufwachsen&comma; sehen nichts als Verderbnis überall&comma; Unredlichkeit und Bestechung sogar schon in den Schulen&period; Unsere eigenen Söhne haben von dieser verdorbenen Luft schon mehr eingeatmet&comma; als ihnen gut war&period; Meine Frau und ich haben uns entschlossen&comma; sie in einer deutschen Erziehungsanstalt zurückzulassen&comma; wenn wir nach Rußland zurückkehren&comma; was wohl in der nächsten Zeit sein muß&period; Wir stehen gegenwärtig über diese Angelegenheit in Briefwechsel mit einer Berliner Anstalt&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Noch nie hatte der General so eingehend und offen mit dem Musiklehrer gesprochen&period; Die Generalin sah ernst und sorgenvoll aus&comma; die Söhne standen beiseite mit niedergeschlagenen Augen&period; Herr Pfäffling fühlte&comma; daß diese reichen&comma; hochgebildeten und begabten Leute auch ihren schweren&comma; heimlichen Kummer zu tragen hatten&comma; und er sagte mit warmer Teilnahme&colon; "Jeder einzelne leidet mit&comma; wenn sein Vaterland so schlimme Zeiten durchmacht&comma; wie das Ihrige&period; Möchte das neue Jahr für Rußland bessere Zustände bringen&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Als Herr Pfäffling kurz darauf die Treppe herunter ging&comma; traf er unvermutet mit Herrn Rudolf Meier sen&period; zusammen&comma; der heraufkam&period; Einen Augenblick zögerten beide&period; Sie hatten ein gemeinsames Interesse&comma; über das zu sprechen ihnen nahelag&period; Aber an Herrn Meier wäre es gewesen&comma; die Sprache darauf zu bringen&comma; wenn er nicht mehr zürnte&period; Er tat es nicht&period; Mit dem höflichen aber kühlen Gruß des Gastwirts ging er vorüber&comma; gewohnheitsmäßig die Worte sprechend&colon; "Sehr kalt heute&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ja&comma; 20 Grad&comma;" entgegnete Herr Pfäffling&comma; und dann gingen sie auseinander&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Daheim angekommen&comma; hörte Herr Pfäffling Frieders Violine&period; Wie der kleine Kerl sie schon zu streichen verstand&excl; Ob er wohl einmal ein Künstler&comma; ein echter&comma; wahrer&comma; gottbegnadeter Künstler würde&quest; Aber wie war denn das&quest; Hatte Frieder nicht schon gespielt&comma; lange&comma; ehe sein Vater sich auf den Weg zum Zentralhotel gemacht hatte&quest; Spielte er wohl seitdem ununterbrochen&quest; Er ging dem Geigenspiel nach&period; Aus der Küche erklang es&period; Neben Walburg&comma; die da bügelte&comma; stand der eifrige&comma; kleine Musiker&comma; ein herzgewinnender Anblick&period; Aber Herr Pfäffling ließ sich dadurch nicht bestechen&period; "Frieder&comma; wie lange hast du schon gespielt&quest;" fragte er&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Nicht lange&comma; Vater&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Nicht immerfort&comma; seitdem du aus meinem Zimmer die Geige geholt hast&quest;&nbsp&semi;Sage mir das genau&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Immerfort seitdem&comma;" antwortete Frieder und fügte etwas unsicher hinzu&colon;&nbsp&semi;"Aber das ist doch noch nicht lang her&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Das ist über zwei Stunden her&comma; Frieder&comma; und hast du nicht auch schon heute nach Tisch gespielt&quest; Und sind deine Schulaufgaben gemacht&quest; Ei&comma; Frieder&comma; da stehst du und kannst nicht antworten&excl; Nimm dich in acht&comma; sonst kommst du noch ganz um die Geige&excl; Gib sie her&comma; in der Woche bekommst du sie nimmer&excl;" Herr Pfäffling streckte die Hand aus nach der Violine&period; Der Kleine hielt sie fest&period; Der Vater sah das mit Erstaunen&period; Konnte Frieder widerstreben&quest; Hatte je eines der Kinder sich seinem Befehl widersetzt&quest; Aber nein&comma; es war nur ein Augenblick gewesen&comma; dann reichte er schuldbewußt die geliebte Violine dem Vater hin und ergab sich&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Herr Pfäffling ging hinaus mit dem Instrument&period; Walburg hatte nicht verstanden&comma; was gesprochen worden war&comma; aber gesehen hatte sie und sie sah auch jetzt&comma; wie sich langsam ihres Lieblings Augen mit dicken Tränen füllten&period; Sie stellte ihr Bügeleisen ab&comma; zog den Kleinen an sich und fragte&colon; "Darfst du denn nicht spielen&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Nicht länger als zwei Stunden im Tag&comma;" rief Frieder in kläglichem Ton&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Sei nur zufrieden&comma;" tröstete sie ihn&comma; "ich sehe dir jetzt immer auf die&nbsp&semi;Uhr&period;" Frieder zog traurig ab&semi; jede Stunde sehnte er sich nach seiner&nbsp&semi;Violine&comma; und nun war sie ihm für eine ganze Woche genommen&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber auch Herr Pfäffling war nicht in seiner gewohnten fröhlichen Stimmung&period; Ihm war es leid&comma; daß der Unterricht in der russischen Familie zu Ende gehen sollte&comma; eine große Freude und eine bedeutende Einnahme fiel damit für ihn weg&comma; und dazu kam nun&comma; daß er auf dem Tisch im Musikzimmer eine Neujahrsrechnung vorfand&comma; die&comma; nachdem er sie geöffnet und einen Blick auf die Summe geworfen hatte&comma; ihn hinübertrieb in das Familienzimmer zu seiner Frau&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Cäcilie&comma;" rief er schon unter der Türe&comma; und als er die Kinder allein fand&comma; fragte er ungeduldig&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>"Wo ist denn die Mutter schon wieder&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Sie ist draußen und bügelt&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"So ruft sie herein&comma; schnell&comma; Marianne&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Die Mädchen gingen eiligst hinaus&colon; "Mutter&comma; der Vater fragt nach dir&period;" Frau Pfäffling bügelte eben einen Kragen&period; "Sagt nur dem Vater&comma; ich komme gleich&semi; ich muß nur den Kragen erst steif haben&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Wir wollen lieber erst mit dir hineingehen&comma;" sagten die Schwestern und in diesem Augenblick ertönte ein lautes "Cäcilie"&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Daraufhin wurde der halb gebügelte Kragen im Stich gelassen&period; Frau Pfäffling kam in das Zimmer und sah ihren Mann mit einer Rechnung in der Hand&period; "Ist denn das nicht eine ganz unnötige Komödie mit der ewigen Bügelei&comma;" fragte Herr Pfäffling&comma; "die Kinder wären doch ebenso glücklich in ungebügelten Hemden&excl;" Auf diese gereizte Frage antwortete Frau Pfäffling bloß wieder mit einer Frage&colon; "Ist das die Doktorsrechnung&quest; Sie kann doch nicht sehr hoch sein&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Sechzig Mark&excl; Hättest du das für möglich gehalten&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Unmöglich&excl; Sechzig Mark&quest; Zeige doch nur&excl; Die kleine Ohrenoperation von Anne im vorigen Sommer fünfzig Mark&quest;&excl;" Bei diesem Ausruf sahen alle Geschwister auf Anne&comma; und diese fing bitterlich an zu weinen&period; Die Tränen besänftigten aber den Vater&period; Er ging zu der Schluchzenden&period; "Sei still&comma; du armer Wurm&comma;" sagte er&comma; "du kannst nichts dafür&period; Hast so viel Schmerzen aushalten müssen&comma; und das soll noch so viel Geld kosten&excl; Aber sei nur getrost&comma; geholfen hat dir der Arzt doch&comma; und wir wollen froh sein&comma; daß du nicht so taub geworden bist wie Walburg&period; Hörst du jetzt wieder ganz gut&comma; auch in der Schule&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ja&comma;" schluchzte das Kind&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Nun also&comma; sei nur zufrieden&comma; das Geld bringt man schon auf&comma; man hat ja noch das Honorar zu erwarten für die Russenstunden und andere Rechnungen&comma; als die vom Arzt&comma; stehen nicht aus&semi; nicht wahr&comma; Cäcilie&comma; es ist doch immer alles gleich bezahlt worden&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Freilich&comma;" entgegnete sie&comma; "aber ich kann es gar nicht fassen&comma; daß diese Ohrenbehandlung förmlich als Operation aufgeführt und angerechnet wird&period; Ich war damals nicht dabei&comma; Marianne ist immer ohne mich beim Arzt gewesen und so schlimm haben sie es nie geschildert&period;" Da sahen sich die Schwestern ernsthaft an und sagten&colon; "Ja&comma; einmal war's schlimm&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Als Frau Pfäffling nach einer Weile wieder beim Bügeln stand&comma; war ihr der Kummer über die sechzig Mark noch anzusehen&comma; während Herr Pfäffling schon wieder guten Muts in sein Musikzimmer zurückkehrte und sich sagte&colon; "Es ist doch viel&comma; wenn man es dahin bringt&comma; daß die Doktorsrechnung die einzige an Neujahr ist&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Sie war aber doch nicht die einzige&period; Keine halbe Stunde war vergangen&comma; als wieder so ein Stadtbrief an des Vaters Adresse abgegeben wurde&comma; und die Kinder&comma; die denselben in Empfang genommen hatten&comma; flüsterten bedenklich untereinander&colon; "Es wird doch nicht wieder eine Rechnung sein&quest;" Sie riefen Elschen herbei&colon; "Trage du dem Vater den Brief hinüber&period;" Das Kind übernahm arglos den Auftrag und blieb&comma; an den Vater geschmiegt&comma; zutraulich plaudernd bei ihm stehen&period; Er riß hastig den Umschlag auf&comma; eine Rechnung fiel ihm entgegen&period; Vom Buchhändler war sie und lautete nur auf vier Mark&comma; für eine Grammatik&comma; aber sie empörte Herrn Pfäffling fast mehr als die große Rechnung&period; "Wenn die Buben das anfangen&comma; daß sie auf Rechnung etwas holen&comma; dann hört ja jegliche Ordnung und Sicherheit auf&comma;" sagte er&comma; indem er das Blatt auf den Tisch warf und in der Stube hin und her lief&colon; "Else&comma; hole mir die drei Großen herüber&comma;" sagte er&comma; "aber schnell&period;" Die Kleine ging mit besorgter Miene&comma; suchte Karl&comma; Wilhelm und Otto auf und kam dann zur Mutter an den Bügeltisch&period; "Es ist wieder etwas passiert mit einer Rechnung&comma;" sagte sie&comma; "und die Großen müssen alle zum Vater hinein&period; Sie sind gar nicht gern hinübergegangen&comma;" fügte sie bedenklich hinzu&period; "Es geschieht ihnen nichts&comma; wenn sie nicht unartig waren&comma;" sagte die Mutter&comma; aber nebenbei wischte sie sich doch den Schweiß von der Stirne&comma; trotz der zwanzig Grad Kälte draußen und sagte zu Walburg&colon; "Wieviel Kragen haben wir denn noch zu bügeln&comma; heute nimmt es ja gar kein Ende&excl;" und Walburg entgegnete&colon; "Es sind immer noch viele da&period;" Frau Pfäffling bügelte weiter&comma; sah müde aus und sagte sich im stillen&colon; "Eine Wohltat müßte es freilich sein&comma; wenn man einmal ein paar Wochen ausgespannt würde&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Inzwischen hatte Herr Pfäffling ein Verhör mit seinen Söhnen angestellt&comma; und Otto hatte gestanden&comma; daß er bei Beginn des Schuljahrs die Grammatik geholt hatte&period; Er suchte sich zu rechtfertigen&colon; "Ich hätte gerne die alte Ausgabe benützt&comma;" sagte er&comma; "aber als sie der Professor nur sah&comma; war er schon ärgerlich und sagte&colon; 'Die kenne ich&comma; die habe ich schon bei deinem ältesten Bruder beanstandet&comma; und er hat sie doch immer wieder gebracht&comma; dann hat mich dein Bruder Wilhelm das ganze Schuljahr hindurch vertröstet&comma; er bekomme bald eine neue Auflage&comma; und es ist doch nie wahr geworden&comma; aber zum drittenmal lasse ich mich nicht anschwindeln&period; Die alte Auflage muß wohl noch von deinem Großvater stammen&quest;' So hat der Professor zu mir gesprochen&comma; was habe ich da machen können&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Mir hättest du das gleich sagen sollen&comma; dann wäre sie bezahlt worden&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Du hast damals gar nichts davon hören wollen&comma;" sagte Otto kläglich&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Dann hättest du es der Mutter sagen sollen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Die Mutter schickt uns immer zu dir&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ach was&comma;" entgegnet Herr Pfäffling ungeduldig&comma; "du bist ein Streiter&semi; wie du es hättest machen sollen&comma; kann ich nicht sagen&comma; jedenfalls nicht so&period; Denkt nur&comma; wohin das führen würde&comma; wenn ihr alle sieben auf Rechnung nehmen würdet&period; Wenn man so knapp daran ist wie wir&comma; dann kann man durchaus keine Neujahrsrechnungen brauchen&comma; die Mutter und ich bringen es immer zustande ohne solche&comma; und ihr müßt es auch lernen&period; Darum zahle du nur selbst die vier Mark&period; Du hast ja an Weihnachten Geld geschickt bekommen&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ich habe keine drei Mark mehr&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Dann helfen die Brüder&period; Ihr habt es doch wohl gewußt&comma; daß Otto die Grammatik geholt hat&quest; Also&comma; dann könnt ihr auch zahlen helfen&period; Jeder eine Mark&comma; oder meinetwegen eine halbe&comma; und die vierte Mark will ich darauflegen&period; Aber springt nur gleich zum Buchhändler&comma; zahlt und bringt mir die Quittung&comma; und am nächsten Neujahr kommt keine Rechnung mehr&comma; Kinder&comma; nicht wahr&quest;" Sie versprachen es&comma; nahmen des Vaters Beitrag dankbar entgegen und waren froh&comma; daß die Sache gnädig abgelaufen war&period; Das Geld wurde zusammengesucht&comma; Otto wollte es gleich zum Buchhändler tragen&period; Als er hinunterkam&comma; hielt eben vor der Haustüre eine Droschke&comma; eine kleine Dame stieg aus&comma; hinter Pelzwerk und Schleier hervor sah Fräulein Vernageldings Lockenköpfchen&period; Sie kam zur Stunde&period; "Armer Vater&comma; auch das noch&excl;" mußte Otto denken&period; Aber das Fräulein sprach ihn freundlich an&colon; "Es ist zu kalt heute&comma; um zu Fuß zu gehen&comma; wollen Sie nicht auch fahren&quest; Da wäre eben eine Droschke frei&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Danke&comma; nein&comma; ich gehe zu Fuß&comma;" entgegnete Otto&comma; lief davon und lachte vor sich hin über den Einfall&comma; daß er zum Buchhändler fahren sollte&period; Aber das Lachen verging ihm bald&comma; es lacht niemand auf der Straße bei zwanzig Grad Kälte&excl;<&sol;p>

«

»