Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Die Familie Pfäffling
(Agnes Sapper, 1907, empfohlenes Alter: 6 - 12 Jahre)

Geld- und Geigennot

<p>Seit dem Konzert waren mehrere Tage verstrichen&period; Herr Pfäffling hatte täglich und mit wachsender Ungeduld auf den verheißenen Abschiedsgruß des russischen Generals gewartet&comma; dem das Honorar für die Stunden beigelegt sein sollte&comma; aber es kam nichts&period; So mußte die russische Familie doch wohl ihre Abreise verschoben haben&comma; ja&comma; vielleicht dachte sie daran&comma; den Winter noch hier zu bleiben und die Musikstunden wieder aufzunehmen&period; Immerhin konnte auch ein Brief verloren worden sein&period; Herr Pfäffling wollte sich endlich Gewißheit verschaffen und suchte Herrn Meier im Zentralhotel auf&period; Er erfuhr von diesem&comma; daß der General mit Familie gleich am Morgen nach dem Konzert abgereist sei&comma; zunächst nach Berlin&comma; wo er eine Woche verweilen wolle&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Herr Pfäffling zögerte einen Augenblick&comma; von dem ausgebliebenen Honorar zu sprechen&comma; aber der Geschäftsmann erriet sofort&comma; worum es sich handelte und sagte&colon; "Der General hat vor seiner Abreise alle geschäftlichen Angelegenheiten aufs pünktlichste geregelt und großmütig jede Dienstleistung bezahlt&period; Er ist durch und durch ein Ehrenmann&comma; so werden auch sie ihn kennen gelernt haben&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ja&comma; aber wie erklären Sie sich das&colon; er hat mir beim Abschied gesagt&comma; seine Söhne würden mich noch besuchen und hat dabei angedeutet&comma; daß sie das Honorar überbringen würden&period; Sie sind auch gekommen&comma; aber ohne Honorar&comma; und sagten&comma; die Abreise sei verschoben worden&comma; die Eltern würden deshalb noch schriftlich ihren Dank machen&period; Glauben Sie&comma; daß es von Berlin aus geschehen werde&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Nein&comma; nein&comma; nein&comma;" erwiderte lebhaft Herr Meier&period; "Man reist nicht ab&comma; ohne vorher seinen Verbindlichkeiten nachzukommen&comma; da liegt etwas anderes vor&period; Von einer Verschiebung der Reise war auch gar nie die Rede&comma; das haben die Söhne ganz aus der Luft gegriffen&period; Ich fürchte&comma; das Geld ist in den Händen der jungen Herrn hängen geblieben&comma; das geht aus allem hervor&comma; was Sie mir erzählen&period; Sie sind etwas leichtsinnig&comma; die Söhne&comma; und werden vom Vater fast gar zu knapp und streng gehalten&period; Es scheint mir ganz klar&comma; was sie dachten&colon; Sie wollten sich noch etwas reichlich mit Taschengeld versehen&comma; bevor sie der Berliner Anstalt übergeben wurden&comma; und rechneten darauf&comma; daß Sie&comma; in der Meinung&comma; die Abreise sei verschoben&comma; sich erst um Ihr Geld melden würden&comma; wenn die Eltern schon über der russischen Grenze wären&period; Es ist gut&comma; daß Sie nicht noch ein paar Tage gezögert haben&comma; diese Woche ist die Familie noch beisammen in Berlin&period; Ich habe die Adresse des Hotels und ich will sie Ihnen auch mitteilen&comma; Herr Pfäffling&period; Wenn ich Ihnen raten darf&comma; schreiben Sie unverzüglich&period; Sie brauchen ja durchaus keinen Verdacht gegen die jungen Herrn auszusprechen&comma; es genügt&comma; wenn Sie den Hergang erzählen&comma; der General ergänzt sich das übrige und so wie ich ihn kenne&comma; wird er Ihnen sofort das Geld schicken&period; Es war dann ein Versehen und alles ist gut&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>In voller Entrüstung erzählte unser Musiklehrer daheim von dem offenbaren Betrug seiner jungen Schüler&period; "Es ist ein Glück&comma;" sagte er dann&comma; "daß mein Brief die Eltern noch in Berlin erreichen kann&period; Ich schreibe gleich&period; Wir brauchen unser Geld&comma; brauchen es zu Besserem und Nötigerem als diese leichtsinnigen Burschen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Aber nach geraumer Weile kehrte Herr Pfäffling in ganz veränderter Stimmung&comma; langsam und nachdenklich zu seiner Frau zurück&period; "Cäcilie&comma;" sagte er&comma; "was meinst du zu der Sache&quest; Meine Feder sträubt sich ordentlich gegen das&comma; was sie schreiben soll&period; Was hilft es&comma; wenn ich auch nicht den geringsten Verdacht ausspreche&comma; meine Mitteilung bringt doch dem General die Nachricht von der verbrecherischen Handlung seiner Söhne&period; Daß er ihnen so etwas nie zugetraut hätte&comma; sieht man ja&comma; er hätte ihnen sonst das Geld nicht übergeben&period; Nun soll er das erfahren müssen&comma; unmittelbar vor dem Abschied&period; Er wird seinen Kindern die ehrlose Handlung nicht verzeihen&comma; er wird sie nie vergessen können&period; Sich so von seinen Kindern trennen müssen&comma; das ist ein namenloser Schmerz für Eltern&period; Soll ich ihnen das Leid antun&comma; um uns die hundert Mark zu retten&comma; was sagst du&comma; Cäcilie&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Wenn ich auch 'ja' sagte&comma; so glaube ich doch nicht&comma; daß du es über dich bringst&comma;" entgegnete Frau Pfäffling&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Und du&quest; Würdest du es über dich bringen&quest; Würdest du schreiben&comma; trotz all dem Leid&comma; was daraus entstehen muß&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ich würde vielleicht denken&comma; früher oder später werden die Eltern doch erfahren&comma; wie ihre Söhne sind&comma; und für die Jungen selbst wäre es heilsam&comma; wenn der Betrug nicht ohne Strafe für sie hinginge&period; Überdies ist ja immerhin die Möglichkeit&comma; daß wir einen falschen Verdacht haben und das Geld vergessen oder verloren wurde&comma; obwohl ich mir dann die unwahre Aussage der Söhne über die verschobene Abreise nicht erklären könnte&period; Die hundert Mark sind uns auch gar so nötig&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Also du würdest schreiben&comma; Cäcilie&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>Sie besann sich einen Augenblick und sagte dann&colon; "Ich weiß nicht&comma; ich würde meinen Mann fragen&period;" Darauf hin ging Herr Pfäffling noch eine Weile überlegend auf und ab&period; Die Augen seiner großen Kinder folgten ihm mit Spannung&period; Sie waren alle empört über den Betrug&comma; der an ihrem Vater begangen war&comma; hatten alle den Wunsch&comma; der Vater möchte schreiben&period; Aber sie wagten nicht&comma; darein zu reden&period; Nun machte der Vater halt&comma; blieb vor der Mutter stehen und sagte bestimmt&colon; "Hundert Mark lassen sich verschmerzen&comma; nicht aber die Schande der Kinder&period; Wir wollen das kleinere Übel auf uns nehmen&period; Du machst ja auch sonst Ernst mit dem Wort&colon; Den Nächsten lieben wie dich selbst&period;" So blieb der Brief an den russischen General ungeschrieben&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber ein anderer Brief wurde in dieser Nacht abgefaßt&period; In ihrem kalten Schlafzimmer bei schwachem Kerzenlicht hockten Karl&comma; Wilhelm und Otto beisammen und schrieben an die Söhne des Generals&period; Ihrer Entrüstung über die schnöde Handlungsweise gaben sie in kräftigen Worten Ausdruck&comma; den Edelmut des Vaters&comma; der aus Rücksicht auf den General diesem die Schandtat nicht verraten wollte&comma; priesen sie in begeisterten Worten&comma; schilderten dann die vielen Entbehrungen&comma; die die Eltern sich auflegen mußten&comma; wenn eine so große Summe wegfiel&comma; und wandten sich am Schluß mit volltönenden Worten an das Ehrgefühl der jungen Leute mit der Aufforderung&comma; das Geld zurückzuerstatten&period; Otto mußte mit seiner schönen&comma; schulgemäßen Handschrift den Brief ins Reine schreiben und dann setzten alle drei ihre Unterschrift darunter&period; Sie adressierten an Feodor&comma; den älteren der beiden Brüder&comma; die Berliner Adresse hatten sie gelesen&comma; es fehlte nichts mehr an dem Brief&comma; morgen auf dem Weg zur Schule konnte er in den Schalter geworfen werden&period; Mit großer innerer Befriedigung legten sie sich nun in ihre Betten&semi; auf diesen Ausruf hin mußte das Geld zurückkommen&comma; an dem Erfolg war gar nicht zu zweifeln&comma; und welche Überraschung&comma; welche Freude mußte das geben&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Es ist aber merkwürdig&comma; wie die Dinge bei nüchternem Tageslicht so ganz anders erscheinen als in der Abendbeleuchtung&period; Als die Brüder am nächsten Morgen auf dem Schulweg waren&comma; warf Karl die Frage auf&colon; "Warum lassen wir eigentlich den Vater unsern Brief nicht vorher lesen&quest;" Wilhelm und Otto wußten Gründe genug&period; "Weil sonst keine Überraschung mehr dabei ist&semi; weil die Eltern so ängstlich sind und keinen Verdacht äußern wollen&comma; während doch alles so klar wie der Tag ist&semi; weil der Vater die schönsten Sätze über seinen Edelmut streichen würde&semi; weil dann wahrscheinlich aus dem ganzen Einfall nichts würde&semi; nein&comma; wenn man wollte&comma; daß der Brief abging&comma; so mußte man ihn heimlich abschicken&comma; nicht lange vorher fragen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Aber das Heimliche&comma; das eben war Karl zuwider&period; Am ersten Schalter warf er den Brief nicht ein&comma; es kamen ja noch mehrere auf dem Schulweg&period; Aber die Brüder drangen in ihn&colon; "Jede Überraschung muß heimlich gemacht werden&comma; sonst ist's ja keine&semi; du bist immer so bedenklich und ängstlich&comma; was kann denn der Brief schaden&quest; Gar nichts&comma; im schlimmsten Fall nützt er nichts&comma; aber schaden kann er nichts&comma; das mußt du selbst sagen&period;" Karl wußte auch nicht&comma; was er schaden sollte&comma; und dennoch wollte er durchaus auch beim zweiten Schalter den Brief nicht herausgeben&period; "Die Eltern sind immer so sehr gegen alles Heimliche&comma;" sagte er&comma; "und es ist wahr&comma; daß schon oft etwas schlimm ausgegangen ist&comma; was wir heimlich getan haben&period; Ihr habt gut reden&colon; wenn die Sache schief geht&comma; heißt es doch&colon; Karl&comma; du bist der Älteste&comma; du hättest es nicht erlauben sollen&period;" Allmählich brachte er mit seinem Bedenken Otto auf seine Seite&comma; nur Wilhelm blieb dabei daß sie ganz übertrieben ängstlich seien&comma; und machte bei dem dritten und letzten Schalter einen Versuch&comma; Karl den Brief zu entreißen&period; Es gelang aber nicht&comma; und da nun Schulkameraden sich anschlossen&comma; mußte die Schlußberatung auf den Heimweg verschoben werden&period; Das Ende derselben war&colon; sie wollten der Mutter von dem Brief erzählen&comma; wie wenn dieser schon abgeschickt wäre&period; Hatte sie dann nur Freude darüber&comma; dann konnte man ihn ruhig einwerfen&comma; hatte sie Bedenken&comma; so konnte man ihn vorzeigen&period; So wurde Frau Pfäffling zugeflüstert&comma; sie möchte nach Tisch einen Augenblick in das Bubenzimmer kommen&period; Dort fand sie ihre drei Großen&comma; die ihr nun ziemlich erregt und meist gleichzeitig von dem Brief erzählten&comma; den sie gestern noch bei Nacht geschrieben&comma; an den jungen Feodor adressiert und heute morgen auf dem Schulweg mitgenommen hätten&period; Die kräftigen Ausdrücke der Verachtung gegen die Handlungsweise der jungen Russen und die Beschwörung&comma; das Geld zurückzuerstatten&comma; wurden fast wörtlich angeführt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Im ersten Augenblick hörte Frau Pfäffling mit Interesse zu&comma; aber dann veränderte sich plötzlich ihr Ausdruck&comma; sie sah angstvoll&comma; ja fast entsetzt auf die drei Jungen und wurde ganz blaß&period; Sie erschraken über diese Wirkung und verstummten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Kinder&comma; was habt ihr getan&comma;" rief die Mutter schmerzlich&comma; "wenn ihr auch an Feodor adressiert habt&comma; die Briefe bekommen doch die Eltern in die Hand&comma; die Söhne sind wohl gar nicht mehr bei ihnen im Hotel&comma; sondern in der Erziehungsanstalt und das könnt ihr glauben&comma; der General übergibt keinen Brief mit fremder Handschrift an seine Söhne&comma; ohne ihn zu lesen&period; Nun erfährt er durch euch auf die schroffste Weise eben das&comma; was der Vater vor ihm verbergen wollte&period; Es ist unverantwortlich&comma; euch so einzumischen in das&comma; was euch nichts angeht&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Die Kinder hatten der Mutter&comma; als sie ihren Schrecken sahen&comma; schon ins Wort fallen&comma; sie beruhigen wollen&comma; aber Frau Pfäffling war nicht begierig&comma; Entschuldigungen zu hören&comma; und anderes glaubte sie nicht erwarten zu können&period; Da drückte ihr Karl den Brief in die Hand und rief&colon; "Fort ist der Brief noch nicht&comma; Mutter&comma; da hast du ihn&comma; erschrick doch nicht so&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Gott Lob und Dank&comma;" rief Frau Pfäffling&comma; "habt ihr nicht gesagt&comma; er sei schon abgesandt&quest; O Kinder&comma; wie bin ich so froh&excl; Es wäre mir schrecklich gewesen für den Vater&comma; für den General und auch für euch&comma; denn wir hätten nie mehr etwas in eurer Gegenwart besprochen&comma; hätten alles Vertrauen in euch verloren&comma; wenn ihr euch heimlich in solche Dinge mischt&excl;" Sie standen beschämt&comma; denn wie waren sie doch so nahe daran gewesen&comma; das Heimliche zu vollbringen&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>"Später&comma; wenn ich Zeit habe&comma; will ich den Brief lesen&comma;" sagte Frau Pfäffling&comma; "ich kann mir ja denken&comma; daß ihr empört seid über die jungen Leute&comma; aber was nur ein Verdacht ist&comma; darf man nicht aussprechen&comma; wie wenn es Gewißheit wäre&period; Wißt ihr nicht&comma; daß oft schon die klügsten Richter einen Menschen verurteilt haben&comma; weil der schwerste Verdacht gegen ihn vorlag&comma; und später stellte sich doch heraus&comma; daß er unschuldig war&quest; Man kann da gar nicht vorsichtig genug sein&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Herr Pfäffling bekam den Brief zu lesen&period; Er wurde nachdenklich darüber&period; "So&comma; wie die Kinder gerne geschrieben hätten&comma;" sagte er zu seiner Frau&comma; "so kann man freilich nicht schreiben&period; Aber der Gedanke&comma; sich an die Söhne zu wenden&comma; ist vielleicht nicht schlecht&period; Bisher waren sie noch unter der steten Aufsicht der Eltern&comma; ich wüßte nicht&comma; wie sie in dieser Zeit das unterschlagene Geld hätte verausgaben sollen&period; Ich müßte an sie schreiben&comma; sobald der General und seine Frau abgereist sind&period; Der Abschied wird den jungen Leuten gewiß einen tiefen Eindruck machen&comma; der General wird ernste Worte mit ihnen reden&period; Wenn sie in dieser Stimmung einen Brief von mir erhalten und sehen&comma; wie ich ihre Eltern gerne schonen möchte&comma; ist es nicht unmöglich&comma; daß sie ihr Unrecht wieder gut machen&period; Sie mögen ja schwach sein und leicht einer Versuchung unterliegen&comma; aber sie sind auch weichen Gemüts und zum Guten zu bestimmen&comma; ich will wenigstens den Versuch machen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Pfäffling saß in dieser Zeit viel am Bett der kleinen Masernkranken&period; Ihr Mann mußte das Krankenzimmer meiden um seiner Schüler willen&period; Aber wie eine Erscheinung stand er eines Tages plötzlich vor ihr&comma; warf ihr eine Handvoll Geld in den Schoß&comma; rief vergnügt&colon; "Das Russengeld" und war in demselben Augenblick schon wieder verschwunden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Seine drei großen Jungen rief er zu sich&comma; las ihnen den reuevollen Brief der jungen Leute vor und gab in seiner Freude jedem der Drei ein kleines Geldstück&comma; weil sie ihn durch ihren Brief auf einen guten Gedanken gebracht hatten&period; Aber Wilhelm wollte es nicht annehmen&period; War er es doch gewesen&comma; der darauf beharrt hatte&comma; den Brief&comma; ohne vorher zu fragen&comma; einzuwerfen&period; "Vater&comma;" sagte er&comma; "du weißt nicht so genau&comma; wie die Sache zugegangen ist&period; Ich bin schon froh&comma; daß nur kein Unheil entstanden ist aus unserm Brief&comma; eine Belohnung will ich lieber nicht nehmen&comma; die hat nur Karl verdient&comma; gib sie nur ihm&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Noch am selben Abend erhielt der Ohrenarzt sein Geld&comma; mit einer Entschuldigung über die Verzögerung und der aufrichtigen Bemerkung&comma; daß es Herrn Pfäffling nicht früher möglich gewesen sei&comma; die Summe zusammenzubringen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Arzt saß schon mit seiner Gemahlin beim Abendessen&period; "Ist denn der Pfäffling nicht der Direktor der Musikschule&comma; der neulich einen Ball gegeben hat&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Bewahre&comma; du bringst auch alles durcheinander&comma;" sagte die Gattin&comma; die sich nicht durch Liebenswürdigkeit auszeichnete&period; "Der Pfäffling ist ja bloß Musiklehrer&period; Es ist doch der&comma; von dem man einmal erzählt hat&comma; daß er seine zehn Kinder ausschickt&comma; um Wohnungen zu suchen&comma; weil niemand die große Familie aufnehmen wollte&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"O tausend&excl;" rief der Doktor&comma; "wenn ich das gewußt hätte&comma; dem hätte ich keine so gesalzene Rechnung geschickt&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Du verwechselst auch alle Menschen&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Die Menschen nicht&comma; bloß die Namen&semi; der Direktor heißt ganz ähnlich&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Gar nicht ähnlich&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Nicht&quest; Ich meine doch&period; Wie heißt er eigentlich&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Mir fällt der Name gerade nicht ein&comma; aber ähnlich ist er gar nicht&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Doch&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Nein&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Nachdem sie noch eine Weile über die Ähnlichkeit eines Namens gestritten hatten&comma; den sie beide nicht wußten&comma; schob der Arzt das Geld ein mit einem bedauernden&colon; "Ändern läßt sich da nichts mehr&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Elschens Krankheit war gnädig vorübergegangen&period; Sie war wieder außer Bett&comma; hatte aber noch Hausarrest und viel Langeweile&period; So freute sie sich über den heutigen Lichtmeßfeiertag&comma; an dem die Geschwister schulfrei waren&period; Am Nachmittag machte sie sich an Frieder heran&comma; der geigend in der Küche stand&comma; und bat schmeichelnd&comma; daß er nun endlich aufhöre und mit ihr spiele&period; Er nickte nur und spielte weiter&period; Sie wartete geduldig&period; Endlich mahnte ihn Walburg&colon; "Frieder&comma; hör auf&comma; du hast schon zu lang gespielt&period; Frieder&comma; der Vater wird zanken&period;" Da gab er endlich nach&comma; und Elschen folgte ihm fröhlich in das Musikzimmer&comma; wo die Violine ihren Platz hatte&period; Als Frieder aber sah&comma; daß der Vater gar nicht zu Hause war&comma; nahm er schnell die Violine wieder zur Hand und spielte&period; "Du Böser&excl;" rief die kleine Schwester und Tränen der Enttäuschung traten ihr in die Augen&period; Als aber nach einer Weile draußen die Klingel ertönte&comma; sah man ihr schon wieder die Angst für den Bruder an&colon; "Der Vater kommt&excl;" rief sie und sah gespannt nach der Türe&period; Aber ehe diese aufging&comma; war Frieder mit seiner Violine durch die andere Türe hinausgegangen und nun flüchtete er sich in das Bubenzimmer und spielte und spielte&period; Da holte sich Elschen den Bruder Karl zur Hilfe&period; "Frieder&comma;" sagte er&comma; "ich rate dir&comma; daß du jetzt augenblicklich aufhörst&comma; du hast gewiß schon drei Stunden gespielt&excl;" Da machte der leidenschaftliche Geiger ein finsteres Gesicht&comma; wie es noch niemand an dem guten&comma; kleinen Kerl gesehen hatte&comma; und sagte trutzig zu Karl&colon; "Ich kann jetzt nicht aufhören&comma; ich spiele bis ich fertig bin&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>In diesem Augenblick kam Frau Pfäffling herein&comma; da stürzte sich Elschen weinend auf sie zu und rief&colon; "Alle sagen ihm&comma; er soll aufhören und er tut's doch nicht&comma; vielleicht hört er gar nie mehr auf&comma; sieh ihn nur an&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Aber durch diesen verzweifelnden Ausruf der Kleinen und vielleicht noch mehr durch den Anblick der Mutter kam Frieder zu sich&comma; ließ die Geige sinken&comma; legte den Bogen aus der Hand und senkte schuldbewußt den Kopf&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Hast du gewußt&comma; daß es über die Zeit ist und hast dennoch weitergespielt&quest;" fragte Frau Pfäffling&period; "Das hätte ich nicht von dir gedacht&comma; Frieder&comma; wenn du über deiner Violine allen Gehorsam vergißt&comma; dann ist's wohl besser&comma; das Geigenspiel hört ganz auf&period; Bleib hier&comma; ich will hören&comma; was der Vater meint&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Pfäffling ging hinaus&comma; Frieder blieb wie angewurzelt stehen&period; Die Geschwister sammelten sich allmählich um ihn&comma; sie berieten&comma; was geschehen würde&comma; drangen in ihn&comma; er solle gleich um Verzeihung bitten&comma; und als nun die Eltern miteinander kamen&comma; war eine schwüle Stimmung im Zimmer&period; Frieder wagte kaum aufzusehen&comma; aber trotzig schien er nicht&comma; denn er sagte deutlich&colon; "Es ist mir leid&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Das muß dir freilich leid sein&comma; Frieder&excl;" sagte der Vater&period; "Wenn du bloß im Eifer vergessen hättest&comma; daß du über die Zeit spielst&comma; dann könnte ich dir das leicht verzeihen&comma; aber wenn du erinnert wirst&comma; daß du aufhören solltest und magst nicht folgen&comma; wenn du mit aller Absicht tust&comma; was ich dir schon oft streng verboten habe&comma; dann ist's aus mit dem Geigenspiel&period; Was meinst du&comma; wenn ihr Kinder alle nicht folgen wolltet&comma; wenn jeder täte&comma; was ihm gut dünkt&quest; Das wäre gerade&comma; wie wenn bei dem Orchester keiner auf den Dirigenten sähe&comma; sondern jeder spielte&comma; wann und was er wollte&period; Nein&comma; Frieder&comma; meine Kinder müssen folgen&comma; mit deinem Violinspiel ist's vorbei&comma; ich will nicht sagen für immer&comma; aber für Jahr und Tag&period; Gib sie her&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Frieder&comma; der die Violine leicht in der Hand gehalten hatte&comma; drückte sie nun plötzlich an sich&comma; verschränkte beide Arme darüber und wich einen Schritt vom Vater zurück&period; Sie waren alle über diesen Widerstand so bestürzt&comma; daß es fast einstimmig über aller Lippen kam&colon; "Aber Frieder&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Herr Pfäffling sah mit maßlosem Erstaunen den Kleinen an&comma; der immer der gutmütigste von allen gewesen war und der jetzt tat&comma; was noch keines gewagt hatte&comma; sich ihm widersetzte&period; Einen Moment besann er sich&comma; und dann&comma; ohne nur dem zurückweichenden nachzugehen&comma; streckte er rasch seine langen Arme aus&comma; hob den kleinen Burschen samt seiner Violine hoch in die Luft und rief&comma; indem er ihn so schwebend hielt&colon; "Mit Gewalt kommst du gegen mich nicht auf&comma; merkst du das&quest;" und ernst fügte er hinzu&comma; als er ihn wieder auf den Boden setzte&colon; "Nun gib du mir gutwillig deine Violine&comma; Frieder&excl;" Aber die Arme des Kindes lösten sich nicht&period; Von allen Seiten&comma; laut und leise&comma; wurde ihm von den Geschwistern zugeredet&colon; "Gib sie her&excl;" und als Frau Pfäffling sah&comma; wie er das Instrument leidenschaftlich an sich preßte&comma; fragte sie schmerzlich&colon; "Frieder&comma; ist dir deine Violine lieber als Vater und Mutter&quest;" Der Kleine beharrte in seiner Stellung&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"So behalte du deine Violine&comma;" rief nun lebhaft der Vater&comma; "hier hast du auch den Bogen dazu&comma; du kannst spielen&comma; solang du magst&period; Aber unser Kind bist du erst wieder&comma; wenn du sie uns gibst&comma;" und indem er die Türe zum Vorplatz weit aufmachte&comma; rief er laut und drohend&colon; "Geh hinaus&comma; du fremdes Kind&excl;" Da verließ Frieder das Zimmer&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Draußen stand er regungslos in einer Ecke des Vorplatzes&comma; innen schluchzten die Schwestern&comma; ergriffen waren alle von dem Vorfall&period; Herr Pfäffling ging erregt hin und her und dann hinaus in den Vorplatz&comma; wo er Walburg mit so lauter Stimme&comma; daß es bis ins Zimmer drang&comma; zurief&colon; "Das Kind da soll gehalten werden wie ein armes Bettelkind&period; Es darf hier außen im Vorplatz bleiben&comma; es kann da auch essen und man kann ihm nachts ein Kissen hinlegen zum Schlafen&period; Geben Sie ihm den Küchenschemel&comma; daß es sich setzen kann&period; Es dauert mich&comma; weil es keinen Vater und keine Mutter mehr hat&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Hierauf ging er hinüber in sein Zimmer&period; Frau Pfäffling zog Elschen an sich&comma; die sich nicht zu fassen vermochte&period; "Sei jetzt still&comma; Kind&comma;" sagte sie&comma; "Frieder wird bald einsehen&comma; daß er folgen muß&period; Wir lassen ihn jetzt ganz allein&comma; daß er sich besinnen kann&period; Er wird dem Vater die Violine bringen&comma; dann ist alles wieder gut&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Als die Zeit des Nachtessens kam&comma; deckten die Schwestern auch für Frieder&period; Sie rechneten alle&comma; daß er kommen würde&period; Herr Pfäffling&comma; der zum Essen gerufen war&comma; ging zögernd&comma; langsam an Frieder vorbei&comma; der als ein jammervolles Häufchen auf dem Schemel saß und die Gelegenheit&comma; die ihm der Vater geben wollte&comma; vorübergehen ließ&period; Er kam nicht zu Tisch&period; "Tragt ihm zu essen hinaus&comma; soviel er sonst bekommt&comma;" sagte Herr Pfäffling&comma; "der Hunger soll ihn nichts zu uns treiben&comma; die Liebe soll es tun und das Gewissen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>So aß der Kleine außen im Vorplatz und so oft die Zimmertüre aufging&comma; kamen ihm Tränen&comma; denn er sah die Seinen um die Lampe am Tisch sitzen und sein Platz war leer&period; Aber er hatte ja seine Violine&comma; nach dem Essen wollte er spielen&comma; immerzu spielen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Im Zimmer horchten sie plötzlich auf&period; "Er spielt&excl;" flüsterte eines der Kinder&period; Von draußen erklang ein leiser Geigenton&period; Sie lauschten alle&period; Drei Striche—dann verstummte die Musik&period; Die drei Töne hatten Frieder wehgetan&comma; er wußte nicht warum&period; Der kleine Geiger hatte früher noch nie mit traurigem Herzen nach seinem Instrument gegriffen&comma; darum hatte er auch keine Ahnung davon&comma; wie schmerzlich die Musik das Menschenherz bewegen kann&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nach einer Weile begann er noch einmal zu spielen&comma; aber wieder brach er mitten darin ab&period; Denen&comma; die ihm zuhörten&comma; ging es nahe&comma; vor allem den Schwestern&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Die Marianne möchte hinaus zu Frieder&comma;" sagte die Mutter&period; Herr Pfäffling verwehrte es nicht&period; Sie fanden ihn auf dem Schemel kauernd&comma; wie er die Geige auf seinen Knieen liegend mit schmerzlichem Blick ansah&period; Sie setzten sich zu ihm und flüsterten mit ihm&period; Eine Weile später&comma; als Herr Pfäffling in seinem Musikzimmer war&comma; kam ein sonderbarer Zug zu ihm herein&colon; Voran kam Frieder und trug mit beiden Händen etwas&comma; das eingehüllt war in Mariannens großen&comma; schwarzgrauen Schal&period; Es war fast wie ein kleiner Sarg anzusehen&semi; ernst genug sah auch der kleine Träger aus&comma; die Schwestern folgten als Trauergeleite&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Da drinnen ist die Violine&comma;" sagte Frieder zu seinem Vater&comma; der fragend auf die merkwürdige Umhüllung sah&period; Da nahm ihm Herr Pfäffling rasch den Pack ab&comma; legte ihn beiseite&comma; ergriff seinen kleinen Jungen&comma; zog ihn an sich und sagte in warmem Ton&colon; "Nun ist alles gut&comma; Frieder&comma; und du bist wieder unser Kind&excl;" Und Frieder weinte in des Vaters Armen seinen Schmerz aus&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Später erst vertrauten die Schwestern dem Vater an&colon; "Solang Frieder seine Violine gesehen hat&comma; war es ihm zu schwer&comma; sie herzugeben&comma; erst wie wir sie zugedeckt haben und ganz eingewickelt&comma; hat er sie nimmer mit so traurigen Augen angesehen&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Als Frieder längst schlief&comma; sprachen seine Eltern noch über ihn&period; "Wie kann man nur so leidenschaftliche Liebe für die Musik haben&comma;" sagte Frau Pfäffling&comma; "mir ist das ganz unverständlich&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Von dir hat er es wohl auch nicht&comma;" entgegnete Herr Pfäffling und fügte nachdenklich hinzu&colon; "Ganz ohne Musik kann ich ihn nicht lassen&comma; das wäre&comma; wie wenn ich einem Hungrigen die Speise versagen wollte&period; Ich denke&comma; am besten ist&comma; ich lehre ihn Klavierspielen&period; Danach hat er bis jetzt kein Verlangen und wird es leichter mit Maßen treiben&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ja&comma; und lernen muß er es doch&comma; denn daran wird man kaum zweifeln können&comma; daß er einmal ein Musiker wird&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Unser Musiklehrer sagte schwermütig&colon; "Es wird wohl so kommen&period;"<&sol;p>

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