Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Die Familie Pfäffling
(Agnes Sapper, 1907, empfohlenes Alter: 6 - 12 Jahre)

Immer noch nicht Weihnachten

<p>Der letzte Schultag vor Weihnachten war gekommen&period; Wer sich von der Familie Pfäffling am meisten freute auf den Schulschluß&comma; das war gerade das einzige Glied derselben&comma; das noch nicht zur Schule ging&comma; das Elschen&period; Ihr war die Schule die alte Feindin&comma; die ihr&comma; solange sie zurückdenken konnte&comma; alle Geschwister entzog&comma; die unbarmherzig die schönsten Spiele unterbrach&comma; die ihre dunkeln Schatten in Gestalt von Aufgaben über die ganzen Abende warf und die auch heute schuld war&comma; daß die Geschwister&comma; statt von Weihnachten&comma; nur von den Schulzeugnissen redeten&comma; die sie bekommen würden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Sie saßen jetzt beim Frühstück&comma; aber es wurde hastig eingenommen&comma; die Schulbücher lagen schon bereit&comma; und gar nichts deutete darauf hin&comma; daß morgen der heilige Abend sein sollte&period; Die Kleine wurde ganz ungeduldig und mißmutig&period; "Vater&comma;" sagte sie aus dieser Stimmung heraus&comma; "gibt es gar kein Land auf der ganzen Welt&comma; wo keine Schule ist&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"O doch&comma;" antwortete Herr Pfäffling&comma; "in der Wüste Sahara zum Beispiel ist zurzeit noch keine eröffnet&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Da mußt du Musiklehrer werden&comma; Vater&comma;" rief die Kleine ganz energisch&period; Aber da alle nur lachten&comma; sogar Frieder&comma; merkte sie&comma; daß der Vorschlag nichts taugte&comma; und sie sah wieder&comma; daß gegen die Schule ein für allemal nichts zu machen war&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Heute sollte sie das besonders bitter empfinden&period; Als sie nach der letzten Schulstunde den großen Brüdern fröhlich entgegenkam&comma; wurde sie nur so beiseite geschoben&semi; die Drei waren in eifrigem&comma; aber leise geführtem Gespräch und verschwanden miteinander in ihrem Schlafzimmer&period; Es waren nämlich die Zeugnisse ausgeteilt worden&comma; und da zeigte es sich&comma; daß Wilhelm in der Mathematik die Note "4" bekommen hatte&comma; die geringste Note&comma; die gegeben wurde&period; Das war noch nie dagewesen&comma; die Zahl 4 war bisher in keinem Zeugnisheft der jungen Pfäfflinge vorgekommen&period; "So dumm sieht der Vierer aus&comma;" sagte Wilhelm&comma; "was hilft es mich&comma; daß ein paar Zweier sind&comma; wo das letztemal Dreier waren&comma; der Vater sieht doch auf den ersten Blick den Vierer&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ja&comma;" sagte Karl&comma; "gerade so wie unser Professor auch in der schönsten&nbsp&semi;Reinschrift immer nur die eine Stelle sieht&comma; wo etwas korrigiert ist&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Wenn wir es nur einrichten könnten&comma; daß wir die Zeugnishefte erst nach&nbsp&semi;Weihnachten zeigen müßten&period; Meint ihr&comma; das geht&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Nein&comma;" sagte Karl&comma; "man hat sonst jeden Tag Angst&comma; daß der Vater darnach fragt&period; Aber es kann freilich die Freude verderben&semi; hättest du es nicht wenigstens zu einem schlechten Dreier bringen können&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>Wilhelm blieb darauf die Antwort schuldig&period; Die Schwestern waren inzwischen auch mit ihren Zeugnissen heimgekommen und suchten die Brüder auf&period; Marie warf nur einen Blick auf die Gruppe&comma; dann sagte sie&colon; "Gelt&comma; ihr seid schlecht weggekommen&quest;" und da keine Antwort erfolgte&comma; fuhr sie fort&colon; "Unsere Zeugnisse sind gut&comma; besser als das letztemal&comma; und der Frieder hat auch gute Noten&period; Dann wird der Vater schon zufrieden sein&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Nein&comma;" sagte Wilhelm&comma; "er wird nur meinen Vierer sehen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"O&comma; ein Vierer&quest;" "O weh&excl;" riefen die Schwestern&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"So jammert doch nicht so&comma;" rief Wilhelm&comma; "sagt lieber&comma; was man machen soll&comma; daß der Vater die Zeugnisse vor Weihnachten nicht ansieht&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>Sie berieten und besannen sich eine Weile&comma; ein Wort gab das andere und zuletzt wurde beschlossen&comma; die Noten sollten alle zusammengezählt und dann die Durchschnittsnote daraus berechnet werden&period; Diese mußte&comma; trotz des fatalen Vierers&comma; ganz gut lauten&comma; so daß die Eltern wohl befriedigt sein konnten&period; Die Mutter hatte überdies selten Zeit&comma; die Heftchen anzusehen&comma; und dem Vater wollte man die schöne Durchschnittsnote in einem geschickten Augenblick mitteilen&comma; dann würde er nicht weiter nachfragen&semi; erst nach Neujahr mußten die Zeugnisse unterschrieben werden&comma; bis dahin hatte es ja noch lange Zeit&comma; so weit hinaus sorgte man nicht&period; Wilhelm war sehr vergnügt über den Gedanken&comma; Otto&comma; der das beste Zeugnis hatte&comma; war zwar weniger damit einverstanden&comma; wurde aber überstimmt&comma; und sie machten sich nun an die Durchschnittsberechnung&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Wilhelm holte Frieder herbei&comma; der hatte der Mutter schon sein Zeugnis gezeigt&comma; nun wurde es ihm von den Brüdern abgenommen&period; "Seht nur&comma;" sagte Wilhelm&comma; "wie der sich diesmal hinaufgemacht hat&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Dafür kann ich nichts&comma;" sagte Frieder&comma; "die Mutter sagt&comma; das kommt nur von der Harmonika&period; Wahrscheinlich&comma; wenn ich eine neue zu Weihnachten bekomme&comma; werden die Noten wieder schlechter&period; Gibst du mir mein Heft wieder&comma; Karl&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Nein&comma; das brauchen wir noch&comma; sei nur still&comma; daß ich rechnen kann&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Geh lieber hinaus&comma; Frieder&comma;" sagte Marie mütterlich&comma; "das Elschen hat sich so gefreut auf dich&comma;" und sie schob den Kleinen zur Türe hinaus&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Es ergab sich eine gute Durchschnittsnote&comma; und Marie wollte es übernehmen&comma; sie dem Vater so geschickt mitzuteilen&comma; daß er gewiß nicht nach den Heften fragen würde&period; Sie wartete den Augenblick ab&comma; wo Herr Pfäffling sich richtete&comma; um zum letztenmal vor dem Fest in das Zentralhotel zu gehen&period; An seinen raschen Bewegungen bemerkte sie&comma; daß er in Eile war&period; "Vater&comma;" sagte sie&comma; "wir haben alle unsere Zeugnisse bekommen und die Noten zusammengezählt&period; Dann hat Karl berechnet&comma; was wir für eine Durchschnittsnote haben&comma; weißt du&comma; was da herausgekommen ist&quest; Magst du raten&comma; Vater&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ich kann mich nicht mehr aufhalten&comma; ich muß fort&comma; aber hören möchte ich es doch noch gerne&comma; eine Durchschnittsnote von allen Sechsen&quest; Zwei bis drei vielleicht&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Nein&comma; denke nur&comma; Vater&comma; eins bis zwei&comma; ist das nicht gut&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Recht gut&comma;" sagte Herr Pfäffling&semi; er hatte nun schon den Hut auf und Marie bemerkte noch schnell unter der Türe&colon; "Die Zeugnisheftchen will ich alle in der Mutter Schreibtisch legen&comma; daß du sie dann einmal unterschreiben kannst&period;" "Ja&comma; hebe sie nur gut auf&comma;" rief Herr Pfäffling noch von der Treppe herauf&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die kleine List war gelungen&comma; die Heftchen wurden sehr sorgfältig&comma; aber sehr weit hinten im Schreibtisch geborgen&semi; ungesucht würden sie da niemand in die Hände fallen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Herr Pfäffling freute sich jedesmal auf die Stunden im Zentralhotel&comma; denn es war dort mehr ein gemeinsames Musizieren als ein Unterrichten und so betrat er auch heute in fröhlicher Stimmung das Hotel&period; Diesmal stand die große Flügeltüre des untern Saales weit offen&comma; Tapezierer waren beschäftigt&comma; die Wände zu dekorieren&comma; der Besitzer des Hotels stand mitten unter den Handwerksleuten und erteilte ruhig und bestimmt seine Befehle&period; "Das ist auch ein General&comma;" dachte Herr Pfäffling&comma; nachdem er einige Augenblicke zugesehen hatte&period; Große Tätigkeit herrschte in den untern Räumen&period; An der angelehnten Türe des Speisezimmers stand ein kleiner Kellner&comma; die Serviette über dem Arm&comma; einige Flaschen in der Hand und sah zu&comma; wie eben zwei hohe Tannenbäume in den Saal getragen wurden&period; Aber plötzlich fuhr der kleine Bursche zusammen&comma; denn hinter ihm ertönte eine scheltende Stimme&colon; "Was stehst du da und hast Maulaffen feil&comma; mach daß du an dein Geschäft gehst&excl;" Es war Rudolf Meier&comma; der den Säumigen so anfuhr&period; Als er Herrn Pfäffling gewahrte&comma; grüßte er sehr artig und sagte&colon; "Man hat seine Not mit den Leuten&comma; heutzutage taugt das Pack nicht viel&period;" Eine Antwort erhielt Rudolf nicht auf seine Rede&comma; ohne ein Wort ging Herr Pfäffling an ihm vorbei&comma; die Treppe hinauf&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Rudolf sah ihm nachdenklich nach&period; Es kam ihm öfters vor&comma; daß er auf seine verständigsten Reden keine Antwort bekam&comma; und zwar gerade von den Leuten&comma; die er hoch stellte&period; Andere rühmten ihn ja oft und sagten ihm&comma; er spreche so klug wie sein Vater&semi; ob wohl solche Leute&comma; wie Herr Pfäffling noch größere Ansprüche machten&quest; Rudolf stellte sich die Brüder Pfäffling vor&period; Wie kindisch waren sie doch im Vergleich mit ihm&comma; sogar Karl&comma; der älteste&semi; diesen Unterschied mußte ihr Vater doch empfinden&comma; es mußte ihm doch imponieren&comma; daß er schon so viel weiter war&excl; Der kleine Kellner konnte es wohl noch bemerkt haben&comma; wie geringschätzig Herr Pfäffling an ihm vorübergegangen war&colon; so etwas erzählten sich dann die Dienstboten untereinander und spotteten über ihn&comma; das wußte er wohl&period; Ja&comma; er hatte keine leichte Stellung im Haus&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Indessen war Herr Pfäffling die ihm längst vertraute Treppe hinaufgesprungen&period; Droben empfing ihn schon das flotte Geigenspiel seiner Schüler&comma; und nun wurde noch einmal vor Weihnachten ausgiebig musiziert&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Es wird ein Ball im Hotel arrangiert zur Weihnachtsfeier&comma;" erzählte ihm die Generalin am Schluß der Stunde&comma; "es soll sehr schön werden&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ja&comma;" sagte der General&comma; "der Hotelier gibt sich alle Mühe&comma; seinen&nbsp&semi;Gästen viel zu bieten&comma; er ist ein tüchtiger Mann und versteht sein&nbsp&semi;Geschäft ausgezeichnet&comma; aber sein Sohn spricht nur von Arbeit und tut&nbsp&semi;selbst keine&excl; Der Sohn wird nichts&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Als Herr Pfäffling sich für die Weihnachtsferien verabschiedet hatte und hinausging&comma; sah er am Fenster des Korridors eben den Sohn stehen&comma; über den einen Augenblick vorher das vernichtende Urteil gefällt war&colon; "Er wird nichts&period;" Kann es ein traurigeres Wort geben einem jungen Menschenkind gegenüber&quest; Herr Pfäffling konnte diesmal nicht teilnahmslos an ihm vorübergehen&period; Rudolf Meier stand auch nicht zufällig da&period; Er wußte vielleicht selbst nicht genau&comma; was ihn hertrieb&period; Es war das Bedürfnis&comma; sich Achtung zu verschaffen von diesem Mann&period; Ein anderes Mittel hiezu kannte er nicht&comma; als seine eigenen Leitungen zur Sprache zu bringen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Wünsche fröhliche Feiertage&comma;" redete er Herrn Pfäffling an&period; "Für andere&nbsp&semi;Menschen beginnen ja nun die Ferien&comma; für uns bringt so ein Fest nur&nbsp&semi;Arbeit&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Herr Pfäffling blieb stehen&period; "Ja&comma;" sagte er&comma; "ich sehe&comma; daß Ihr Vater sehr viel zu tun hat&comma; aber wenn die Gäste versorgt sind&comma; haben Sie doch wohl auch Ihre Familienfeier&comma; Ihre Weihnachtsbescherung&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ne&comma; das gibt es bei uns nicht&period; Früher war das ja so&comma; als ich klein war und meine Mutter noch lebte&comma; aber ich bin nicht mehr so kindisch&comma; daß ich jetzt so etwas für mich beanspruchte&period; Ich habe auch keine Zeit&period; Sie begreifen&comma; daß ich als einziger Sohn des Hauses überall nachsehen muß&period; Die Dienstboten sind so unzuverlässig&comma; man muß immer hinter ihnen her sein&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Lassen sich die Dienstboten von einem fünfzehnjährigen Schuljungen anleiten&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>Rudolf Meier war über diese Frage verwundert&period; Wollte es ihm denn gar nicht gelingen&comma; diesem Manne verständlich zu machen&comma; daß er eben kein gewöhnlicher Schuljunge war&quest;<&sol;p>&NewLine;<p>"Ich habe keinen Verkehr mit Schulkameraden&comma;" sagte er&comma; "in jeder freien&nbsp&semi;Stunde&comma; auch Sonntags&comma; bin ich hier im Hause beschäftigt&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Sie kommen wohl auch nie in die Kirche&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ich selbst nicht leicht&comma; aber ich bin sehr gut über alle Gottesdienste unterrichtet&period; Wir haben oft Gäste&comma; die sich dafür interessieren&comma; und ich weiß auch allen&comma; gleichviel ob es Christen oder Juden sind&comma; Auskunft zu geben über Zeit und Ort des Gottesdienstes&comma; über beliebte Prediger&comma; feierliche Messen und dergleichen&period; Man muß allen dienen können und darf keine Vorliebe für die eine oder andere Konfession merken lassen&period; Wir dürfen ja auch Ausländer nicht verletzen und müssen uns manche spöttische Äußerung über die Deutschen gefallen lassen&period; Das bringt ein Welthotel so mit sich&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Herr Pfäffling sagte darauf nichts und Rudolf Meier war zufrieden&period; Das "Welthotel" war immer der höchste Trumpf&comma; den er ausspielen konnte&comma; und der verfehlte nie seine Wirkung&comma; auch auf Herrn Pfäffling hatte er offenbar Eindruck gemacht&comma; denn der geringschätzige Blick&comma; den er vor der Stunde für ihn gehabt hatte&comma; war einem andern Ausdruck gewichen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Unten&comma; im Hausflur&comma; stand noch immer die Türe zu dem großen Saal offen&comma; die Dekoration hatte Fortschritte gemacht&comma; Herr Rudolf Meier sen&period; stand auf der Schwelle und überblickte das Ganze&comma; und im Vorbeigehen hörte Herr Pfäffling ihn zu einem Tapezierer sagen&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>"An diesem Fenster ist noch Polsterung anzubringen&comma; damit jede Zugluft von den Gästen abgehalten wird&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Unser Musiklehrer&comma; dem sonst&comma; wenn er von seinen russischen Schülern kam&comma; die schönsten Melodien durch den Kopf gingen&comma; war heute auf dem Heimweg in Gedanken versunken&period; Er sah vor sich den tüchtigen Geschäftsmann&comma; der in unermüdlicher Tätigkeit sein Hotel bestellte&comma; der von seinen Gästen jeden schädlichen Luftzug abhielt&comma; und der doch nicht merkte&comma; wie der einzige Sohn&comma; dem dies alles einst gehören sollte&comma; in Gefahr war&comma; zugrunde zu gehen&period; Herr Pfäffling war eine Straße weit gegangen&comma; da trieben ihn seine Gedanken wieder rückwärts&period; "Sprich mit dem Mann ein Wort über seinen Sohn&comma;" sagte er sich&comma; "wenn seinem Haus eine Gefahr drohte&comma; würdest du es doch auch sagen&comma; warum nicht&comma; wenn du siehst&comma; daß sein Kind Schaden nimmt&comma; daß es höchste Zeit wäre&comma; es den schlimmen Einflüssen zu entziehen&quest; Es sollte fortkommen vom Hotel&comma; von der großen Stadt&comma; in einfache&comma; harmlose Familienverhältnisse&excl;" Während sich Herr Pfäffling dies überlegte&comma; ging er raschen Schritts ins Zentralhotel zurück&comma; und nun stand er vor Herrn Meier&comma; in dem großen Saal&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Hotelbesitzer meinte&comma; der Musiklehrer interessiere sich für die Dekoration und forderte ihn höflich auf&comma; alles zu besehen&period; "Ich danke&comma;" sagte Herr Pfäffling&comma; "ich sah schon vorhin&comma; wie hübsch das wird&comma; aber um Ihren Sohn&comma; Herr Meier&comma; um Ihren Sohn ist mir's zu tun&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Äußerst erstaunt sah der so Angeredete auf und sagte&comma; indem er nach einem anstoßenden Zimmer deutete&colon; "Hier sind wir ungestört&period; Wollen Sie Platz nehmen&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Nein&comma;" sagte Herr Pfäffling&comma; "ich stehe lieber&comma;" eigentlich hätte er sagen sollen&comma; "ich renne lieber&comma;" denn kaum hatte er das Gespräch begonnen&comma; so trieb ihn der Eifer im Zimmer hin und her&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Ich meine&comma;" sagte er&comma; "über all Ihren Leistungen als Geschäftsmann sehen Sie gar nicht&comma; was für ein schlechtes Geschäft bei all dem Ihr Kind macht&period; Ist's denn überhaupt ein Kind&quest; War es eines&quest; Es spricht wie ein Mann und ist doch kein Mann&period; Ein Schuljunge sollte es sein&comma; der tüchtig arbeitet und dann fröhlich spielt&period; Er aber tut keines von beiden&period; In dem Alter&comma; wo er gehorchen sollte&comma; will er kommandieren&comma; den Herrn will er spielen und hat doch nicht das Zeug dazu&period; Er wird kein Mann wie Sie&comma; er wird auch kein Deutscher&comma; wird kein Christ&comma; denn er dünkt sich über alledem zu stehen&period; Der sollte fort aus dem Hotel&comma; fort von hier&comma; in ein warmes Familienleben hinein&comma; da könnte noch etwas aus ihm werden&comma; aber so nicht&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Herr Pfäffling hatte so eifrig gesprochen&comma; daß sein Zuhörer dazwischen nicht zu Wort gekommen war&period; Er sagte jetzt anscheinend ganz ruhig und kühl&colon; "Ich muß mich wundern&comma; Herr Pfäffling&comma; daß Sie mir das alles sagen&period; Wir kennen uns nicht und meinen Sohn kennen Sie wohl auch nur ganz flüchtig&period; Mir scheint&comma; Sie urteilen etwas rasch&period; Andere sagen mir&comma; daß mein Sohn der geborene Geschäftsmann ist und schon jetzt einem Haus vorstehen könnte&period; Wenn er Ihnen so wenig gefällt&comma; dann bitte kümmern Sie sich nicht um ihn&comma; ich kenne mein eigenes Kind wohl am besten und werde für sein Wohl sorgen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Herr Pfäffling sah nun seinerseits ebenso erstaunt auf Herrn Meier&comma; wie dieser vorher auf ihn&period; Endlich sagte er&colon; "Ich sehe&comma; daß ich Sie gekränkt habe&period; Das wollte ich doch gar nicht&period; Wieder einmal habe ich vergessen&comma; was ich schon so oft bei den Eltern meiner Schüler erfahren habe&comma; daß es die Menschen nicht ertragen&comma; wenn man offen über ihre Kinder spricht und wenn es auch aus der reinsten Teilnahme geschieht&period; Sagen Sie mir nur das eine&comma; warum würden Sie es mir danken&comma; wenn ich Ihnen sagte&colon; 'Ihr Kind ist in Gefahr&comma; ins Wasser zu fallen&comma;' und warum sind Sie gekränkt&comma; wenn ich sagte&colon; 'dem Kind droht Gefahr für seinen Charakter&quest;' Darin kann ich die Menschen nie verstehen&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Diese Frage blieb unbeantwortet&comma; denn zwei Handwerksleute kamen herein&comma; verlangten Bescheid&comma; und Herr Pfäffling machte rasch der Unterredung ein Ende&comma; indem er sagte&colon; "Wie ungeschickt bin ich Ihnen mit dieser Sache gekommen&comma; ich sehe&comma; Sie sind draußen unentbehrlich und will Sie nicht aufhalten&period;" Er ging&comma; der Hotelbesitzer hielt ihn nicht zurück&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Diese Sache ist mißlungen&comma;" sagte sich Herr Pfäffling&comma; "ich habe nichts erreicht&comma; als daß sich der Mann über mich ärgert&period;" Und nun ärgerte auch er sich&comma; aber nur über sich selbst&period; Warum hatte er sich seine Worte nicht erst in Ruhe überlegt und schonend vorgebracht&comma; was er sagen wollte&comma; statt diesen ahnungslosen Vater mit hageldicken Vorwürfen zu überschütten&quest; Nun ging er mit sich selbst ebenso streng ins Gericht&colon; "Nichts gelernt und nichts vergessen&semi; immer noch gerade so ungestüm wie vor zwanzig Jahren&semi; immer vorgetan und nachbedacht&comma; trotz aller Lebenserfahrung&colon; wenn du es nicht besser verstehst&comma; auf die Leute einzuwirken&comma; so laß die Hand davon&semi; kümmere dich um deine eigenen Kinder&comma; wer weiß&comma; ob sie andern Leuten nicht auch verkehrt erscheinen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Nachdem sich Herr Pfäffling so die Wahrheit gesagt hatte&comma; beruhigte er sich über Rudolf Meier&comma; und versetzte sich in Gedanken zu seinen eigenen Kindern&period; Nun kam ihm wieder die Pfäfflingsche Note in den Sinn&colon; eins bis zwei&period; Er dachte in dieser Richtung noch weiter nach&comma; und die Folge davon war&comma; daß er nach seiner Rückkehr dem ersten&comma; der ihm zu Hause in den Weg lief&comma; zurief&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>"Legt mir alle sechs Zeugnishefte aufgeschlagen auf meinen Tisch&comma; ich will sie sehen&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Das gab nun eine Aufregung in der jungen Gesellschaft&excl; "Die Zeugnisse müssen her&comma; der Vater will sie sehen&excl;" flüsterte eines dem andern zu&period; "Warum denn&comma; warum&quest;" Niemand wußte Antwort&comma; aber jetzt half keine List mehr&comma; Marie mußte die Heftchen hervorholen aus ihrem sichern Versteck und sie hinübertragen in des Vaters Zimmer&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Ich habe das deinige ein wenig versteckt&comma;" sagte sie zu Wilhelm&comma; als sie wieder herüberkam&comma; "vielleicht übersieht es der Vater&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Herr Pfäffling kannte seine Kinder viel zu gut&comma; als daß er ihre kleine List mit der guten Durchschnittsnote nicht durchschaut hätte&period; "Irgend etwas ist sicher nicht in Ordnung&comma;" sagte er sich&comma; "gewiß sind ein paar fatale Dreier da&comma; oder eine schlechte Bemerkung über das Betragen&period;" Er überblickte die kleine Ausstellung auf seinem Tisch&period; Da lag zuvorderst Karls Zeugnisheft&period; Dies hielt sich so ziemlich gleich&comma; jahraus&comma; jahrein&comma; nie vorzüglich&comma; immer gut&period; Es gab das Bild eines gewissenhaften Schülers&comma; aber nicht eines großen Sprachgelehrten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Dann Otto&period; In den meisten Fächern I&period; So einen konnte man freilich gut brauchen&comma; wenn sich's um eine Durchschnittsnote handelte&comma; der konnte viele Sünden anderer gut machen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Maries Heftchen zeigte die größte Verschiedenheit in den Noten&period; Wo die Geschicklichkeit der Hand in Betracht kam und der praktische Sinn&comma; da war sie vorzüglich&comma; in Handarbeit&comma; Schönschreiben&comma; Zeichnen&comma; da tat sie sich hervor&comma; aber bei der rein geistigen Arbeit war selten eine gute Note zu sehen&period; Und von Anne konnte man das auch nicht erwarten&comma; denn sie war von der Natur ein wenig verkürzt&comma; das Lernen fiel ihr schwer&comma; ohne Maries Hilfe wäre sie wohl nicht mit ihrer Klasse fortgekommen&comma; aber die Lehrer und Lehrerinnen hatten sich längst darein gefunden&comma; bei diesen Zwillingsschwestern das gemeinsame Arbeiten zu gestatten und die Marianne als ein Ganzes zu betrachten&period; So schlugen sie sich schlecht und recht miteinander durch und unter Annes Noten glänzten doch immer zwei I&comma; durch alle Schuljahre hindurch&colon; im Singen und im Betragen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Bis jetzt hatte Herr Pfäffling noch nichts Neues oder Besonderes entdecken können und nun hielt er Frieders Zeugnis in der Hand und staunte&period; Was für gute Noten hatte sich der kleine Kerl diesmal erworben&excl; Fast in jedem Fach besser als früher und in einer Bemerkung des Lehrers waren seine Fortschritte und sein Fleiß besonders anerkannt&excl; Wie kam das nur&quest; Es mußte wohl mit der Harmonika zusammenhängen&comma; die ihm früher alle Gedanken&comma; alle freie Zeit in Anspruch genommen hatte&excl; Herr Pfäffling hatte seine Freude daran und es kam ihm der Gedanke&comma; seine Kinder seien vielleicht doch nur durch die besseren Zeugnisse auf den Einfall gekommen&comma; eine Durchschnittsnote herauszurechnen&period; Wieviel Heftchen hatte er schon gesehen&quest; Fünf&comma; eines fehlte noch&comma; Wilhelms Zeugnis&comma; wo war denn das&quest; Ah&comma; hinter den Büchern&comma; hatte es sich wohl zufällig verschoben&quest; Er warf nur einen Blick hinein und die ungewohnte Form der Zahl IV sprang ihm ins Auge&period; Also das war's&excl; Mathematik IV&period; Das war stark&period; Herr Pfäffling lief im Zimmer hin und her&period; Wie konnte man nur eine so schlechte Note heimbringen&excl; Und wie feig&comma; sie so zu verstecken&comma; und wie dumm&comma; zu meinen&comma; der Vater ließe sich auf diese Weise überlisten&excl; Schlechtere Noten konnte Rudolf Meier auch nicht heimbringen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Er nahm das Heftchen noch einmal in die Hand&period; Im ganzen war das Zeugnis etwas besser als die früheren&comma; also Faulheit oder Leichtsinn war es wohl nicht&comma; aber für die Mathematik fehlte das Verständnis&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Eine Weile war Herr Pfäffling auf und ab gegangen&comma; da hörte er jemand an seiner Türe vorbeigehen und öffnete rasch&comma; um Wilhelm zu rufen&period; Es war Elschen&period; Als sie den Vater sah&comma; sprang sie auf ihn zu&comma; sah ihm fragend ins Gesicht und sagte dann betrübt&colon; "Vater&comma; du denkst gar nicht daran&comma; daß morgen Weihnachten ist&excl;" und sie schmiegte sich an ihn und folgte ihm in sein Zimmer&period; Er zog sie freundlich an sich&colon; "Es ist wahr&comma; Elschen&comma; ich habe nicht daran gedacht&comma; es ist gut&comma; daß du mich erinnerst&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Die andern denken auch nicht daran&comma;" klagte die Kleine&comma; "sie reden immer nur von ihren Zeugnissen und freuen sich gar nicht&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"So&quest;" sagte Herr Pfäffling und wurde nachdenklich&comma; "am Tag vor Weihnachten freuen sie sich nicht&quest; Nun&comma; dann schicke sie mir einmal alle sechs herüber&comma; ich will machen&comma; daß sie sich freuen&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Wie der Wind fuhr die Kleine durch die Zimmer und brachte ihre&nbsp&semi;Geschwister zusammen&period; Nun standen sie alle ein wenig ängstlich auf einem&nbsp&semi;Trüppchen dem Vater gegenüber&period; Es fiel ihm auf&comma; wie sie sich so eng&nbsp&semi;aneinander drückten&period; Aus diesem Zusammenhalten war auch die&nbsp&semi;Durchschnittsnote hervorgegangen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Ihr haltet alle fest zusammen&comma;" sagte er&comma; "das ist ganz recht&comma; nur gegen mich dürft ihr euch nicht verbinden&comma; mit List und Verschwiegenheit&comma; das hat ja keinen Sinn&excl; Gegen den Feind verbindet man sich&comma; nicht gegen den Freund&period; Habt ihr einen treuern Freund als mich&quest; Halte ich nicht immer zu euch&quest; Wir gehören zusammen&comma; zwischen uns darf nichts treten&comma; auch kein Vierer&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Da löste sich die Gruppe der Geschwister und in der lebhaften&comma; warmen Art&comma; die Wilhelm von seinem Vater geerbt hatte&comma; warf er sich diesem um den Hals und sagte&colon; "Nein&comma; Vater&comma; ich habe dir nichts verschweigen wollen&comma; nur Weihnachten wollte ich abwarten&comma; damit es uns nicht verdorben wird&comma; du bist doch auch mit mir auf die Polizei gegangen&comma; nein&comma; vor dir möchte ich nie etwas verheimlichen&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Recht so&comma; Wilhelm&comma;" antwortete Herr Pfäffling&comma; "was käme denn auch Gutes dabei heraus&quest; Es ist viel besser&comma; wenn ich alles erfahre&comma; dann kann ich euch helfen&comma; wie auch jetzt mit dieser schlechten Note&period; Was machen wir&comma; daß sie das nächste Mal besser ausfällt&quest; Nachhilfstunden kann ich euch nicht geben lassen&comma; die sind unerschwinglich teuer&comma; mit meinen mathematischen Kenntnissen ist es nicht mehr weit her&comma; aber wie wäre es denn mit dir&comma; Karl&quest; Du bist ja ein guter Mathematiker und hast das alles erst voriges Jahr gelernt&comma; du könntest dich darum annehmen&period; Jede Woche zwei richtige Nachhilfstunden&period;" Karl schien von diesem Lehrauftrag nicht begeistert&period; "Ich habe so wenig Zeit&comma;" wandte er ein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Das ist wahr&comma; aber du wirst auch keinen bessern Rat wissen und den Vierer müssen wir doch wegbringen&comma; nicht&quest; Gebt einmal den Kalender her&period; Von jetzt bis Ostern streichen wir fünfundzwanzig oder meinetwegen auch nur zwanzig Tage an für eine Mathematikstunde&period; Fällt eine aus&comma; so muß sie am nächsten Tag nachgeholt werden&period; Ich verlasse mich auf euch&period; Macht das nur recht geschickt&comma; dann werdet ihr sehen&comma; im Osterzeugnis gibt es keinen Vierer mehr&period;" Die Brüder nahmen den Kalender her&comma; suchten die geeigneten Wochentage aus und ergaben sich in ihr Schicksal&comma; Lehrer und Schüler zu sein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"So&comma;" sagte Herr Pfäffling&comma; "und jetzt fort mit den Zeugnissen&comma; fort mit den Mathematik-Erinnerungen&semi; Elschen&comma; jetzt ist's bei uns so schön wie in der Sahara&comma; wo es keine Schule gibt&excl; Wer freut sich auf Weihnachten&quest;" Während des lauten&comma; lustigen Antwortens&comma; das nun erklang&comma; und Elschens fröhlichem Jauchzen ging leise die Türe auf&comma; ein Lockenköpfchen erschien und eine zarte Stimme wurde vernommen&colon; "Ich habe schon drei Mal geklopft&comma; Herr Pfäffling&comma; aber Sie haben gar nicht 'herein' gerufen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Es war Fräulein Vernagelding&comma; die zu ihrer letzten Stunde kam&period; Noch immer hatte sie Herrn Pfäffling allein im Musikzimmer getroffen&comma; als sie nun unerwartet die Kinder um ihn herum sah&comma; machte sie große&comma; erstaunte Augen und rief&colon; "Nein&comma; wie viele Kinder Sie haben&excl;" aber noch ehe sie langsam diese Worte gesprochen hatte&comma; waren alle sieben schon verschwunden&period; "Und jetzt sind alle fort&excl; Wie schnell das alles bei Ihnen geht&comma; Herr Pfäffling&comma; ich finde das so reizend&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Die fliehende Schar suchte die Mutter auf und fand sie in der Küche&period; Als aber Frau Pfäffling die Kinder kommen hörte&comma; ließ sie sie nicht ein&comma; machte nur einen Spalt der Türe auf und rief&colon; "Niemand darf hereinschauen&comma;" und sie sah dabei so geheimnisvoll&comma; so verheißungsvoll aus&comma; daß das Verbot mit lautem Jubel aufgenommen wurde&period; Ja&comma; jetzt beherrschte die Weihnachtsfreude das ganze Haus und sogar aus dem Musikzimmer ertönte nicht die Tonleiter&comma; sondern "Stille Nacht&comma; heilige Nacht"&period; Aber falsch wurde es gespielt&comma; o so falsch&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>"Fräulein&comma;" sprach der gepeinigte Musiklehrer&comma; "Sie greifen wieder nur so auf gut Glück&comma; aber Sie haben einmal kein Glück&comma; Sie müssen die Noten spielen&comma; die da stehen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ach Herr Pfäffling&comma;" bat das Fräulein schmeichelnd&comma; "seien Sie doch nicht so pedantisch&excl; Das ist ja ein Weihnachtslied&comma; dabei kommt es doch nicht so auf jeden Ton an&excl;" Nach diesem Grundsatz spielte sie fröhlich weiter und nun&comma; als der Schlußakkord kommen sollte&comma; hörte sie plötzlich auf und sagte&colon; "Ich habe mir auch erlaubt&comma; Ihnen eine kleine Handarbeit zu machen zum täglichen Gebrauch&comma; Herr Pfäffling&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Den Schlußakkord&comma; Fräulein&comma; bitte zuerst noch den Akkord&excl;" Da sah sie ihren Lehrer schelmisch an&colon; "Den letzten Akkord spiele ich lieber nicht&comma; denn Sie werden immer am meisten böse&comma; wenn der letzte Ton falsch wird&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Aber Sie können ihn doch nicht einfach weglassen&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Nicht&quest; Das Lied könnte doch auch um so ein kleines Stückchen kürzer sein&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>Darauf wußte Herr Pfäffling nichts mehr zu sagen&period; Er nahm ein in rosenrotes Seidenpapier gewickeltes Päckchen in Empfang und sagte zuletzt zu Fräulein Vernagelding&comma; er wolle ihr nicht zumuten&comma; vor dem 8&period; Januar wieder zu kommen&period; Darüber hatte sie eine kindliche Freude&comma; und diese Freude&comma; vierzehn Tage lang nichts mehr miteinander zu tun zu haben&comma; war wohl die einzige innere Gemeinschaft zwischen dem Musiklehrer und seiner Schülerin&period;<&sol;p>&NewLine;<p>In vergnügter Ferienstimmung kam er in das Wohnzimmer herüber&period; Er hielt hoch in seiner Rechten das eine Ende eines buntgestickten Streifens&comma; das über einen Meter lang herunter hing&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Da seht&comma; was ich erhalten habe&excl;" sagte er&comma; "was soll's denn wohl sein&quest;&nbsp&semi;Zu einem Handtuch ist's doch gar zu schön&comma; kannst du es verwenden&comma;&nbsp&semi;Cäcilie&quest;" Da wurde es mit Sachkenntnis betrachtet und als eine&nbsp&semi;Tastendecke für das Klavier erkannt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Und das soll ich in täglichen Gebrauch nehmen&comma; immer so ein Tüchlein ausbreiten&quest;" rief Herr Pfäffling erschreckt&semi; "nein&comma; Fräulein Vernagelding&comma; das ist zu viel verlangt&period; Ich bitte dich&comma; Cäcilie&comma; ich bitte dich&comma; nimm mir das Ding da ab&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Herr Pfäffling hatte bis zum späten Abend keine Gelegenheit gefunden&comma; seiner Frau von dem Gespräch mit Herrn Rudolf Meier sen&period; zu erzählen&period; Nun waren die Kinder zu Bett gegangen&comma; Karl allein saß noch mit den Eltern am Tisch&comma; und Herr Pfäffling berichtete getreulich die Vorgänge im Zentralhotel&period; Er stellte sich selbst dabei nicht in das beste Licht&comma; aber Frau Pfäffling war der Ansicht&comma; daß Herr Meier die Kritik seines Sohnes wohl auch in milderer Form übelgenommen hätte&period; "Es gibt so wenig Menschen&comma; die sich Unangenehmes sagen lassen&comma;" meinte sie&period; "Und wenige&comma; die es taktvoll anfassen&comma;" sprach Herr Pfäffling und fügte lächelnd hinzu&colon; "wo aber zwei solche zusammen kommen&comma; gibt es leicht ein glückliches Paar&comma; nicht wahr&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Pfäffling wußte&comma; was ihr Mann damit sagen wollte&comma; aber Karl sah verständnislos darein&period; "Du weißt nicht&comma; was wir meinen&comma;" sagte der Vater zu ihm&comma; "soll ich es dir erzählen&comma; oder ist er noch zu jung dazu&comma; Cäcilie&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"O nein&comma;" rief Karl&comma; "bitte&comma; erzähle es&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Soll ich&quest; Nun also&colon; Wie die Mutter noch ein junges Mädchen war und dein Großvater Professor&comma; da kam ich als blutjunger Musiklehrer in die kleine Universitätsstadt und machte überall meine Aufwartung&comma; um mich vorzustellen&period; Fast zuerst machte ich bei deinen Großeltern Besuch&period; Es war Regenwetter und ich trug einen langen braunen Überrock und hatte den Regenschirm bei mir&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Du mußt auch sagen&comma; was für einen Schirm&comma;" fiel Frau Pfäffling ein&comma; "einen dicken baumwollenen grünen&comma; so ein rechtes Familiendach&comma; wie man sie jetzt gar nicht mehr sieht&period; Mit diesem Überrock und diesem Schirm trat dein Vater in unser hübsches&comma; mit Teppichen belegtes Empfangszimmer&comma; und er behielt den Schirm auch fest in der Hand&comma; als mein Vater ihn aufforderte&comma; Platz zu nehmen&period; Meine Mutter war nicht zu Hause&comma; so war ich an ihrer Stelle&comma; und mir&comma; die ich noch ein junges&comma; dummes Mädchen war&comma; kam das so furchtbar komisch vor&comma; daß ich alle Mühe hatte&comma; mein Lachen zu unterdrücken&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ja&comma;" sagte Herr Pfäffling&comma; "du hast es auch nicht verbergen können&comma; sondern hast mich fortwährend mit strahlender Heiterkeit angesehen&comma; und um deine Mundwinkel hat es immerwährend gezuckt&period; Ich aber hatte keine Ahnung&comma; was die Ursache war&period; Dein Vater verwickelte mich gleich in ein gelehrtes Gespräch&comma; und wenn ich dazwischen hinein einen Blick auf dich warf&comma; so kam es mir wunderlich vor&comma; daß du wie die Heiterkeit selbst dabei warst&period; Aber nun paß auf&comma; Karl&comma; nun kommt das Großartige&period; Als ich wieder aufstand&comma; äußerte ich&comma; daß ich im Nebenhaus bei Professer Lenz Besuch machen wollte&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ja&comma;" sagte Frau Pfäffling "und ich wußte&comma; daß Lenzens zwei Töchter hatten&comma; so kleinlich lieblos und spöttisch&comma; daß jedermann sie fürchtete&period; Ich dachte bei mir&colon; wenn der junge Mann im Überrock und mit dem Schirm in der Hand bei Professer Lenz in den Salon tritt&comma; so wird er zum Gespött für den ganzen Kreis&period; Da dauerte er mich&comma; und ich sagte mir&comma; ich sollte ihn aufmerksam machen&comma; doch war ich schüchtern und ungeschickt&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Du hast mich auch bis an die Türe gehen lassen&comma;" fiel Herr Pfäffling ein&comma; "ich hatte schon die Klinke in der Hand&comma; da riefst du mich an&comma; wurdest dunkelrot dabei und sagtest&colon; 'Herr Pfäffling&comma; wollen Sie nicht lieber ihren Überrock und Schirm ablegen&quest;' Ich verstand nicht gleich&comma; was du meintest&comma; wollte dir doch zu Willen sein und machte Anstalt&comma; meinen Überrock auszuziehen&period; Da war es aus mit deiner Fassung&comma; du lachtest laut und riefst&colon; 'Ich meine nicht&comma; wenn Sie gehen&comma; sondern wenn Sie kommen&excl;' Dein Vater aber wies dich zurecht mit einem strengen Wort und setzte mir höflich auseinander&comma; daß es allerdings gebräuchlich sei&comma; im Vorplatz abzulegen&semi; du aber warst noch immer im Kampf mit der Lachlust&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ja&comma;" sagte Frau Pfäffling&comma; "so lange bis du freundlich und ohne jede Empfindlichkeit zu mir sagtest&colon; 'Lachen Sie immerhin über den Rüpel&comma; Sie haben es doch gut mit ihm gemeint&comma; sonst hätten Sie ihm das nicht gesagt&period;' Da verging mir das Lachen&comma; weil die Achtung kam&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ja&comma; Karl&comma; so haben sich deine Eltern kennen gelernt&comma;" schloß Herr&nbsp&semi;Pfäffling&period;<&sol;p>

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