Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Die Familie Pfäffling
(Agnes Sapper, 1907, empfohlenes Alter: 6 - 12 Jahre)

Schnee am unrechten Platz

<p>Der Dezember war schon zur Hälfte vorüber&comma; bis endlich&comma; endlich der erste Schnee fiel&period; Der richtige Schnee&comma; der in feinen&comma; dichten Flöckchen stundenlang gleichmäßig zur Erde fällt und in einem einzigen Tag das ganze Land überzieht mit seiner weichen&comma; weißen Decke&semi; der alles verhüllt&comma; was vorher braun und häßlich war&comma; der alles rundet und glättet&comma; was rauh und eckig aussah&period; Immer ist sie schön&comma; die Schneelandschaft&comma; aber am allerschönsten doch&comma; wenn das lautlose Fallen des Schnees sich verbindet mit dem geheimnisvollen Reiz der deutschen Weihnacht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Dezember—Schnee—Tannenbaum—Weihnacht&comma; ihr gehört zusammen bei uns in Deutschland&period; In manchen Ländern hat man versucht&comma; unsere Feier nachzumachen&comma; und wir wollen ihnen auch die Freude gönnen&comma; aber solch eine Sitte muß aus dem Boden gewachsen sein&period; Wenn man sie künstlich verpflanzt&comma; wird etwas ganz anderes daraus&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Es wurde einmal eine junge Deutsche in die Fremde verschlagen&comma; um die Weihnachtszeit&period; "Wir kennen auch den Christbaum&comma;" sagten die fremden Kinder zu ihr&comma; "wir bekommen einen&period;" Die Deutsche freute sich&period; Aber wie wurde es&quest; Viele Kinder waren eingeladen worden und fuhren an in hellen Kleidern&period; Sie versammelten sich&comma; und als der Baum hineingetragen wurde&comma; klatschten sie Beifall wie im Theater&period; Sie nahmen die kleinen Geschenke herunter&comma; die man für sie hinaufgehängt hatte&period; Dann wurden die Lichter ausgeblasen&comma; damit kein Ästchen anbrenne und der Diener gerufen&comma; daß er sogleich den Baum&comma; der in einem Kübel voll Erde steckte&comma; zurücktrage zu dem Gärtner&comma; von dem er gemietet war&period; Keine Stunde war der Christbaum im Haus gewesen&comma; keinen Duft hatte er verbreitet&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Bei uns bleibt der Christbaum bis nach Neujahr&comma;" sagte die junge Deutsche und sah ihm wehmütig nach&period; Es wurde ihr entgegnet&comma; das sei doch unpraktisch&comma; er nehme ja so viel Platz weg&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ja&comma; das tut er allerdings&comma; aber welche deutsche Familie gönnt dem&nbsp&semi;Christbaum nicht den Platz&quest;<&sol;p>&NewLine;<p style&equals;"text-align&colon; center&semi;">&ast; &ast; &ast; &ast; &ast;<&sol;p>&NewLine;<p>Im Dunkel des frühen Dezembermorgens waren die jungen Pfäfflinge durch den frischgefallenen Schnee in ihre Schulen gegangen und mit dickbeschneiten Mänteln und Mützen angekommen&period; Im Schulhof flogen die Schneeballen hin und her&comma; und bis zu der großen Pause um 10 Uhr waren die zahllosen Spuren der Kinderfüße schon wieder von frischem Schnee bedeckt und die größten Schneeballenschlachten konnten ausgeführt werden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Daheim hatte Elschen sich einen Stuhl ans Fenster gerückt&comma; kniete da und sah vom Eckzimmer aus hinunter nach den Brettern und Balken&comma; die wie ein großer weißer Wall vor dem Kasernenzaun aufgetürmt lagen&period; Und von diesem Zaun hatte jeder Stecken sein Käppchen&comma; jeder Pfosten seine hohe Mütze auf&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Pfäffling suchte die Kleine&period; "Elschen&comma; komm&comma; du darfst etwas sehen&comma;" und schnell führte sie das Kind mit sich in das Wohnzimmer und öffnete das Fenster&period; Eine frische Winterluft strich herein&period; Am Haus vorbei&comma; nach der Stadt zu&comma; fuhr eine ganze Reihe von Leiterwagen&comma; alle beladen mit Christbäumen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Christbäume&comma; Christbäume&comma;" jubelte Elschen so laut&comma; daß einer der Fuhrleute&comma; der selbst wie ein Schneemann aussah&comma; herausschaute&comma; und als er das glückselige Kindergesicht bemerkte&comma; rief&colon; "Für dich ist auch einer dabei&excl;" Die Kleine erglühte vor Freude und winkte dem Schneemann nach&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber alles auf der Welt ist nur dann schön und gut&comma; wenn es an seinem richtigen Platz ist&comma; das gilt auch von dem Schnee&period; Eine einzige Hand voll von diesem schönen Dezemberschnee kam an den unrichtigen Platz und richtete dadurch Unheil an&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Das ging so zu&colon; Im Heimweg von der Schule an einer Straßenecke&comma; wo einige Lateinschüler mit Realschülern zusammentrafen&comma; gab es ein hitziges Schneeballengefecht&period; Wilhelm Pfäffling war auch dabei&period; Einer der Realschüler hatte ihn und seine Kameraden schon mehrfach getroffen&comma; indem er sich hinter der Straßenecke verbarg&comma; dann rasch hervortrat&comma; seinen Wurf tat und wieder hinter dem Eckhaus verschwand&comma; ehe die anderen ihm heimgeben konnten&period; Nun aber wollten sie ihn aufs Korn nehmen&period; Es waren ihm einige tüchtige Schneeballen zugedacht&comma; wurfbereit warteten sie gespannt&comma; bis er sich wieder blicken ließe&period; Jetzt wurde eine Gestalt sichtbar&comma; die Ballen sausten auf sie zu&period; Aber es war nicht der Realschüler gewesen&comma; sondern ein gesetzter Herr&period; Zwei Schneeballen flogen dicht an seinem Kopf vorüber&comma; zwei trafen ihn ganz gleichmäßig auf die rechte und linke Achsel&period; Und das war nicht der richtige Platz für den Schnee&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Herr Sekretär Floßmann&comma; der so ahnungslos um die Ecke gebogen war und so schlecht empfangen wurde&comma; stand still&comma; warf böse Blicke und kräftige Worte nach den Jungen&period; Daß sie ihn getroffen hatten&comma; war ja nur aus Ungeschick geschehen&comma; daß nun aber einige laut darüber lachten und dicht an ihm vorbei weiter warfen&comma; das war Frechheit&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Zu den ungeschickten hatte auch Wilhelm gehört&comma; zu den frechen nicht&period; Nach Pfäfflingscher Art ging er zu dem Herrn&comma; entschuldigte sich und erklärte das Versehen&comma; half auch noch die Spuren des Schnees abschütteln&period; Der Herr schien die Entschuldigung gelten zu lassen und Wilhelm ging nun seines Wegs nach Hause&period; Er sah nicht mehr&comma; daß Herr Sekretär Floßmann&comma; als er ein paar Häuser weit gegangen war&comma; einem Schutzmann begegnete&comma; sich bei ihm beschwerte und verlangte&comma; er solle die Burschen aufschreiben und bei der Polizei anzeigen&period; Das war nun freilich nicht so leicht zu machen&comma; denn alle&comma; die den Schutzmann kommen sahen&comma; liefen auf und davon&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber einen von Wilhelms Kameraden faßte er doch noch ab und fragte nach seinem Namen&period; Der zögerte mit der Antwort und sah sich um&comma; keiner der Kameraden war noch so nahe&comma; um seine Antwort zu hören&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Also&comma; dein Name&comma;" drängte der Schutzmann&period; "Wilhelm Pfäffling&comma;" lautete die Antwort&comma; die vom Schutzmann aufgeschrieben wurde&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Die Wohnung&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Frühlingsstraße&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Jetzt rate ich dir&comma; heim zu gehen&comma; wenn du nicht lieber gleich mit mir&nbsp&semi;auf die Polizei willst&period;" Er ließ sich's nicht zweimal sagen&period; Ein&nbsp&semi;"Wilhelm" war er allerdings auch&comma; aber kein Pfäffling&period; Baumann war sein&nbsp&semi;Name&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Das hast du klug gemacht&comma;" sagte er bei sich selbst&period; "Dem Pfäffling schadet das nichts&comma; der ist überall gut angeschrieben&comma; aber bei mir ist das anders&comma; wenn ich noch eine Rektoratsstrafe bekomme&comma; dann heißt's&colon; fort mit dir&period; Ich sehe auch gar nicht ein&comma; warum gerade ich aufgeschrieben werden sollte&comma; der Pfäffling hat ebensogut geworfen wie ich&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Ahnungslos und mit dem besten Gewissen saß am nächsten Abend unser Wilhelm an seiner lateinischen Aufgabe&period; Vielleicht war er ein wenig zerstreuter als sonst&comma; denn er hatte sich heute bemüht&comma; seinen Frieder&comma; mit der Harmonika in der Hand&comma; abzuzeichnen&comma; und da war Frieders Gesicht so ausgefallen&comma; daß allen davor graute&period; Nun mußte er unwillkürlich auf seinem Fließblatt Studien machen über des kleinen Bruders gutmütiges Gesichtchen&comma; das sich über die biblische Geschichte beugte&comma; die vor ihm lag&period; Dazu kam&comma; daß die Mutter und Elschen nicht am Stricken und Flicken saßen&comma; wie sonst&comma; sondern Zwetschgen und Birnenschnitze zurichteten zu dem Schnitzbrot&comma; das alle Jahre vor Weihnachten gebacken wurde&period; So waren Wilhelms Gedanken heute zwischen Weihnachten und Latein geteilt&semi; er achtete gar nicht darauf&comma; daß Herr Pfäffling eintrat und gerade hinter seinen Stuhl kam&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Du&comma; Wilhelm&comma; sieh mich einmal an&excl;" sagte er&period; Der wandte sich&comma; sah überrascht auf und begegnete einem scharfen&comma; durchdringenden Blick&period; "Was ist's&comma; Vater&quest;" fragte er&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Das frage ich dich&comma;" sagte Herr Pfäffling&comma; "ein Polizeidiener war da und hat dich vorgeladen&comma; für morgen&comma; auf die Polizei&period; Was hast du angestellt&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Gar nichts&comma;" rief Wilhelm und dann&comma; nach einem Augenblick&colon; "es kann doch nicht sein&comma; weil wir gestern beim Schneeballen einen Herrn getroffen haben&comma; der gerade so ungeschickt daher gekommen ist&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Der Herr wird wohl nicht ungeschickt gekommen sein&comma; sondern ihr werdet ungeschickt geworfen haben&period; Könnt ihr nicht aufpassen&quest;" rief Herr Pfäffling&comma; und bei dieser Frage kam Wilhelms Kopf auch so ungeschickt an des Vaters Hand&comma; daß es klatschte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Aber&comma; Wilhelm&comma;" rief die Mutter und schob ihr Weihnachtsgeschäft beiseite&comma; "warum hast du dich denn wieder nicht entschuldigt&quest;" Aber auf diesen Vorwurf versicherte Wilhelm so eifrig&comma; er habe darin sein Möglichstes getan&comma; daß man ihm glauben mußte&period; Die ganze Geschwisterschar fing nun an&comma; aufzubegehren über den unguten Mann&comma; der trotzdem auf der Polizei geklagt habe&comma; bis die Mutter sie zur Ruhe wies&semi; sie wollte noch genau hören&comma; wie die Sache sich zugetragen&comma; und woher man seinen Namen gewußt habe&period; Das letztere konnte aber Wilhelm nicht erklären&period; "Muß ich denn wirklich auf die Polizei&quest;" fragte er&comma; "um welche Zeit&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Um 11 Uhr&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Aber da kann ich doch nicht&comma; da haben wir Griechisch&period; So muß ich es dem&nbsp&semi;Professor sagen&comma; dann erfährt es der Rektor und schließlich kommt die&nbsp&semi;Sache noch ins Zeugnis&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Natürlich erfährt das der Rektor&comma;" sagte Herr Pfäffling&comma; "die anderen sind jedenfalls auch vorgeladen&period; Warum machst du so dumme Streiche&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Es war eine Weile still&comma; jedes dachte über den Fall nach&period; "Könntest du nicht etwa mit ihm auf die Polizei gehen&comma;" sagte Frau Pfäffling zu ihrem Mann&comma; "und ein gutes Wort für ihn einlegen&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>Herr Pfäffling überlegte&period; "Morgen&comma; Freitag&quest; Da ist Probe in der Musikschule&comma; da kann ich unmöglich fort&period; Das muß er schon allein ausfechten&period; Es kann ihm auch nicht viel geschehen&comma; wenn es sich nur um einen Schneeballen an die Schulter handelt&semi; war auch gewiß sonst gar nichts dabei&comma; Wilhelm&comma; ich kann es kaum glauben&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Gar nichts&comma; als daß die andern gelacht und ungeniert weitergeworfen haben&comma; dicht um den Herrn herum&comma; das hat ihn am meisten geärgert&period; Besonders der Baumann war so frech&comma; du kennst ihn ja&comma; Karl&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Warum treibst du dich auch mit solchen herum&quest; Da heißt es mitgefangen&comma; mitgehangen&period;" Elschen drückte sich an die Mutter und sagte kläglich&colon; "Jetzt wird Weihnachten gar nicht schön&period;" Und es widersprach ihr niemand&comma; für diesen Abend wenigstens war die ganze Weihnachts-Vorfreude aus dem Hause gewichen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Noch spät abends&comma; im Bett&comma; flüsterten die beiden Schwestern zusammen&comma; berieten&comma; ob Wilhelm bei Wasser und Brot in den Arrest gesperrt würde&comma; und als Anne eben im Einschlafen war&comma; rief Marie sie noch einmal an und sagte&colon; "Das ärgste ist mir erst eingefallen&excl; Wenn Herr Hartwig von der Polizei hört&comma; dann kündigt er uns&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Da war es denn schon wieder in der Familie Pfäffling&comma; das&nbsp&semi;Schreckgespenst&comma; die Kündigung&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>So bangen Herzens&comma; wie am nächsten Morgen&comma; hatte sich Wilhelm noch nie auf den Schulweg gemacht&period; Zwar hatte der Vater ihm an den Professor ein Briefchen mitgegeben&comma; und die Mutter hatte ihm gesagt&colon; "Habe nur keine Angst&comma; ein Unrecht ist's nicht&comma; was du getan hast&comma;" aber er hatte ihr doch angemerkt&comma; wie unbehaglich es ihr selbst zumute war&comma; und hatte zufällig gehört&comma; wie der Vater zu ihr gesagt hatte&colon; "Eine Mutter von vier Buben muß sich auf allerlei gefaßt machen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>In der Schule war es sein erstes&comma; sich nach den anderen Übeltätern zu erkundigen&period; "Müßt ihr auch auf die Polizei&quest;" fragte er Baumann und die übrigen Kameraden&comma; die mitgetan hatten&period; Kein einziger war vorgeladen&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>"Du wirst wohl auch noch vorgeladen werden&comma;" sagte ein dritter zu&nbsp&semi;Baumann&comma; "dich hat der Schutzmann aufgeschrieben&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Es ist nicht wahr&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Freilich ist's wahr&comma; ich war doch noch ganz in der Nähe und habe es deutlich gesehen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Baumann leugnete und wurde grob&comma; und es war ein erbitterter Streit&comma; als der Professor in die Klasse trat&period; Er bemerkte gleich die Erregung seiner Schüler und hatte keine Freude daran&period; Als ihm Wilhelm nun Herrn Pfäfflings Brief reichte und er las&comma; um was es sich handelte&comma; erkundigte er sich gleich&comma; ob noch mehrere vorgeladen seien&comma; und als er hörte&comma; daß Pfäffling der einzige sei&comma; sagte er&colon; "Dann möchte ich mir auch ausbitten&comma; daß die anderen sich nicht darum kümmern&period; Es ist schon störend genug&comma; daß einer vor Schluß der Stunde fort muß&comma; gerade heute&comma; wo die letzte griechische Arbeit vor Weihnachten gemacht wird&period; Wer sich sein Zeugnis nicht noch verderben will&comma; der nehme seine Gedanken zusammen&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>So wurde äußerlich die Ruhe in der Klasse hergestellt&comma; und es war nicht zu bemerken&comma; wie dem einen Schüler das Herz klopfte vor innerer Entrüstung&comma; daß er allein zur Strafe gezogen werden sollte&comma; dem anderen vor Angst darüber&comma; daß sein Betrug an den Tag kommen würde&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Kurz vor elf Uhr verließ Wilhelm auf einen leisen Wink des Professors das Zimmer&period; Unheimlich still kam es ihm vor auf den sonst so belebten Gängen und auf der breiten Treppe&comma; die nicht für so ein einzelnes Bürschlein berechnet war&comma; sondern für einen Trupp fröhlicher Kameraden&period; Heute begleitete ihn keiner&comma; den sauern Gang auf die Polizei mußte er ganz allein tun&period; Und nun betrat er das große Gebäude&comma; in dem er ganz fremd war&comma; hielt sein Vorladungsformular in der Hand und las&colon; Erster Stock&comma; Zimmer Nr&period; 12&period; Leute gingen hin und her&comma; keiner kümmerte sich um ihn&semi; vor mancher Zimmertüre standen Männer und Frauen und warteten&period; Nun war er bei Nr&period; 10&comma; die übernächste Türe mußte die richtige sein&comma; Nr&period; l2&period; Vor diesem Zimmer stand ein Mann—und das war Herr Pfäffling&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Vater&excl;" rief Wilhelm&comma; "o Vater&excl;" und in diesem Ausruf klang die ganze Qual&comma; die Angst und die ganze Wonne der Erlösung&period; Herr Pfäffling faßte ihn bei Hand&period; "Ich habe mich doch auf eine Viertelstunde los gemacht&comma;" sagte er&comma; "jetzt komm nur schnell herein&comma; daß wir bald fertig werden&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Im Zimmer Nr&period; 12 saß ein Polizeiamtmann&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nach einigen Fragen und Antworten kam die Hauptsache zur Sprache&colon;&nbsp&semi;Wilhelm war angezeigt worden&comma; weil er Herrn Sekretär Floßmann mit&nbsp&semi;Schneeballen getroffen&comma; darnach in frecher Weise gelacht und das&nbsp&semi;Schneeballenwerfen in unmittelbarer Nähe fortgesetzt habe&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"So hat sich's verhalten&comma; nicht wahr&quest;" fragte der Amtmann&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Getroffen habe ich einen Herrn aus Versehen&comma;" sagte Wilhelm&comma; "aber weiter nichts&period;" Nun mischte sich Herr Pfäffling ins Gespräch&colon; "Du hast mir erzählt&comma; daß du dich ausdrücklich entschuldigt habest und sofort heimgegangen seiest&period;" Da lächelte der Amtmann und sagte&colon; "Damit sollte wohl der Vater besänftigt werden&comma; in Wahrheit verhielt sich's aber&comma; nach der Aussage des Herrn Sekretärs und des Schutzmanns ganz anders&comma; und Sie werden begreifen&comma; daß ich diesen mehr Glauben schenke als dem Angeklagten&semi; es liegt auch gar nicht in der Art des Herrn Sekretär Floßmann&comma; einen Jungen zur Anzeige zu bringen&comma; der sich wegen eines Vergehens entschuldigt hat&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ich darf wohl behaupten&comma;" sagte Herr Pfäffling&comma; "daß sowohl Frechheit als Lüge auch nicht im Wesen dieses Kindes liegen&period; Ich wäre sonst nicht mit ihm gekommen&comma; sondern hätte mich seiner geschämt&period; Wäre es nicht möglich&comma; den Herrn Sekretär oder den Schutzmann zu sprechen&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Gewiß&comma;" sagte der Amtmann&comma; "Herr Sekretär hat seine Kanzlei oben und der Schutzmann Schmidt war eben erst bei mir&period;" Er rief einen Polizeidiener&period; "Bitten Sie Herrn Sekretär Floßmann&comma; einen Augenblick zu kommen und rufen Sie den Schutzmann Schmidt herein&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Wir machen zwar gewöhnlich nicht so viel Umstände&comma; wenn es sich um solch eine Bubengeschichte handelt&comma;" sagte der Amtmann&comma; "aber wenn Sie es wünschen&comma; können Sie von den beiden selbst hören&comma; wie der Verlauf der Sache war&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Ein paar Minuten später trat der Sekretär Floßmann und gleich darnach der Schutzmann ein&period; "Da ist der Junge&comma;" sagte der Amtmann&comma; "der wegen der Schneeballengeschichte aufgeschrieben wurde&comma;" aber ehe der Beamte noch weiter sprechen konnte&comma; fiel ihm Herr Sekretär Floßmann ins Wort&comma; indem er sich an den Schutzmann wandte&colon; "Aber warum haben Sie denn gerade diesen Jungen aufgeschrieben&comma; den einzigen&comma; der sofort aufgehört hat zu werfen&comma; und der sich in aller Form entschuldigt hat&comma; der mir selbst noch den Schnee abgeschüttelt hat&quest;" und indem er auf Wilhelm zuging&comma; sagte er ganz vertraulich zu ihm&colon; "Wir zwei sind in aller Freundschaft auseinandergegangen&comma; nicht wahr&comma; dich wollte ich nicht anzeigen&period;" Da wandte sich der Amtmann ärgerlich an den Schutzmann&colon; "Haben Sie Ihre Sache wieder einmal so dumm wie möglich gemacht&quest;" Der rechtfertigte sich&colon; "Das ist nicht der Wilhelm Pfäffling&comma; den ich aufgeschrieben habe&period; Der meinige hat einen dicken Kopf und ein rotes Gesicht&period; Sag' selbst&comma; habe ich dich aufgeschrieben&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Nein&comma; aber es heißt keiner Wilhelm Pfäffling außer mir&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Oho&comma;" sagte der Amtmann&comma; "da kommt es auf eine falsche Namensangabe hinaus&comma; das muß ein frecher Kamerad sein&period; Kannst du dir denken&comma; wer dir den Streich gespielt hat&quest;" fragte er Wilhelm&period; Der besann sich nicht lange&period; "Jawohl&comma;" sagte er&comma; "es ist nur ein solcher Gauner in unserer Klasse&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Wie heißt er&quest;" Da sah Wilhelm seinen Vater an und sagte zögernd&colon; "Ich kann ihn doch nicht angeben&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Nein&comma;" sagte Herr Pfäffling&comma; "du weißt es ja doch nicht gewiß&comma; und deine Menschenkenntnis ist nicht groß&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Den Schlingel finde ich schon selbst heraus&comma; den erkenne ich wieder&comma;" sagte der Schutzmann&comma; "ich fasse ihn ab um 12 Uhr&comma; wenn die Schule aus ist&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Nun wandte sich der Amtmann an Herrn Pfäffling&colon; "Ich bedaure das&nbsp&semi;Versehen&comma;" sagte er&comma; und Wilhelm entließ er mit den Worten&colon; "Du kannst&nbsp&semi;nun gehen&comma; aber halte dich an bessere Kameraden und paß auf mit dem&nbsp&semi;Schneeballenwerfen&comma; in den Straßen ist das verboten&comma; dazu habt ihr euren&nbsp&semi;Schulhof&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Vater und Sohn verließen miteinander das Polizeigebäude&period; "O Vater&comma;" rief Wilhelm&comma; sobald sie allein waren&comma; "wie bin ich so froh&comma; daß du gekommen bist&excl; Mir allein hätte der Polizeiamtmann nicht geglaubt&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Du hast dich auch nicht ordentlich verteidigt&comma; hast ja nicht einmal erzählt&comma; wie der Verlauf war&period; Bei uns zu Hause hast du deine Sache viel besser vorgebracht&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Mir geht das oft so&comma; Vater&comma; wenn ich spüre&comma; daß man mir doch nicht glauben wird&comma; dann mag ich gar nichts zu meiner Verteidigung sagen&period; Oft möchte ich etwas erzählen oder erklären&comma; wie es gemeint war&comma; dann denke ich&colon; ihr haltet das doch nur für Schwindel und Ausreden&comma; und dann schweige ich lieber&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ich kenne das&comma; Wilhelm&comma; es kommt daher&comma; weil es so wenig Menschen genau mit der Wahrheit nehmen&comma; dann trauen sie auch den andern keine strenge Wahrhaftigkeit zu&period; Aber da darf man sich nicht einschüchtern lassen&period; Wer recht wahrhaftig ist&comma; darf alles sagen und Glauben dafür fordern&period; Halte du es so&comma; und wird dir etwas angezweifelt&comma; so sage du ruhig zu demjenigen&colon; 'Habe ich dich schon einmal angelogen&quest;' Aber freilich mußt du sicher sein&comma; daß er darauf 'nein' sagt&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Die Beiden waren inzwischen dem Marktplatz nahe gekommen&comma; wo ihre Wege auseinandergingen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"War es dir recht ungeschickt&comma; Vater&comma; aus der Probe wegzukommen&quest;" fragte Wilhelm&period; "Höllisch ungeschickt&excl;" sagte Herr Pfäffling&comma; "ich mochte den Grund nicht angeben&comma; ich sagte nur schnell den Nächstsitzenden etwas von Familienverhältnissen und lief davon&semi; wer weiß&comma; was sie sich gedacht haben&period; Der junge Lehrer wird mich inzwischen vertreten haben&comma; so gut er es eben versteht&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ich danke dir&comma; Vater&comma;" sagte Wilhelm&comma; als er sich trennte&comma; und ganz gegen die Gewohnheit der Familie Pfäffling griff er rasch nach des Vaters Hand&comma; küßte sie und lief davon&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als Herr Pfäffling zu der musikalischen Jugend zurückkam&comma; sah er viele freundlich lächelnde Gesichter und dachte sich&colon; Die haben es doch schon erfahren&comma; daß du mit deinem Wilhelm auf der Polizei warst&comma; es bleibt nichts verborgen&period; "Darf man gratulieren&quest;" fragte ihn leise eine Bekannte&comma; als er nahe an ihr vorbeiging&period; "Jawohl&comma;" sagte er&comma; "es ist gut vorübergegangen&period;" Nach ein paar Minuten war er mit vollem Eifer bei der Musik&comma; und Wilhelm in gehobener Stimmung bei seinem griechischen Schriftsteller&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Dir ist es offenbar gnädig gegangen auf der Polizei&comma;" sagte der&nbsp&semi;Professor nach der Stunde zu Wilhelm&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Ja&comma; Herr Professor&comma; es war eine Verwechslung&comma; ich war gar nicht aufgeschrieben worden&comma; ein anderer hat meinen Namen statt seinem angegeben&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Wer&quest; Einer aus meiner Klasse&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Wer das war&comma; will der Schutzmann erst herausbringen&comma;" antwortete&nbsp&semi;Wilhelm&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Professor hatte kaum das Schulzimmer verlassen&comma; als alle Kameraden sich um Wilhelm drängten und näheres erfahren wollten&comma; auch Baumann war unter ihnen&period; Der eine&comma; der schon am Morgen behauptet hatte&comma; daß Baumann aufgeschrieben worden sei&comma; sagte ihm frei ins Gesicht&colon; "Du hast den falschen Namen angegeben&period;" Da versuchte er nimmer zu leugnen&comma; sondern fing an&comma; sich zu entschuldigen&colon; "Dem Pfäffling hat das doch nichts geschadet&comma; für mich wäre es viel schlimmer gewesen&period; Du mußt mir's nicht übelnehmen&comma; Pfäffling&comma; ich habe ja vorher gewußt&comma; daß dir das nichts macht&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"So&quest; frage einmal meinen Vater&comma; ob ihm so etwas nichts macht&quest;" rief Wilhelm&comma; "du bist ein Tropf&comma; ein Lügner&comma; das sage ich dir&semi; aber dem Polizeiamtmann habe ich dich nicht verraten&period; Wenn dich der Schutzmann nicht wieder erkennt&comma; dann kann es ja wohl sein&comma; daß du dich durchgeschwindelt hast&period;" Nun sprang einer der Kameraden die Treppe hinunter&comma; um zu sehen&comma; ob ein Polizeidiener unten stehe&period; Richtig war es so&period; Da wurde verabredet&comma; Baumann in die Mitte zu nehmen&comma; einige Größere um ihn herum und dann in einem dichten Trupp die Treppe hinunter und bis um die nächste Straßenecke zu rennen&period; So geschah es&period; Die meisten Klassen des Gymnasiums hatten sich schon entleert&semi; der Schutzmann stand lauernd am Tor&period; Da&comma; plötzlich tauchte ein Trupp von Knaben auf und schoß an ihm vorbei&comma; in solcher Geschwindigkeit&comma; daß er auch nicht ein Gesicht erkannt hatte&period; Ärgerlich ging er seiner Wege&comma; aber hatte er den Übeltäter auch noch nicht fassen können&comma; das war ihm jetzt sicher&comma; daß er zu dieser Klasse gehörte&comma; und er sollte ihm nicht entgehen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Wie war für Frau Pfäffling dieser Vormittag daheim so lang und so peinlich&excl; Immer mußte sie an Wilhelm denken&period; 'Er hat gewiß nichts getan&comma; was strafwürdig ist&comma;' sagte sie sich und dann fragte sie sich wieder&colon; 'warum ist er dann vorgeladen&quest;' Gestern hatte sie in fröhlicher Stimmung alles vorbereitet für das Weihnachtsgebäck&comma; heute hätte sie es am liebsten ganz beiseite gestellt&comma; alle Lust dazu war weg&period; Sie mühte sich sonst so gern den ganzen Vormittag im Haushalt und dachte dabei&colon; 'Wenn Mann und Kinder heimkommen von fleißiger Arbeit&comma; sollen sie es zu Hause gemütlich finden&period;' Aber wenn die Kinder nicht ihre Schuldigkeit taten&comma; wenn sie draußen Unfug trieben&comma; sollte man dann daheim Zeit und Geld für sie verwenden&quest;<&sol;p>&NewLine;<p>In dieser Stimmung sah Frau Pfäffling diesen Morgen manches&comma; was ihr nicht gefiel&period; Im Bubenzimmer lagen Hausschuhe&comma; nur so leichthin unter das Bett geschleudert&semi; häßlich niedergetreten waren sie auch&comma; wie oft hatte sie das schon verboten&excl; Im Wohnzimmer lag ein Brief&comma; den hätten die Kinder mit zum Schalter nehmen sollen&comma; alle sechs hatten sie ihn sehen müssen&comma; alle sechs hatten ihn liegen lassen&comma; sogar Marianne&comma; die doch als Mädchen allmählich ein wenig selbst daran denken sollten&comma; ob nichts zu besorgen wäre&excl; Das waren lauter Pflichtversäumnisse&comma; und wer daheim die Hausgesetze nicht beachtete&comma; der konnte leicht auch draußen gegen die Ordnung verstoßen&period; Aber freilich müßte die Mutter ihre Kinder fester dazu anhalten&comma; strenger erziehen&comma; als sie es tat&excl; Sie selbst war schuld&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Elschen&comma; die nicht wußte oder nimmer daran dachte&comma; was die Mutter heute bedrückte&comma; kam in der fröhlichsten Weihnachtsstimmung herbeigesprungen&period; Walburg hatte ihr die Teigschüssel ausscharren lassen&period; "Mutter&comma;" rief die Kleine&comma; "die Backröhre ist schon geheizt&excl;" Aber die Mutter hatte heute einen unglückseligen Blick&period; An dem ganzen kleinen Liebling sah sie nichts als drei Streifen&comma; Spuren von Teig an der Schürze&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Else&comma; dahin hast du deine Finger gewischt&comma;" sagte sie mit ungewohnter Strenge&comma; "gestern erst habe ich dir gesagt&comma; du sollst deine Hände waschen&comma; und nicht an die Schürze wischen&comma;" und sie patschte fest auf die kleinen Hände&period; Das Kind zog leise weinend ab&comma; und die Mutter sagte sich vorwurfsvoll&colon; 'Deine Kinder sind alle unfolgsam&excl;' Darnach ging sie aber doch zum Backen in die Küche&comma; das angefangene mußte trotz allem vollendet werden&period; Sie wollte den Schlüssel zum Küchenschrank mit hinausnehmen&comma; fand ihn nicht gleich und dachte bekümmert&colon; 'Wo die Hausfrau selbst ihre Ordnung nicht einhält&comma; muß freilich die ganze Wirtschaft herunterkommen&excl;' In dieser schwarzsichtigen Stimmung vergingen ihr langsam die Stunden&comma; und gegen Mittag sah sie in ängstlicher Spannung nach den Kindern aus&period; Diese hatten sich alle auf dem Heimweg zusammengefunden und in der Frühlingsstraße holte auch Herr Pfäffling sie ein&period; Die Losung war nun&colon; "Nur schnell heim zur Mutter&comma; sie allein ist noch in Angst&comma; hat keine Ahnung&comma; wie gut sich alles gelöst hat&period; Wie wird sie sorgen und warten&comma; wie wird sie sich freuen&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Aber nicht nur Frau Pfäffling paßte auf die eilig Heimkehrenden&comma; auch Frau Hartwig sah heute Mittag nach ihnen aus&comma; freilich aus einem ganz andern Grund&period; Sie hatte diesen Morgen an die Haustüre einen großen Bogen Papier genagelt&comma; auf dem mit handgroßen roten Buchstaben geschrieben stand&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>Man bittet die Türe zu schließen&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Darüber lachte ihr Mann sie aus und versicherte&comma; es würde gar nichts helfen&comma; die Pfäfflinge würden die Türe offen stehen lassen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Hausfrau nahm ihre Mietsleute in Schutz&period; "Sie sind viel ordentlicher&comma; als du denkst&period; Wilhelm und Otto sind ja ein wenig flüchtig&comma; aber Karl ist immer aufmerksam und auch die Mädchen sind manierlich&semi; der kleine Frieder sogar wird zumachen&comma; wenn er hört&comma; daß es mich sonst friert&period; Du wirst sehen&comma; die Haustüre wird geschlossen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Um das zu beobachten stand nun die Hausfrau am Fenster&comma; sah wie die Familie Pfäffling sieben Mann hoch heim kam—eifriger sprechend als sonst&comma; hörte sie die Treppe hinauf gehen—noch flinker als gewöhnlich&comma; ging dann hinaus&comma; um nachzusehen und fand die Haustüre offen stehend&comma; so weit sie nur aufging&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Kopfschüttelnd schloß sie selbst die Türe&period; Aber sie verlor nicht den guten Glauben an ihre Mietsleute&period; Sie hatte ihnen ja wohl angemerkt&comma; daß heute etwas besonderes los war&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Im Zimmer fragte Herr Hartwig&colon; "Nun&comma; wer hat denn zugemacht&quest;" Etwas kleinlaut erwiderte sie&colon; "Zugemacht habe ich&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Droben herrschte nach überstandener Angst große Freude&semi; auch Frau Pfäffling war es wieder leicht ums Herz&comma; glücklich und dankbar saß die ganze Familie am Essen&period; Aber doch—zwischen Suppe und Fleisch—sagte die Mutter&colon; "Marianne&comma; warum habt ihr den Brief nicht in den Schalter geworfen&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Vergessen&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>"So geht jetzt und besorgt ihn&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Aber doch nach dem Essen&quest;" fragte fast einstimmig der Kinderchor&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Nein&comma; nein&comma; eben zwischen hinein&comma; damit ihr es merkt&period; Ich kann euch nicht helfen&comma; ich hätte gar kein gutes Gewissen&comma; wenn ich es nicht verlangte&period;" Da widersprach niemand mehr&comma; die Mutter konnte man sich nicht mit schlechtem Gewissen vorstellen&period; Die Mädchen gingen mit dem Brief&comma; Herr Pfäffling sah seine Frau verwundert an&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Sie ging nach Tisch mit ihm in sein Zimmer&period; Da sagte sie ihm&comma; wie schwer es ihr den ganzen Vormittag zumute gewesen sei&comma; und es kamen ihr fast jetzt noch die Tränen&period; Sie sprachen lange miteinander&comma; dann kehrte Herr Pfäffling in das Wohnzimmer zurück&comma; wo die Großen noch beisammen waren&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Hört&comma; ich möchte euch dreierlei sagen&colon; Erstens&colon; sorgt jetzt&comma; daß vor Weihnachten nichts mehr vorkommt&comma; gar nichts mehr&comma; denn bis man weiß&comma; wie die Sachen hinausgehen&comma; sind sie doch recht unangenehm&comma; besonders für die Mutter&period; Zweitens&colon; Sagt dem Baumann&colon; er solle sich bei Herrn Sekretär Floßmann entschuldigen&comma; sonst werde es schlimm für ihn ausgehen&period; Drittens&colon; Walburg soll eine Tasse Kaffee für die Mutter machen&comma; es wird ihr gut tun&comma; oder zwei Tassen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Einer von Herrn Pfäfflings guten Ratschlägen konnte nicht ausgeführt&nbsp&semi;werden&comma; denn Wilhelm Baumann wurde noch an diesem Nachmittag aus der&nbsp&semi;Schule weg und auf die Polizei geholt und war von da an aus dem&nbsp&semi;Gymnasium ausgewiesen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Am Abend überbrachte ein Dienstmädchen einen schönen Blumenstock—eine&nbsp&semi;Musikschülerin ließ Frau Pfäffling gratulieren&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Ich werde morgen hinkommen und mich bedanken&comma;" ließ Herr Pfäffling sagen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ja&comma; es gibt allerlei Freuden&comma; zu denen man gratulieren kann&excl; Warum nicht auch&comma; wenn ein unschuldig Verklagter freigesprochen wird&quest; Oder war etwas anderes gemeint&quest;<&sol;p>

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