Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Der Trotzkopf
(Emmy von Rhoden, 1885, empfohlenes Alter: 10 - 12 Jahre)

Kapitel 1

<p><img style&equals;"display&colon; block&semi; margin-left&colon; auto&semi; margin-right&colon; auto&semi;" src&equals;"&sol;Emmy-von-Rhoden&sol;Der-Trotzkopf&sol;001&period;jpg&quest;m&equals;1382215956&" alt&equals;"" width&equals;"700" height&equals;"467"><&sol;p>&NewLine;<p>»Papa&comma; Diana hat Junge&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Mit diesen Worten trat ungestüm ein junges&comma; schlankes Mädchen von fünfzehn Jahren in das Zimmer&comma; in welchem sich außer dem Angeredeten&comma; dessen Frau und dem Prediger des Ortes&comma; noch Besuch aus der Nachbarschaft&comma; ein Herr von Schäffer mit Frau und seinem erwachsenen Sohne&comma; befand&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Alles lachte und wandte sich dem kleinen Backfische zu&comma; der ohne jede Verlegenheit auf den Papa zueilte und ausführlich über das wichtige Ereignis berichtete&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Es sind vier Stück&comma; Papa&comma;« erzählte sie lebhaft&comma; »und braun sehen sie aus&comma; wie Diana&period; Komm sieh dir sie an&comma; es sind zu reizende Tierchen&excl; Vorn an den Pfötchen haben sie weiße Spitzen&period; Ich habe gleich einen Korb geholt und mein Kopfkissen hineingelegt&comma; sie müssen doch warm liegen&comma; die kleinen Dinger&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Herr Oberamtmann Macket hatte den Arm um die Schulter seines Lieblings gelegt und strich ihm das wirre Lockenhaar aus dem erhitzten Gesicht&comma; dabei sah er sein Kind mit wohlgefälligen Blicken an&comma; was eigentlich zu verwundern war&comma; da Ilse in einem Aufzuge hereingekommen&comma; der durchaus nicht geeignet war&comma; Wohlgefallen zu erregen&comma; besonders in diesem Augenblicke&comma; wo fremde Augen denselben musterten&period; Das verwaschene&comma; dunkelblaue Kattunkleid&comma; blusenartig gemacht und mit einem Ledergürtel gehalten&comma; mochte wohl recht bequem sein&comma; aber kleidsam war es nicht&comma; und einige Flecken und Risse darin dienten ebenfalls nicht dazu&comma; die Eleganz desselben zu heben&period; Die hohen&comma; plumpen Lederstiefel&comma; die unter dem kurzen Kleide hervorblickten&comma; waren tüchtig bestaubt und sahen eher grau als schwarz aus&period; Aber wie gesagt&comma; Herrn Macket genierte dieser Aufzug gar nicht&comma; er sah in die fröhlichen&comma; braunen Augen seines Lieblings&comma; um dessen Kleider kümmerte er sich nicht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Er war im Begriffe&comma; sich zu erheben&comma; um seines Kindes Wunsch zu erfüllen&comma; als seine Gattin&comma; eine vornehme Erscheinung mit sanften und doch bestimmten Zügen&comma; ihm zuvorkam&period; Sie hatte sich erhoben und trat auf Ilse zu&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Liebe Ilse&comma;« sagte sie in freundlichem Tone und nahm dieselbe bei der Hand&comma; »ich möchte dir etwas sagen&comma; Kind&period; Willst du mir auf einen Augenblick in mein Zimmer folgen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Sehr ruhig&comma; aber sehr bestimmt waren die Worte gesprochen und Ilse fühlte&comma; daß ein Widerstand dagegen vergeblich sein würde&period; Ungern und gezwungen folgte sie der Mutter in das anstoßende Gemach&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Was willst du mir sagen&comma; Mama&quest;« fragte sie und sah Frau Macket trotzig an&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nichts weiter&comma; mein Kind&comma; als daß du sogleich auf dein Zimmer gehst und dich umkleidest&period; Du wußtest wohl nicht&comma; daß Gäste bei uns waren&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Doch&comma; ich wußte es&comma; aber ich mache mir nichts daraus&comma;« gab Ilse kurz zur Antwort&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber ich&comma; Ilse&period; Ich kann nicht gleichgültig dabei sein&comma; wenn du in einem so unordentlichen Kostüme dich blicken läßt&period; Du bist kein Kind mehr mit deinen fünfzehn Jahren&semi; bedenke&comma; daß du seit Ostern konfirmiert bist&comma; eine angehende junge Dame aber muß den Anstand wahren&period; Was soll der junge Schäffer von dir denken&comma; er wird dich auslachen und dich verspotten&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Der dumme Mensch&excl;« fuhr Ilse auf&period; »Ob der über mich lacht oder spottet&comma; ist mir ganz gleichgültig&period; Ich lache auch über ihn&excl; Thut&comma; als ob er ein Herr wäre mit seinem Klemmer und geht doch noch in die Schule&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Er ist in Prima auf dem Gymnasium und zählt neunzehn Jahre&period; Nun sei vernünftig und kleide dich um&comma; Kind&comma; hörst du&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; – ich ziehe kein andres Kleid an&comma; ich will mich nicht putzen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wie du willst&comma; aber dann bitte ich dich&comma; ja ich wünsche es entschieden&comma; daß du in deinem Zimmer bleibst und dein Abendbrot dort verzehrst&comma;« gab Frau Macket mit großer Ruhe zur Antwort&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse biß auf die Unterlippe und trat mit dem Fuße heftig auf die Erde&comma; aber sie sagte nichts&period; Mit einer schnellen Wendung ging sie zur Thür hinaus und warf dieselbe unsanft hinter sich zu&period; Oben in ihrem Zimmer ließ sie sich auf einen Stuhl fallen&comma; stützte die Ellbogen auf das Fensterbrett und weinte Thränen des bittersten Unmutes&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»O wie schrecklich ist es jetzt&excl;« stieß sie schluchzend heraus&period; »Warum hat auch der Papa wieder eine Frau genommen&comma; – es war so viel&comma; viel hübscher&comma; als wir beide allein waren&excl; Alle Tage muß ich lange Reden hören über Sitte und Anstand und ich will doch keine Dame sein&comma; ich will es nicht – und wenn sie es zehnmal sagt&excl;« – –<&sol;p>&NewLine;<p>Als sie mit ihrem Vater noch allein war&comma; führte sie freilich ein ungebundeneres und lustigeres Leben&period; Niemand hatte ihr Vorschriften zu machen oder durfte ihre dummen Streiche hindern&semi; was sie auch ausführte&comma; es galt alles als unübertrefflich&period; Das Lernen wurde nur als langweilige Nebensache betrachtet und die Gouvernanten fügten sich entweder dem Willen ihrer Schülerin oder sie gingen davon&period; Beklagte sich ja einmal diese oder jene bei dem Vater und hatte derselbe auch wirklich den festen Entschluß gefaßt&comma; ein Machtwort zu sprechen gegen sein unbändiges Kind&comma; er kam nicht dazu&comma; es auszuführen&period; Sobald er mit ernster Miene ihr gegenüber trat&comma; fiel Ilse ihm um den Hals&comma; nannte ihn ihren »einzigen&comma; kleinen Papa«&comma; trotzdem er ein sehr großer&comma; kräftiger Mann war&comma; und küßte ihm Mund und Wangen&period; Versuchte er&comma; ihr ernste Vorstellungen zu machen&comma; hielt sie ihm den Mund zu&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich weiß ja alles&comma; was du mir sagen willst&comma; und ich will mich ganz gewiß bessern&excl;« mit solchen und ähnlichen Worten und Versprechungen tröstete sie den Papa – ach und wie gern ließ er sich also trösten&excl; Er konnte dem Kinde nie ernstlich zürnen&comma; es war sein alles&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als Ilses Mutter starb&comma; legte sie ihm das kleine hilflose Ding in den Arm&period; Es hatte die schönen&comma; frohen Augen der früh Geschiedenen geerbt&comma; und blickte sie ihn an&comma; war es ihm&comma; als ob die Gattin&comma; die er so sehr geliebt hatte&comma; ihn anlächle&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Lange Jahre war er einsam geblieben und hatte nur für sein Kind gelebt&period; Da lernte er seine zweite Frau kennen&period; Ihr kluges&comma; sanftes Wesen fesselte ihn so&comma; daß er sie heimführte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Anne betrat das Haus ihres Mannes mit dem festen Vorsatze&comma; seinem Kinde die treueste&comma; liebevollste Mutter zu sein und alles aufzubieten&comma; um ihr die früh Verlorene zu ersetzen&semi; indes jede herzliche Annäherung von ihrer Seite scheiterte an Ilses trotzigem Widerstande&period; Bald ein Jahr waltete sie nun schon als Frau und Stiefmutter und noch immer hatte sie es nicht vermocht&comma; Ilses Liebe zu gewinnen&period; – – –<&sol;p>&NewLine;<p>Die Gäste blieben zum Abendessen auf Moosdorf&comma; so hieß das große Gut des Oberamtmann Macket&period; Als der Tisch gedeckt war und alle sich an demselben niedergesetzt hatten&comma; fragte Herr Macket&comma; warum Ilse noch nicht anwesend sei&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Anne erhob sich und zog an der Klingelschnur&period; Der eintretenden Dienstmagd befahl sie&comma; das Fräulein zu Tisch zu rufen&period; – – – –<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse saß noch in derselben Stellung am Fenster&period; Sie hatte sich eingeschlossen und die Magd mußte erst tüchtig pochen und rufen&comma; bevor sie sich bequemte&comma; die Thür zu öffnen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Sie sollen herunterkommen&comma; Fräulein&comma; die gnädige Mama hat es befohlen&comma;« sagte Kathrine und betonte das »sollen« und »befohlen« so recht auffallend&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich soll&excl;« rief Ilse und wandte den Kopf hastig herum&comma; »aber ich will nicht&excl; Sag’ das der gnädigen Frau Mama&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma;« sagte Kathrine&comma; so recht befriedigt von dieser Antwort&comma; denn auch sie war durchaus nicht damit einverstanden gewesen&comma; daß wieder eine Frau in das Haus gekommen war&comma; welche der schönen Freiheit ein Ende gemacht hatte&comma; »ja&comma; ich werd’s bestellen&period; Gnädiges Fräulein haben ganz recht&comma; das ewige Befehlen&comma; wenn man selbst alt genug ist&comma; ist höchst unpassend&comma; noch dazu&comma; wenn fremde Leute dabei sind&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Und sie ging hinunter in das Speisezimmer und führte wörtlich Ilses Bestellung aus&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Herr Macket blickte seine Frau verlegen an&comma; er wußte gar nicht&comma; was diese Antwort bedeuten sollte&period; Sie verstand seine stumme Frage und ohne im geringsten den Unmut merken zu lassen&comma; den sie in ihrem Innern empfand&comma; sagte sie gelassen&colon; »Ilse ist nicht ganz wohl&comma; lieber Mann&comma; sie klagte etwas über Kopfschmerzen&period; Kathrine hat ihre Bestellung ungeschickt ausgerichtet&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Alle Anwesenden errieten sofort&comma; daß Frau Anne eine Ausrede machte&comma; nur Herr Macket glaubte&comma; daß es sich in Wahrheit so verhielt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wollen wir nicht lieber einen Boten zum Arzt schicken&quest;« fragte er besorgt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Antwort hierauf gab ihm sein Kind selbst&comma; das heißt&comma; sie bewies ihm&comma; daß ihr kein Finger weh that&period; Laut jubelnd und lachend trieb sie einen Reif mit einem Stock über den großen Rasenplatz&comma; und der Jagdhund&comma; Tyras&comma; sprang demselben nach&comma; und wenn er mit seinen Pfoten den Reif beinahe erhascht hatte und ihn doch nicht halten konnte&comma; stieß er ein ärgerliches Geheul aus&comma; worüber Ilse sich totlachen wollte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Herrn Mackets Gesicht verklärte sich ordentlich bei diesem Anblicke&period; Er stand auf&comma; trat in die offenstehende Flügelthür des Zimmers und eben im Begriffe&comma; Ilse zu rufen&comma; hielt ihn Frau Anne davon zurück&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Laß sie – ich bitte dich&comma; – lieber Mann&comma;« bat sie&comma; vor Unwillen leicht errötend&comma; und zu den Gästen gewendet setzte sie hinzu&colon; »Es thut mir leid&comma; nun doch die Wahrheit sagen zu müssen&comma; indes Ilses Benehmen zwingt mich dazu&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Und sie erzählte so mildernd als möglich den kleinen Vorfall&period; Es wurde darüber gelacht&comma; ja Herr von Schäffer behauptete&comma; die kleine habe Temperament und es sei schade&comma; daß sie kein Knabe sei&period; Seine hochgebildete Frau konnte ihm nicht beistimmen&comma; sie fand das wilde Mädchen geradezu entsetzlich und nannte es auf dem Heimwege ein enfant terrible&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als die Gäste fortgefahren waren&comma; blieb der Prediger noch zurück&period; Derselbe war ein wohlwollender&comma; nachsichtiger Mann&comma; der Ilsen väterlich zugethan war&period; Er hatte sie getauft und eingesegnet&comma; unter seinen Augen war sie herangewachsen&period; Seit kurzer Zeit&comma; seitdem die letzte Gouvernante ihren Abschied genommen hatte&comma; leitete er auch ihren Unterricht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Es trat ein augenblickliches&comma; beinahe peinliches Stillschweigen ein&period; Ein jeder der drei Anwesenden hatte etwas auf dem Herzen und scheute sich doch&comma; das erste Wort zu sprechen&period; Herr und Frau Macket saßen am Tische&comma; er rauchend&comma; sie eifrig mit einer Handarbeit beschäftigt&period; Prediger Wollert ging im Zimmer auf und ab und sah recht ernst und nachdenklich aus&period; Endlich blieb er vor dem Oberamtmann stehen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Es kann nichts helfen&comma; lieber Freund&comma;« redete er denselben an&comma; »das Wort muß heraus&period; Es geht nicht mehr so weiter&comma; wir können das unbändige Kind nicht zügeln&comma; es ist uns über den Kopf gewachsen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der Oberamtmann sah den Prediger verwundert an&period; »Wie meinen Sie das&quest;« fragte er&comma; »ich verstehe Sie nicht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Meine Meinung ist&comma; geradeheraus gesagt&comma; die&comma;« fuhr der erstere fort&comma; »das Kind muß fort von hier&comma; in eine Pension&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ilse&quest; In eine Pension&quest; Aber warum&comma; sie hat doch nichts verbrochen&excl;« rief Herr Macket ganz erschreckt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Verbrochen&excl;« wiederholte lächelnd der Prediger&period; »Nein&comma; nein&comma; das hat sie nicht&excl; Aber muß denn ein Kind erst etwas Böses gethan haben&comma; um in ein Institut zu kommen&quest; Es ist doch keine Strafanstalt&period; Hören Sie mich ruhig an&comma; lieber Freund&comma;« fuhr er besänftigend fort und legte die Hand auf Mackets Schulter&comma; als er sah&comma; daß dieser heftig auffahren wollte&period; »Sie wissen&comma; wie ich Ilse liebe&comma; und wissen auch&comma; daß ich nur das Beste für sie im Auge habe&semi; nun wohl&comma; ich habe reiflich überlegt und bin zu dem Resultate gekommen&comma; daß Sie&comma; Ihre Frau und ich nicht Macht genug besitzen&comma; sie zu erziehen&period; Sie trotzt uns allen dreien&comma; was soll daraus werden&quest; Sie hat soeben ein glänzendes Beispiel ihrer widerspenstigen Natur gegeben&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der Oberamtmann trommelte auf dem Tische&period; »Das war eine Ungezogenheit&comma; die ich bestrafen werde&comma;« sagte er&period; »Etwas Schlimmes kann ich nicht darin finden&period; Mein Gott&comma; Ilse ist jung&comma; halb noch ein Kind&comma; und Jugend muß austoben&period; Weshalb soll man einem übermütigen Mädchen so strenge Fesseln anlegen und es Knall und Fall in eine Pension bringen&quest; Was ist dabei&comma; wenn es einmal über den Strang schlägt&quest; Verstand kommt nicht vor den Jahren&excl; Was sagst du dazu&comma; Anne&comma;« wandte er sich an seine Frau&comma; »du denkst wie ich&comma; nicht wahr&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich dachte wie du&comma;« entgegnete Frau Anne&comma; »vor einem Jahre&comma; als ich dieses Haus betrat&period; Heute urteile ich anders&comma; heute muß ich dem Herrn Prediger recht geben&period; Ilse ist schwer zu erziehen&comma; trotz aller Herzensgüte&comma; die sie besitzt&period; Ich weiß nichts mit ihr anzufangen&comma; soviel Mühe ich mir auch gebe&period; Gewöhnlich thut sie das Gegenteil von dem&comma; was ich ihr sage&period; Bitte ich sie&comma; ihre Aufgaben zu machen&comma; so thut sie entweder&comma; als ob sie mich nicht verstanden hat&comma; oder sie nimmt höchst unwillig ihre Bücher&comma; wirft sie auf den Tisch&comma; setzt sich davor und treibt allerhand Nebendinge&period; Nach kurzer Zeit erhebt sie sich wieder und fort ist sie&excl; Da hilft kein gütiges Zureden&comma; keine Strenge&comma; sie will nicht&excl; Frage den Herrn Prediger&comma; wie ungleichmäßig Ilses wissenschaftliche Bildung ist&comma; wie sie zuweilen sogar noch orthographische Fehler macht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Was kommt bei einem Mädchen darauf an&comma;« entgegnete Herr Macket und erhob sich&period; »Eine Gelehrte soll sie nicht werden&semi; wenn sie einen Brief schreiben kann und das Einmaleins gelernt hat&comma; weiß sie genug&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der Prediger lächelte&period; »Das ist Ihr Ernst nicht&comma; lieber Freund&period; Oder würde es Ihnen Freude machen&comma; wenn man von Ihrer Tochter sagte&comma; daß sie dumm sei und nichts gelernt habe&excl; Ilse hat gute Anlagen&comma; es fehlt ihr nur der Trieb&comma; die Lust zum Lernen&period; Beides wird sich einstellen&comma; sobald sie unter junge Mädchen ihres Alters kommt&period; Das Streben derselben wird ihren Ehrgeiz wecken und ihr bester Lehrmeister sein&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die Wahrheit dieser Worte leuchtete Herrn Macket ein&comma; aber die Liebe zu seinem Kinde ließ es ihn nicht laut eingestehen&period; Der Gedanke&comma; dasselbe von sich zu geben&comma; war ihm furchtbar&period; Nicht täglich es sehen und hören zu können&comma; – ihm war als ob die Sonne plötzlich aufhören müsse zu scheinen&comma; als solle ihm Licht und Leben genommen werden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Anne empfand&comma; was in ihres Mannes Herzen vorging&comma; liebevoll trat sie zu ihm und ergriff seine Hand&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Denke nicht&comma; daß ich hart bin&comma; Richard&comma; wenn ich für den Vorschlag unsres Freundes stimme&comma;« sagte sie&period; »Ilse steht jetzt auf der Grenze zwischen Kind und Jungfrau&comma; noch hat sie Zeit&comma; das Versäumte nachzuholen und ihre unbändige Natur zu zügeln&period; Geschieht das nicht&comma; so könnte man eines Tages unser Kind als unweiblich bezeichnen&comma; wäre das nicht furchtbar&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Er hörte kaum&comma; was sie sprach&period; »Ihr wollt sie einsperren&comma;« sagte er erregt&comma; »aber das hält sie nicht aus&period; Laßt sie erst älter werden&comma; es ist dann immer noch Zeit genug&comma; sie fortzugeben&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Dagegen protestierten Frau Anne und der Prediger auf das entschiedenste&semi; sie bewiesen&comma; daß jetzt die höchste Zeit sei&comma; wenn die Pension noch etwas nützen solle&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich wüßte ein Institut in W&period;&comma; das ich für Ilse ausgezeichnet empfehlen könnte&comma;« erklärte der Prediger&period; »Die Vorsteherin desselben ist mir genau bekannt&comma; sie ist eine vorzügliche Dame&period; Neben der Pension&comma; die unter ihrer Leitung herrlich gediehen ist&comma; hat sie eine Tagesschule in das Leben gerufen&comma; die sich von Jahr zu Jahr vergrößert hat&period; Ilse würde den besten Unterricht und die liebevollste Pflege vereint finden&period; Und welch ein Vorzug ist nicht die wunderbare Lage dieses Ortes&period; Die Berge ringsum&comma; die kostbare Luft – – –«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja ja&comma;« unterbrach ihn Herr Macket unruhig und abwehrend&comma; »ich glaube das alles gern&excl; Aber laßt mir Zeit&comma; bestürmt mich nicht weiter&period; Ein so wichtiger Entschluß&comma; selbst wenn er notwendig ist&comma; bedarf der Reife&period;« –<&sol;p>&NewLine;<p>Er kam schneller als er geglaubt hatte&period; –<&sol;p>&NewLine;<p>Am andern Morgen&comma; es war noch sehr früh&comma; traf der Oberamtmann sein Töchterchen&comma; wie es eben im Begriffe war&comma; hinaus auf die Wiese zu reiten&comma; um das Heu mit einzuholen&period; Ungeniert hatte Fräulein Ilse sich auf eines der Pferde&comma; das vor dem Leiterwagen gespannt war&comma; von dem Kutscher hinaufheben lassen&comma; derselbe stand auf dem Wagen und hielt die Zügel in der Hand&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Guten Morgen&comma; Papachen&excl;« rief sie ihm laut schon von weitem entgegen&comma; »wir wollen auf die Wiese fahren&comma; das Heu muß herein&semi; der Hofmeister sagt&comma; wir bekommen gegen Mittag ein Gewitter&period; Ich will gleich mit aufladen helfen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der Vater hatte heute nicht die unbefangene Freude an dem Wesen seines Kindes&comma; ihm fielen die Worte seiner Frau vom gestrigen Abend ein&period; Ilse sah wenig weiblich in diesem Augenblicke aus&comma; eher glich sie einem wilden Buben&period; Wie ein solcher saß sie auf dem Pferde und hatte die Füße an beiden Seiten herunterhängen&period; Das kurze blaue Kleid deckte dieselben nicht&comma; man sah den plumpen&comma; hohen Lederstiefel und noch ein Stück des bunten Strumpfes&period; Es war wahrlich kein schöner Anblick&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Steig’ herab&comma; Ilse&comma;« sagte Herr Macket&comma; dicht zu ihr tretend&comma; um ihr beim Heruntersteigen behilflich zu sein&comma; »du wirst jetzt nicht auf die Wiese reiten&comma; hörst du&comma; sondern deine Aufgaben machen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Es war das erste Mal in ihrem Leben&comma; daß der Vater in so bestimmter Weise zu ihr sprach&period; Im höchsten Grade verwundert blickte sie ihn an&comma; aber sie machte keine Miene&comma; seiner Aufforderung Folge zu leisten&period; Sie schlug die Arme ineinander und fing an&comma; herzlich zu lachen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Hahahaha&excl; Arbeiten soll ich&excl; Du kleiner reizender Papa&comma; wie kommst du denn auf diesen komischen Einfall&quest; Mach’ nur nicht ein so böses Gesicht&excl; Weißt du&comma; wie du jetzt aussiehst&quest; Gerade wie Mademoiselle&comma; die letzte&comma; Papa&comma; von den vielen&comma; – wenn sie böse war&excl; ›Fräulein Ilse&comma; gehen Sie auf Ihr Zimmer mais tout-de-suite&period; Aben Sie mir compris&excl;‹ Dabei zog sie die Stirn in Falten und riß die Augen auf – so«&comma; und sie versuchte es nachzuahmen&period; »Oh&comma; es war zu himmlisch&excl; Adieu Papachen&comma; zum Frühstück komm’ ich zurück&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Sie warf ihm noch eine Kußhand zu&comma; lachte ihn schelmisch an und fort ging’s im lustigen Trabe hinaus auf die Wiese in den taufrischen Sommermorgen hinein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Herr Macket schüttelte den Kopf&comma; mit einem Male stiegen ernstliche Bedenken wegen Ilses Zukunft in ihm auf&period; Er fand den Gedanken&comma; sie in eine Pension zu geben&comma; heute weniger schrecklich&comma; als gestern&period; Sie hatte ihm soeben den Beweis gegeben&comma; daß sie auch ihm Widerstand entgegensetzte&period; Freilich mußte er sich gestehen&comma; daß er durch seine Nachgiebigkeit denselben in ihr groß gezogen hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Er ging in das Speisezimmer und trat von dort auf die Veranda&comma; die weinumrankt sich an der Vorderseite des Hauses entlang zog&period; Seine Frau erwartete ihn dort am gedeckten Frühstückstische&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ganz gegen seine Gewohnheit war er still und einsilbig&period; »Hattest du Unannehmlichkeiten&quest;« fragte Frau Anne und reichte ihm den Kaffee&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma;« entgegnete er&comma; »das nicht&period;« Er hielt einen Augenblick inne&comma; als ob es ihm schwer würde&comma; weiter zu sprechen&comma; dann fuhr er fort&colon; »Ich möchte dir eine Mitteilung machen&comma; oder richtiger gesagt&comma; dir meinen Entschluß wegen unsres gestrigen Gespräches verkünden&period; Zum 1&period; Juli soll Ilse in die Pension&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Du scherzest&comma;« sagte Anne und sah ihn fragend an&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Es ist mein Ernst&comma;« erwiderte er&period; »Wirst du im stande sein&comma; bis zu dem Termine alles zu Ilses Abreise einrichten zu können&quest; Wir haben heute den 12&period; Juni&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; das würde ich können&comma; lieber Richard&semi; aber verzeihe&comma; mir kommt dein Entschluß etwas übereilt vor&period; Wird er dich nicht gereuen&quest; Laß Ilse die schönen Sommermonate noch ihre Freiheit genießen und gieb sie erst zum Herbste fort&period; Der Abschied von der Heimat wird ihr dann weniger schwer werden&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; keine Aenderung&comma;« sagte er&comma; bei einem längeren Hinausschieben seinen Wankelmut fürchtend&comma; »es bleibt dabei – zum 1&period; Juli wird sie angemeldet&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Nach einigen Stunden kehrte Ilse wohlgemut mit erhitzten Wangen und über und über mit Heu bestreut zum zweiten Frühstücke zurück&period; Wie sie war&comma; ohne den Anzug zu wechseln&comma; trat sie höchst vergnügt auf die Veranda&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Da bin ich&comma;« rief sie&period; »Bin ich lange geblieben&quest; Ich sage dir&comma; Papa&comma; das Heu ist kostbar&excl; Nicht einen Tropfen Regen hat es bekommen&period; Du wirst deine Freude daran haben&period; Der Hofmeister meint&comma; so gut hätten wir es seit Jahren nicht gehabt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Laß das Heu jetzt&comma; Ilse&comma;« entgegnete Herr Macket&comma; »und höre zu&comma; was ich dir sagen werde&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Er sagte es ziemlich ernst&comma; es wurde ihm nicht leicht&comma; von seinem Plane zu sprechen – sie war so ahnungslos&comma; ja sie nahm gar keine Notiz von seiner Stimmung&period; Ihr Augenmerk war auf den wohlbesetzten Frühstückstisch gerichtet&comma; sie war sehr hungrig von der Fahrt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Soll ich dir Frühstück schneiden&quest;« fragte Frau Anne freundlich&comma; aber Ilse lehnte es ab&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich will es schon selbst thun&comma;« sagte sie&comma; nahm das Messer und schnitt sich ein tüchtiges Stück Schwarzbrot ab&period; Die Butter strich sie fast fingerdick darauf&period; Nachdem sie ein dickes Stück Wurst zugelangt hatte&comma; fing sie an&comma; wohlgemut zu essen&period; Bald von dem Brote&comma; bald von der Wurst&comma; die sie in der Hand hielt&comma; einen Bissen nehmend&period; Höchst ungeniert lehnte sie dabei hintenüber in einem Sessel und schlug die Füße übereinander&period; Es schmeckte ihr köstlich&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich denke&comma; du wolltest mir etwas sagen&comma; Papachen&excl;« rief sie mit vollem Munde&comma; »nun schieß los&comma; ich bin ordentlich neugierig darauf&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Er zögerte etwas mit der Antwort&comma; noch war es Zeit&comma; noch konnte er seinen Entschluß zurücknehmen – einen Augenblick überlegte er und es fehlte nicht viel&comma; so hätte er es wirklich gethan&comma; aber die Schwäche ging vorüber und so ruhig wie es ihm möglich war&comma; teilte er Ilse seinen Beschluß mit&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Wenn er erwartet hatte&comma; daß sie sich stürmisch widersetzen würde&comma; so hatte er geirrt&period; Zwar blieb ihr buchstäblich der Bissen im Munde stecken vor Ueberraschung und Schreck&comma; aber ihr Auge flog zur Mutter hinüber und sie unterdrückte den Sturm&comma; der in ihr tobte&period; Um keinen Preis sollte diese erfahren&comma; wie furchtbar es ihr war&comma; die Heimat&comma; den Vater vor allem&comma; zu verlassen&comma; sie&comma; die doch sicherlich nur allein die Anstifterin dieses Planes war&comma; denn der Papa – nein&excl; Nimmermehr würde er sie von sich gegeben haben&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nun&comma; du schweigst&quest;« fragte Herr Macket&comma; »du hast vielleicht selbst schon die Notwendigkeit eingesehen&comma; daß du noch tüchtig lernen mußt&comma; mein Kind&comma; denn mit deinen Kenntnissen hapert es noch überall&comma; nicht wahr&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Gar nichts habe ich eingesehen&excl;« platzte Ilse heraus&comma; »du selbst hast mir ja oft genug gesagt&comma; ein Mädchen brauche nicht so viel zu lernen&comma; das allzu viele Studieren mache es erst recht dumm&excl; Ja&comma; das hast du gesagt&comma; Papa&comma; und nun sprichst du mit einemmal anders&period; Nun soll ich fort&comma; soll auf den Schulbänken sitzen zwischen andern Mädchen und lernen&comma; bis mir der Kopf weh thut&period; Aber es ist gut&comma; ich will auch fort&comma; ja ich freue mich auf die Abreise&period; Wenn nur erst der 1&period; Juli da wäre&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Und sie erhob sich hastig&comma; warf den Rest ihres Frühstücks auf den Tisch und eilte fort&comma; hinauf in ihr Zimmer&comma; und jetzt brachen die Thränen hervor&comma; die sie bis dahin nur mühsam zurückgehalten hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Anne wäre dem Kinde gar zu gern gefolgt&comma; sie fühlte&comma; was in dem jungen Herzen vorging&comma; aber sie wußte genau&comma; daß Ilse ihre gütigen Worte trotzig zurückweisen würde&semi; so blieb sie zurück und hoffte auf die Zeit&comma; wo Ilses gutes Herz den Weg zu ihrer mütterlichen Liebe finden werde&period; – –<&sol;p>&NewLine;<p>Die wenigen Wochen bis zum festgesetzten Termine vergingen schnell&period; Frau Anne hatte alle Hände voll zu thun&comma; um Ilses Garderobe in Ordnung zu bringen&period; Die Vorsteherin der Pension hatte auf Herrn Mackets Anfrage sofort geantwortet und sich gern zu seiner Tochter Aufnahme bereit erklärt&period; Zugleich hatte sie ein Verzeichnis der Sachen mitgeschickt&comma; die jede Pensionärin bei ihrem Eintritt in das Institut mitzubringen habe&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse lachte spöttisch über die&comma; nach ihrer Meinung vielen unnützen Dinge&comma; besonders die Hausschürzen fand sie geradezu lächerlich&period; Sie hatte bis dahin niemals eine solche getragen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Die dummen Dinger trage ich doch nicht&comma; Mama&excl;« sagte sie&comma; als Frau Anne dabei war&comma; den Koffer zu packen&comma; »die brauchst du gar nicht einzulegen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Du wirst dich doch der allgemeinen Sitte fügen müssen&comma; mein Kind&comma;« entgegnete die Mutter&period; »Warum wolltest du auch nicht&quest; Sieh’ einmal her&comma; diese blau und weiß gestreifte Schürze mit den gestickten Zacken ringsum&comma; ist sie nicht ein reizender Schmuck für ein kleines Fräulein&comma; das sich im Haushalte nützlich machen wird&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich werde mich aber im Haushalte nicht nützlich machen&excl;« rief Ilse in ungezogenem Tone&comma; »das fehlte noch&excl; Ihr denkt wohl&comma; ich soll dort in der Küche arbeiten oder die Stuben aufräumen&quest; Die Schürzen trage ich nicht&comma; ich will es nicht&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Uebertreibe nicht&comma; Ilse&comma;« entgegnete Frau Anne&comma; »du weißt recht gut&comma; daß man dergleichen nie von dir verlangen wird&period; Wenn du durchaus die Schürzen nicht tragen magst&comma; so kannst du ja deinen Wunsch der Vorsteherin mitteilen&comma; vielleicht erfüllt sie dir denselben&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich werde sie nicht erst darum fragen&excl; Solche Dinge gehen sie gar nichts an&excl;« war Ilses unartige Antwort&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Sie verließ die Mutter&comma; auf welche sie einen wahren Groll hatte&period; All die schönen Wäsche- und Kleidungsstücke&comma; die Frau Anne mit Liebe und Sorgfalt für sie ausgewählt hatte&comma; fanden keine Gnade vor ihren Augen&comma; nicht einen Funken Interesse zeigte sie dafür&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Dem Papa erklärte sie&comma; daß sie ein kleines Köfferchen für sich selbst packen werde&period; Niemand solle ihr dabei helfen&comma; niemand wissen&comma; welche Schätze sie mit in das neue Heim hinüberführen werde&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Das ist eine prächtige Idee&comma; Ilschen&comma;« stimmte Herr Macket bei&comma; »nimm nur mit&comma; was dir Freude macht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Und er ließ sofort einen allerliebsten&comma; kleinen Koffer kommen und überraschte seinen Liebling damit&period; Als Ilse ihm erfreut und dankend um den Hals fiel&comma; als sie ihn seit längerer Zeit zum erstenmal wieder »mein kleines Pa’chen« nannte&comma; da wurde es ihm so weich ums Herz&comma; daß er sich abwenden mußte&comma; um seine Rührung zu verbergen&period;<&sol;p>&NewLine;<p><img style&equals;"display&colon; block&semi; margin-left&colon; auto&semi; margin-right&colon; auto&semi;" src&equals;"&sol;Emmy-von-Rhoden&sol;Der-Trotzkopf&sol;002&period;jpg&quest;m&equals;1382215967&" alt&equals;"" width&equals;"700" height&equals;"430"><&sol;p>&NewLine;<p>Am Tage vor ihrer Abreise schloß sich Ilse in ihr Zimmer ein und begann zu packen&period; Aber wie&excl; Bunt durcheinander&comma; wie ihr die Sachen in die Hand kamen&period; Zuerst das geliebte Blusenkleid nebst Ledergürtel&comma; es wurde nur so in den Koffer hineingeworfen und mit den Händen etwas festgedrückt&comma; dann die hohen Lederstiefel mit Staub und Schmutz&comma; wie sie waren&comma; dann eine alte Ziehharmonika&comma; auf der sie nur ein paar Töne hervorbringen konnte&comma; ein neues Hundehalsband mit einer langen Leine daran&comma; ein ausgestopfter Kanarienvogel&comma; und zuletzt&comma; nachdem die wunderbarsten Dinge in den Koffer gewandert waren&comma; griff sie nach einem Glase&comma; in welchem ein Laubfrosch saß&period; Es ist kaum zu glauben&comma; indessen auch dieses sollte mitverpackt werden&comma; – sie hatte sich so an das Tierchen gewöhnt&period; Sie nahm ein gutes&comma; gesticktes Taschentuch aus dem Kommodenkasten&comma; band dasselbe über das Glas&comma; legte auch noch eine Papierhülle darüber&comma; schnitt ganz kleine Löcher in beides und steckte einige Fliegen hindurch&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»So&comma;« sagte sie höchst befriedigt von ihrer Packerei&comma; »nun bist du gut versorgt&comma; mein liebes Tierchen&comma; und wirst nicht verhungern auf der weiten Reise&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Wie sie das Glas hineinbrachte in den Koffer&comma; war wirklich ein Kunststück&comma; das ihr erst nach vieler Mühe gelang&period; Aber endlich war sie doch so weit&comma; daß sie den Deckel schließen konnte&period; Er klemmte etwas und Ilse mußte sich erst darauf knieen&comma; bevor derselbe ins Schloß fiel&period; Den kleinen Schlüssel zog sie ab&comma; befestigte ihn an einer schwarzen Schnur und band diese sich um den Hals&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als das Abendbrot verzehrt war und die Eltern noch am Tische saßen&comma; ging Ilse in den Hof und machte eine Runde durch alle Ställe&period; Von den Hühnern&comma; Tauben&comma; Kühen&comma; Pferden – sie hatte so viele Lieblinge darunter – nahm sie Abschied&semi; morgen sollte sie ja alle auf lange Zeit verlassen&period; Das Lebewohl von den Hunden wurde ihr am schwersten&comma; sie waren alle ihre guten Freunde&period; Dianas Sprößlinge&comma; die schon allerliebst herangewachsen waren und sie zärtlich begrüßten&comma; lockten ihr Thränen des tiefsten Leides hervor&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Neben ihr stand Johann&period; Er hatte das kleine Fräulein vom ersten Tage ihres Lebens an gekannt und liebte sie abgöttisch&period; Als er ihre Thränen sah&comma; liefen auch ihm einige Tropfen über die Wangen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wenn das kleine Fräulein wiederkommt&comma;« sagte er mit kläglicher Stimme und fuhr mit der verkehrten Hand über die Wange&comma; »dann wird es wohl eine große Dame sein&period; Ja ja&comma; Fräulein Ilschen&comma; unsre schöne Zeit ist dahin&excl; Ach und die Hunde&comma; wie werden sie das Fräulein vermissen&excl; Die sind gescheit&excl; Menschlichen Verstand hat das dumme Vieh&excl; Wie sie schmeicheln&comma; die kleinen Krobaten&comma; als ob sie wüßten&comma; daß unser kleines Fräulein morgen abreist – –« hier wurde seine Stimme so unsicher&comma; daß er nicht weiter sprechen konnte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Johann&comma;« entgegnete Ilse unter Schluchzen&comma; »sorge für die Hunde&period; Und wenn du mir einen großen – den letzten Gefallen thun willst&comma; so&comma;« hier sah sie sich erst vorsichtig nach allen Seiten um&comma; ob auch niemand in der Nähe war&comma; »so nimm Bob&comma;« diesen Namen hatte sie Dianas kleinem Söhnchen gegeben&comma; »mit auf den Kutscherbock morgen&comma; wenn du mich zur Bahn fährst&comma; aber heimlich&period; Niemand darf es wissen&comma; ich will ihn mitnehmen&period; Ein Halsband und eine Leine habe ich schon eingepackt&period; Aber Johann&comma; heimlich&comma; hörst du&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der Kutscher war glücklich über diesen Auftrag und daß er dem lieben&comma; kleinen Fräulein noch einen Liebesdienst erweisen konnte&period; Er lächelte verschmitzt und versprach&comma; Bob so geschickt unterzubringen&comma; daß keine menschliche Seele von dem Hunde etwas merken solle&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Früh am andern Morgen stand der Wagen vor der Thür&comma; der Ilse fortbringen sollte&period; Herr Macket begleitete sie bis W&period;&comma; um sie der Vorsteherin&comma; Fräulein Raimar&comma; selbst zu überbringen&period; Er mußte sich doch persönlich überzeugen&comma; wo und wie sein Liebling aufgehoben sein werde&period; Frau Anne nahete sich Ilse im letzten Augenblick&comma; um zärtlich und gerührt von ihrem Kinde Abschied zu nehmen&comma; aber diese machte ein finsteres&comma; trotziges Gesicht und entwand sich der Mutter Armen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Lebe wohl&comma;« sagte sie kurz und sprang in den Wagen&semi; nicht um die Welt hätte sie der Mutter verraten mögen&comma; wie weh und schmerzlich ihr das Scheiden wurde&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als der Wagen sich in Bewegung setzte und Diana denselben laut bellend noch eine kurze Strecke begleitete&comma; bog sie sich weit zum Wagen hinaus mit thränenden Augen und nickte ihr zu&period; Gut war es&comma; daß der Vater nichts von den Thränen merkte&comma; er würde vielleicht augenblicklich Kehrt gemacht haben&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Auf dem Bahnhofe&comma; als alles besorgt und Ilse mit dem Papa in das Koupee gestiegen war&comma; trat Johann hinzu mit Bob unter dem Arme und der Mütze in der Hand&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Leben Sie recht wohl&comma; Fräulein Ilschen&comma; und kommen Sie gut hin&comma;« sagte er etwas verlegen&period; »Die Hunde werde ich schon besorgen&comma; dafür haben Sie nur keine Angst nicht&period; Den hier nehmen Sie wohl mit&comma; es ist doch gut&comma; wenn Sie nicht so allein in der Pension sind&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse jauchzte vor Freude&period; Sie nahm den Hund in Empfang&comma; liebkoste und streichelte ihn&comma; dann reichte sie Johann die Hand&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Leb wohl&comma;« sagte sie&comma; »und habe Dank&period; Ich freue mich zu sehr&comma; daß ich ein Hündchen mit mir nehmen kann&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; aber Ilse&comma; das geht doch nicht&comma;« wandte der erstaunte Oberamtmann ein&comma; »du darfst doch keine Hunde mit in das Institut bringen&period; Sei vernünftig und gieb Bob Johann wieder zurück&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Doch daran war nicht zu denken&period; Ilse ließ sich durch keine Vorstellung dazu bewegen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Die einzige Freude laß mir&comma; Pa’chen&excl; Willst du mich denn ganz allein unter den fremden Menschen lassen&quest; Wenn Bob bei mir ist&comma; dann habe ich doch einen guten Freund&period; Nicht wahr&comma; Bobchen&comma; du willst nicht wieder fort von mir&comma;« wandte sie sich an den Hund&comma; der es sich bereits höchst bequem auf ihrem Schoße gemacht hatte&comma; »du bleibst nun immer bei mir&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Es war dem Oberamtmann unmöglich&comma; ein Machtwort dagegen zu sprechen&comma; zumal ja Ilse so triftige Gründe für ihren Wunsch anführte&period; Am meisten überzeugte ihn der Gedanke&comma; daß die Kleine doch einen heimatlichen Trost mit in die Fremde brächte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Es war eine lange und ziemlich langweilige Fahrt&comma; meist durch flaches Land&comma; erst zuletzt kamen die Berge&period; Für Ilse that sich eine neue Welt auf&comma; sie hatte noch nie eine so große Reise gemacht&period; Auf jeder Station schaute sie mit neugierigen Augen hinaus&comma; jedes Bahnwärterhäuschen amüsierte sie&period; Ueber all den neuen Eindrücken&comma; die sich ihr aufdrängten&comma; trat der Trennungsschmerz in den Hintergrund&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Spät am Abend&comma; es war zehn Uhr vorbei&comma; langten sie in W&period; an&period; Natürlich übernachtete Ilse mit ihrem Vater im Hotel&comma; erst am andern Morgen sollte sie in ihre neue Heimat eingeführt werden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als es am nächsten Tage neun Uhr schlug&comma; stand Ilse fertig angezogen vor ihrem Papa&period; Sie sah in ihrem grauen Reisekleide und den zierlichen Lederstiefeln ganz allerliebst aus&period; Unter dem runden&comma; weißen Strohhute&comma; der mit einem Feldsträußchen und schwarzen Samtband aufgeputzt war&comma; fielen die braunen Locken herab&period; Die schönen&comma; großen Augen blickten heute nicht so fröhlich wie sonst&comma; sie hatten einen ängstlich erwartungsvollen Ausdruck&comma; und um den Mund zuckte es in nervöser Aufregung&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Dir fehlt doch nichts&comma; Ilschen&quest;« fragte Herr Macket und sah sein Kind besorgt an&period; »Du bist so blaß&comma; hast du schlecht geschlafen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die herzliche Frage des Vaters löste mit einemmal die unnatürliche Spannung in Ilses Wesen&period; Sie fiel ihm um den Hals&comma; und die bis dahin trotzig zurückgehaltenen Thränen brachen mit aller Macht hervor&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber Kind&comma; Kind&comma;« sagte Herr Macket sehr geängstigt durch ihre Leidenschaftlichkeit&comma; »du wirst ja nicht lange von uns getrennt bleiben&period; Ein Jahr vergeht schnell&comma; und zu Weihnachten besuchst du uns&period; Komm&comma; Kleines&comma; trockne die Thränen&period; Du mußt dir das Herz nicht schwer machen&period; Du wirst uns fleißig Briefe schreiben und die Mama oder ich werden dir täglich Nachricht geben von uns&comma; von allem&comma; was dich in Moosdorf interessiert&period;« Und er nahm sein Taschentuch und trocknete damit die immer von neuem hervorbrechenden Thränen seines Kindes&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Oberamtmann befand sich in einer gleich aufgeregten Stimmung wie sein Kind&comma; es wurde ihm nicht leicht zu trösten&comma; wo er selbst des Trostes bedürftig war&period; So schwer hatte er sich die Trennung nicht gedacht&comma; er würde sonst nicht darein gewilligt haben&semi; aber da er das einmal gethan hatte&comma; wollte er sich in die Notwendigkeit fügen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Er strich Ilse das Haar aus der Stirn und setzte ihr den herabgesunkenen Hut wieder auf&period; »Komm&comma;« sagte er&comma; »jetzt wollen wir gehen&period; Nun sei ein verständiges Kind&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Die Mama soll mir nicht schreiben&excl;« stieß Ilse schluchzend heraus&comma; »nur deine Briefe will ich haben&excl; Meine Briefe an dich soll sie auch nicht lesen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ilse&excl;« verwies Herr Macket&comma; »so darfst du nicht sprechen&period; Die Mama hat dich lieb und meint es sehr gut mit dir&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Sehr gut&excl;« wiederholte sie in kindischem Zorne&comma; »wenn sie mich lieb hätte&comma; würde sie mich nicht verstoßen haben&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Verstoßen&excl; Du weißt nicht&comma; was du sprichst&comma; Ilse&excl; Werde erst älter&comma; dann wirst du das große Unrecht einsehen&comma; das du heute deiner Mutter anthust&comma; und deine bösen Worte bereuen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Sie ist nicht meine Mutter&comma; – sie ist meine Stiefmutter&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Du bist kindisch&excl;« sagte der Oberamtmann&comma; »aber merke dir&comma; niemals wieder will ich dergleichen Aeußerungen von dir hören&period; Du kränkst mich damit&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse sah schmollend zur Erde nieder und konnte nicht begreifen&comma; wie es kam&comma; daß der Papa sie nicht verstand&comma; er mußte doch einsehen&comma; wie unrecht ihr geschah&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Komm jetzt&comma;« fuhr er in mildem Tone fort&comma; »wir wollen gehen&comma; mein Kind&period;« Sie ergriff den Hund&comma; nahm ihn auf den Arm und wollte so ausgerüstet dem Vater folgen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Laß ihn zurück&comma;« gebot derselbe&comma; »wir wollen die Vorsteherin erst fragen&comma; ob du ihn mitbringen darfst&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Aber Ilse setzte ihren Kopf auf&comma; »dann gehe ich auch nicht&comma;« erklärte sie mit aller Bestimmtheit&period; »Ohne Bob bleibe ich auf keinen Fall in der Pension&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Macket that dem Eigensinne den Willen aus Furcht&comma; von neuem Thränen hervorzulocken&period; Aber Ilses Widerstand war ihm im höchsten Grade peinlich&period; Was sollte Fräulein Raimar denken&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Eine Viertelstunde darauf standen Vater und Tochter vor einem stattlichen&comma; zweistöckigen Hause&comma; das vor dem Thore der kleinen Stadt mitten im Grünen lag&semi; es war das Institut des Fräulein Raimar&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Oberamtmann blieb überrascht davor stehen&period; »Sieh Ilse&comma; welch ein schönes Gebäude&excl;« rief er höchst befriedigt&period; »Der Blick von hier aus in die nahen Berge ist geradezu bezaubernd&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Was kümmerten sie die Berge&excl; Sie fühlte sich so gedrückt von Kummer&comma; daß ihr die ganze Welt ein Jammerthal dünkte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wie kannst du dies Haus schön finden&comma; Papa&comma;« entgegnete sie&period; »Wie ein Gefängnis sieht es aus&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Herr Macket lachte&period; »Betrachte doch die hohen&comma; breiten Fenster&comma; Kind&comma;« sagte er&period; »Glaubst du&comma; daß in einem Gefängnisse ähnliche zu finden sind&quest; Die armen Gefangenen sitzen hinter kleinen&comma; blinden Scheiben&comma; die außerdem noch mit einem Eisengitter versehen sind&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich werde jetzt auch eine Gefangene sein&comma; Papa&comma; und du selbst lieferst mich in dem Gefängnisse ab&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Du bist eine kleine Närrin&excl;« lachte er und brach das Gespräch&comma; das ihm bedenklich zu werden schien&comma; ab&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Er stieg die breiten&comma; steinernen Stufen&comma; die zu dem Eingange führten&comma; hinauf und zog an der Klingel&period; Ilse&comma; die ihm langsam gefolgt war&comma; schrak unwillkürlich zusammen&comma; als sie den hellen Schall im Hause vernahm&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Gleich darauf wurde die Thür von einer Magd geöffnet&period; Nachdem dieselbe die Angekommenen gemeldet hatte&comma; wurden sie in das Empfangszimmer der Vorsteherin geführt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Bevor sie dasselbe erreichten&comma; mußten sie den Hausflur und einen langen Korridor&comma; von welchem zwei Ausgänge in einen schönen&comma; großen Hof führten&comma; durchschreiten&period; Es war gerade die Frühstückspause in der Schule und so war es natürlich&comma; daß überall lachend und plaudernd große und kleine Mädchen umherstanden&period; Sie verstummten&comma; als sie die neue Pensionärin&comma; von der sie wußten&comma; daß sie heute ankommen werde&comma; erblickten&comma; und aller Augen richteten sich auf Ilse&comma; der es plötzlich höchst beklommen zu Mute wurde&period; Es schien ihr&comma; als höre sie verstecktes Kichern hinter sich und sie war herzlich froh&comma; als die Thür in dem Empfangszimmer sich hinter ihr schloß&period; Noch war dasselbe leer&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse blickte sich um&comma; und in diesem großen&comma; vornehmen Raume&comma; der künstlerisch und elegant zugleich eingerichtet war&comma; stieg mit einem Male ein etwas banges Gefühl in ihr auf wegen Bob&comma; sie wünschte fast&comma; des Vaters Willen gefolgt zu sein&period; Hätte sie den Hund in ihrem Arme plötzlich unsichtbar machen können&comma; sie hätte es gethan&period; Nun wollte der Unartige auch noch herunter auf den Boden&comma; und diesen Wunsch konnte sie ihm doch unmöglich erfüllen&comma; wie hätte sie wagen dürfen&comma; ihn auf den kostbaren Teppich&comma; der durch das Zimmer gebreitet lag&comma; herab zu lassen&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Thür öffnete sich und Fräulein Raimar trat ein&period; Sie begrüßte Herrn Macket mit steifer Freundlichkeit&comma; dann blickte sie mit ihren stahlgrauen Augen&comma; die einen zwar strengen&comma; ernsten&comma; trotzdem aber gewinnenden Ausdruck hatten&comma; auf Ilse&period; Diese war dicht an den Vater getreten und hatte seine Hand ergriffen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Sei willkommen&comma; mein Kind&excl;« Mit diesen Worten begrüßte die Vorsteherin Ilse und reichte ihr die Hand&period; »Ich denke&comma; du wirst dich bald bei uns heimisch fühlen&period;« Als sie den Hund sah&comma; fragte sie&colon; »Hat dich dein Hund bis hierher begleitet&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse blickte etwas hilflos den Papa an&comma; der dann auch für sie das Wort nahm&period; »Sie mochte sich nicht von ihm trennen&comma; Fräulein Raimar&comma;« sagte er etwas verlegen&comma; »sie glaubte&comma; daß Sie die Güte haben würden&comma; ihren kleinen Kameraden mit ihr aufzunehmen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Das Fräulein lächelte&period; Es war das erste Mal&comma; daß man ihr eine solche Zumutung machte&period; »Es thut mir leid&comma; Herr Oberamtmann&comma;« sagte sie&comma; »daß ich den ersten Wunsch Ilses rücksichtslos abschlagen muß&period; Sie wird verständig sein und einsehen&comma; daß ich nicht anders handeln kann&period; Stelle dir einmal vor&comma; liebes Kind&comma; wenn alle meine Pensionärinnen den gleichen Wunsch hätten&comma; dann würden zweiundzwanzig Hunde im Institute sein&period; Welch ein Spektakel würde das geben&excl; Möchtest du das Tier gern in deiner Nähe behalten&comma; so wüßte ich einen Ausweg&period; Mein Bruder&comma; der Bürgermeister hier&comma; wird deinen Hund gewiß aufnehmen&comma; wenn ich ihn darum bitte&semi; dann kannst du täglich deinen Liebling sehen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse war rot geworden und dicke Thränen perlten in ihren Augen&period; »Dann bleibe ich auch nicht hier&excl;« – sie wollte es eben aussprechen&comma; aber sie wagte es nicht&period; Die Dame vor ihr hatte so etwas Unnahbares&comma; Vornehmes in ihrem Wesen&period; Wie eine Fürstin erschien sie ihr trotz des schlichten&comma; grauen Kleides&comma; dessen kleiner Stehkragen am Halse mit einer einfachen goldenen Nadel zusammengehalten wurde&period; Ilse senkte den Blick und schwieg&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Oberamtmann lachte&period; »Sie haben recht&comma; Fräulein&comma;« sagte er&comma; »und wir hätten das selbst vorher bedenken können&period; Ihre große Güte&comma; den Hund bei Ihrem Herrn Bruder unterzubringen&comma; wird Ilse mit vielem Danke annehmen&comma; nicht wahr&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Sie schüttelte den Kopf&period; »Fremde Leute sollen Bob nicht haben&comma; Papa&comma; du nimmst ihn wieder mit nach Moosdorf&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Herr Macket schämte sich der Antwort seines Kindes&comma; aber Fräulein Raimar überhob ihn geschickt seiner Verlegenheit&period; Mit ihrem erfahrenen Sinne hatte sie sofort das Trotzköpfchen vor sich erkannt&period; Sie that&comma; als merkte sie Ilses Unart nicht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Du hast ganz recht&comma;« sagte sie freundlich&comma; »es ist das beste&comma; der Papa nimmt das Tier wieder mit in die Heimat&period; Du würdest durch dasselbe vielleicht doch mehr zerstreut&comma; als mir lieb wäre&period; Soll die Magd den Hund in das Hotel zurücktragen&comma; wo Sie abgestiegen sind&comma; Herr Oberamtmann&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich will ihn selbst dorthin tragen&comma; nicht wahr&comma; Papachen&quest;« fragte Ilse und hielt Bob ängstlich fest&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich wünsche nicht&comma; daß du es thust&comma; liebe Ilse&comma;« wandte Fräulein Raimar ein&period; »Ich möchte dich gleich zu Mittag hier behalten&comma; um dich den übrigen Pensionärinnen vorzustellen&period; Ich halte es so für das beste&period; Es thut nicht gut&comma; Herr Oberamtmann&comma; wenn ein Kind&comma; sobald der Vater oder die Mutter es mir übergeben haben&comma; noch einmal mit ihnen zurückkehrt in das Hotel&period; Der Abschied wird ihm weit schwerer gemacht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; nein&excl;« rief Ilse zitternd vor Aufregung&comma; »ich bleibe nicht gleich hier&excl; Ich will mit meinem Papa so lange zusammen sein&comma; bis er abreist&period; Du nimmst mich mit dir&comma; nicht&comma; Papa&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Es wurde Herrn Macket heiß und kalt bei ihrem Ungestüm&comma; indes auch diesmal half ihm Fräulein Raimar über die peinliche Lage hinweg&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Gewiß&comma; mein Kind&comma;« entgegnete sie mit Ruhe&comma; »dein Wunsch soll dir erfüllt werden&period; Darf ich Sie bitten&comma; Herr Oberamtmann&comma; heute mittag mein Gast zu sein&quest; Sie würden mich sehr erfreuen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse warf ihrem Papa einen flehenden Blick zu&comma; der ungefähr ausdrücken sollte&colon; »Bleib’ nicht hier&comma; nimm mich mit fort&excl; Ich mag nicht hier bleiben bei dem bösen Fräulein&comma; das mich schlecht behandeln wird&excl;« Leider verstand er den Blick anders&comma; er hielt ihn für eine stumme Bitte&comma; die Einladung anzunehmen und sagte zu&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Vorsteherin erhob sich und zog an einer Klingelschnur&period; Der eintretenden Magd trug sie auf&comma; Fräulein Güssow zu rufen&period; Wenige Augenblicke darauf trat dieselbe in das Zimmer&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Gerufene war die erste Lehrerin im Institute und wohnte daselbst&period; Weit jünger als die Vorsteherin&comma; war sie eine höchst anmutige&comma; liebenswürdige Erscheinung von sechsundzwanzig Jahren&period; Sämtliche Tagesschülerinnen und besonders die Pensionärinnen schwärmten für sie&comma; sie verstand es&comma; durch gleichmäßige Güte sich die jungen Herzen zu gewinnen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wollen Sie die Güte haben&comma; Ilse auf ihr Zimmer zu geleiten&comma;« sagte die Vorsteherin&comma; nachdem sie die junge Lehrerin vorgestellt hatte&comma; »damit sie dort ihren Hut ablegen kann&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Gern&comma;« erwiderte die Angeredete und trat auf Ilse zu&period; »Komm&comma; liebes Kind&comma;« sagte sie freundlich und ergriff sie bei der Hand&comma; »jetzt werde ich dir zeigen&comma; wo du schläfst&period; O&comma; du hast ein schönes&comma; großes Zimmer&semi; aber du wohnst nicht allein dort&period; Ellinor Grey wird deine Stubengenossin sein&period; Sie ist ein liebes Mädchen&period; Du möchtest gern gleich mit ihr bekannt werden&comma; nicht wahr&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse überhörte die Frage&period; Mit scheuen&comma; ängstlichen Augen sah sie den Vater an und fragte&colon; »Du gehst doch nicht fort&comma; Papa&quest;« Als er sie darüber beruhigte&comma; folgte sie Fräulein Güssow&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber den Hund mußt du wohl hier lassen&comma; du kannst ihn doch nicht mit hinauf in dein Zimmer nehmen&comma;« sagte Fräulein Raimar&period; »Du kannst ihn draußen der Magd übergeben&comma; damit sie ihn so lange in Verwahrung nimmt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Fräulein Güssow dachte weniger streng als die Vorsteherin&period; Sie fand es nicht so schlimm&comma; wenn Ilse ihren Hund im Arme behielt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Hast du ihn so sehr gern&quest;« fragte sie&comma; als sie mit dem jungen Mädchen den Korridor entlangging&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma;« entgegnete Ilse&comma; »sehr&comma; sehr lieb habe ich Bob&period; Und ich darf ihn nicht hier behalten&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Sie legte ihre Wange auf des Hundes Kopf und kämpfte mit dem Weinen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Gräme dich nicht darum&comma; Kind&comma;« tröstete Fräulein Güssow&comma; »das ist nicht so schlimm&period; Du findest hier viel etwas Besseres&period; Du sollst einmal sehen&comma; wie bald du den Bob vergessen haben wirst&period; Wir haben zweiundzwanzig Pensionärinnen jetzt im Institute&comma; du wirst manche liebe Freundin unter ihnen finden&period; Hast du Geschwister&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma;« sagte Ilse&comma; die ganz zutraulich gegen Fräulein Güssow wurde&comma; »ich bin allein&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nun&comma; siehst du&excl; Da kann ich mir deine Liebe zu dem unvernünftigen Tiere erklären&comma; dir fehlten die Gespielinnen&period; Gieb deinen Hund getrost dem Papa wieder mit zurück&comma; du wirst ihn nicht vermissen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Sie stiegen eine Treppe hinauf und kamen auf einen großen&comma; hellen Vorsaal&comma; auf welchem eine Anzahl Thüren mündeten&period; Eine derselben öffnete die Lehrerin&comma; und sie traten in ein geräumiges Zimmer ein&comma; das nach dem Garten führte&period; Die Fenster waren geöffnet und ein mächtiger Apfelbaum streckte seine Zweige fast zum Fenster hinein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Einrichtung war nicht elegant&comma; nur das Notwendigste befand sich in dem Zimmer&period; Zwei Betten&comma; zwei Kommoden und zwei Kleiderschränke&comma; dann noch ein großer Waschtisch und einige Stühle&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als Fräulein Güssow mit Ilse eintrat&comma; erhob sich schnell ein junges Mädchen von ungefähr siebzehn Jahren&comma; das mit einem Buche in der Hand am Fenster gesessen hatte&period; Es war ein schlankes&comma; zartgebautes Wesen&comma; mit goldblondem Haar&comma; das sie in einem Knoten aufgesteckt trug&comma; mit blauen Augen und mit schelmischen Grübchen in den Wangen&comma; sobald sie lachte&period; Es war Ellinor Grey&comma; eine Engländerin&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Hier bringe ich dir Ilse Macket&comma; Nellie&comma;« so wurde der Engländerin Namen allgemein abgekürzt&period; »Ich denke&comma; du wirst dich ihrer liebreich annehmen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»O ja&comma; ich werde ihr sehr lieben&comma;« antwortete Nellie und reichte der Neuangekommenen die Hand&period; »Bleibt die Hund auch hier&quest;« fragte sie&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma;« sagte Fräulein Güssow&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»O wie schade&excl; Es ist ein so süßes Tier&excl;« Und sie streichelte Bob&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Es klang so drollig und sie sah so schelmisch aus&comma; daß Ilse sofort sich von ihr angezogen fühlte&period; Gern hätte sie noch ein Weilchen dem komischen Geplauder Nellies zugehört&comma; aber sie mußte dem Fräulein folgen&comma; die sich vorgenommen hatte&comma; ihr einige Schulräume zu zeigen&period; Zuerst öffnete sie die Thür zu dem Musikzimmer&comma; dann gingen sie in den Zeichensaal und zuletzt wurde Ilse in den sogenannten großen Saal geführt&period; Die junge Lehrerin erzählte ihr&comma; daß in demselben alle Examen und zuweilen auch Festlichkeiten stattfänden&period; Ilse hörte mit halbem Ohre&comma; sie hatte nämlich durch eine offenstehende Thür einen Blick in eine leerstehende Klasse gethan und Schulbänke darin entdeckt&period; Dort eingeklemmt sollte sie von jetzt an sitzen&comma; nicht aufstehen dürfen&comma; wenn es ihr beliebte – o&comma; es war entsetzlich&excl; Ein Grauen überkam sie plötzlich&comma; ihr war&comma; als würde ihr die Brust zusammengeschnürt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»In welche Klasse meinst du&comma; daß du kommen wirst&quest;« fragte das Fräulein&comma; »deinem Alter nach müßtest du wohl in die erste versetzt werden&period; Hast du deine Arbeitsbücher mitgebracht&quest; Wie steht es mit den Sprachen&quest; Französisch und Englisch sind dir wohl geläufig&comma; da du stets&comma; wie dein Papa schrieb&comma; eine englische oder französische Gouvernante hattest&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Von unten herauf tönte eine Glocke&period; Dies war eine sehr gelegene Unterbrechung für Ilse&comma; der es unheimlich bei dem Examen wurde&period; Sie sagte&comma; daß sie nicht wisse&comma; wie weit sie sei&comma; französisch glaube sie sprechen zu können&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nun laß nur&comma; mein Kind&comma;« meinte das Fräulein&comma; »heute wollen wir noch nicht an das Lernen denken&comma; bei deiner Prüfung morgen werden wir ja sehen&comma; welch kleine Gelehrte du bist&period; – Wir wollen jetzt hinunter in den Speisesaal gehen&comma; die Glocke hat uns zu Tisch gerufen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Als sie in denselben eintraten&comma; fanden sie die Vorsteherin mit dem Oberamtmann bereits dort&period; Erstere machte ihn mit der herkömmlichen Einrichtung während des Essens bekannt&period; Zum Beispiel&comma; daß die zuletzt angekommene Pensionärin stets ihren Platz neben der Vorsteherin angewiesen erhalte&period; Dann&comma; daß zwei junge Mädchen wöchentlich den Tisch zu besorgen hatten&period; Dieselben mußten denselben decken und genau acht geben&comma; daß nichts fehlte und sämtliche Gegenstände sauber und blank waren&period; Die Jüngste der Pensionärinnen sprach stets das Tischgebet&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Dem Oberamtmann gefielen die Anordnungen vortrefflich und als er seinen Blick über die junge Mädchenschar hingleiten ließ&comma; mußte er seine Freude aussprechen&comma; wie gesund und fröhlich fast alle aussahen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse sah auch umher&comma; aber es waren nicht die fröhlichen und gesunden Gesichter&comma; die sie interessierten&comma; sondern die Schürzen&period; Jede Einzelne trug ein solches von ihr verachtetes Ding&comma; und Fräulein Raimar sah nicht aus&comma; als ob sie eine Ausnahme bei ihr gelten lassen würde&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nach dem Gebete wurden die Speisen aufgetragen&period; Dieselben waren kräftig und gut gekocht&comma; und Herr Macket konnte sich überzeugen&comma; daß sein Kind auch in dieser Hinsicht gut versorgt sein werde&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nach dem Essen verabschiedete er sich bald&comma; und Ilse durfte ihn begleiten&period; Nellie hatte kaum davon gehört&comma; als sie wie der Wind die Treppe hinaufflog&comma; um gleich darauf mit Ilses Hut und Handschuhen zurückzukommen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Diese dankte ihr dafür&comma; und Herr Macket reichte ihr die Hand&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Leben Sie wohl&comma; mein Fräulein&comma;« sagte er herzlich&comma; denn Nellie hatte durch diese kleine Aufmerksamkeit ihn sofort für sich eingenommen&comma; »und haben Sie Geduld mit meinem kleinen Wildfang&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»O ja&comma;« entgegnete Nellie&comma; »ich werde mir schon gern von sie annehmen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nun&comma; Ilse&comma; wie gefällt dir das Institut&quest;« fragte der Oberamtmann&comma; als sie auf der Straße gingen&comma; »ich gestehe&comma; daß ich sehr befriedigt von hier abreise&comma; ich weiß&comma; ich lasse dich in guten Händen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Mir gefällt es gar nicht hier&excl;« erklärte Ilse höchst verstimmt&period; »Es ist mir alles so fremd&comma; und vor dem grauen Fräulein mit dem blonden&comma; glatten Scheitel fürchte ich mich&period; Sie ist so hart&comma; so ungefällig&excl; Du sollst sehen&comma; Papa&comma; sie ist nicht gut gegen mich&period; Warum soll ich Bob nicht behalten&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Du hast gehört&comma; weshalb nicht&comma; nun mußt du auch nicht mehr so hartnäckig auf deinen Wunsch zurückkommen&comma;« verwies er sie leicht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nun fängst auch du an&comma; mit mir zu zanken&excl; Niemals hast du so böse mit mir gesprochen&comma;« rief Ilse schmerzlich beleidigt&period; Und sie fühlte sich in dem Gedanken&comma; daß kein Mensch&comma; selbst der Papa nicht&comma; sie leiden möge&comma; so unglücklich&comma; daß das große Mädchen auf offner Straße zu weinen anfing&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Oberamtmann nahm ihren Arm und legte ihn in den seinigen&period; Des Kindes Thränen machten ihn so weich&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber Kleines&comma;« sagte er zärtlich und versuchte zu scherzen&comma; »was machst du denn&quest; Sollen dich die Leute auslachen&comma; wenn das große&comma; kleine Mädchen weint&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Er führte sie zurück in das Hotel und dort fanden sie bereits Bob&period; Freudig bellend begrüßte er Ilse&comma; und diese nahm ihn hoch und liebkoste ihn unter lautem Schluchzen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Um fünf Uhr reiste der Oberamtmann wieder zurück in die Heimat&period; Die wenigen Stunden bis dahin vergingen schnell und stürmisch&period; Je näher der Abschied rückte&comma; desto aufgeregter wurde Ilse&comma; und es bedurfte seiner ganzen Festigkeit&comma; um ihrem Wunsche&comma; sie wieder mit nach Moosdorf zu nehmen&comma; entgegenzutreten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Sei doch verständig&excl;« Wie oft bat er sie in dringendem Tone darum&comma; wenn sie in leidenschaftlicher Erregung allerhand Drohungen ausstieß&comma; wie&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich laufe heimlich davon&comma;« oder »ich werde so ungezogen sein&comma; daß mich das böse Fräulein wieder fortschickt&excl;« Er wußte&comma; sie werde beides nicht thun&comma; aber es machte ihm doch Kummer&comma; seinen Liebling so trostlos zu sehen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Sie wollte ihn wenigstens zur Bahn begleiten&comma; auch das litt Herr Macket nicht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich fahre dich zurück in das Institut und dann allein zur Bahn&period; So ist es am besten&period; Nun komm&comma; Ilschen&comma;« fuhr er fort&comma; als der Wagen unten vorfuhr&comma; und nahm sie zärtlich in den Arm&comma; »und versprich mir ein gutes&comma; folgsames Kind zu sein&period; Du sollst einmal sehen&comma; wie bald du dich eingewöhnt haben wirst&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Sie hing sich an seinen Hals und mochte sich nicht von ihm trennen&period; Es fiel ihr mit einemmal schwer auf das Herz&comma; wie sehr sie den Papa gequält hatte in den letzten Stunden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Sei mir gut&comma; mein lieber&comma; lieber Papa&excl;« bat sie&comma; »sei mir gut&excl; Du bist ja der einzige Mensch auf der Welt&comma; der mich lieb hat&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Als der Wagen vor der Anstalt hielt&comma; trennte sich Ilse lautschluchzend von ihrem Vater&comma; und als sie denselben davonfahren sah&comma; war es ihr zu Mute&comma; als ob sie auf einer wüsten Insel allein zurückgelassen&comma; elendiglich untergehen müsse&period;<&sol;p>

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