Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Der Trotzkopf
(Emmy von Rhoden, 1885, empfohlenes Alter: 10 - 12 Jahre)

Kapitel 10

<p>Die Tanzstunde nahte ihrem Ende&period; »Leider&excl;« seufzten die jungen Leute&period; Fräulein Raimar indes atmete auf&comma; denn wenn sie auch der Jugend gern fröhliche Stunden bereitete&comma; so sehnte sie doch wieder Ruhe und Gleichmäßigkeit zurück&comma; weil sie die Erfahrung gemacht hatte&comma; daß durch die Zerstreuung stets der rechte Ernst zum Lernen etwas abhanden kam&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Den Schluß und Glanzpunkt bildete alljährlich ein kleiner Ball&comma; und morgen&comma; am Sonnabend&comma; sollte derselbe stattfinden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Benennung »Ball« klingt eigentlich zu hoch für das kleine Fest&period; Es wurden noch einige Gäste geladen&comma; das Orchester schwang sich zu einer zweiten Geige auf&comma; dem Thee nebst belegten Butterbroten folgte eine leichte Bowle mit Pfannkuchen&comma; und die jungen Mädchen zogen ihre besten Kleider an&period; Das war alles&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber der große Saal erhielt ein festliches Ansehen&comma; dafür trug stets Fräulein Raimar Sorge&period; Sie liebte es&comma; den Schönheitssinn ihrer jungen Zöglinge zu wecken&comma; damit dieselben späterhin imstande seien&comma; mit wenigen Mitteln auch dem einfachsten Feste ein künstlerisches Ansehen zu geben&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Soeben stand sie neben dem Gärtner und ordnete an&comma; wie er die Tannen&comma; die er am Morgen aus dem Walde geholt&comma; mit blühenden Topfgewächsen zu lauschigen Ecken und Plätzen gruppieren solle&period; Als das geschehen war&comma; mußte er Konsolen von rotem Thone zwischen verschiedenen Wandleuchtern befestigen&comma; – üppige Schlingpflanzen wurden darauf gestellt und fielen anmutig herab&period; Auch der altmodische Kronleuchter&comma; geformt wie eine bronzene Schale mit Lichterarmen&comma; erhielt seinen grünen Schmuck&period; Es wurde eine Schlingpflanze in die Schale gestellt&comma; so daß die grünen Ranken zwischen den Armen herabfielen&period; Am Abend&comma; wenn die Kerzen brannten&comma; machte dieser einfache Schmuck einen reizend malerischen Eindruck&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als alles fertig war&comma; übersah die Vorsteherin noch einmal den Saal&comma; und recht befriedigt verließ sie denselben&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die jungen Mädchen waren natürlich in großer Aufregung&period; Es war der erste Ball&comma; der ihnen bevorstand&comma; und dieses wichtige Ereignis nahm all ihre Gedanken in Anspruch&period; Einige betrachteten wieder und wieder die duftigen Kleider&comma; andre versuchten besondere Haartrachten&comma; so Flora&comma; die eine Passion dafür hatte&comma; wieder andre probierten die Kleider an&comma; der Sicherheit wegen&comma; wie Nellie meinte&comma; die soeben mit Ilse die Weihnachtskleider von der Schneiderin erhalten hatte&period; Gerade als beide angekleidet dastanden&comma; kam Lilli hereingejubelt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich geh mit auf euren Ball&excl;« rief sie&comma; »das Fräulein hat es mir erlaubt&period; Und mein neues&comma; weißes Kleiderl zieh ich an und die rote Atlasschärpe bind’ ich um&comma; – und ich darf halt mittanzen&excl; Ich freu mich halt zu sehr auf morgen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Und sie faßte mit beiden Händchen an ihre Schürze und tanzte zierlich und graziös durch das Zimmer&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Es war schon ziemlich dunkel&comma; und die Kleine hatte nicht bemerkt&comma; wie geputzt Nellie und Ilse waren&period; Als die erstere Licht anzündete&comma; blieb sie plötzlich überrascht stehen und sah erstaunt von einer zur andern&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wie schön schaut ihr aus&excl;« rief sie bewundernd und mit gefaltenen Händen&comma; und fast andächtig sah sie die beiden Mädchen an&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Weißt&comma; Ilse&comma;« fuhr sie lebhaft fort&comma; »du schaust aus gerad wie des Kaisers Tochter&excl; Ich führ’ dich morgen in den Saal – bitt’ schön&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse nahm ihren Liebling zärtlich in den Arm und küßte ihn herzhaft auf den Mund&period; »Du bist ja so heiß&comma; Lilli&comma;« sagte sie und befühlte Stirn und Wange des Kindes&period; »Fehlt dir etwas&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Der Kopf thut mir halt a bissel weh&comma;« entgegnete Lilli&comma; »aber gar nit viel&comma; – gewiß nit&comma;« beteuerte sie&comma; als Ilse sie besorgt ansah&period; »Morgen thut er nit mehr weh&comma; – morgen geh ich ganz gewiß auf den Ball&excl; Du gehst auch mit&comma;« sagte sie zu ihrer Puppe&comma; die nach ihrer Geberin&comma; Ilse&comma; getauft war&period; »Aber artig mußt halt sein&comma; sonst wirst in dein Bett gesteckt&excl;« –<&sol;p>&NewLine;<p style&equals;"margin-left&colon; 30px&semi;">»Doch mit des Geschickes Mächten<br&sol;>Ist kein ew’ger Bund zu flechten<br&sol;>Und das Unglück schreitet schnell&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Acht Tage später schrieb Flora diese inhaltschweren Worte in ihr Tagebuch&period; –<&sol;p>&NewLine;<p>Am andern Morgen lag Lilli heftig fiebernd in ihrem Bette&period; Der herbeigerufene Arzt machte ein ernstes Gesicht&period; »Sie hat starkes Fieber&comma;« sagte er und verordnete Eisumschläge auf den Kopf&comma; die jede halbe Stunde gewechselt werden mußten&period; Das lebhafte Kind lag still und teilnahmlos da&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Fräulein Güssow saß recht sorgenvoll an Lillis Bett&comma; die eben etwas eingeschlummert war&period; Die Vorsteherin beruhigte sie und meinte&comma; daß Lillis ganze Krankheit ein heftiges Schnupfenfieber sein werde&comma; sie habe bei Kindern oftmals ähnliche Fälle erlebt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die junge Lehrerin schüttelte ungläubig den Kopf&period; »Wenn nur der Ball heute abend nicht wäre&excl;« sprach sie seufzend&period; »Der Lärm im Hause und das kranke Kind – es will mir nicht in den Kopf&excl; – Wenn wir ihn hinausschöben&comma; Fräulein&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Sie sehen zu schwarz&comma; liebe Freundin&comma;« entgegnete die Vorsteherin&period; »Der Lärm wird Lilli nicht stören&comma; wie sollte er aus dem Vorderhause bis hierher in Ihr stilles Zimmer dringen&quest; Bedenken Sie&comma; wie sehr sich die Kinder auf den heutigen Abend gefreut haben&semi; wie grausam wäre es&comma; wollten wir ihre Freude zerstören&excl; Noch sehe ich keine Gefahr und wir können unbesorgt den Ball stattfinden lassen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ball&excl;« wiederholte Lilli&comma; die erwacht war und das Wort gehört hatte&semi; »ich will tanzen&excl; Zieh mich an&comma; Fräulein&excl; Bitt schön&comma; laß mich tanzen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Fräulein Güssow warf der Vorsteherin einen verständnisvollen Blick zu&comma; jetzt mußte dieselbe sich doch überzeugen&comma; wie krank die Kleine war&comma; – sie phantasierte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber Fräulein Raimar war nicht überzeugt und auch nicht erschrocken&period; Sie trat zu Lilli an das Bett und ergriff deren Hand&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Es ist ja noch heller Tag&comma; Lilli&comma;« sagte sie freundlich&semi; »siehst du nicht&comma; wie die Sonne scheint&quest; Heute abend sollst du tanzen&comma; jetzt ist es noch viel zu früh&period; Lege dich nieder und schlafe noch etwas&semi; wenn du aufwachst&comma; bist du gesund und ziehst dein gesticktes Kleid an&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Die liebe Sonn scheint&comma;« wiederholte das Kind&comma; wie aus einem Traume erwachend&comma; und sah mit müden Augen zum Fenster hinaus&period; Dann legte sie die Hand gegen die Stirn und sagte leise&colon; »Ach Gotterl&comma; Fräulein&comma; mir thut der Kopf halt so weh&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das wird sich geben&comma; mein Herz&period; Nimm nur recht artig deine Medizin ein&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Sie küßte Lilli und versicherte der sehr geängstigten Lehrerin&comma; das Phantasieren der kleinen Kranken habe nichts zu bedeuten&comma; bei lebhaften Kindern stelle sich dasselbe bei einem harmlosen Schnupfenfieber ein&period; Und mit diesem aufrichtig gemeinten Troste verließ sie das Zimmer&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Es schien&comma; als habe sie wahr gesprochen&period; Gegen Mittag schlief Lilli ein&period; Das Fieber hatte etwas nachgelassen und Fräulein Güssow atmete erleichtert auf&period; Als Ilse kam und teilnehmend mit trauriger Miene nach Lillis Befinden fragte&comma; winkte sie derselben freudig zu und flüsterte&colon; »Sie schläft&comma; – es scheint eine Besserung eingetreten zu sein&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse teilte sofort diese gute Nachricht den Freundinnen&comma; die schon in ängstlicher Sorge um den kleinen Liebling waren&comma; mit&comma; und brachte sie alle wieder in fröhliche Stimmung&period; Nur Flora blieb bei ihren düsteren Prophezeiungen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Meine ahnungsvolle Stimme täuscht mich nicht&comma; ich fühle es&comma; der Tod wird diese zarte Knospe brechen&comma;« sagte sie in tragischem Tone und probierte dabei ihre neuen Ballschuhe an&comma; streckte den Fuß weit von sich und bewunderte mit sehr befriedigter Miene die zierliche&comma; elegante Form des Schuhes&period; Es war ihr wenig ernst mit ihren düstern Ahnungen&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Lillis Besserung war leider nur trügerisch gewesen&period; Während die jungen Mädchen heiter und glücklich Toilette zum fröhlichen Feste machten&comma; lag sie im heftigsten Fieber&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Fräulein Güssow wich nicht von ihrem Bette und erklärte mit aller Bestimmtheit&comma; daß sie diesen Platz nicht verlassen werde&period; Auf Fräulein Raimars Wunsch wurde die Verschlimmerung der Krankheit vorläufig geheim gehalten&semi; sie mochte keinen Mißklang in die unbefangene Freude ihrer Zöglinge bringen&comma; mußte sie sich doch bei ruhiger Ueberzeugung sagen&comma; daß nichts damit gebessert werde&period; – So blieb denn die junge Lehrerin allein im Krankenzimmer&period; Sie hörte das unruhige Getappel im Vorderhause&semi; dann und wann schlug wohl ein fröhliches Lachen an ihr Ohr – und endlich vernahm sie die gedämpften Töne der Polonaise&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ilse&comma; komm&excl;« rief Lilli plötzlich und Fräulein Güssow fuhr erschreckt zusammen&period; »Ilse&comma; bitt&comma; bitt schön&comma; komm&excl; Ich führ dich in den Saal&comma; komm&excl;« – Hoch hatte sie sich im Bett aufgestellt und machte alle Anstrengungen&comma; aus demselben zu springen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Fräulein Güssow legte den Arm um das fiebernde Kind und versuchte es niederzulegen&comma; aber Lilli stieß sie von sich&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Geh fort&excl;« rief sie&semi; »du bist nit des Kaisers Tochter&comma; du hast kein schönes Kleiderl an&excl; – Ilse&excl; Ilse komm&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Angstvoll und gellend stieß sie ihre Worte heraus und mit starren Augen blickte sie ihre Pflegerin an&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wenn du ruhig bist&comma; wird Ilse kommen&comma;« sagte dieselbe mit zitternder Stimme&comma; die Angst schnürte ihr fast die Kehle zu&period; »Sei ruhig&comma; mein Liebling&comma; willst du&quest; Lege dich nieder – ganz still – so&period;« Und sie bettete mit sanfter Gewalt die immer noch aufrechtstehende Lilli in die Kissen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ganz still&comma;« wiederholte das Kind mechanisch&semi; »Ilse komm&comma; – ganz still&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Fräulein Güssow zog an der Klingelschnur&comma; und nach einiger Zeit ängstlichen Harrens erschien die Köchin&period; Sie war die einzige&comma; welche die Glocke vernommen hatte&comma; die beiden andern Dienstboten waren im Vorderhause beschäftigt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Rufe sofort Fräulein Ilse&comma;« gebot sie mit halblauter Stimme&comma; »und dann hole den Arzt&period; Das Kind ist sehr krank&period; Aber still und ohne Aufsehen&comma; Bärbchen&comma; niemand darf es wissen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber wenn mich Fräulein Raimar fragen sollte&comma;« wandte die etwas schwerfällige Köchin ein&comma; »dann muß ich es ihr sagen&comma; nicht&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Sie wird dich nicht fragen&comma; wenn du deine Sache klug machst&period; Eile dich nur&comma; ich bitte dich&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der Zufall kam Bärbchen zu Hilfe&period; Gerade als sie sich dem Saale näherte&comma; traten Ilse und Nellie lachend und plaudernd&comma; mit ganz erhitzten Wangen&comma; Arm in Arm&comma; aus der Thür desselben&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Geheimnisvoll winkte ihnen die Köchin zu&period; »Fräulein Ilschen&comma;« sagte sie&comma; »Sie möchten gleich zu Fräulein Güssow kommen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Es ist doch nichts passiert&comma; Bärbchen&quest;« fragten beide Mädchen fast zugleich&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»O nein&comma; passiert gerade nichts&comma; aber das Kind ist kränker geworden&comma; ich soll gleich den Doktor holen&period; Es soll aber niemand etwas wissen&period; Sie brauchen keine Angst zu haben&comma; Fräuleinchens&comma;« beruhigte sie&comma; als sie die erschrockenen Gesichter vor sich sah&comma; »so schnell geht das nicht mit so kleinen Kindern&period; Krank – tot – gesund – man weiß nicht&comma; woher es kommt&excl; Aber nun will ich laufen&excl;« Und wie der Wind war sie die Treppe hinunter und zum Hause hinaus&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich gehe mit dich&comma;« sagte Nellie&comma; aber Ilse wehrte ihr ab&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Du mußt in den Saal zurückkehren&comma; Nellie&comma;« erklärte Ilse entschieden&comma; »es würde Aufsehen erregen&comma; wenn wir beide fehlten&period; Ich gehe allein und bringe dir bald Bescheid&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Traurig sah Nellie der Freundin nach&comma; dann kehrte sie zurück in den hellerleuchteten Saal&period; Schwer legte es sich auf ihr Herz&comma; als sie ringsum nur glückliche&comma; fröhliche Menschen sah – unwillkürlich füllte sich ihr Auge mit Thränen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber ihr betrübtes Gesicht durfte niemand sehen&comma; sie trat deshalb unbeachtet hinter eine Tannengruppe&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Einer indes hatte sie doch beachtet und das war Doktor Althoff&period; Als er sie mit so ernstem Gesicht eintreten und gleich darauf verschwinden sah&comma; näherte er sich ihr langsam&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Weshalb suchen Sie die Einsamkeit&comma; Miß Nellie&quest;« fragte er herzlich&period; »Haben Sie Kummer&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»O Herr Doktor&comma; ich ängstige mir so um das Kind&excl; Bärbchen hat Ilse gerufen und holt jetzt der Arzt&excl;« Und Nellies sonst so fröhliche Augen blickten in Angst und Trauer den jungen Mann an&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Doktor Althoff hatte sie nie so lieblich gesehen als in diesem Augenblicke&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die schelmische&comma; lustige Nellie in dem duftigen&comma; hellblauen Kleide&comma; den Kranz von Tausendschön im goldblonden Haar&comma; hatte ihn schon den ganzen Abend erfreut&comma; die trauernde Nellie&comma; die ein so warmes Mitgefühl verriet&comma; entzückte ihn geradezu&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Beruhigen Sie sich&comma;« tröstete er&comma; »ich werde sofort in das Krankenzimmer gehen und verspreche Ihnen&comma; Sie zu benachrichtigen&comma; wie es dort steht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Als er die Thür desselben nach leisem Anklopfen öffnete&comma; bot sich ihm ein rührender Anblick dar&period; Ilse kniete an dem Bett und hatte ihr Haupt dicht neben Lillis Köpfchen gelegt&comma; so daß ihre braunen Locken sich mit den lichtblonden des Kindes mischten&period; Eine frische&comma; rote Rose&comma; der einzige Schmuck&comma; den sie heute abend getragen&comma; hatte sich aus ihrem Haar gelöst und lag halb entblättert auf dem Boden&period; Fräulein Güssow legte soeben einen neuen Eisumschlag auf der Kranken glühende Stirn&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Doktor Althoff fragte nicht&comma; – ein Blick auf die kleine Kranke sagte ihm alles&period; Groß und fremd sah sie ihn an&comma; ihre Händchen zuckten und griffen unruhig in die leere Luft&period; Als Ilse sich erheben wollte&comma; klammerte sie sich fest an sie&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Du sollst nit fortgehn&comma; du bist des Kaisers Tochter&excl;« stieß sie in abgerissenen Sätzen heraus&comma; »du bist die Schönste&excl; – Tanz mit mir – komm&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Plötzlich sprangen ihre Phantasien davon ab&comma; und sie sah Ilse für das Christkind an&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Du liebes Christkindl hast ein goldenes Kleiderl an&comma; – und ein Kronerl tragst auf dem Kopf – ah&comma; wie das strahlt&excl; Du willst mit mir spielen&comma;« fuhr sie geheimnisvoll lächelnd fort&comma; »wart nur&comma; ich komm zu dir&comma; zu den lieben Engelein&excl; – Ich komm – nimm mich mit&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ermattet sank sie nach diesem Anfall in die Kissen zurück&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse war wie gelähmt vor Schreck&period; Niemals zuvor hatte sie an dem Lager eines Schwererkrankten gestanden&comma; es war daher natürlich&comma; daß sie ganz fassungslos war&period; Sie umklammerte Fräulein Güssow und wurde totenblaß&comma; ohne ein Wort über die bebenden Lippen zu bringen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Kehren Sie in den Saal zurück&comma; Ilse&comma;« riet Doktor Althoff und ergriff ihre Hand&period; »Kommen Sie&comma; ich werde Sie führen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Aber sie schüttelte den Kopf&period; »Ich bleibe hier&comma;« sagte sie leise aber fest&comma; »ich verlasse Lilli nicht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Und wie auch die Strauß’schen Klänge der blauen Donau schmeichelnd und verlockend durch die Nacht in das stille Krankenzimmer drangen&comma; Ilse dachte nicht daran&comma; zur Lust und Freude zurückzukehren&period; Ihre ganze Seele war von den Leiden ihres Lieblings erfüllt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nur wenige Augenblicke lag Lilli still und mit geschlossenen Augen da&comma; dann fing sie von neuem weit heftiger an zu phantasieren&period; Bald rief sie nach Ilse&comma; um mit ihr zu tanzen&comma; bald wollte sie mit dem Christkindl spielen&comma; zuletzt fing sie an&comma; mit leiser&comma; matter Stimme zu singen&colon; »Kommt a Vogerl geflogen –«<&sol;p>&NewLine;<p>Wie klang heute des Kindes Lied so weh und traurig&excl; Ilse mußte sich abwenden&comma; heiße Thränen rannen über ihre Wangen&comma; es war&comma; als müsse ihr das Herz zerspringen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich befürchte das Schlimmste&excl;« sprach Fräulein Güssow tief ergriffen&period; »Wenn nur der Arzt käme&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Nach kurzer Zeit&comma; die den Wartenden eine Ewigkeit dünkte&comma; trat derselbe ein&period; Sein Blick fiel auf das Kind&comma; und er erschrak&period; Wie hatte es sich verändert&comma; seitdem er es verlassen&comma; was war seit gestern aus dem blühenden&comma; lebensfrohen Wesen geworden&excl; Die runden Wangen waren eingefallen und die großen&comma; schwarzen Augen starrten wie abwesend in die leere Luft&period; Er nahm ihre Hand und fühlte nach ihrem Puls&comma; – sie merkte nichts davon&comma; leise fing sie wieder an zu singen&colon; »Und es kümmert sich ka Hunderl –«<&sol;p>&NewLine;<p>»Au&comma; au&excl;« schrie sie plötzlich auf und griff nach ihrem Kopfe&period; »Das Katzerl beißt mich&excl; Nimm es weg&comma; Fräulein&excl; Au weh&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der Arzt rührte ein Pulver in ein Glas Wasser und reichte es ihr&period; Nur mühsam war ihr dasselbe beizubringen und erst auf Ilses sanftes Zureden öffnete sie die Lippen&period; Nachdem sie getrunken&comma; wurde sie ruhiger und verfiel in einen Halbschlummer&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wo wohnen die Eltern der Kleinen&quest;« wandte der Arzt sich an Fräulein Güssow&period; »Ich rate&comma; dieselben unverzüglich von der Krankheit zu benachrichtigen&period; Ich kann für den Ausgang nicht stehen&period; – Wir haben es mit einer bösartigen Gehirnentzündung zu thun&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nur die Mutter lebt&comma;« nahm Doktor Althoff das Wort und erbot sich&comma; sofort ein Telegramm an dieselbe abgehen zu lassen&period; Nach seiner Berechnung konnte sie schon am Abend des nächsten Tages eintreffen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Bevor er das Haus verließ&comma; kehrte er noch einmal in den Saal zurück&comma; um die Vorsteherin mit dem Ausspruch des Arztes bekannt zu machen&period; Nellie&comma; die gerade mit Georg Brenner Française tanzte und nicht aus der Reihe treten konnte&comma; warf einen ängstlich fragenden Blick auf ihn&comma; flüchtig nur streifte sie sein Auge&comma; und doch erriet sie&comma; daß er nichts Gutes zu melden habe&period; O&comma; wäre nur der Tanz erst zu Ende&comma; daß sie ihn fragen könnte&excl; Aber er wartete nicht darauf&comma; nach wenigen Minuten verließ er schon wieder den Saal und ließ Nellie in den peinlichsten Zweifeln zurück&period; War es schlimmer geworden&quest; Der Vorsteherin ruhiges Gesicht gab ihr keine Antwort auf ihre Frage&period; Es lag dasselbe wohlwollende Lächeln auf demselben wie zuvor&period; Sie unterhielt sich mit einigen Gästen ohne jede sichtbare Erregung&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Und doch war sie bis in das Innerste erregt&period; Aber sie verstand die seltene Kunst&comma; sich meisterhaft zu beherrschen&period; Warum sollte sie plötzlich Schreck und Aufregung in die Freude bringen&quest; In einer Viertelstunde war der Tanz vorüber&comma; dann sollten die jungen Mädchen sich niederlegen&comma; ohne zu erfahren&comma; wie es mit der Kranken stand&period; Die Jugend bedarf des Schlafes&comma; sagte sie sich&comma; besonders nach einer halb durchtanzten Nacht&period; Verschlimmerte sich Lillis Zustand&comma; so erfuhren sie diese traurige Botschaft am Morgen noch früh genug&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ilses Verschwinden&comma; das allgemein bemerkt wurde&comma; hatte Nellie auf ihre Art entschuldigt&comma; sie hatte jedem Fragenden geantwortet&colon; »O ja&comma; sie wird gleich wieder da sein&comma; sie hat nur auf ein Augenblick Kopfschmerzen&period;« Der Vorsteherin hatte sie so halb und halb die Wahrheit gesagt&period; Aber der Ball ging zu Ende und Ilse war nicht wiedergekehrt&period; –<&sol;p>&NewLine;<p>Miß Lead hatte von der Vorsteherin den Auftrag erhalten&comma; dafür Sorge zu tragen&comma; daß die Mädchen still und geräuschlos ihre Gemächer aufsuchten&comma; das wurde befolgt&comma; aber als sie sich sicher glaubten&comma; als die englische Lehrerin sich in ihr Zimmer zurückgezogen hatte&comma; da huschten sie alle noch auf eine kurze Zeit zu Rosi hinüber&comma; deren Stübchen ganz am Ende des Korridors lag&period; Sie mußten noch einen kurzen Austausch haben&comma; ihre jungen Herzen waren zu voll von dem herrlichen Feste&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Melanie brachte ihre duftigen Sträuße&comma; die sie im Cotillon erhalten hatte&comma; mit und breitete sie auf dem Tische aus&period; Mit wehmütiger Freude betrachtete sie den reichen Segen&period; »Ach&excl;« rief sie aus&comma; »wie schade&comma; daß alles vorbei ist&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Alles Schöne ist vergänglich&comma; nur die Erinnerung bleibt&excl;« entgegnete Flora weise&period; Und sie betrachtete bei ihren Worten die Photographie eines jungen Mannes&comma; die sie vorsichtig und geschickt in ihrem Taschentuche verborgen hielt&period; – Es war Georg Breitners Bild&period; Er hatte dafür das ihrige eingetauscht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ach&comma; Kinder&comma; es war doch zu schön&excl;« brach Annemie in plötzlicher Begeisterung aus&period; »O&comma; was ich euch alles erzählen könnte&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Und ich&excl; Und ich&excl;« klang es durcheinander&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ihr würdet staunen&comma; wenn ich sprechen wollte&excl;« rief Melanie stolz und schlug ihr Auge kokett gen Himmel&comma; »ich habe viel erlebt&excl;« – In ihrem Eifer vergaß sie ganz&comma; ihre Stimme zu dämpfen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nicht so laut&comma; Melanie&comma;« ermahnte Rosi und Orla stimmte ihr bei&period; »Wir wollen zu Bett gehen&comma;« riet sie ernstlich&comma; »denn wenn ihr erst anfangt&comma; eure Erlebnisse zu erzählen&comma; dann können wir bis zum hellen Morgen hier sitzen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Morgen ist Sonntag&comma; da können wir ausschlafen&excl;« meinte Grete&comma; die darauf brannte&comma; die geheimnisvoll angedeuteten Geschichten zu hören&period; »Wo sind denn aber Ilse und Nellie&quest;« unterbrach sie sich plötzlich und sah sich um&semi; »ich habe Ilse den ganzen Abend nicht gesehen&period; Hatte sie wirklich Kopfschmerzen&quest; Kommt&comma; wir wollen uns zu ihnen schleichen und nachsehen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Doch dieser allgemein Beifall findende Vorschlag kam nicht zur Ausführung&period; Eben als sie auf den Zehen einige Schritte gethan&comma; stand Miß Lead wie ein Nachtgespenst vor ihnen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wo wollt ihr hin&quest;« fragte sie erzürnt&period; »Habe ich euch nicht Ruhe geboten&quest; Sofort legt euch nieder&comma; – und morgen werde ich euren Ungehorsam der Vorsteherin melden&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>So wurde es denn still in den oberen Räumen&period; Die plaudernden Lippen verstummten nach und nach – die Augen schlossen sich zu süßem Schlummer und ein gütiger Traumgott führte die Schlafenden zurück in den festlichen Saal&period; Noch einmal ließ er die Musik erklingen und die junge Schar im lustigen Tanze dahinfliegen&period; –<&sol;p>&NewLine;<p>»O wie öde ist die Wirklichkeit&excl;« war Melanies erstes Wort&comma; als sie erwachte&period;<&sol;p>

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