Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Der Trotzkopf
(Emmy von Rhoden, 1885, empfohlenes Alter: 10 - 12 Jahre)

Kapitel 3

<p>Um sechs Uhr am andern Morgen hieß es&colon; Aufgestanden&excl; Da galt kein langes Besinnen&comma; und wenn die jungen Glieder noch so sehr vom Schlafe befangen waren&comma; es wurde keine Gnade geübt&period; Ilse pflegte daheim bald früh&comma; bald spät aufzustehen&comma; wie sie gerade Lust hatte&period; Einer bestimmten Ordnung&comma; wie sie die Mama so sehr gewünscht&comma; hatte sie sich nicht fügen wollen&period; Es wurde ihr denn auch nicht wenig schwer&comma; so auf Kommandowort sich erheben zu müssen&comma; gerade heute hatte sie den Wunsch&comma; noch einigemal sich im Bette herumzudrehen&comma; sie war so spät erst eingeschlafen&period; Aber daran war nicht zu denken&comma; Nellie stand schon da und wusch sich&period; Mit einem Sprunge war sie Schlag sechs Uhr aus dem Bette gewesen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wach auf&comma; Ilse&comma;« sagte sie&comma; »um halb sieben trinken wir Kaffee&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Schon aufstehen&comma;« antwortete die Verschlafene&comma; »aber ich bin noch so müde&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Thut nix&comma; du darfst nicht mehr schlafrig sein&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Aber Ilse zögerte noch&period; Nellie stand schon fertig da&comma; ja hatte schon alles&comma; was sie zur Nacht- und Morgentoilette nötig hatte&comma; beiseite geräumt&comma; als sie sich langsam erhob&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»O Ilse&comma; eile dir&comma; du hast nur zehn Minuten Zeit&excl; Schnell&comma; schnell&comma; ich will dich helfen&excl; Wo sind dein Kamm&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse zeigte auf ein Papier&comma; das im Fenster lag&period; »Dort liegen sie eingewickelt&comma;« gab sie zur Antwort&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Das ist nicht nett&comma; das gefällt mir nicht&comma;« meinte Nellie und rümpfte das Näschen&period; »Du mußt dich ein Taschen nähen&comma; von grauer Stoff und rote Band&comma; sieh&comma; wie dies da&comma;« und sie zeigte ihre Kammtasche&comma; »siehst du&comma; so ist’s fein&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse machte nicht viel Umstände mit ihrem Haar&period; Sie kämmte und bürstete es&comma; damit war alles abgemacht&comma; die natürlichen Locken ringelten sich von selbst ohne weitere Bemühung&period; Ein hellblaues Band schlang ihr Nellie durch dieselben und band es mit einer Schleife seitwärts zu&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nun noch die Schürze&comma;« sagte sie&comma; als Ilse soweit fertig war&comma; »sie darf nicht fehlen&period;« Sie lachte&comma; als Ilse sich dagegen sträubte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Du bist ein klein&comma; albern Ding&comma;« schalt sie und band ihr die Schürze vor&comma; trotz Ilses heftigem Widerstande&period; »Gleich hältst du still&excl; Ohn’ ein Schürzen giebt es kein Kaffee&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die lustige Nellie setzte es wirklich durch&comma; daß Ilse sich ihrem Willen fügte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»So&comma;« sagte sie&comma; »nun bist du schön&excl; Die blau gestickter Schürze ist sehr nett und du bekommst einer süßer Kuß&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>An langen Tafeln saßen die Mädchen bereits&comma; Nellie und Ilse waren die letzten&period; Fräulein Raimar war des Morgens niemals zugegen&comma; nur Fräulein Güssow führte die Aufsicht&period; Ilse mußte sich zu ihr setzen&period; Als ihr der Kaffee gereicht wurde&comma; nahm sie die Tasse ganz manierlich beim Henkel in die Hand&comma; aß auch wie es sich gehört nicht mit großen Bissen&comma; wie am Abend zuvor&semi; aber sie hatte eine andre Unart&comma; die ebenfalls zu tadeln war&comma; sie schlürfte den Kaffee so laut&comma; daß sie allgemeine Heiterkeit erregte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse hatte keine Ahnung&comma; daß ihr das Gelächter galt&comma; Orla machte sie damit bekannt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Du führst ja ein wahres Konzert auf&comma;« sagte sie&period; »Machst du das immer so&quest; Schön hört sich diese Tafelmusik nicht an&comma; das kann ich dich versichern&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse fühlte sich schwer beleidigt über diese Zurechtweisung&period; Hastig setzte sie die Tasse nieder&comma; erhob sich und eilte hinaus&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Du durftest sie nicht vor all’ den übrigen so beschämen&comma; Orla&comma;« tadelte Fräulein Güssow&comma; indem sie ebenfalls aufstand&comma; um Ilse zu folgen&comma; »das kränkt sehr&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse war gerade im Begriff in den Garten zu gehen&comma; als die junge Lehrerin sie zurückrief&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wo willst du hin&comma; Ilse&quest;« fragte sie&period; »Was fällt dir ein&comma; mein Kind&comma; daß du nach deinem Gefallen davonläufst&quest; Es ist nicht Sitte bei uns&comma; daß jemand eine Mahlzeit verläßt&comma; bevor dieselbe beendet ist&period; Komm gleich zurück und verzehre dein Frühstück&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich mag nicht mehr frühstücken&comma;« entgegnete Ilse&comma; »und ich gehe nicht wieder hinein&excl; Sie haben mich alle ausgelacht und Orla war ungezogen gegen mich&period; Es geht niemand etwas an&comma; wie ich esse und trinke&comma; ich mache es&comma; wie ich will&excl; Vorschriften lasse ich mir nicht machen&comma; nein&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ehe ich weiter mit dir spreche&comma; bitte ich dich erst ruhig und vernünftig zu sein&comma; liebe Ilse&period; Ich kann nicht dulden&comma; daß du in einem so unartigen Tone zu mir sprichst&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Sehr ernst und nachdrücklich hatte Fräulein Güssow gesprochen&comma; aber es klang doch ein Ton der Liebe hindurch&period; Ihr schönes&comma; weiches Organ verfehlte selten den Weg zum Herzen&comma; das lernte auch Ilse in diesem Augenblicke kennen&period; Sie blickte zu Boden&comma; und etwas wie Beschämung stieg in ihr auf&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Lehrerin las in Ilses beweglichen Zügen und wußte&comma; was in ihr vorging&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Gieb mir deine Hand&comma; du kleiner Brausekopf&excl;« sagte sie freundlich&comma; »und versprich mir&comma; nicht wieder so stürmisch zu sein und deiner augenblicklichen Laune zu folgen&comma; selbst wenn du glaubst&comma; im Rechte zu sein&period; Heute warst du es nicht einmal&comma; du trankest wirklich etwas unappetitlich&period; Orla hat es gut gemeint&comma; daß sie dich darauf aufmerksam machte&comma; du darfst ihr darum nicht böse sein&period; So eine kleine wohlverdiente Lehre muß sich jede von euch gelegentlich gefallen lassen&period; Es ist doch besser&comma; jetzt als Kind zurechtgewiesen zu werden&comma; als wenn deine Fehler und Angewohnheiten späterhin zum Spott der Gesellschaft würden&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Daheim hatte Ilse niemals hören wollen&comma; daß sie eine junge Dame sei&comma; und jetzt berührte es sie gar nicht angenehm&comma; daß man sie gewissermaßen noch zu den Kindern rechnete&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nun siehst du das ein&comma; Ilse&quest;« fragte die Lehrerin&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Vielleicht that sie es&comma; aber sie würde ein Ja nicht über die Lippen gebracht haben&period; Fräulein Güssow begnügte sich mit ihrem Stillschweigen und nahm dasselbe für eine Zustimmung&period; Sie meinte&comma; daß eine Natur wie Ilses nicht mit Gewalt zum Nachgeben gezwungen werden dürfe&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nun wollen wir zurück in den Speisesaal gehen&comma;« sagte sie&comma; und Ilse wagte keine Widerrede&period; Sie folgte dem Fräulein mit niedergeschlagenen Augen&comma; sie hatte Furcht vor den vielen peinlichen Blicken&comma; die sich alle auf sie richten würden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als sie eintraten&comma; war das Zimmer leer und die Frühstückszeit vorüber&period; Niemand war froher als Ilse&comma; die sich wie erlöst vorkam&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich habe noch einen Auftrag für dich&comma; Ilse&comma;« sagte die Lehrerin&period; »Fräulein Raimar wünscht deine Arbeitshefte zu sehen&comma; auch sollst du zugleich mündlich geprüft werden&period; In einer Stunde finde dich in dem Konferenzzimmer ein&comma; du wirst dort zugleich deine zukünftigen Lehrer und Lehrerinnen zum Teil kennen lernen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wollen sie mich alle prüfen&quest;« fragte Ilse etwas besorgt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma;« entgegnete das Fräulein&comma; »aber sie werden zuhören&comma; wenn Fräulein Raimar dich examiniert&period; Später wirst du dann erfahren&comma; in welche Klasse du gesetzt bist&comma; und morgen nimmst du zum erstenmal an dem Unterricht teil&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse ging in ihr Zimmer und suchte ihre Hefte zusammen&period; Sie waren nicht in der besten Verfassung&period; Das deutsche Aufsatzheft machte besonders keinen Staat&period; Verschiedene Tintenflecke zierten es&comma; und sogar einige naseweise Fettflecke machten sich darauf breit&period; Das französische Heft wurde ganz beiseite gelegt&period; Sie hatte versucht&comma; einige Seiten&comma; die gar zu verschmiert aussahen&comma; herauszureißen und durch diesen Gewaltstreich waren alle andern Blätter gelockert – unmöglich konnte sie das Buch in dieser Verfassung vorzeigen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nellie&comma; die gerade eine freie Stunde hatte&comma; sah erstaunt Ilses Treiben zu&period; »Was thust du&quest;« fragte sie&period; »Willst du dein Bücher so an Fräulein Raimar vorzeigen&quest; das darfst du nicht&period; Hat deiner Herr Pastor dir dies erlaubt&quest; Gieb schnell&comma; ich will dich blaues Umschläge drum wickeln&comma; das ist nett und man sieht die alte Flecken nicht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Gieb her&excl;« rief Ilse gereizt&period; »Sie sind gut so&excl; Es ist mir ganz egal&comma; ob Fräulein Raimar die Flecken sieht oder nicht&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nicht so zornig&comma; Fräulein Ilse&excl; Sie sind eine kleine&comma; unordentliche junge Dame&excl; Würde es dir vielleicht spaßig sein&comma; wenn Fräulein Raimar deine Buch mit spitze Finger hoch hielt und sie alle Lehrer zeigte&quest; O nein&comma; das wär dich nicht egal und nicht spaßig&period; Besonders wenn Herr Doktor Althoff&comma; unser deutscher Lehrer&comma; mit seine bekannte&comma; höhnische Lachen dir so von die Seiten ansieht und fragt&colon; Wie alt sind Sie&comma; mein Fräulein&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Trotzdem Ilse ungeduldig wurde&comma; trotzdem sie entschieden erklärte&comma; es wäre höchst unnütz&comma; daß so viele Umstände wegen der dummen Bücher gemacht würden&comma; setzte Nellie ihren Willen durch&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»So&comma; nun kannst du gehen&comma;« sagte sie&comma; als sie auch dem letzten Hefte ein blaues Kleid gegeben hatte&comma; »nun bedanke dir für mein Mühe&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Du bist doch sehr gut&comma; Nellie&comma;« meinte Ilse&period; »Wie ist es dir nur möglich&comma; stets so sanft und geduldig zu sein&quest; Ich kann das nicht&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»O&comma; du lernst schon&comma; Kind&period; Wirst noch eine ganz zahme&comma; kleine Vogel sein&excl;« entgegnete Nellie&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Um elf Uhr ging Ilse hinunter in das Konferenzzimmer&period; Als sie eintrat&comma; fand sie mehrere Lehrer und einige Lehrerinnen anwesend&period; Sie saßen um einen Tisch&comma; Fräulein Raimar nahm den Platz obenan ein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Tritt näher&comma; Ilse&comma;« sagte sie und machte mit einigen freundlichen Worten die neue Schülerin mit ihren zukünftigen Lehrern bekannt&period; Darauf ließ sie sich die Schreibhefte reichen&period; Das Aufsatzbuch fiel ihr zuerst in die Hand&period; Sie blätterte und las darin&comma; und einigemal schüttelte sie den Kopf&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Oft recht gute und klare Gedanken&comma;« bemerkte sie zu dem neben ihr sitzenden Lehrer der deutschen Sprache&comma; Doktor Althoff&comma; »und dabei diese oberflächliche&comma; flüchtige Schrift&period; Sehen Sie einmal&comma; ›uns‹ mit einem ›z‹ geschrieben – ›Land‹ mit einem ›t‹&period; Da werden wir viel Versäumtes nachzuholen haben&period; Wie schreibst du ›Land‹&comma; Ilse&comma; buchstabiere einmal&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse konnte unmöglich diese Frage für ernst halten&period; War sie denn ein kleines Mädchen aus der A-B-C-Klasse&quest; Sie zögerte mit der Antwort&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Vorsteherin indes war nicht gewöhnt zu scherzen&comma; sie sah erstaunt die schweigende Ilse an&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wie du Land schreibst&comma; möchte ich von dir wissen&comma;« wiederholte sie noch einmal in bestimmtem Tone&comma; der jeden Zweifel&comma; ob er ernst gemeint sei oder nicht&comma; benahm&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse kräuselte etwas unwillig die Stirn&comma; zog die Lippe in die Höhe und buchstabierte so schnell&comma; daß man ihr kaum folgen konnte&colon; L–a–n–d&period; Den Blick hatte sie zum Fenster hinausgewandt&comma; um Fräulein Raimar nicht anzusehen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Also nur flüchtig&comma; ich dachte es mir&comma;« sagte diese&period; »Wenn du in Zukunft deine Aufsätze machst&comma; wirst du sehr aufmerksam sein&period; Fehler&comma; wie ich sie in deinen Aufgaben finde&comma; kommen bei uns nicht mehr in der dritten Klasse vor&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Es wurden nun Ilse Fragen in den verschiedensten Fächern vorgelegt&period; Manchmal fielen die Antworten überraschend aus&comma; zuweilen dagegen geradezu einfältig&period; Doktor Althoff lächelte einigemal&comma; was Ilse das Blut bis hinauf in die braunen Locken trieb&period; Sie ärgerte sich darüber und drehte ihr Taschentuch wie eine Wurst fest zusammen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Im Französischen bestand sie gut&period; Monsieur Michael&comma; der französische Lehrer&comma; ein älterer Herr mit weißem Haar&comma; redete sie gleich in dieser Sprache an&comma; sie antwortete ihm korrekt und fließend&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Miß Lead&comma; die englische Lehrerin&comma; die ebenfalls im Institute wohnte&comma; hatte weniger Glück bei ihrer Anrede&period; Ilse holperte sehr&comma; als sie die Antwort gab&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nun kannst du uns verlassen&comma; Kind&comma;« sagte Fräulein Raimar&period; »Dein Examen ist zu Ende&period; Später werde ich dir mitteilen&comma; welche Klasse du besuchen wirst&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Nachdem Ilse das Zimmer verlassen&comma; wurde nach einigem Hin- und Herberaten der Beschluß gefaßt&comma; sie in die zweite Klasse zu geben&comma; im Französischen solle sie indes die erste besuchen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich glaube&comma; Ilse wird uns viel Not machen&comma;« äußerte die Vorsteherin besorgt&period; »Sie ist widerspenstig und trotzig&comma; auch kann sie nicht den geringsten Tadel vertragen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber sie hat ein gutes Herz&comma;« fiel Fräulein Güssow lebhaft ein&period; »Ich habe noch keine Beweise dafür&comma; aber ich lese es in ihrem schönen&comma; offnen Auge&period; Ich bin überzeugt&comma; daß ich mich nicht täusche&period; Eins ist mir indes klar&comma; mit Strenge werden wir wenig ausrichten&comma; dagegen hoffe ich&comma; mit Liebe und Energie wird es uns gelingen&comma; ihren Trotz zu zähmen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das ist ganz meine Ansicht&excl;« stimmte Monsieur Michael bei&comma; »Sie werden sehen&comma; meine Damen und Herren&comma; Mademoiselle Ilse wird eine Zierde der Pension sein&excl; Mit welcher Eleganz spricht sie französisch&comma; wie gewählt setzt sie die Worte&excl; Ah&comma; sie ist ein Genie&excl;« – Der kleine Herr hatte sich ordentlich in Begeisterung gesprochen und seine Worte mit lebhaften Gestikulationen begleitet&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich wünsche von Herzen&comma; daß Sie recht haben mögen&comma;« entgegnete Fräulein Raimar und erhob sich von ihrem Platze&period; »An Liebe und Nachsicht wollen wir es nicht fehlen lassen&comma; vielleicht gelingt es uns&comma; Ilse verständig und gefügig zu machen&period;« –<&sol;p>&NewLine;<p>Fürs erste schien noch wenig Aussicht dazu&period; Beim Mittagessen legte Ilse wieder den Beweis ab&comma; wie recht Fräulein Raimar hatte&comma; wenn sie behauptete&comma; daß Ilse keinen Tadel vertragen könne&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Sie hielt die Gabel schlecht&period; Die Fingerspitzen berührten fast die Speisen&period; Das Gemüse verzehrte sie mit dem Messer und so heiß&comma; daß sie manchmal&comma; um sich nicht zu verbrennen&comma; den Bissen wieder aus dem Munde fallen ließ&period; Auch hielt sie den Kopf sehr tief über den Teller gebeugt&comma; was ihr das Aussehen eines hungrigen Kindes gab&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Sitze gerade&comma; liebe Ilse&comma;« ermahnte die Vorsteherin&comma; »es ist dir nicht gesund&comma; so krumm zu sitzen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich esse immer so&comma;« erwiderte sie ziemlich kurz&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich aß immer so&comma; meinst du wohl&comma; mein Kind&comma; denn hier wirst du dich daran gewöhnen&comma; zu thun&comma; was Sitte ist &period;&period;&period; Hast du zu Hause auch stets die Gabel so kurz gefaßt und mit dem Messer gegessen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma;« sagte Ilse und warf den Kopf leicht in den Nacken&period; »Papa hatte nie etwas an mir auszusetzen&comma; er war zufrieden&comma; wenn es mir nur schmeckte&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber die Mama&comma; hat auch sie deine Art zu essen gutgeheißen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse schwieg&period; Eine Unwahrheit konnte und mochte sie nicht sagen&comma; denn wie oft hatte die Mutter sie ermahnt&comma; und wie oft hatte sie derselben zur Antwort gegeben&colon; »Dann will ich gar nichts essen&comma; wenn du mich immer tadelst&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Das Fräulein hatte leise&comma; nur für Ilse verständlich gesprochen&period; Niemand ahnte&comma; was sie sagte&comma; denn ihre Züge sahen mild und freundlich aus&period; Eine Antwort auf ihre Frage wartete sie nicht ab&comma; aber es gefiel ihr&comma; daß Ilse lieber schwieg&comma; als gegen ihre Ueberzeugung sprach&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nun iß nur&comma; Kind&comma;« fuhr sie fort&comma; »mit der Zeit wirst du dich schon gewöhnen&period; In wenigen Wochen hast du alle deine kleinen Unebenheiten abgestreift und wir werden niemals nötig haben&comma; etwas an dir zu rügen&period; Nicht wahr&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich weiß es nicht&comma;« erwiderte Ilse und sah mit einem ziemlich verdrießlichen Gesicht auf ihren Teller nieder&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Du mußt dir Mühe geben&comma; dann wird es schon gehen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Dazu schwieg Ilse&period; Natürlich war sie fest davon überzeugt&comma; daß ihr das größte Unrecht geschah&period; Warum sollte sie nicht natürlich essen&quest; Der Papa hatte stets gesagt&comma; sie solle keine Zierpuppe werden&comma; nun hatte man bei allem&comma; was sie that und wie sie es that&comma; etwas auszusetzen&period; Sie wagte kaum noch etwas zu genießen und wenn das so weiter ging&comma; wollte sie lieber verhungern&period; –<&sol;p>

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