Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Kater Martinchen
(Ernst Moritz Arndt)

Geschichte von den sieben bunten Mäusen

<p>Vor langer&comma; langer Zeit wohnte in Puddemin ein Bauer&comma; der hatte eine schöne und fromme Frau&comma; die fleißig betete und alle Sonntage und Festtage zur Kirche ging&comma; auch den Armen&comma; die vor ihre Türe kamen&comma; gern gab&period; Es war überhaupt eine freundliche und mitleidige Seele und im ganzen Dorfe und Kirchspiele von allen Leuten geliebt&period; Nie hat man ein hartes Wort von ihr gehört&comma; noch ist ein Fluch und Schwur oder andere Ungebühr je aus ihrem Munde gegangen&period; Diese Frau hatte sieben Kinder&comma; lauter kleine Dirnen&comma; von welchen die älteste zwölf und die jüngste zwei Jahr alt war&colon; hübsche&comma; lustige Dingelchen&period; Diese gingen alle übereins gekleidet&comma; mit bunten Röckchen und bunten Schürzen und roten Mützchen&semi; Schuhe aber und Strümpfe hatten sie nicht an&comma; denn das hätte zuviel gekostet&comma; sondern gingen barfuß&period; Die Mutter hielt sie nett und reinlich&comma; wusch und kämmte sie morgens früh und abends spät&comma; wann sie aufstanden und zu Bett gingen&comma; lehrte sie lesen und singen und erzog sie in aller Freundlichkeit und Gottesfurcht&period; Wann sie auf dem Felde was zu tun hatte oder weit ausgehen mußte&comma; stellte sie die älteste&comma; welche Barbara hieß&comma; über die andern&semi; diese mußte auf sie sehen&comma; ihnen was erzählen&comma; auch wohl etwas vorlesen&period; Nun begab es sich einmal&comma; daß ein hoher Festtag war &lpar;ich glaube&comma; es war der Karfreitag&rpar;&comma; da ging die Bauerfrau mit ihrem Manne zur Kirche und sagte den Kindern&comma; sie sollten hübsch artig sein&semi; der Barbara aber und den nächst älteren gab sie ein paar Lieder auf aus dem Gesangbuche&comma; die sie auswendig lernen sollten&period; So ging sie weg&period; Barbara und die andern Kinder waren anfangs auch recht artig&semi; die älteren nahmen die Bücher und lasen&comma; und die kleinsten saßen still auf dem Boden und spielten&period; Als sie so saßen&comma; da erblickte das eine Kind etwas hinter dem Ofen und rief&colon; "O seht&excl; Seht&excl; Was ist das für ein schöner und weißer Beutel&excl;" Es war aber ein Beutel mit Nüssen und Äpfeln&comma; den die Mutter des Morgens da hingehängt hatte und den sie des Nachmittags einem ihrer kleinen Paten bringen wollte&period; Die meisten Kinder sprangen nun alsbald auf und guckten danach&comma; und auch Barbara&comma; die älteste&comma; stand auf und guckte mit&period; Und die Kinder flüsterten und sprachen dies und das über den schönen Beutel und was wohl darin sein möchte&period; Und es gelüstete sie so sehr&comma; es zu wissen&comma; und da riß eines den Beutel von dem Nagel&comma; und Barbara öffnete die Schnur&comma; womit er zugebunden war&comma; und es fielen Äpfel und Nüsse heraus&period; Und als die Kinder die Äpfel und Nüsse auf dem Boden hinrollen sahen&comma; vergaßen sie alles&comma; und daß es Festtag war&comma; und was die Mutter ihnen befohlen und aufgegeben hatte&semi; sie setzten sich hin und schmausten Äpfel und knackten Nüsse und aßen alles rein auf&period; Als nun Vater und Mutter um den Mittag aus der Kirche zu Hause kamen&comma; sah die Mutter die Nußschalen auf dem Boden liegen&comma; und sie schaute nach dem Beutel und fand ihn nicht&period; Da erzürnte sie sich und ward böse zum ersten Male in ihrem Leben und schalt die Kinder sehr und rief&colon; "Der Blitz&excl; Ich wollte&comma; daß ihr Mausemärten alle zu Mäusen würdet&excl;" Der Schwur war aber eine große Sünde&comma; besonders weil es ein so heiliger und hoher Festtag war&semi; sonst hätte Gott es der Bäuerin wohl vergeben&comma; weil sie doch so fromm und gottesfürchtig war&period; Kaum hatte die Frau das schlimme Wort aus ihrem Munde gehen lassen&comma; so waren alle die sieben niedlichen Kinderchen weg&comma; als hätte sie ein Wind weggeblasen&comma; und sieben bunte Mäuse liefen in der Stube herum mit roten Köpfchen&comma; wie die Röcke und Mützen der Kinder gewesen waren&period; Und Vater und Mutter erschraken so sehr&comma; daß sie hätten zu Stein werden mögen&period; Da kam der Knecht herein und öffnete die Türe&comma; und die sieben bunten Mäuse liefen alle zugleich hinaus und über die Flur auf den Hof hin&semi; sie liefen aber sehr geschwind&period; Und als die Frau das sah&comma; konnte sie sich nicht halten&comma; denn es war ihr im Herzen&comma; als wären die Mäuse ihre Kinder gewesen&semi; und sie stürzte sich aus der Türe hinaus und mußte den Mäusen nachlaufen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die sieben bunten Mäuse aber liefen den Weg entlang aus dem Dorfe heraus&comma; immer sporenstreichs&semi; und so liefen sie über das Puddeminer Feld und das Günzer Feld und das Schoritzer Feld und durch die Krewe und die Dumsevitzer Koppel&period; Und die Mutter lief ihnen außer Atem nach und konnte weder schreien noch weinen und wußte nicht mehr&comma; was sie tat&period; So liefen die Mäuse über das Dumsevitzer Feld hin und in einen kleinen Busch hinein&comma; wo einige hohe Eichen standen und in der Mitte ein spiegelhellen Teich war&period; Und der Busch steht noch da mit seinen Eichen und heißt der Mäusewinkel&period; Und als sie in den Busch kamen und an den Teich im Busche&comma; da standen sie alle sieben still und guckten sich um&comma; und die Bauerfrau stand dicht bei ihnen&period; Es war aber&comma; als wenn sie ihr Adje sagen wollten&period; Denn als sie die Frau so ein Weilchen angeguckt hatten&comma; plump&excl; Und alle sieben sprangen zugleich ins Wasser und schwammen nicht&comma; sondern gingen gleich unter in der Tiefe&period; Es war aber der helle Mittag&comma; als dies geschah&period; Und die Mutter blieb stehen&comma; wo sie stand&comma; und rührte keine Hand und keinen Fuß mehr&comma; sie war auch kein Mensch mehr&period; Sie ward stracks zu einem Stein&comma; und der Stein liegt noch da&comma; wo sie stand und die Mäuslein verschwinden sah&semi; und das ist dieser große runde Stein&comma; an welchem wir sitzen&period; Und nun höre mal&comma; was nach diesem geschehen ist und noch alle Nacht geschieht&excl; Glocke zwölf&comma; wann alles schläft und still ist und die Geister rundwandeln&comma; da kommen die sieben bunten Mäuse aus dem Wasser heraus und tanzen eine ganze ausgeschlagene Stunde&comma; bis es eins schlägt&comma; um den Stein herum&period; Und sie sagen&comma; dann klingt der Stein&comma; als wenn er sprechen könnte&period; Und das ist die einzige Zeit&comma; wo die Kinder und die Mutter sich verstehen können und voneinander wissen&semi; die übrige Zeit sind sie wie tot&period; Dann singen die Mäuse einen Gesang&comma; den ich dir sagen will&comma; und der bedeutet ihre Veränderung&comma; oder daß sie wieder in Menschen verwandelt werden können&period; Und dies ist der Gesang&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>Herut&excl; herut&excl;<br&sol;>Du junge Brut&excl;<br&sol;>Din Brüdegam schall kamen&semi;<br&sol;>Se hebben di<br&sol;>Doch gar to früh<br&sol;>Din junges Leben namen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Sitt de recht up'n Steen&comma;<br&sol;>Wat he Flesch un Been&comma;<br&sol;>Und wi gan mit dem Kranze&colon;<br&sol;>Säven Junggesell'n<br&sol;>Uns führen schäl'n<br&sol;>Juchhe&excl; to'm Hochtidsdanze&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Und nun will ich dir sagen von dem Gesange&comma; was er bedeutet&period; Die Mäuse tanzen nun wohl schon tausend Jahre und länger um den Stein&comma; wann es die Mitternacht ist&comma; und der Stein liegt ebensolange&period; Es geht aber die Sage&comma; daß sie einmal wieder verwandelt werden sollen&comma; und das kann durch Gottes Gnade nur auf folgende Weise geschehen&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>Es muß eine Frau sein gerade so alt&comma; als die Bäuerin war&comma; da sie aus der Kirche kam&comma; und diese muß sieben Söhne haben gerade so alt&comma; als die sieben kleinen Mädchen waren&period; Sind sie eine Minute älter oder jünger&comma; so geht es nicht mehr&period; Diese Frau muß an einem Karfreitage gerade um die Mittagszeit&comma; als die Frau zu Stein ward&comma; mit ihren sieben Söhnen in den Busch kommen und sich auf den Stein setzen&period; Und wenn sie sich auf den Stein setzt&comma; so wird der Stein lebendig und wird wieder in einen Menschen verwandelt&comma; und dann steht die Bauerfrau wieder da&comma; leibhaftig und in eben den Kleidern&comma; die sie getragen&comma; als sie den Mäusen nachgelaufen zu diesem Mausewinkel&period; Und die sieben bunten Mäuse werden wieder zu sieben kleinen Mädchen in bunten Röcken und mit roten Mützen auf dem Kopf&period; Und jedes kleine Mädchen geht zu dem kleinen Knaben hin&comma; der sein Alter hat&comma; und sie werden Braut und Bräutigam&period; Und wann sie groß werden&comma; so halten sie Hochzeit an einem Tage und tanzen ihre Kränze ab&period; Und es sollen die schönsten Jungfrauen werden auf der ganzen Insel&comma; sagen die Leute&comma; und auch die glücklichsten und reichsten&comma; denn alle diese Güter und Höfe hier umher sollen ihnen gehören&period; Aber ach&comma; du lieber Gott&comma; wann werden sie verwandelt werden&quest;<&sol;p>