Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Märchen und Sagen
(Ernst Moritz Arndt)

Der Wiedehopf

<p>So hat Hinrich Vierk einmal vom Schneidermeister Wiedehopf erzählt&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>Es begeben sich die wunderbarsten Dinge in der Welt&colon; Könige sind Bettler und Bettler sind Könige geworden und kann man keinem ansehen&comma; was er einst gewesen ist und was er noch werden kann&period; So ist der Wiedehopf einst ein Damenschneider gewesen&comma; und wer sieht es ihm jetzt wohl an&comma; daß er vormals in feiner und zierlicher Gesellschaft gelebt hat&quest; Er hat in einer großen reichen Stadt gewohnt und sich wie ein hübscher und feiner Gesell gehalten und einen bunten seidenen Rock getragen&comma; und ist von einem vornehmen Hause in das andere und von einem Pallast in den andern gegangen und hat die kostbaren Zeuge und Stoffe&comma; woraus er Kleider machen sollte&comma; zu Hause getragen&period; Und weil er hübsch und manierlich gewesen ist&comma; haben alle hübsche Frauen ihn zu ihrem Schneider genommen und immer hat er Arbeit bei ihnen gehabt&comma; und auch der Königin&comma; als sie gekrönt werden sollte&comma; hat er den Rock zugemessen&period; So ist Meister Wiedehopf bald ein sehr reicher Mann geworden und hat doch nicht genug kriegen können&comma; sondern ist immer herumgelaufen und hat zu Hause geschleppt und oft so viel zu tragen gehabt&comma; daß er wie ein Karrengaul unter seiner Last stönen und&comma; wann er die Treppen hinaufstieg&comma; <em>Huup&excl; Hupupp&excl;<&sol;em> schreien mußte&period; Diese Arbeitseligkeit und Habseligkeit hätte Gott ihm wohl vergeben&comma; aber es ist eine arge Habsucht daraus geworden&comma; und die hat der Herr nicht länger mit Geduld ansehen können&period; Der Schneider hat zuletzt gestohlen und von allen Zeugen&comma; die er in die Mache bekam&comma; seinen Theil abgekniffen und abstipitzt&period; Da ist es ihm denn geschehen&comma; daß er eines Abends&comma; als er mit einem schweren Bündel und noch schwereren <em>Hupupp&excl; Hupupp&excl;<&sol;em> die Treppe hinaufächzete&comma; plötzlich in einen bunten Vogel verwandelt worden ist&comma; welcher Wiedehopf heißt und um die Häuser und Ställe der Menschen umfliegen und dort mit unersättlicher Gier das Allergarstigste auflesen und in sein Nest tragen muß&period; Er trägt bis diesen Tag einen bunten Rock&comma; aber einen solchen&comma; der an einen schlimmen Ort erinnert&comma; wohin die Diebe und Schelme gehören&period; Der eine Theil des Rockes ist rabenschwarz&comma; der andere feuerroth&comma; und sind beide Theile Farben der Hölle&comma; denn das Schwarze des Rockes soll die höllische Finsterniß und das Feuerrothe das höllische Feuer bedeuten&period; Einen ähnlichen Rock als Meister Wiedehopf trägt auch der Todtengräber&comma; ein blanker garstiger Wurm&comma; der auf den Landstraßen herumläuft und todte Maulwürfe&comma; Käfer und anderes Aas begräbt&semi; auch die bunte Blattwanze hat fast ganz dasselbe Kleid an&colon; beide sind Erzstinker und wahrscheinlich beide einst auch Diebe gewesen&period; Das hat der Wiedehopf noch so beibehalten aus seiner alten Schneiderzeit&comma; daß er immer <em>Hupupp&excl; Hupupp&excl;<&sol;em> schreien muß&comma; als trüge er noch Diebeslast&comma; die ihm zu schwer wird&period; Die Leute nennen ihn deswegen häufig den Kukuksküster&comma; weil sein Laut aus der Ferne wirklich oft so klingt&comma; als wolle einer dem Kukuk seinen Gesang nachsingen&comma; wie der Küster dem Pastor&period; Aber der Kukuk ist ein lustiger Schelm und kann sein Lied in Freuden singen&comma; der Wiedehopf aber ist ein trauriger Schelm&comma; und darum muß er seufzen und klagen und sein <em>Hupupp&excl; Hupupp&excl;<&sol;em> geht ihm gar schwer aus der Kehle&period;<&sol;p>