Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Märchen für Kinder
(Hans Christian Andersen, empfohlenes Alter: 8 - 14 Jahre)

Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern

<p>Es war entsetzlich kalt&semi; es schneite und der Abend dunkelte bereits&semi; es war der letzte Abend im Jahre&comma; Sylvesterabend&period; In dieser Kälte und in dieser Finsternis ging auf der Straße ein kleines armes Mädchen mit bloßem Kopfe und mit nackten Füßen&period; Es hatte wohl freilich Pantoffeln angehabt&comma; als es von Hause fortging&comma; aber das waren die seiner verstorbenen Mutter gewesen und da sie ihr nicht paßten&comma; so hatte sie die Kleine verloren&comma; als sie über die Straße eilte&comma; während zwei Wagen in rasender Eile vorüberjagten&semi; der eine Pantoffel war nicht wieder aufzufinden und mit dem andern machte sich ein Knabe aus dem Staube&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Da ging nun das kleine Mädchen auf den nackten zierlichen Füßchen&comma; die vor Kälte ganz rot und blau waren&period; In ihrer alten Schürze trug sie eine Menge Schwefelhölzer und ein Bund hielt sie in der Hand&period; Während des ganzen Tages hatte ihr niemand etwas abgekauft&comma; niemand ein Almosen gereicht&period; Hungrig und frostig schleppte sich die arme Kleine weiter und sah schon ganz verzagt und eingeschüchtert aus&period; Die Schneeflocken fielen auf ihr langes blondes Haar&comma; das schön gelockt über ihren Nacken hinabfloß&period; Aus allen Fenstern strahlte heller Lichterglanz und über alle Straßen verbreitete sich der Geruch von köstlichem Gänsebraten&period; Es war ja Sylvesterabend und dieser Gedanke erfüllte alle Sinne des kleinen Mädchens&period;<&sol;p>&NewLine;<p>In einem Winkel zwischen zwei Häusern&comma; von denen das eine etwas weiter in die Straße vorsprang als das andere&comma; kauerte es sich nieder&period; Seine kleinen Beinchen hatte es unter sich gezogen&comma; aber es fror nur noch mehr und wagte es trotzdem nicht&comma; nach Hause zu gehen&comma; da es noch kein Schächtelchen mit Streichhölzern verkauft&comma; noch keinen Pfennig erhalten hatte&period; Es hätte gewiß vom Vater Schläge bekommen&comma; und kalt war es zu Hause ja auch&semi; sie hatten das bloße Dach über sich und der Wind pfiff schneidend hinein&comma; obgleich Stroh und Lumpen in die größten Ritzen gestopft waren&period; Ach&comma; wie gut mußte die Wärme eines Schwefelhölzchens thun&excl; Wenn es nur wagen dürfte&comma; eines aus dem Schächtelchen herauszunehmen&comma; es gegen die Wand zu streichen und die Finger daran zu wärmen&excl; Endlich zog das Kind eines heraus&period; „Ritsch&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; wie sprühte es&comma; wie brannte es&period; Das Schwefelholz strahlte eine warme helle Flamme aus&comma; wie ein kleines Licht&comma; als es das Händchen um dasselbe hielt&period; Es war ein merkwürdiges Licht&semi; es kam dem Mädchen vor&comma; als säße es vor einem großen eisernen Ofen mit Messingbeschlägen und Messingverzierungen&semi; das Feuer brannte so schön und wärmte so wohlthuend&excl; Die Kleine streckte schon die Füße aus&comma; um auch diese zu wärmen — da erlosch die Flamme&period; Der Ofen verschwand — sie saß mit einem Stümpfchen des ausgebrannten Schwefelholzes in der Hand da&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ein neues wurde angestrichen&comma; es brannte&comma; es leuchtete&comma; und die Stelle der Mauer&comma; auf welche der Schein fiel&comma; wurde durchsichtig wie ein Flor&period; Die Kleine sah gerade in die Stube hinein&comma; wo der Tisch gedeckt stand und köstlich dampfte die gebratene Gans darauf&period; Und was noch herrlicher war&comma; die Gans sprang aus der Schüssel und watschelte mit Gabel und Messer im Rücken über den Fußboden hin&semi; gerade auf das arme Mädchen zu&period; Da erlosch das Schwefelholz und nur die dicke kalte Mauer war zu sehen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Sie zündete ein neues an&period; Da saß die Kleine unter dem herrlichsten Weihnachtsbaum&semi; er war noch größer und noch weit reicher ausgeputzt als der&comma; den sie am heiligen Abende bei dem reichen Kaufmann durch die Glasthüre gesehen hatte&period; Tausende von Lichtern brannten auf den grünen Zweigen&comma; und bunte Bilder schauten auf sie hernieder&semi; die Kleine streckte beide Hände nach ihnen in die Höhe — da erlosch das Schwefelholz&period; Die vielen Weihnachtslichter stiegen höher und höher und sie sah jetzt erst&comma; daß es die hellen Sterne waren&period; Einer von ihnen fiel herab und zog einen langen Feuerstreifen über den Himmel&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Jetzt stirbt jemand&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte die Kleine&semi; denn die alte Großmutter&comma; welche sie allein freundlich behandelt hatte&comma; jetzt aber längst tot war&comma; hatte gesagt&colon; „Wenn ein Stern fällt&comma; steigt eine Seele zu Gott empor&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Sie strich wieder ein Schwefelholz gegen die Mauer&semi; es warf einen weiten Lichtschein rings umher und im Glanze desselben stand die alte Großmutter hell beleuchtet mild und freundlich da&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Großmutter&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; rief die Kleine&comma; „o nimm mich mit dir&excl; Ich weiß&comma; daß du verschwindest&comma; sobald das Schwefelholz ausgeht&comma; verschwindest&comma; wie der warme Kachelofen&comma; der köstliche Gänsebraten und der große flimmernde Weihnachtsbaum&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Schnell strich sie den ganzen Rest der Schwefelhölzer an&comma; welche sich noch im Schächtelchen befanden&comma; sie wollte die Großmutter festhalten&semi; und die Schwefelhölzer verbreiteten einen solchen Glanz&comma; daß es heller war als am lichten Tage&period; So schön&comma; so groß war die Großmutter nie gewesen&semi; sie nahm das kleine Mädchen auf ihren Arm und hoch schwebten sie empor in Glanz und Freude&semi; Kälte&comma; Hunger und Angst wichen von ihm — sie waren bei Gott&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber im Winkel am Hause saß in der kalten Morgenstunde das kleine Mädchen mit roten Wangen&comma; mit Lächeln um den Mund — tot&comma; erfroren am letzten Tage des alten Jahres&period; Der Morgen des neuen Jahres ging über der kleinen Leiche auf&comma; welche mit den Schwefelhölzern&comma; wovon fast ein Schächtelchen verbrannt war&comma; dasaß&period; „Sie hat sich wärmen wollen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte man&period; Niemand wußte&comma; was sie Schönes gesehen hatte&comma; in welchem Glanze sie mit der alten Großmutter zur Neujahrsfreude eingegangen war&period;<&sol;p>