Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Märchen für Kinder
(Hans Christian Andersen, empfohlenes Alter: 8 - 14 Jahre)

Der Schneemann

<p>Es knackt und prasselt in mir&comma; so schön kalt ist es&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Schneemann&period; „Der eisige Wind bringt einem fürwahr Leben in die Glieder&period; Und sieh nur&comma; wie die große Lampe da oben verglüht&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Er meinte die untergehende Sonne&period; „Sie soll mich nicht zum Blinzeln bringen&comma; ich halte meine Bruchstücke schon noch zusammen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Es waren zwei große dreieckige Dachziegelstücke&comma; die ihm als Augen dienten&period; Sein Mund war ein Stück von einer alten Harke&comma; weshalb derselbe auch Zähne hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Er war unter Hurrahruf der Knaben geboren&comma; begrüßt von dem Schellengeläute und dem Peitschengeknall der Schlitten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Sonne ging unter&comma; der Vollmond ging auf&comma; rund und groß&comma; klar und schön in der blauen Luft&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Nun haben wir sie wieder von einer andern Seite&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Schneemann&period; Er glaubte&comma; es wäre die Sonne&comma; welche sich abermals zeigte&period; „Ich habe es ihr abgewöhnt&comma; mich anzuglühen und anzuglotzen&excl; Nun kann sie dort oben hängen und so viel Licht verbreiten&comma; daß ich mich selbst sehen kann&period; Wüßte ich nur&comma; wie man es anzustellen hat&comma; um vom Flecke zu kommen&period; Vermöchte ich es&comma; so würde ich jetzt auf das Eis hinuntergehen&comma; um zu schlittern&comma; wie ich es die Knaben thun sah&period; Aber ich verstehe nicht zu laufen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Weg&comma; weg&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; bellte der alte Kettenhund&comma; der etwas heiser geworden seitdem er nicht mehr Stubenhund war&semi; „die Sonne wird dich schon laufen lehren&semi; das habe ich an deinen Vorgängern gesehen&period; Weg&comma; weg&comma; und weg sind Alle&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich verstehe dich nicht&comma; Kamerad&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Schneemann&period; „Soll mich etwa die da oben laufen lehren&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; Er meinte den Mond&period; „Sie lief freilich vorher&comma; als ich sie starr ansah&comma; und jetzt schleicht sie sich wieder von einer anderen Seite heran&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Du weißt nichts&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Kettenhund&comma; „aber du bist ja auch erst vor Kurzem zusammengeklatscht&excl; Das&comma; was du jetzt siehst&comma; heißt der Mond&comma; und das was unterging&comma; war die Sonne&period; Sie kommt morgen wieder und wird dich dann schon lehren in den Wallgraben hinunter zu laufen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich verstehe ihn nicht&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sprach der Schneemann bei sich selbst&comma; „aber ich habe eine Empfindung davon&comma; daß es etwas Unangenehmes ist&comma; was er mir andeutet&period; Sie&comma; die er die Sonne nennt&comma; ist meine Feindin&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Weg&comma; weg&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; bellte der Kettenhund&comma; ging dreimal im Kreise um sich selbst und legte sich dann in sein Haus&comma; um zu schlafen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Es trat eine Veränderung im Wetter ein&period; Ein dicker und feuchter Nebel legte sich am Morgen über die ganze Gegend&period; Kurz vor Aufgang der Sonne fing es ein wenig an zu wehen&period; Der Wind war eisig&comma; der Frost durchschüttelte einen&comma; aber welch ein herrlicher Anblick bot sich dar&comma; als sich nun die Sonne erhob&excl; Alle Bäume und Sträucher standen mit Reif bedeckt da&period; Die Gegend glich einem ganzen Walde weißer Korallen&period; Es war&comma; als ob alle Zweige von blendend weißen Blüten bedeckt wären&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Es war eine wunderbare Pracht&period; Als dann die Sonne schien&comma; funkelte alles&comma; als wäre es mit Diamantstaub überschüttet&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ach wie herrlich das ist&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte ein junges Mädchen&comma; welches mit einem jungen Manne in den Garten hinaustrat und gerade neben dem Schneemanne Halt machte&comma; von wo sie sich die schimmernden Bäume anblickten&period; „Einen schöneren Anblick hat man selbst im Sommer nicht&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte sie&comma; und ihre Augen strahlten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Und so einen Kerl&comma; wie diesen hier&comma; hat man erst gar nicht&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; entgegnete der junge Mann und zeigte auf den Schneemann hin&period; „Er ist ausgezeichnet&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Das junge Mädchen lächelte&comma; nickte dem Schneemanne zu und tänzelte dann mit ihrem Freunde über den knirschenden Schnee&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Wer waren die Beiden&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; fragte der Schneemann den Kettenhund&period; „Du bist älter auf dem Hofe als ich&comma; kennst du sie&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Versteht sich&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Kettenhund&period; „Sie hat mich ja gestreichelt und er mir öfter einen Knochen gegeben&semi; die beiße ich nicht&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Aber was stellen sie hier vor&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; fragte der Schneemann&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Brautleute&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; erwiderte der Kettenhund&period; „Sie gehören zur Herrschaft&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Man ist doch noch recht dumm&comma; wenn man kaum erst gestern geboren ist&comma; das merke ich an dir&excl; Ich bin alt und besitze Kenntnisse&comma; ich kenne Alle auf dem Hofe&period; Und ich habe eine Zeit gekannt&comma; wo ich hier nicht in der Kälte und an der Kette stand&period; Weg&comma; weg&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Die Kälte ist prächtig&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Schneemann&period; „Erzähle&comma; erzähle&excl; Aber du mußt mit deiner Kette nicht so rasseln&comma; denn dabei knackt es gleich in mir&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Weg&comma; weg&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; bellte der Kettenhund&period; „Ich bin ein Hündchen gewesen&comma; klein und niedlich&comma; sagten sie&period; Damals lag ich drinnen im Schlosse auf einem Sammetstuhle&comma; lag auf dem Schooße der Herrin&period; Ich hieß der „Hübscheste&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; der „Schönfuß&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Dann wurde ich der Herrschaft zu groß und sie gaben mich deshalb der Haushälterin&period; Ich kam in die Kellerwohnung&semi; von dort&comma; wo du stehst&comma; kannst du gerade in die Kammer hineinsehen&comma; in der ich die Herrschaft gewesen bin&comma; denn das war ich bei der Haushälterin&period; Es war wohl ein geringerer Platz als oben&comma; aber hier war es behaglicher&period; Ich wurde nicht wie oben von den Kindern gedrückt und mit umhergeschleppt&period; Ich hatte eben so gutes Futter wie zuvor und weit mehr&period; Ich hatte mein eigenes Kissen&comma; und ferner gab es dort einen Ofen&comma; der doch&comma; namentlich in jetziger Zeit&comma; das Schönste in der Welt ist&excl; Ich kroch völlig unter ihn&comma; so daß ich ganz verschwand&period; O&comma; von diesem Kachelofen träume ich noch jetzt&excl; Weg&comma; weg&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Sieht ein Kachelofen denn so schön aus&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; fragte der Schneemann&period; „Ähnelt er mir&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Er ist der gerade Gegensatz von dir&excl; Kohlschwarz ist er und hat einen langen Hals mit einer Messingtrommel&period; Er frißt Brennholz&comma; so daß ihm das Feuer aus dem Munde sprüht&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Schneemann sah hin und bemerkte wirklich einen schwarzen&comma; blankpolierten Gegenstand mit einer Messingtrommel&period; Das Feuer strahlte nach vorn auf den Fußboden hinaus&period; Dem Schneemann wurde ganz sonderbar zu Mute&period; Er hatte eine Empfindung&comma; von der er sich selber keine Rechenschaft ablegen konnte&period; Es überschlich ihn etwas&comma; was er nicht kannte&comma; was aber alle Menschen kennen&comma; wenn sie nicht Schneemänner sind&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Und weshalb verließest du sie&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; fragte der Schneemann&period; „Wie konntest du überhaupt eine solche Stelle verlassen&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich war dazu gezwungen&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Kettenhund&period; „Sie warfen mich hinaus und legten mich an die Kette&period; Ich hatte den kleinsten Junker in das Bein gebissen&comma; weil er mir den Knochen&comma; an welchem ich nagte&comma; fortstieß&period; Bein für Bein&comma; heißt es bei mir&excl; Aber das nahmen mir des Knaben Eltern übel&comma; und seit der Zeit habe ich hier an der Kette liegen müssen und meine helle Stimme verloren&period; Höre nur&comma; wie heiser ich bin&period; Weg&comma; weg&excl; Das ist das Ende vom Liede gewesen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Schneemann hörte nicht mehr darauf&semi; er blickte beständig nach der Kellerwohnung der Haushälterin&comma; blickte in ihre Stube hinein&comma; wo der Kachelofen auf seinen vier eisernen Füßen stand und sich in seiner ganzen Größe zeigte&comma; die der des Schneemanns in nichts nachgab&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Es knackt so eigentümlich in mir&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte er&period; „Soll ich dort nie hineinkommen&quest; Es ist mein höchster Wunsch&comma; mein einziger Wunsch&comma; und es würde fast ungerecht sein&comma; wenn er nicht befriedigt würde&period; Ich muß hinein&comma; ich muß mich an ihn lehnen&comma; und sollte ich auch das Fenster zerschlagen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Dort kommst du nie hinein&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Kettenhund&comma; „und kämest du wirklich zum Kachelofen&comma; dann wärest du weg&comma; weg&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich bin jetzt schon so gut wie weg&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Schneemann&comma; „ich zerbreche&comma; glaube ich&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Den ganzen Tag stand der Schneemann da und sah zum Fenster hinein&period; In der Dämmerung wurde die Stube noch traulicher&period; Aus dem Kachelofen leuchtete es so mild&comma; wie weder Mond noch Sonne leuchten kann&comma; nein&comma; wie nur der Kachelofen zu leuchten vermag&comma; wenn etwas in ihm steckt&period; Ging die Thüre auf&comma; so schlug die Flamme hinaus&comma; es war so ihre Gewohnheit&period; Des Schneemannes weißes Antlitz wurde dann von einer flammenden Röte übergossen&comma; und auch seine Brust leuchtete in rötlichem Glanze&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich halte es nicht aus&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte er&period; „Wie schön es ihn kleidet&comma; die Zunge herauszustrecken&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Nacht war sehr lang&comma; aber dem Schneemann kam sie nicht so vor&period; Er stand in Gedanken versunken&comma; und sie erfroren&comma; daß sie knackten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Früh morgens waren die Kellerfenster zugefroren&semi; sie trugen die schönsten Eisblumen&comma; die ein Schneemann nur verlangen kann&comma; allein sie verbargen den Kachelofen&period; Die Scheiben wollten nicht auftauen&comma; er konnte die Flamme nicht mehr sehen&period; Es knackte&comma; es war eben im herrlichsten Frostwetter&comma; über das sich ein jeder Schneemann freuen muß&comma; aber er freute sich nicht darüber&period; Er hätte sich glücklich fühlen können und dürfen&comma; aber er war nicht glücklich&comma; er litt eben gar zu sehr am „Kachelofenweh&OpenCurlyDoubleQuote;&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Das ist eine schlimme Krankheit für einen Schneemann&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Kettenhund&semi; „ich habe auch einmal an derselben Krankheit gelitten&comma; habe sie aber überstanden&period; Weg&comma; weg&excl; — Jetzt bekommen wir Witterungswechsel&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Und Witterungswechsel trat ein&comma; es schlug in Tauwetter um&period; Das Tauwetter nahm zu&comma; der Schneemann nahm ab&period; Er sagte nichts&comma; er klagte nicht&comma; und das ist das echte Zeichen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Eines Morgens stürzte er zusammen&period; Es ragte etwas einem Besenstiel Ähnliches dort in die Höhe&comma; wo er gestanden hatte&period; Um diesen Gegenstand&comma; der ihm Halt verleihen sollte&comma; hatten ihn die Knaben aufgerichtet&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Nun kann ich seine Sehnsucht verstehen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Kettenhund&period; „Der Schneemann hat eine Ofenkratze im Leibe gehabt&period; Sie war es&comma; die sich in ihm bewegt hat&period; Nun hat er es überstanden&period; Weg&comma; weg&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Und bald war auch der lange&comma; böse Winter überstanden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Weg&comma; weg&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; bellte der Kettenhund&semi; aber die kleinen Mädchen sangen auf dem Hofe&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>„Schießt auf&comma; ihr Blümlein&comma; frisch und hold&comma;<br&sol;>Zeig’&comma; Weide&comma; deine Woll’ wie Gold&excl;<br&sol;>Ihr Vöglein kommt&comma; singt hell und klar&comma;<br&sol;>Schon ist der letzte Februar&comma;<br&sol;>Ich singe mit&comma; Kuckuck&comma; Quivit&excl;<br&sol;>Komm’ Sonne&comma; komm’&comma; wenn ich dich bitt&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Und nun denkt niemand mehr weder an den Winter&comma; noch an den Schneemann und sein „Kachelofenweh&OpenCurlyDoubleQuote;&comma; selbst nicht einmal der heisere Kettenhund&period;<&sol;p>

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