Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Märchen für Kinder
(Hans Christian Andersen, empfohlenes Alter: 8 - 14 Jahre)

Der fliegende Koffer

<p>Es war einmal ein Kaufmann&comma; der so reich war&comma; daß er die ganze Straße und beinahe noch ein Seitengäßchen mit lauter harten Thalern pflastern konnte&period; Allein das that er nicht&comma; er wußte sein Geld anders anzuwenden&period; Gab er einen Dreier aus&comma; bekam er einen Thaler wieder&period; Aber er mußte doch sterben und sein Sohn bekam nun all dies Geld und er lebte lustig&comma; ging jede Nacht auf Maskenbälle&comma; machte Papierdrachen aus Thalerscheinen und so konnte das Geld schon abnehmen und that es auch&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Zuletzt besaß er nicht mehr als wenige Groschen und hatte keine andern Kleider als ein Paar Pantoffeln und einen alten Schlafrock&period; Nun bekümmerten sich seine Freunde nicht länger um ihn&comma; da sie sich ja mit ihm zusammen nicht auf der Straße sehen lassen konnten&semi; nur einer von ihnen&comma; ein gutmütiger Mensch&comma; sandte ihm einen alten Koffer und ließ ihm sagen&colon; „Pack ein&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Ja&comma; das war nun wohl recht gut&comma; aber er hatte nichts einzupacken und deshalb setzte er sich selbst in den Koffer&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Das war ein absonderlicher Koffer&period; Sobald man an das Schloß drückte&comma; konnte er fliegen&period; Er that es und husch&excl; flog er mit ihm durch den Schornstein&comma; über die Stadt hinweg&comma; hoch hinauf bis über die Wolken&comma; weiter und immer weiter fort&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Endlich kam er nach dem Lande der Türken&period; Den Koffer verbarg er im Walde unter dürren Blättern und ging dann in die Stadt hinein&period; Das konnte er recht wohl thun&comma; denn bei den Türken ging ja alles wie er in Schlafrock und Pantoffeln&period; Da begegnete er einer Frau und fragte sie&colon; „Was ist das für ein großes Schloß hier unmittelbar bei der Stadt&comma; dessen Fenster so hoch sitzen&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Dort wohnt die Tochter des Königs&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte sie&comma; „es ist ihr geweissagt worden&comma; daß sie einstmals über ihren Bräutigam sehr unglücklich werden würde und deshalb darf niemand zu ihr kommen&comma; wenn nicht der König und die Königin zugegen sind&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich danke&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Kaufmannssohn und dann ging er in den Wald hinaus&comma; setzte sich in seinen Koffer&comma; flog auf das Dach des Schlosses und kroch durch das Fenster zur Prinzessin hinein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Sie lag auf dem Sofa und schlief&semi; sie war so lieblich&comma; daß er sie küssen mußte&period; Sie erwachte und erschrack heftig&comma; er aber sagte&comma; er wäre der Türkengott&comma; der durch die Luft zu ihr gekommen wäre und das schmeichelte ihr&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Da saßen sie nun Seite an Seite und er erzählte ihr Märchen und Geschichten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ja&comma; das waren herrliche Geschichten&excl; Dann freite er um die Prinzessin und sie sagte sogleich ja&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Aber Sie müssen den Sonnabend herkommen&comma; da ist der König und die Königin bei mir zum Thee&period; Sie werden sehr stolz darauf sein&comma; daß ich den Türkengott bekomme&period; Aber sorgen Sie dafür&comma; daß Sie ein recht schönes Märchen erzählen können&comma; denn das gewährt meinen Eltern die angenehmste Unterhaltung&period; Meine Mutter hört gern ernste und vornehme&comma; und mein Vater lustige&comma; über die man lachen kann&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ja&comma; ich bringe keine andere Brautgabe&comma; als ein Märchen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; und dann trennten sie sich&semi; aber die Prinzessin gab ihm einen mit Goldstücken besetzten Säbel&comma; und die Goldstücke konnte er besonders gebrauchen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nun flog er fort&comma; kaufte sich einen neuen Schlafrock&comma; ließ seinen Koffer recht schön herrichten&comma; setzte sich dann draußen in den Wald und dichtete ein Märchen&period; Das sollte bis zum Sonnabend fertig sein und das war nicht so leicht&period; Als es nun fertig war&comma; siehe da war es gerade Sonnabend&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der König&comma; die Königin und der ganze Hof warteten bei der Prinzessin mit dem Thee&period; Als der Kaufmannssohn nun angeflogen kam&comma; wurde er sehr freundlich empfangen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Wollen Sie nun ein Märchen erzählen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte die Königin&comma; „eins&comma; welches tiefsinnig und belehrend ist&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Aber worüber man auch lachen kann&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der König&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Jawohl&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte er und erzählte nun folgendes&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>„ Es war einmal ein Bund Schwefelhölzer&comma; die sich auf ihre hohe Abkunft was einbildeten&period; Ihr Stammbaum&comma; das heißt die große Fichte&comma; von der jedes ein kleines&comma; kleines Stückchen war&comma; stand als ein großer alter Baum im Walde&period; Die Schwefelhölzer lagen nun auf dem Gesimse zwischen einem Feuerzeuge und einem alten eisernen Topfe und diesen erzählten sie von ihrer Jugend&period; „Ja&comma; als wir auf dem grünen Zweige waren&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagten sie&comma; „da waren wir wahrlich auf einem grünen Zweige&period; Jeden Abend und Morgen gab es Diamantthee&comma; das war der Tau&comma; den ganzen Tag hatten wir Sonnenschein&comma; wenn nämlich die Sonne schien und alle die kleinen Vögel mußten uns Geschichten erzählen&period; Wir konnten recht gut merken&comma; daß wir auch reich waren&comma; denn die Laubbäume waren nur im Sommer bekleidet&comma; aber unsere Familie hatte die Mittel&comma; für Sommer und Winter grüne Kleider anzuschaffen&period; Nun aber kamen Holzhauer und es entstand eine große Umwälzung&semi; unsere ganze Familie zersplitterte sich&period; Der Stammherr erhielt als Hauptmast Platz auf einem prächtigen Schiffe&comma; das die Welt umsegeln konnte&comma; wenn es wollte&period; Den anderen Zweigen wurden andere Stellen eingeräumt und wir haben nun die Aufgabe&comma; der niederen Menge das Licht anzuzünden&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich weiß ein anderes Lied zu singen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Eisentopf&comma; an dessen Seite die Schwefelhölzer lagen&period; „Seit ich das Licht der Welt erblickte&comma; bin ich viele mal gescheuert und gekocht worden&period; Ich sorge für das Dauerhafte und bin&comma; eigentlich gesprochen&comma; der erste hier im Hause&period; Meine einzige Freude ist&comma; nach Tische rein und fein auf dem Gesimse zu liegen und mit den Kameraden vernünftig zu plaudern&period; Nehme ich aber den Wassereimer aus&comma; der doch bisweilen auf den Hof hinunter kommt&comma; so leben wir hier immer hinter zugemachten Thüren&period; Unser einziger Neuigkeitsbote ist der Marktkorb&comma; aber der redet zu aufrührerisch über die Regierung und das Volk&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Nun sprichst du zu viel&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte das Feuerzeug und der Stahl schlug gegen den Feuerstein&comma; daß Funken sprühten&period; „Wollen wir uns nicht einen lustigen Abend machen&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ja&comma; lasset uns davon sprechen&comma; wer der Vornehmste ist&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagten die Schwefelhölzer&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Nein&comma; ich spreche nicht gern von mir selber&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; versetzte der Thontopf&period; „Ich schlage eine Abendunterhaltung vor&period; Ich will den Anfang machen und etwas erzählen&semi; jeder teilt mit&comma; was er erlebt hat&period; Da kann man sich so trefflich hineinfinden und es ist sehr lustig&excl; Also hört&colon; An der Ostsee bei den dänischen Buchten brachte ich meine Jugend bei einer stillen Familie zu&semi; die Möbel wurden poliert&comma; der Fußboden aufgewischt und alle vierzehn Tage wurden neue Vorhänge aufgesteckt&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Wie anschaulich Sie doch erzählen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Haarbesen&period; „Man kann gleich hören&comma; daß ein Frauenzimmer erzählt&semi; es zieht sich etwas Reinliches hindurch&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ja&comma; das fühlt man&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Wassereimer und machte einen Satz&comma; daß es auf dem Boden nur so klatschte&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Topf fuhr fort zu erzählen und das Ende entsprach dem Anfange&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Alle Teller klirrten vor Freude und der Haarbesen zog grüne Petersilie aus dem Sandloche und bekränzte den Topf&comma; weil er wußte&comma; er würde die andern dadurch ärgern und „bekränze ich ihn heute&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; dachte er&comma; „so bekränzt er mich morgen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Nun will ich tanzen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte die Feuerzange und tanzte&period; „Werde ich nun auch bekränzt&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; fragte die Feuerzange und sie wurde es&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Das ist doch nur Pöbel&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; dachten die Schwefelhölzer&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nun sollte die Theemaschine singen&comma; aber sie entschuldigte sich mit Erkältung&semi; auch könnte sie nur in kochendem Zustande singen&comma; aber es geschah eigentlich aus lauter Vornehmthuerei&semi; sie wollte nur auf dem Tisch drinnen bei der Herrschaft singen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Im Fenster saß eine alte Feder&comma; mit der die Magd zu schreiben pflegte&period; Es war nichts Bemerkenswertes an ihr&comma; ausgenommen&comma; daß sie zu tief in das Tintenfaß getaucht war&comma; aber gerade darauf that sie sich etwas zu Gute&period; „Will die Theemaschine nicht singen&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte sie&comma; „so mag sie es bleiben lassen&period; Draußen sitzt im Bauer eine Nachtigall&comma; die singen kann&semi; sie hat zwar nichts gelernt&comma; aber gleichwohl wollen wir ihr das heute Abend nicht übel auslegen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich finde es im höchsten Grade unpassend&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; äußerte der Theekessel&comma; der das Amt eines Küchensängers bekleidete und ein Halbbruder der Theemaschine war&comma; „daß ein fremder Vogel angehört werden soll&period; Ist das patriotisch&quest; Ich fordere den Marktkorb auf&comma; darüber sein Urteil abzugeben&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich ärgere mich nur&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Marktkorb&comma; „ich ärgere mich so sehr&comma; wie es sich niemand vorstellen kann&excl; Würde es nicht weit vernünftiger sein&comma; das ganze Haus einmal auf den rechten Fleck zu setzen&quest; Jeder sollte dann schon den ihm gebührenden Platz erhalten&comma; und ich würde die ganzen Anordnungen treffen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ja&comma; laßt uns Lärm machen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; riefen sie sämtlich&period; Plötzlich ging die Thüre auf&period; Es war das Dienstmädchen&comma; und nun standen sie still und wagten nicht Muck zu sagen&period; Aber da war kein Topf&comma; der nicht ein Gefühl seiner Macht und Würde gehabt hätte&period; „Ja&comma; wenn ich nur gewollt hätte&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; dachte ein jeder&comma; „dann würde es sicher einen lustigen Abend gegeben haben&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Das Dienstmädchen nahm die Schwefelhölzer und machte Feuer mit ihnen an — Gott bewahre uns&comma; wie sie sprühten und aufflammten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Nun kann ein jeder sehen&comma; daß wir die ersten sind&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; dachten sie&period; „Welchen Glanz&comma; welches Licht wir haben&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; — und nun waren sie ausgebrannt&period; Und nun ist auch meine Geschichte aus&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Das war ein herrliches Märchen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte die Königin&period; „Ich fühlte mich im Geiste ganz zu den Schwefelhölzern in die Küche versetzt&period; Ja&comma; nun sollst du unsere Tochter haben&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Jawohl&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der König&comma; „du sollst unsere Tochter den Montag bekommen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; denn nun sagte er zu ihm&comma; als zu einem künftigen Familiengliede&comma; „du&OpenCurlyDoubleQuote;&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Hochzeit war also festgesetzt und den Abend vorher wurde die ganze Stadt erleuchtet&semi; es war außerordentlich prachtvoll&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich muß wohl auch daran denken&comma; mein Scherflein zu den Feierlichkeiten beizutragen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; dachte der Kaufmannssohn&comma; und nun kaufte er Raketen&comma; Knallerbsen und alles erdenkliche Feuerwerk&comma; legte es in seinen Koffer und flog damit in die Luft empor&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Rutsch&excl; ging es in die Höhe und verpuffte unter vielem Lärm&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Alle Türken hüpften dabei in die Höhe&comma; daß ihnen die Pantoffeln um die Ohren fuhren&period; Dergleichen Lufterscheinungen hatten sie niemals gesehen&period; Nun sahen sie ein&comma; daß es der Türkengott selber war&comma; der die Prinzessin bekommen sollte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Sobald sich der Kaufmannssohn mit seinem Koffer wieder in den Wald hinabgelassen hatte&comma; dachte er&colon; „Ich will doch in die Stadt gehen&comma; um mir berichten zu lassen&comma; wie es sich ausgenommen hat&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Man kann sich wohl zusammenreimen&comma; daß er Lust dazu hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nein&comma; was ihm die Leute doch alles erzählten&excl; Ein jeder&comma; bei dem er sich erkundigte&comma; hatte es in seiner Weise gesehen&comma; aber einen prächtigen Eindruck hatte es auf alle gemacht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich sah den Türkengott selbst&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; erzählte der eine&comma; „er hatte Augen wie blitzende Sterne und einen Bart wie schäumendes Wasser&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Er flog in einem feurigen Mantel&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; berichtete ein anderer&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ja&comma; das waren vortreffliche Sachen&comma; die er zu hören bekam&comma; und den Tag darauf sollte er Hochzeit haben&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nun ging er nach dem Walde zurück&comma; um sich in seinen Koffer zu setzen — aber wo war der&quest; Der Koffer war verbrannt&period; Ein Funke war von dem Feuerwerk zurückgeblieben&comma; der Feuer gefangen und den Koffer in Asche gelegt hatte&period; Er konnte nicht mehr fliegen&comma; nicht mehr zu seiner Braut gelangen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Sie aber stand den ganzen Tag auf dem Dache und harrte seiner&period; Sie wartet noch&comma; er aber durchzieht die Welt und erzählt Märchen&comma; die jedoch nicht mehr so lustig sind&comma; wie das von den Schwefelhölzchen&period;<&sol;p>

«

»