Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Märchen für Kinder
(Hans Christian Andersen, empfohlenes Alter: 8 - 14 Jahre)

Die Störche

<p>Auf dem letzten Hause eines kleinen Dörfchens befand sich ein Storchnest&period; Die Storchmutter saß im Neste bei ihren vier Jungen&comma; welche den Kopf mit dem kleinen schwarzen Schnabel&comma; denn er war noch nicht rot geworden&comma; hervorstreckten&period; Ein Stückchen davon stand auf der Dachfirste starr und steif der Storchvater&period; Man hätte meinen können&comma; er wäre aus Holz gedrechselt&comma; so stille stand er&period; „Gewiß sieht es recht vornehm aus&comma; daß meine Frau eine Schildwache bei dem Neste hat&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; dachte er&period; Und er stand unermüdlich auf einem Beine&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Unten auf der Straße spielte eine Schar Kinder und als sie die Störche erblickten&comma; sang einer der dreistesten Knaben und allmählich alle zusammen einen Vers aus einem alten Storchliede&comma; so gut sie sich dessen erinnern konnten&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>Störchlein&comma; Störchlein&comma; fliege&comma;<br&sol;>Damit ich dich nicht kriege&comma;<br&sol;>Deine Frau&comma; die liegt im Neste dein<br&sol;>Bei deinen lieben Kindelein&colon;<br&sol;>Das eine wird gepfählt&comma;<br&sol;>Das andere wird abgekehlt&comma;<br&sol;>Das dritte wird verbrannt&comma;<br&sol;>Das vierte dir entwandt&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>„Höre nur&comma; was die Jungen singen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagten die kleinen Storchkinder&period; „Sie sagen&comma; wir sollen gebraten und verbrannt werden&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Daraus braucht ihr euch nichts zu machen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte die Storchmutter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber die Knaben wiederholten es immer von Neuem und wiesen mit Fingern nach dem Storche&period; Nur ein Knabe&comma; Peter mit Namen&comma; sagte&comma; es wäre eine Sünde und Schande&comma; sich über die Tiere lustig zu machen&comma; und nahm an ihrem Unfug nicht Teil&period; Die Storchmutter tröstete ihre Kinder&colon; „Kümmert euch nicht darum&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte sie&semi; „seht nur&comma; wie ruhig und unbekümmert euer Vater dasteht&comma; und zwar auf einem Beine&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Uns ist so bange&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagten die Jungen und zogen ihre Köpfe in das Nest zurück&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als am nächsten Tage die Kinder wieder zum Spielen zusammenkamen und die Störche erblickten&comma; begannen sie wieder ihr altes Lied&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>Das eine wird gepfählt&comma;<br&sol;>Das andere wird abgekehlt&excl; —<&sol;p>&NewLine;<p>„Werden wir wohl gepfählt und verbrannt&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; fragten die Storchkinder&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Nein&comma; sicher nicht&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; erwiderte die Mutter&period; „Ihr sollt fliegen lernen&semi; ich werde euch schon einüben&excl; Dann geht es hinaus auf die Wiese und auf Besuch zu den Fröschen&period; Das wird eine Lust werden&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Und was dann&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; fragten die Storchkinder&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Dann versammeln sich alle Störche&comma; die hier im Lande wohnen und darauf beginnt die große Herbstübung&period; Da muß man gut fliegen&comma; das ist von großer Wichtigkeit&comma; denn wer nicht fliegen kann&comma; wird von dem General mit seinem Schnabel totgestochen&period; Lernt deshalb nur fliegen&comma; wenn der Unterricht beginnt&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Dann werden wir aber doch gepfählt&comma; wie die Knaben behaupteten&comma; und höre nur&comma; jetzt sagen sie es schon wieder&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Hört auf mich und nicht auf sie&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte die Storchmutter&period; „Nach der großen Übung fliegen wir nach den warmen Ländern&comma; weit fort von hier&comma; über Berge und Wälder&period; Nach Ägypten fliegen wir&comma; wo es dreieckige Steinhäuser giebt&comma; die in einer Spitze zusammenlaufen und bis über die Wolken ragen&period; Da ist auch ein Fluß&comma; der aus seinen Ufern tritt und das ganze Land mit Schlamm bedeckt&period; Man geht im Schlamm und ißt Frösche&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„O&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; riefen alle Jungen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ja&comma; da ist es wunderbar schön&excl; Man thut den ganzen Tag nichts Anderes als essen&period; Und während wir es so gut haben&comma; ist hier zu Lande nicht ein grünes Blatt auf den Bäumen&period; Hier ist es so kalt&comma; daß die Wolken in Stücke gefrieren und in kleinen weißen Läppchen herniederfallen&comma; was dann die Menschen Schnee nennen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Zerfrieren denn auch die unartigen Knaben in lauter Stücke&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; fragten die Storchkinder&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Nein&comma; in Stücke zerfrieren sie nicht&comma; aber es fehlt nicht viel daran und sie müssen in der dunklen Stube und hinter dem Ofen sitzen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Inzwischen war schon einige Zeit verstrichen&comma; und die Jungen waren so groß&comma; daß sie im Neste aufrecht stehen und sich weit umschauen konnten&period; Der Storchvater kam jeden Tag mit wohlschmeckenden Fröschen&comma; kleinen Schlangen und allen auffindbaren Storchleckereien geflogen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Hört&comma; nun müßt ihr fliegen lernen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte eines Tages die Storchmutter&comma; und dann mußten alle vier Junge auf die Dachfirste hinaus&period; O&comma; wie sie schwankten&excl; Wie sie suchten&comma; sich mit den Flügeln im Gleichgewicht zu erhalten&comma; und doch nahe daran waren&comma; hinunter zu fallen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Seht nun auf mich&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte die Mutter&period; „So müßt ihr den Kopf halten&excl; So müßt ihr die Beine setzen&excl; Eins&comma; zwei&excl; eins&comma; zwei&excl; Das wird euch in der Welt vorwärts bringen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Darauf flog sie eine kurze Strecke und die Jungen machten einen kleinen plumpen Satz&period; Bums&excl; da lagen sie&comma; denn sie waren noch zu schwerfällig&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich will nicht fliegen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte das eine Junge und kroch wieder in das Nest hinein&period; „Ich mache mir nichts daraus&comma; nach den warmen Ländern zu kommen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„So willst du also hier im Winter erfrieren&quest; Sollen etwa die Knaben kommen und dich pfählen&comma; abkehlen und verbrennen&quest; Dann will ich sie rufen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„O nein&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte das Storchkind und hüpfte dann wieder auf das Dach zu den andern&period; Den dritten Tag konnten sie schon ordentlich ein wenig fliegen&comma; und nun meinten sie auch in der Luft schweben zu können&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Seht&comma; das war sehr gut&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte die Storchmutter&semi; „Ihr sollt morgen mit mir in den Sumpf fliegen&period; Dort kommen mehrere nette Storchfamilien mit ihren Kindern zusammen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Aber sollen wir denn an den unartigen Knaben keine Rache nehmen&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; fragten die Storchjungen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Laßt sie schreien&comma; was sie wollen&excl; Ihr erhebt euch doch zu den Wolken und kommt nach dem Lande der Pyramiden&comma; während sie frieren müssen und kein grünes Blatt noch einen süßen Apfel haben&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ja&comma; wir wollen uns rächen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; flüsterten sie einander zu und dann wurde wieder fleißig geübt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Von allen Knaben auf der Gasse war keiner ärger&comma; das Spottlied zu singen&comma; als gerade der&comma; welcher es zuerst angestimmt hatte&comma; und das war ein ganz kleiner Bursche&comma; denn er zählte sicher nicht mehr als sechs Jahre&period; Die Storchkinder meinten freilich&comma; er wäre hundert Jahre&comma; weil er so viel größer als ihre Mutter und ihr Vater war&period; Was wußten sie davon&comma; wie alt kleine und große Kinder sein könnten&period; Ihre ganze Rache sollte sich über diesen Knaben ergießen&semi; er hatte ja mit dem Liede den Anfang gemacht und war dessen noch nicht müde geworden&period; Die jungen Störche waren sehr aufgebracht und je größer sie wurden&comma; desto weniger wollten sie es leiden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nun kam der Herbst&period; Alle Störche versammelten sich allmählich&comma; um gegen Winter nach den warmen Ländern zu fliegen&period; Was für eine Übung ging voraus&excl; Über Wälder und Städte mußten sie&comma; nur um zu sehen&comma; wie gut sie fliegen könnten&comma; denn es war ja eine große Reise&comma; welche bevorstand&period; Unsere jungen Störche machten ihre Sache so hübsch&comma; daß sie die Zensur&colon; „Ausgezeichnet gut mit Frosch und Schlange&OpenCurlyDoubleQuote; erhielten&period; Das war das allerbeste Zeugnis und den Frosch und die Schlange durften sie essen&comma; und thaten es auch&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Nun müssen wir uns rächen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagten sie&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Jawohl&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte die Storchmutter&period; „Was ich mir ausgedacht habe&comma; das ist gerade das Richtige&excl; Ich weiß&comma; wo der Teich ist&comma; in dem alle die kleinen Menschenkinder liegen&comma; bis der Storch kommt und sie ihren Eltern bringt&period; Die niedlichen kleinen Kinder schlafen und träumen so süß&comma; wie sie nachher nie mehr träumen&period; Alle Eltern wollen gern so ein kleines Kind haben&comma; und alle Kinder wollen eine Schwester oder einen Bruder haben&period; Nun wollen wir nach dem Teiche hinfliegen und für jedes der Kinder eins holen&comma; welche das arge Lied nicht gesungen und sich über die Störche nicht lustig gemacht haben&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Aber jener schlimme&comma; häßliche Junge&comma; welcher es zu singen angefangen hat&comma; was machen wir mit ihm&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Im Teiche dort liegt ein kleines&comma; totes Kind&comma; welches sich tot geträumt hat&period; Das wollen wir zu ihm hintragen&comma; dann muß er weinen&comma; weil wir ihm ein totes Brüderchen gebracht haben&period; Allein dem guten Knaben&comma; den ihr gewiß noch nicht vergessen habt&comma; dem&comma; welcher meinte&colon; Es ist eine Sünde und Schande&comma; sich über die Tiere lustig zu machen&comma; dem wollen wir sowohl ein Brüderlein&comma; als auch ein Schwesterlein bringen&comma; und da der Knabe Peter heißt&comma; so sollt ihr sämtlich Peter gerufen werden&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Und wie sie es gesagt hatte&comma; geschah es&period; Seitdem hießen alle Störche Peter und werden noch heute so genannt&period;<&sol;p>

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