Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Märchen für Kinder
(Hans Christian Andersen, empfohlenes Alter: 8 - 14 Jahre)

Die glückliche Familie

<p>Das größte von allen Blättern ist wohl das Klettenblatt&semi; ein Kind kann es als Schürze oder als Regenschirm benutzen&semi; aber eine Schnecke ißt es am liebsten auf&semi; es ist ihre Lieblingsspeise&period; Daher hatte man in der Nähe eines Edelsitzes Kletten gesät&comma; weil die Schnecken wiederum eine Lieblingsspeise der Herrschaften auf dem Edelhofe waren&period; Aber diese waren gestorben&comma; das Schloß war verfallen&comma; der Garten verwildert&semi; nur die Kletten wucherten fort&comma; sie bildeten einen dichten Klettenwald und in diesem wohnten die beiden letzten uralten Schnecken&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Wie alt sie waren&comma; wußten sie selbst nicht&comma; konnten sich aber dessen noch ganz gut entsinnen&comma; daß ihrer weit mehr gewesen waren&comma; daß sie von einer aus fremden Ländern eingewanderten Familie abstammten und daß für sie und die Ihrigen der ganze Wald angepflanzt war&period; Sie waren über denselben nie hinausgekommen&semi; gleichwohl war es ihnen nicht unbekannt&comma; daß noch etwas zu der Welt gehörte&comma; was Rittergut hieß&period; Dort oben wurde man gekocht&comma; wovon man schwarz wurde&comma; und dann wurde man auf eine silberne Schüssel gelegt&semi; was dann aber weiter geschah&comma; wußten sie nicht&period; Was das übrigens zu bedeuten hätte&comma; gekocht zu werden und auf silberner Schüssel zu liegen&comma; konnten sie sich nicht vorstellen&comma; nur sagte ihnen ein dunkles Gefühl&comma; daß das etwas Herrliches und überaus Vornehmes sein müßte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die alten weißen Schnecken waren die vornehmsten in der Welt&comma; wie sie sehr wohl wußten&semi; lediglich um ihretwillen war der Wald da&comma; und das Rittergut war da&comma; damit sie gekocht und auf silberne Schüsseln gelegt werden konnten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Sie lebten jetzt sehr einsam und glücklich&comma; und da sie selbst ohne Kinder waren&comma; so hatten sie eine kleine gewöhnliche Schnecke an Kindesstatt angenommen&period; Der Kleine wollte indes nicht wachsen&comma; da er zu niedriger Abkunft war&period; Aber die Alten&comma; besonders die Schneckenmutter&comma; meinten doch&comma; eine Zunahme merken zu können&comma; und letztere bat den Vater&comma; er möchte nur das kleine Schneckenhaus befühlen&comma; und das that er und fand&comma; daß die Mutter recht hatte&period; —<&sol;p>&NewLine;<p>„Höre nur&comma; wie es heute auf die Kletten plätschert&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte an einem Regentage der Schneckenvater&period; „Ich bin nur froh&comma; daß wir unser gutes Haus haben und der Kleine auch das seinige&period; Für uns ist allerdings besser gesorgt als für alle übrigen Geschöpfe&comma; woraus du ersiehst&comma; daß uns die Herrschaft in der Welt gehört&excl; Von Geburt an besitzen wir ein Haus und der Klettenwald ist um unsertwillen angepflanzt worden&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; — „Ich möchte nur wissen&comma; was außerhalb desselben ist&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; meinte die Schneckenmutter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Außerhalb ist nichts&excl; Das Schloß ist vielleicht eingestürzt&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Schneckenvater&comma; „oder der Klettenwald ist darüber hinweggewachsen&comma; so daß die Menschen nicht mehr heraus können&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Hast du auch schon daran gedacht&comma; wo wir eine Frau für unsern Kleinen herbekommen könnten&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; fragte die Schneckenmutter&period; „Glaubst du nicht&comma; daß weit&comma; weit in den Klettenwald hinein sich noch jemand unserer Art finden sollte&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Schwarze Schnecken&comma; meine ich&comma; werden wohl zahlreich vorhanden sein&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Alte&comma; „schwarze Schnecken ohne Haus&comma; aber die gehören trotz ihrer Eingebildetheit zu dem gemeinen Volke&period; Wir könnten jedoch die Ameisen damit beauftragen&semi; sie laufen&comma; als wenn sie etwas zu thun hätten&comma; regelmäßig hin und her&semi; sie wissen gewiß eine Frau für unser Schneckchen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich weiß freilich die allerschönste&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte eine Ameise&semi; „aber ich befürchte&comma; es wird sich nicht machen&comma; da es sich um eine Königin handelt&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; — „Das thut nichts&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagten die Alten&period; „Hat sie ein Haus&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; — „Sie hat ein Schloß&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte die Ameise&period; „Das schönste Ameisenschloß mit siebenhundert Gängen&period;&OpenCurlyDoubleQuote; — „Nein&comma; besten Dank&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte die Schneckenmutter&comma; „unser Sohn soll nicht in einen Ameisenhaufen&excl; Wißt ihr nichts Besseres&comma; so wollen wir uns an die weißen Mücken wenden&semi; sie fliegen in Regen und Sonnenschein weit umher und kennen den Klettenwald von innen und von außen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Wir haben eine Frau für ihn&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagten die Mücken&period; „Hundert Menschenschritte von hier sitzt auf einem Stachelbeerstrauche eine kleine Schnecke mit einem Hause&period;&OpenCurlyDoubleQuote; — „Gut&comma; laßt sie zu ihm kommen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagten die Alten&comma; „er hat einen Klettenwald&comma; sie hat nur einen Strauch&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Da holten sie das kleine Schneckenfräulein&period; Das dauerte acht Tage&comma; aber das war gerade das Hervorragende dabei&semi; damit bewies sie&comma; daß echtes Schneckenblut in ihr rollte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Darauf wurde Hochzeit gefeiert&period; Sechs Leuchtkäfer leuchteten&comma; so gut sie vermochten&semi; sonst verlief die Feierlichkeit in aller Stille&comma; denn die alten Schnecken konnten Schwärmen und Lustbarkeiten nicht leiden&period; Dagegen wurde von der Schneckenmutter eine schöne Rede gehalten&semi; der Vater war nicht dazu im Stande&comma; er war zu bewegt&comma; und dann übergaben sie ihnen den ganzen Klettenwald als Erbteil und wiederholten&comma; was sie stets gesagt hatten&comma; daß es das Beste in der Welt wäre&comma; wenn sie und ihre Kinder einst auf das Schloß kommen&comma; schwarz gekocht und auf eine silberne Schüssel gelegt werden würden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nach Schluß der Rede krochen die Alten in ihre Häuser und kamen nie wieder heraus&semi; sie schliefen&period; Das junge Schneckenpaar regierte im Walde und erhielt eine zahlreiche Nachkommenschaft&comma; nie aber wurden sie gekocht und nie kamen sie auf eine silberne Schüssel&comma; weshalb sie meinten&comma; daß das Schloß eingestürzt und alle Menschen in der Welt ausgestorben wären&comma; und da ihnen niemand widersprach&comma; galt es natürlich als wahr&period; Der Regen schlug auf die Klettenblätter&comma; um ihnen eine Trommelmusik vorzumachen&comma; und die Sonne leuchtete&comma; um ihretwegen den Klettenwald in ein Lichtmeer zu tauchen und sie waren sehr glücklich und die ganze Familie war glücklich&comma; und sie war es wirklich&period;<&sol;p>