Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Märchen für Kinder
(Hans Christian Andersen, empfohlenes Alter: 8 - 14 Jahre)

Fünf in einer Schote

<p>Fünf Erbsen saßen der Reihe nach in einer Schote&period; Sie waren grün und die Schote war grün&comma; und deshalb glaubten sie&comma; daß die ganze Welt grün wäre und das war völlig richtig&period; Die Sonne schien und erwärmte von außen die Schote&comma; der Regen machte sie rein und durchsichtig&period; Es war in ihr warm und schön&comma; hell des Tages und finster des Nachts&comma; wie es sein mußte&comma; und die Erbsen wurden&comma; wie sie so dasaßen&comma; immer größer und nachdenklicher&comma; denn mit etwas mußten sie sich doch beschäftigen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Sollen wir hier immer sitzen bleiben&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; sagten sie&period; „Wenn wir von dem langen Sitzen nur nicht hart werden&period; Es kommt uns fast so vor&comma; als ob es auch da draußen noch etwas gibt&semi; eine Ahnung sagt uns das&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Und Wochen vergingen&semi; die Erbsen wurden gelb und die Schote wurde gelb&period; „Die ganze Welt wird gelb&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagten sie&comma; und das durften sie wohl behaupten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Da empfanden sie einen Ruck in der Schote&semi; sie wurde abgerissen&comma; kam in Menschenhände und wurde mit mehreren andern gefüllten Schoten in eine Rocktasche gesteckt&period; „Nun werden wir bald geöffnet werden&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagten sie&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich möchte nur wissen&comma; wer von uns es am weitesten bringen wird&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte die kleinste Erbse&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Geschehe&comma; was da wolle&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte die größte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Krach&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; da platzte die Schote&comma; und alle fünf Erbsen rollten in den hellen Sonnenschein hinaus&period; Sie lagen in einer Kinderhand&semi; ein kleiner Knabe hielt sie fest und sagte&comma; die Erbsen wären gerade recht für seine Knallbüchse&semi; und sogleich schoß er eine weg&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Nun fliege ich in die weite Welt&excl; Halt mich&comma; wenn du kannst&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; und dann war sie fort&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte die zweite&comma; „fliege gerade in die Sonne hinein&comma; das ist eine richtige Erbsenschote und sehr passend für mich&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Weg war sie&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Wir schlafen&comma; wohin wir kommen&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagen die beiden andern&comma; „aber wir werden schon noch vorwärts rollen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; und damit rollten sie erst auf die Erde&comma; ehe sie in die Knallbüchse kamen&comma; aber hinein kamen sie&period; „Wir bringen es am weitesten&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Geschehe&comma; was da wolle&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte die letzte und wurde in die Höhe geschossen&period; Sie flog gegen das alte Brett unter dem Giebelstubenfenster&comma; gerade in eine Ritze&comma; die mit Moos und lockerer Erde ausgefüllt war&comma; und das Moos schloß sich wärmend um sie&period; Da lag sie verborgen&comma; aber nicht vergessen von Gott&period; „Geschehe&comma; was da wolle&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte sie&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die kleine Giebelstube wurde von einer armen Frau bewohnt&comma; die am Tage ausging&comma; um allerlei schwere Arbeiten zu verrichten&comma; denn Kräfte hatte sie und fleißig war sie&comma; aber gleichwohl blieb sie arm&period; Zu Hause in der kleinen Stube lag während dessen ihre halberwachsene einzige Tochter&semi; sie war zart und fein&semi; ein ganzes Jahr hatte sie zu Bett gelegen und schien weder leben noch sterben zu können&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Sie geht zu ihrer kleinen Schwester&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte die Frau&period; „Ich hatte nur zwei Kinder&comma; aber da teilte der liebe Gott mit mir und nahm das eine zu sich&excl; Nun möchte ich wohl gern das andere behalten&comma; das mir noch übrig geblieben ist&comma; aber er will sie wohl nicht getrennt lassen&comma; und sie geht zu ihrer kleinen Schwester hinauf&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber das kranke Mädchen starb nicht&semi; geduldig und still lag es den ganzen Tag da&comma; während die Mutter auf Verdienst abwesend war&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Es war Frühling und noch früh am Morgen&period; Gerade als die Mutter auf ihre Arbeit gehen wollte&comma; schien die Sonne gar freundlich zum kleinen Fenster hinein auf den Fußboden&comma; und das kranke Mädchen richtete seinen Blick auf die unterste Scheibe&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Was ist doch das für Grünes dort neben der Scheibe&quest; Es bewegt sich im Winde&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Mutter trat an das Fenster und öffnete es halb&period; „Ih&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte sie&comma; „das ist wahrhaftig eine junge Erbse&comma; die mit ihren grünen Blättchen hervorgesproßt ist&period; Wie ist die hier in die Spalte hinaufgekommen&quest; Da hast du ja einen kleinen Garten&comma; an dessen Anblick du dich weiden kannst&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Das Bett der Kranken wurde näher an das Fenster gerückt&comma; von wo sie die hervorsprossende Erbse erblicken konnte&comma; und die Mutter ging auf Arbeit aus&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Mutter&comma; ich glaube&comma; ich erhole mich wieder&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte am Abend das kleine Mädchen&period; „Die Sonne hat heute so warm zu mir hereingeschienen&period; Die kleine Erbse gedeiht vortrefflich&semi; und ich will auch gedeihen und mich im Sonnenscheine wieder erholen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Oh daß es so geschehen möchte&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte die Mutter&comma; doch glaubte sie nicht an die Möglichkeit&period; Allein neben das grüne Pflänzlein&comma; welches ihrem Kinde so frohe Lebensgedanken eingeflößt hatte&comma; steckte sie einen kleinen Stock&comma; damit der Wind ihm nicht schaden könne&comma; und so gedieh und wuchs es lustig&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Sie setzt sogar Blüten an&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte die Mutter&comma; und nun begann sie auch zu hoffen&comma; daß ihr Kind sich wieder erholen könne&comma; denn es hatte sich des Morgens selbst im Bett aufgerichtet und mit strahlenden Augen seinen kleinen Erbsengarten&comma; den die eine einzige Erbse bildete&comma; betrachtet&period; In der nächsten Woche war die Kranke zum erstenmale über eine Stunde auf&period; Draußen vor’m Fenster war eine weißrote Erbsenblüte völlig aufgebrochen&period; Das Mädchen küßte die feinen Blätter ganz leise&period; Dieser Tag war ein Festtag für sie&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Der liebe Gott hat sie selbst gepflanzt und dann gedeihen lassen&comma; um dir&comma; mein teures Kind&comma; und mir damit Hoffnung und Freude zu geben&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte die frohe Mutter und lächelte der Blume zu&comma; wie einem guten&comma; gottgesandten Engel&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber nun die andern Erbsen&excl; — ja die&comma; welche in die weite Welt hinausflog&colon; „Halte mich&comma; wenn du kannst&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; fiel in die Dachrinne und geriet in einen Taubenkropf&comma; wo sie lag wie Jonas in dem Wallfischbauch&period; Die beiden faulen brachten es gerade ebensoweit&comma; sie wurden ebenfalls von Tauben aufgepickt und das heißt wenigstens einen soliden Nutzen schaffen&semi; aber die vierte&comma; welche sich bis in die Sonne emporschwingen wollte — — die fiel in den Rinnstein und lag Tage und Wochen darin&comma; in dem schmutzigen Wasser&comma; wo sie entsetzlich aufschwoll&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich werde prächtig dick&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte die Erbse&period; „Ich werde noch platzen&comma; und weiter&comma; glaube ich&comma; kann es keine Erbse bringen&comma; oder hat es je gebracht&period; Ich bin die ausgezeichnetste von den fünf aus derselben Schote&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; — Und der Rinnstein gab dieser Ansicht seinen Beifall&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber an dem Dachfenster stand das Mädchen mit leuchtenden Augen und mit Gesundheit auf den Wangen&comma; und sie faltete ihre Hände über der Erbsenblüte und dankte Gott für dieselbe&period;<&sol;p>