Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Märchen für Kinder
(Hans Christian Andersen, empfohlenes Alter: 8 - 14 Jahre)

Tölpelhans

<p>Draußen auf dem Lande in einem alten Herrenhof lebte ein Gutsbesitzer&comma; der zwei so kluge Söhne hatte&comma; daß sie um die Tochter des Königs freien wollten und das durften sie&comma; denn dieselbe hatte bekannt machen lassen&comma; daß sie denjenigen zum Gemahl nehmen wollte&comma; der sich am gewandtesten und klügsten mit ihr unterhalten könnte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die beiden bereiteten sich nun acht Tage lang vor&period; Längere Zeit bedurften sie nicht dazu&comma; denn sie hatten Vorkenntnisse und die sind immer nützlich&period; Der eine wußte das ganze lateinische Lexikon und drei Jahrgänge der städtischen Zeitung auswendig und zwar rückwärts wie vorwärts&period; Der andere hatte sich mit sämtlichen Paragraphen aller Zunftgesetze und mit dem&comma; was jeder Zunftmeister wissen mußte&comma; bekannt gemacht&period; Auf diese Weise&comma; meinte er&comma; könnte er über Staats- und gelehrte Sachen mitsprechen&period; Außerdem verstand er Tragebänder zu sticken&comma; denn er war fein und fingerfertig&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich bekomme die Königstochter&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagten sie alle beide&comma; und deshalb gab ihr Vater jedem von ihnen ein schönes Pferd&semi; der&comma; welcher das Lexikon und die Zeitungen auswendig wußte&comma; bekam ein kohlschwarzes&comma; und der&comma; welcher sich zunftmeisterlich gebahren und sticken konnte&comma; erhielt ein milchweißes&period; Als sie im Hofe zu Pferde steigen wollten&comma; erschien der dritte Bruder&comma; denn es waren ihrer dreie&comma; aber niemand zählte ihn als Bruder mit&comma; weil er nicht die gleiche erstaunliche Gelehrsamkeit besaß wie die beiden anderen&comma; und alle Welt nannte ihn nur Tölpelhans&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Wo wollt ihr hin&comma; daß ihr euch in den Bratenrock geworfen habt&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; fragte er&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„An den Hof&comma; um mit der Königstochter zu plaudern&excl; Hast du nicht gehört&comma; was im ganzen Lande ausgetrommelt wird&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; und darauf erzählten sie es ihm&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Potztausend&comma; da muß ich mit dabei sein&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte Tölpelhans&comma; und die Brüder lachten ihn aus und ritten von dannen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Vater&comma; gieb mir ein Pferd&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; rief Tölpelhans&period; „Ich bekomme solche Lust&comma; mich zu verheiraten&period; Nimmt sie mich&comma; so nimmt sie mich&comma; und nimmt sie mich nicht&comma; so nehme ich sie doch&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Was ist das für ein Geschwätz&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Vater&period; „Dir gebe ich kein Pferd&period; Du kannst ja nicht sprechen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Soll ich kein Pferd bekommen&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte Tölpelhans&comma; „so nehme ich den Ziegenbock&comma; der gehört mir und ist im Stande mich zu tragen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Damit setzte er sich rittlings auf den Ziegenbock&comma; stieß ihm die Hacken in die Seite und sprengte die Landstraße entlang&period; Hui&comma; wie das ging&excl; „Hier komme ich&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; rief Tölpelhans und darauf sang er&comma; daß es wiederhallte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Brüder ritten aber ganz still voran&semi; sie sprachen kein einziges Wort&comma; sie mußten alle die guten Einfälle&comma; die sie vorbringen wollten&comma; noch einmal überlegen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Halloh&excl; Halloh&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; rief Tölpelhans&comma; „hier komme ich&excl; Seht&comma; was ich auf der Landstraße fand&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Mit diesen Worten zeigte er ihnen eine tote Krähe&comma; die er gefunden hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Tölpel&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; fuhren sie ihn an&comma; „was willst du mit derselben&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich will sie der Königstochter schenken&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ja&comma; thue es&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagten sie&comma; lachten und ritten weiter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Da rief Tölpelhans wieder&colon; „Halloh&excl; Halloh&excl; Hier komme ich&excl; Seht&comma; was ich jetzt gefunden habe&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Brüder wandten sich wieder um&comma; sich den seltenen Schatz anzusehen&period; „Tölpel&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagten sie&comma; „das ist ja ein alter Holzschuh&comma; von welchem der obere Teil abgegangen ist&excl; Soll die Königstochter den etwa auch haben&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Das soll sie&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte Tölpelhans&comma; und die Brüder lachten&comma; ritten weiter und kamen ihm eine große Strecke voraus&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Halloh&excl; Halloh&excl; Hier bin ich&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; rief Tölpelhans&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Was hast du wieder gefunden&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; fragten die Brüder&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Oh&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte Tölpelhans&comma; „es ist eigentlich kein Gesprächsgegenstand&excl; Wie sie sich aber freuen wird&comma; die Königstochter&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Pfui&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagten die Brüder&comma; „das ist ja Schlamm&comma; der aus dem Straßengraben ausgeworfen ist&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Das stimmt&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte Tölpelhans&comma; „und er ist von der allerfeinsten Art&comma; daß man ihn gar nicht festhalten kann&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; und darauf füllte er sich die Tasche damit an&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber die Brüder ritten&comma; was das Zeug halten wollte&comma; und überholten ihn eine ganze Stunde&period; Sie hielten an dem Stadtthore&comma; an welchem die Freier&comma; je nach ihrer Ankunft&comma; numeriert und in Reih und Glied gestellt wurden&comma; je sechs in jedem Gliede und so dicht&comma; daß sie kaum die Arme rühren konnten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Alle übrigen Bewohner des Landes standen rings um das Schloß bis zu den Fenstern hinauf&comma; um mit anzusehen&comma; wie die Königstochter die Freier empfing&period; Merkwürdig&excl; Sobald einer derselben die Schwelle ihres Zimmers überschritt&comma; verließ ihn sein Rednertalent&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Taugt nichts&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte die Königstochter&period; „Weg&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt kam derjenige der Brüder&comma; der das Lexikon auswendig wußte&comma; aber bei dem langen Stehen in Reih und Glied hatte er es völlig vergessen&period; Dazu knarrte der Fußboden und die Decke war von Spiegelglas&comma; so daß er sich selbst auf dem Kopfe sah&comma; und nun standen sogar an jedem Fenster drei Schreiber und ein Stadtältester&comma; die Alles&comma; was gesprochen wurde&comma; aufschrieben&comma; damit es sofort in die Zeitung komme&period; Es war entsetzlich&comma; es war furchtbar&excl; Und zum Überfluß war im Ofen eingefeuert&comma; daß er glühte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Hier herrscht eine drückende Hitze&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; begann der Freier das Gespräch&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Das kommt daher&comma; weil mein Vater heute junge Hähne bratet&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte die Königstochter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Da stand er&semi; nicht ein Wort wußte er zu erwiedern&period; — Bäh&excl; —<&sol;p>&NewLine;<p>„Taugt nichts&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte die Königstochter&period; „Weg&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; und so mußte er seiner Wege ziehen&period; Nun kam der zweite Bruder&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Hier ist eine entsetzliche Hitze&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte er&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ja&comma; wir braten heute junge Hähne&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; versetzte die Königstochter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Wie belie — —&OpenCurlyDoubleQuote; fragte er&comma; und alle Schreiber schrieben&colon; „Wie belie — —&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Taugt nichts&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte die Königstochter&period; „Weg&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Nun kam Tölpelhans&comma; er ritt auf seinem Ziegenbocke gerade in das Zimmer hinein&period; „Das ist denn doch eine glühende Hitze&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte er&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Das rührt davon her&comma; daß ich junge Hähne brate&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; entgegnete die Königstochter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Das wäre ja herrlich&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte Tölpelhans&comma; „dann kann ich wohl auch eine Krähe gebraten bekommen&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Den Gefallen will ich Ihnen gern erweisen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; erwiederte die Königstochter&comma; „aber haben Sie auch etwas&comma; worin sie gebraten werden kann&comma; denn ich habe hier weder Topf noch Pfanne&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Hier ist ein vortreffliches Kochgeschirr&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; rief Tölpelhans fröhlich&comma; zog den alten Holzschuh hervor und legte die Krähe hinein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Aber wo bekommen wir die Sauce her&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; meinte die Königstochter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Die habe ich in der Tasche&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte Tölpelhans und darauf schüttete er etwas Schlamm aus der Tasche&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Du gefällst mir&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte die Königstochter&comma; „du kannst doch antworten und du kannst reden&comma; und dich will ich zu meinem Gemahle erheben&excl; Aber weißt du wohl&comma; daß jedes Wort&comma; das wir sagen und gesagt haben&comma; aufgeschrieben wird und morgen in die Zeitung kommt&quest; An jedem Fenster siehst du drei Schreiber und einen Stadtältesten stehen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Das sind wohl die Herrschaften da&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; versetzte Tölpelhans&period; „Dann muß ich dem Stadtältesten schon mein Bestes schenken&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Zugleich wandte er seine Taschen um und warf ihm den ganzen Schlamm gerade ins Gesicht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Da hast du dir gut zu helfen gewußt&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte die Königstochter&period; „Das hätte ich nicht zu thun vermocht&excl; Aber ich werde es wohl noch lernen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; —<&sol;p>&NewLine;<p>Und so wurde Tölpelhans denn König&comma; bekam eine Frau und eine Krone und saß auf einem Throne&comma; und das alles haben wir der Zeitung des Stadtältesten entnommen — auf die freilich auch kein rechter Verlaß ist&period;<&sol;p>