Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Heidis Lehr- und Wanderjahre
(Johanna Spyri, 1880, empfohlenes Alter: 8 - 12 Jahre)

Ein neues Kapitel und lauter neue Dinge

<p>Im Hause des Herrn Sesemann in Frankfurt lag das kranke Töchterlein&comma; Klara&comma; in dem bequemen Rollstuhl&comma; in welchem es den ganzen Tag sich aufhielt und von einem Zimmer ins andere gestoßen wurde&period; Jetzt saß es im so genannten Studierzimmer&comma; das neben der großen Essstube lag und wo vielerlei Gerätschaften herumstanden und -lagen&comma; die das Zimmer wohnlich machten und zeigten&comma; dass man hier gewöhnlich sich aufhielt&period; An dem großen&comma; schönen Bücherschrank mit den Glastüren konnte man sehen&comma; woher das Zimmer seinen Namen hatte und dass es wohl der Raum war&comma; wo dem lahmen Töchterchen der tägliche Unterricht erteilt wurde&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Klara hatte ein blasses&comma; schmales Gesichtchen&comma; aus dem zwei milde&comma; blaue Augen herausschauten&comma; die in diesem Augenblick auf die große Wanduhr gerichtet waren&comma; die heute besonders langsam zu gehen schien&comma; denn Klara&comma; die sonst kaum ungeduldig wurde&comma; sagte jetzt mit ziemlicher Ungeduld in der Stimme&colon; »Ist es denn immer noch nicht Zeit&comma; Fräulein Rottenmeier&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die Letztere saß sehr aufrecht an einem kleinen Arbeitstisch und stickte&period; Sie hatte eine geheimnisvolle Hülle um sich&comma; einen großen Kragen oder Halbmantel&comma; welcher der Persönlichkeit einen feierlichen Anstrich verlieh&comma; der noch erhöht wurde durch eine Art von hoch gebauter Kuppel&comma; die sie auf dem Kopf trug&period; Fräulein Rottenmeier war schon seit mehreren Jahren&comma; seitdem die Dame des Hauses gestorben war&comma; im Hause Sesemann&comma; führte die Wirtschaft und hatte die Oberaufsicht über das ganze Dienstpersonal&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Herr Sesemann war meistens auf Reisen&comma; überließ daher dem Fräulein&nbsp&semi;Rottenmeier das ganze Haus&comma; nur mit der Bedingung&comma; dass sein<br&sol;>Töchterlein in allem eine Stimme haben solle und nichts gegen dessen&nbsp&semi;Wunsch geschehen dürfe&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Während oben Klara zum zweiten Mal mit Zeichen der Ungeduld Fräulein Rottenmeier befragte&comma; ob die Zeit noch nicht da sei&comma; da die Erwarteten erscheinen konnten&comma; stand unten vor der Haustür die Dete mit Heidi an der Hand und fragte den Kutscher Johann&comma; der eben vom Wagen gestiegen war&comma; ob sie wohl Fräulein Rottenmeier so spät noch stören dürfe&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Das ist nicht meine Sache«&comma; brummte der Kutscher&semi; »klingeln Sie den&nbsp&semi;Sebastian herunter&comma; drinnen im Korridor&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Dete tat&comma; wie ihr geheißen war&comma; und der Bediente des Hauses kam die Treppe herunter mit großen&comma; runden Knöpfen auf seinem Aufwärterrock und fast ebenso großen runden Augen im Kopfe&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich wollte fragen&comma; ob ich um diese Zeit Fräulein Rottenmeier noch stören dürfe«&comma; brachte die Dete wieder an&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Das ist nicht meine Sache«&comma; gab der Bediente zurück&semi; »klingeln Sie die Jungfer Tinette herunter an der anderen Klingel«&comma; und ohne weitere Auskunft verschwand der Sebastian&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Dete klingelte wieder&period; Jetzt erschien auf der Treppe die Jungfer Tinette mit einem blendend weißen Deckelchen auf der Mitte des Kopfes und einer spöttischen Miene auf dem Gesicht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Was ist&quest;«&comma; fragte sie auf der Treppe&comma; ohne herunterzukommen&period; Dete wiederholte ihr Gesuch&period; Jungfer Tinette verschwand&comma; kam aber bald wieder und rief von der Treppe herunter&colon; »Sie sind erwartet&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt stieg Dete mit Heidi die Treppe hinauf und trat&comma; der Jungfer Tinette folgend&comma; in das Studierzimmer ein&period; Hier blieb Dete höflich an der Tür stehen&comma; Heidi immer fest an der Hand haltend&comma; denn sie war gar nicht sicher&comma; was dem Kinde etwa begegnen konnte auf diesem so fremden Boden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Fräulein Rottenmeier erhob sich langsam von ihrem Sitz und kam näher&comma; um die angekommene Gespielin der Tochter des Hauses zu betrachten&period; Der Anblick schien sie nicht zu befriedigen&period; Heidi hatte sein einfaches Baumwollröckchen an und sein altes&comma; zerdrücktes Strohhütchen auf dem Kopf&period; Das Kind guckte sehr harmlos darunter hervor und betrachtete mit unverhehlter Verwunderung den Turmbau auf dem Kopf der Dame&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wie heißest du&quest;«&comma; fragte Fräulein Rottenmeier&comma; nachdem auch sie einige Minuten lang forschend das Kind angesehen hatte&comma; das kein Auge von ihr verwandte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Heidi«&comma; antwortete es deutlich und mit klangvoller Stimme&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wie&quest; Wie&quest; Das soll doch wohl kein christlicher Name sein&quest; So bist du doch nicht getauft worden&period; Welchen Namen hast du in der Taufe erhalten&quest;«&comma; fragte Fräulein Rottenmeier weiter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Das weiß ich jetzt nicht mehr«&comma; entgegnete Heidi&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ist das eine Antwort&excl;«&comma; bemerkte die Dame mit Kopfschütteln&period; »Jungfer&nbsp&semi;Dete&comma; ist das Kind einfältig oder schnippisch&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Mit Erlaubnis und wenn es die Dame gestattet&comma; so will ich gern reden für das Kind&comma; denn es ist sehr unerfahren«&comma; sagte die Dete&comma; nachdem sie dem Heidi heimlich einen kleinen Stoß gegeben hatte für die unpassende Antwort&period; »Es ist aber nicht einfältig und auch nicht schnippisch&comma; davon weiß es gar nichts&semi; es meint alles so&comma; wie es redet&period; Aber es ist heut zum ersten Mal in einem Herrenhaus und kennt die gute Manier nicht&semi; aber es ist willig und nicht ungelehrig&comma; wenn die Dame wollte gütige Nachsicht haben&period; Es ist Adelheid getauft worden&comma; wie seine Mutter&comma; meine Schwester selig&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nun wohl&comma; dies ist doch ein Name&comma; den man sagen kann«&comma; bemerkte Fräulein Rottenmeier&period; »Aber&comma; Jungfer Dete&comma; ich muss Ihnen doch sagen&comma; dass mir das Kind für sein Alter sonderbar vorkommt&period; Ich habe Ihnen mitgeteilt&comma; die Gespielin für Fräulein Klara müsste in ihrem Alter sein&comma; um denselben Unterricht mit ihr zu verfolgen und überhaupt ihre Beschäftigungen zu teilen&period; Fräulein Klara hat das zwölfte Jahr zurückgelegt&semi; wie alt ist das Kind&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Mit Erlaubnis der Dame«&comma; fing die Dete wieder beredt an&comma; »es war mir eben selber nicht mehr so ganz gegenwärtig&comma; wie alt es sei&semi; es ist wirklich ein wenig jünger&comma; viel trifft es nicht an&comma; ich kann's so ganz genau nicht sagen&comma; es wird so um das zehnte Jahr&comma; oder so noch etwas dazu sein&comma; nehm ich an&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Jetzt bin ich acht&comma; der Großvater hat's gesagt«&comma; erklärte Heidi&period; Die Base stieß es wieder an&comma; aber Heidi hatte keine Ahnung&comma; warum&comma; und wurde keineswegs verlegen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Was&comma; erst acht Jahre alt&quest;«&comma; rief Fräulein Rottenmeier mit einiger Entrüstung aus&period; »Vier Jahre zu wenig&excl; Was soll das geben&excl; Und was hast du denn gelernt&quest; Was hast du für Bücher gehabt bei deinem Unterricht&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Keine«&comma; sagte Heidi&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wie&quest; Was&quest; Wie hast du denn lesen gelernt&quest;«&comma; fragte die Dame weiter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Das hab ich nicht gelernt und der Peter auch nicht«&comma; berichtete&nbsp&semi;Heidi&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Barmherzigkeit&excl; Du kannst nicht lesen&quest; Du kannst wirklich nicht lesen&excl;«&comma; rief Fräulein Rottenmeier im höchsten Schrecken aus&period; »Ist es die Möglichkeit&comma; nicht lesen&excl; Was hast du denn aber gelernt&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nichts«&comma; sagte Heidi der Wahrheit gemäß&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Jungfer Dete«&comma; sagte Fräulein Rottenmeier nach einigen Minuten&comma; in denen sie nach Fassung rang&comma; »es ist alles nicht nach Abrede&comma; wie konnten Sie mir dieses Wesen zuführen&quest;« Aber die Dete ließ sich nicht so bald einschüchtern&semi; sie antwortete herzhaft&colon; »Mit Erlaubnis der Dame&comma; das Kind ist gerade&comma; was ich dachte&comma; dass sie haben wolle&semi; die Dame hat mir beschrieben&comma; wie es sein müsse&comma; so ganz apart und nicht wie die anderen&comma; und so musste ich das Kleine nehmen&comma; denn die Größeren sind bei uns dann nicht mehr so apart&comma; und ich dachte&comma; dieses passe wie gemacht auf die Beschreibung&period; Jetzt muss ich aber gehen&comma; denn meine Herrschaft erwartet mich&semi; ich will&comma; wenn's meine Herrschaft erlaubt&comma; bald wieder kommen und nachsehen&comma; wie es geht mit ihm&period;« Mit einem Knicks war die Dete zur Tür hinaus und die Treppe hinunter mit schnellen Schritten&period; Fräulein Rottenmeier stand einen Augenblick noch da&comma; dann lief sie der Dete nach&semi; es war ihr wohl in den Sinn gekommen&comma; dass sie noch eine Menge von Dingen mit der Base besprechen wollte&comma; wenn das Kind wirklich dableiben sollte&comma; und da war es doch nun einmal und&comma; wie sie bemerkte&comma; hatte die Base fest im Sinn&comma; es dazulassen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Heidi stand noch auf demselben Platz an der Tür&comma; wo es von Anfang an gestanden hatte&period; Bis dahin hatte Klara von ihrem Sessel aus schweigend allem zugesehen&period; Jetzt winkte sie Heidi&colon; »Komm hierher&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Heidi trat an den Rollstuhl heran&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Willst du lieber Heidi heißen oder Adelheid&quest;«&comma; fragte Klara&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich heiße nur Heidi und sonst nichts«&comma; war Heidis Antwort&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»So will ich dich immer so nennen«&comma; sagte Klara&semi; »der Name gefällt mir für dich&comma; ich habe ihn aber nie gehört&comma; ich habe aber auch nie ein Kind gesehen&comma; das so aussieht wie du&period; Hast du immer nur so kurzes&comma; krauses Haar gehabt&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; ich denk's«&comma; gab Heidi zur Antwort&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Bist du gern nach Frankfurt gekommen&quest;«&comma; fragte Klara weiter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; aber morgen geh ich dann wieder heim und bringe der Großmutter weiße Brötchen&excl;«&comma; erklärte Heidi&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Du bist aber ein kurioses Kind&excl;«&comma; fuhr jetzt Klara auf&period; »Man hat dich ja express nach Frankfurt kommen lassen&comma; dass du bei mir bleibest und die Stunden mit mir nehmest&comma; und siehst du&comma; es wird nun ganz lustig&comma; weil du gar nicht lesen kannst&comma; nun kommt etwas ganz Neues in den Stunden vor&period; Sonst ist es manchmal so schrecklich langweilig und der Morgen will gar nicht zu Ende kommen&period; Denn siehst du&comma; alle Morgen um zehn Uhr kommt der Herr Kandidat&comma; und dann fangen die Stunden an und dauern bis um zwei Uhr&comma; das ist so lange&period; Der Herr Kandidat nimmt auch manchmal das Buch ganz nahe ans Gesicht heran&comma; so&comma; als wäre er auf einmal ganz kurzsichtig geworden&comma; aber er gähnt nur furchtbar hinter dem Buch&comma; und Fräulein Rottenmeier nimmt auch von Zeit zu Zeit ihr großes Taschentuch hervor und hält es vor das ganze Gesicht hin&comma; so&comma; als sei sie ganz ergriffen von etwas&comma; das wir lesen&semi; aber ich weiß recht gut&comma; dass sie nur ganz schrecklich gähnt dahinter&comma; und dann sollte ich auch so stark gähnen und muss es immer hinunterschlucken&comma; denn wenn ich nur ein einziges Mal herausgähne&comma; so holt Fräulein Rottenmeier gleich den Fischtran und sagt&comma; ich sei wieder schwach&comma; und Fischtran nehmen ist das Allerschrecklichste&comma; da will ich doch lieber Gähnen schlucken&period; Aber nun wird's viel kurzweiliger&comma; da kann ich dann zuhören&comma; wie du lesen lernst&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Heidi schüttelte ganz bedenklich mit dem Kopf&comma; als es vom Lesenlernen hörte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Doch&comma; doch&comma; Heidi&comma; natürlich musst du lesen lernen&comma; alle Menschen müssen&comma; und der Herr Kandidat ist sehr gut&comma; er wird niemals böse&comma; und er erklärt dir dann schon alles&period; Aber siehst du&comma; wenn er etwas erklärt&comma; dann verstehst du nichts davon&semi; dann musst du nur warten und gar nichts sagen&comma; sonst erklärt er dir noch viel mehr und du verstehst es noch weniger&period; Aber dann nachher&comma; wenn du etwas gelernt hast und es weißt&comma; dann verstehst du schon&comma; was er gemeint hat&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt kam Fräulein Rottenmeier wieder ins Zimmer zurück&semi; sie hatte Dete nicht mehr zurückrufen können und war sichtlich aufgeregt davon&comma; denn sie hatte dieser eigentlich gar nicht einlässlich sagen können&comma; was alles nicht nach Abrede sei bei dem Kinde&comma; und da sie nicht wusste&comma; was nun zu tun sei&comma; um ihren Schritt rückgängig zu machen&comma; war sie umso aufgeregter&comma; denn sie selbst hatte die ganze Sache angestiftet&period; Sie lief nun vom Studierzimmer ins Esszimmer hinüber&comma; und von da wieder zurück&comma; und kehrte dann unmittelbar wieder um und fuhr hier den Sebastian an&comma; der seine runden Augen eben nachdenklich über den gedeckten Tisch gleiten ließ&comma; um zu sehen&comma; ob sein Werk keinen Mangel habe&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Denk Er morgen Seine großen Gedanken fertig und mach Er&comma; dass man heut noch zu Tische komme&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Mit diesen Worten fuhr Fräulein Rottenmeier an Sebastian vorbei und rief nach der Tinette mit so wenig einladendem Ton&comma; dass die Jungfer Tinette mit noch viel kleineren Schritten herantrippelte als sonst gewöhnlich - und sich mit so spöttischem Gesicht hinstellte&comma; dass selbst Fräulein Rottenmeier nicht wagte&comma; sie anzufahren&semi; umso mehr schlug ihr die Aufregung nach innen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Das Zimmer der Angekommenen ist in Ordnung zu bringen&comma; Tinette«&comma; sagte die Dame mit schwer errungener Ruhe&semi; »es liegt alles bereit&comma; nehmen Sie noch den Staub von den Möbeln weg&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Es ist der Mühe wert«&comma; spöttelte Tinette und ging&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Unterdessen hatte Sebastian die Doppeltüren zum Studierzimmer mit ziemlichem Knall aufgeschlagen&comma; denn er war sehr ergrimmt&comma; aber sich in Antworten Luft zu machen durfte er nicht wagen Fräulein Rottenmeier gegenüber&semi; dann trat er ganz gelassen ins Studierzimmer&comma; um den Rollstuhl hinüberzustoßen&period; Während er den Griff hinten am Stuhl&comma; der sich verschoben hatte&comma; zurechtdrehte&comma; stellte sich Heidi vor ihn hin und schaute ihn unverwandt an&comma; was er bemerkte&period; Auf einmal fuhr er auf&period; »Na&comma; was ist denn da Besonderes dran&quest;«&comma; schnurrte er Heidi an in einer Weise&comma; wie er es wohl nicht getan&comma; hätte er Fräulein Rottenmeier gesehen&comma; die eben wieder auf der Schwelle stand und gerade hereintrat&comma; als Heidi entgegnete&colon; »Du siehst dem Geißenpeter gleich&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Entsetzt schlug die Dame ihre Hände zusammen&period; »Ist es die&nbsp&semi;Möglichkeit&excl;«&comma; stöhnte sie halblaut&period; »Nun duzt sie mir den Bedienten&excl;&nbsp&semi;Dem Wesen fehlen alle Urbegriffe&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der Stuhl kam herangerollt und Klara wurde von Sebastian hinausgeschoben und auf ihren Sessel an den Tisch gesetzt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Fräulein Rottenmeier setzte sich neben sie und winkte Heidi&comma; es sollte den Platz ihr gegenüber einnehmen&period; Sonst kam niemand zu Tische&comma; und es war viel Platz da&semi; die drei saßen auch weit auseinander&comma; so dass Sebastian mit seiner Schüssel zum Anbieten guten Raum fand&period; Neben Heidis Teller lag ein schönes&comma; weißes Brötchen&semi; das Kind schaute mit erfreuten Blicken darauf&period; Die Ähnlichkeit&comma; die Heidi entdeckt hatte&comma; musste sein ganzes Vertrauen für den Sebastian erweckt haben&comma; denn es saß mäuschenstill und rührte sich nicht&comma; bis er mit der großen Schüssel zu ihm herantrat und ihm die gebratenen Fischchen hinhielt&comma; dann zeigte es auf das Brötchen und fragte&colon; »Kann ich das haben&quest;« Sebastian nickte und warf dabei einen Seitenblick auf Fräulein Rottenmeier&comma; denn es wunderte ihn&comma; was die Frage für einen Eindruck auf sie mache&period; Augenblicklich ergriff Heidi sein Brötchen und steckte es in die Tasche&period; Sebastian machte eine Grimasse&comma; denn das Lachen kam ihn an&semi; er wusste aber wohl&comma; dass ihm das nicht erlaubt war&period; Stumm und unbeweglich blieb er immer noch vor Heidi stehen&comma; denn reden durfte er nicht&comma; und weggehen durfte er wieder nicht&comma; bis man sich bedient hatte&period; Heidi schaute ihm eine Zeit lang verwundert zu&comma; dann fragte es&colon; »Soll ich auch von dem essen&quest;« Sebastian nickte wieder&period; »So gib mir«&comma; sagte es und schaute ruhig auf seinen Teller&period; Sebastians Grimasse wurde sehr bedenklich&comma; und die Schüssel in seinen Händen fing an gefährlich zu zittern&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Er kann die Schüssel auf den Tisch setzen und nachher wiederkommen«&comma; sagte jetzt Fräulein Rottenmeier mit strengem Gesicht&period; Sebastian verschwand sogleich&period; »Dir&comma; Adelheid&comma; muss ich überall die ersten Begriffe beibringen&comma; das sehe ich«&comma; fuhr Fräulein Rottenmeier mit tiefem Seufzer fort&period; »Vor allem will ich dir zeigen&comma; wie man sich am Tische bedient«&comma; und nun machte die Dame deutlich und eingehend alles vor&comma; was Heidi zu tun hatte&period; »Dann«&comma; fuhr sie weiter&comma; »muss ich dir hauptsächlich bemerken&comma; dass du am Tisch nicht mit Sebastian zu sprechen hast&comma; auch sonst nur dann&comma; wenn du einen Auftrag oder eine notwendige Frage an ihn zu richten hast&semi; dann aber nennst du ihn nie mehr anders als Sie oder Er&comma; hörst du&quest; Dass ich dich niemals mehr ihn anders nennen höre&period; Auch Tinette nennst du Sie&comma; Jungfer Tinette&period; Mich nennst du so&comma; wie du mich von allen nennen hörst&semi; wie du Klara nennen sollst&comma; wird sie selbst bestimmen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Natürlich Klara«&comma; sagte diese&period; Nun folgte aber noch eine Menge von Verhaltungsmaßregeln&comma; über Aufstehen und Zubettegehen&comma; über Hereintreten und Hinausgehen&comma; über Ordnunghalten&comma; Türenschließen&comma; und über alledem fielen dem Heidi die Augen zu&comma; denn es war heute vor fünf Uhr aufgestanden und hatte eine lange Reise gemacht&period; Es lehnte sich an den Sesselrücken und schlief ein&period; Als dann nach längerer Zeit Fräulein Rottenmeier zu Ende gekommen war mit ihrer Unterweisung&comma; sagte sie&colon; »Nun denke daran&comma; Adelheid&excl; Hast du alles recht begriffen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Heidi schläft schon lange«&comma; sagte Klara mit ganz belustigtem Gesicht&comma; denn das Abendessen war für sie seit langer Zeit nie so kurzweilig verflossen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Es ist doch völlig unerhört&comma; was man mit diesem Kind erlebt&excl;«&comma; rief Fräulein Rottenmeier in großem Ärger und klingelte so heftig&comma; dass Tinette und Sebastian miteinander herbeigestürzt kamen&semi; aber trotz allen Lärms erwachte Heidi nicht&comma; und man hatte die größte Mühe&comma; es so weit zu erwecken&comma; dass es nach seinem Schlafgemach gebracht werden konnte&semi; erst durch das Studierzimmer&comma; dann durch Klaras Schlafstube&comma; dann durch die Stube von Fräulein Rottenmeier zu dem Eckzimmer&comma; das nun für Heidi eingerichtet war&period;<&sol;p>

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