Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Heidis Lehr- und Wanderjahre
(Johanna Spyri, 1880, empfohlenes Alter: 8 - 12 Jahre)

Im Hause Sesemann geht's unruhig zu

<p>Als Sebastian am folgenden Morgen dem Herrn Kandidaten die Haustür geöffnet und ihn zum Studierzimmer geführt hatte&comma; zog schon wieder jemand die Hausglocke an&comma; aber mit solcher Gewalt&comma; dass Sebastian die Treppe völlig hinunterschoss&comma; denn er dachte&colon; »So schellt nur der Herr Sesemann selbst&comma; er muss unerwartet nach Hause gekommen sein&period;« Er riss die Tür auf - ein zerlumpter Junge mit einer Drehorgel auf dem Rücken stand vor ihm&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Was soll das heißen&quest;«&comma; fuhr ihn Sebastian an&period; »Ich will dich lehren&comma;&nbsp&semi;Glocken herunterzureißen&excl; Was hast du hier zu tun&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich muss zur Klara«&comma; war die Antwort&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Du ungewaschener Straßenkäfer du&semi; kannst du nicht sagen &gt&semi;Fräulein Klara&lt&semi;&comma; wie unsereins tut&quest; Was hast du bei Fräulein Klara zu tun&quest;«&comma; fragte Sebastian barsch&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Sie ist mir vierzig Pfennige schuldig«&comma; erklärte der Junge&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Du bist&comma; denk ich&comma; nicht recht im Kopf&excl; Wie weißt du überhaupt&comma; dass ein Fräulein Klara hier ist&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Gestern habe ich ihr den Weg gezeigt&comma; macht zwanzig&comma; und dann wieder zurück den Weg gezeigt&comma; macht vierzig&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Da siehst du&comma; was für Zeug du zusammenflunkerst&semi; Fräulein Klara geht niemals aus&comma; kann gar nicht gehen&comma; mach&comma; dass du dahin kommst&comma; wo du hingehörst&comma; bevor ich dir dazu verhelfe&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Aber der Junge ließ sich nicht einschüchtern&semi; er blieb unbeweglich stehen und sagte trocken&colon; »Ich habe sie doch gesehen auf der Straße&comma; ich kann sie beschreiben&colon; Sie hat kurzes&comma; krauses Haar&comma; das ist schwarz&comma; und die Augen sind schwarz und der Rock ist braun&comma; und sie kann nicht reden wie wir&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Oho«&comma; dachte jetzt Sebastian und kicherte in sich hinein&comma; »das ist die kleine Mamsell&comma; die hat wieder etwas angestellt&period;« Dann sagte er&comma; den Jungen hereinziehend&colon; »'s ist schon recht&comma; komm mir nur nach und warte vor der Tür&comma; bis ich wieder herauskomme&period; Wenn ich dich dann einlasse&comma; kannst du gleich etwas spielen&semi; das Fräulein hört es gern&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Oben klopfte er am Studierzimmer und wurde hereingerufen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Es ist ein Junge da&comma; der durchaus an Fräulein Klara selbst etwas zu bestellen hat«&comma; berichtete Sebastian&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Klara war sehr erfreut über das außergewöhnliche Ereignis&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Er soll nur gleich hereinkommen«&comma; sagte sie&comma; »nicht wahr&comma; Herr&nbsp&semi;Kandidat&comma; wenn er doch mit mir selbst sprechen muss&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der Junge war schon eingetreten&comma; und nach Anweisung fing er sofort seine Orgel zu drehen an&period; Fräulein Rottenmeier hatte&comma; um dem Abc auszuweichen&comma; sich im Esszimmer allerlei zu schaffen gemacht&period; Auf einmal horchte sie auf&period; - Kamen die Töne von der Straße her&quest; Aber so nahe&quest; Wie konnte vom Studierzimmer her eine Drehorgel ertönen&quest; Und dennoch - wahrhaftig - sie stürzte durch das lange Esszimmer und riss die Tür auf&period; Da - unglaublich - da stand mitten im Studierzimmer ein zerlumpter Orgelspieler und drehte sein Instrument mit größter Emsigkeit&period; Der Herr Kandidat schien immerfort etwas sagen zu wollen&comma; aber es wurde nichts vernommen&period; Klara und Heidi hörten mit ganz erfreuten Gesichtern der Musik zu&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Aufhören&excl; Sofort aufhören&excl;«&comma; rief Fräulein Rottenmeier ins Zimmer hinein&period; Ihre Stimme wurde übertönt von der Musik&period; Jetzt lief sie auf den Jungen zu - aber auf einmal hatte sie etwas zwischen den Füßen&comma; sie sah auf den Boden&colon; ein grausiges&comma; schwarzes Tier kroch ihr zwischen den Füßen durch - eine Schildkröte&period; Jetzt tat Fräulein Rottenmeier einen Sprung in die Höhe&comma; wie sie seit vielen Jahren keinen getan hatte&comma; dann schrie sie aus Leibeskräften&colon; »Sebastian&excl; Sebastian&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Plötzlich hielt der Orgelspieler inne&comma; denn diesmal hatte die Stimme die Musik übertönt&period; Sebastian stand draußen vor der halb offenen Tür und krümmte sich vor Lachen&comma; denn er hatte zugesehen&comma; wie der Sprung vor sich ging&period; Endlich kam er herein&period; Fräulein Rottenmeier war auf einen Stuhl niedergesunken&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Fort mit allem&comma; Mensch und Tier&excl; Schaffen Sie sie weg&comma; Sebastian&comma; sofort&excl;«&comma; rief sie ihm entgegen&period; Sebastian gehorchte bereitwillig&comma; zog den Jungen hinaus&comma; der schnell seine Schildkröte erfasst hatte&comma; drückte ihm draußen etwas in die Hand und sagte&colon; »Vierzig für Fräulein Klara&comma; und vierzig fürs Spielen&comma; das hast du gut gemacht«&semi; damit schloss er hinter ihm die Haustür&period; Im Studierzimmer war es wieder ruhig geworden&semi; die Studien wurden wieder fortgesetzt&comma; und Fräulein Rottenmeier hatte sich nun auch festgesetzt in dem Zimmer&comma; um durch ihre Gegenwart ähnliche Gräuel zu verhüten&period; Den Vorfall wollte sie nach den Unterrichtsstunden untersuchen und den Schuldigen so bestrafen&comma; dass er daran denken würde&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Schon wieder klopfte es an die Tür&comma; und herein trat abermals Sebastian mit der Nachricht&comma; es sei ein großer Korb gebracht worden&comma; der sogleich an Fräulein Klara selbst abzugeben sei&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»An mich&quest;«&comma; fragte Klara erstaunt und äußerst neugierig&comma; was das sein möchte&semi; »zeigen Sie doch gleich einmal her&comma; wie er aussieht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Sebastian brachte einen bedeckten Korb herein und entfernte sich dann eilig wieder&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich denke&comma; erst wird der Unterricht beendet&comma; dann der Korb ausgepackt«&comma; bemerkte Fräulein Rottenmeier&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Klara konnte sich nicht vorstellen&comma; was man ihr gebracht hatte&semi; sie schaute sehr verlangend nach dem Korb&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Herr Kandidat«&comma; sagte sie&comma; sich selbst in ihrem Deklinieren unterbrechend&comma; »könnte ich nicht nur einmal schnell hineinsehen&comma; um zu wissen&comma; was drin ist&comma; und dann gleich wieder fortfahren&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»In einer Hinsicht könnte man dafür&comma; in einer anderen dawider sein«&comma; entgegnete der Herr Kandidat&semi; »dafür spräche der Grund&comma; dass&comma; wenn nun Ihre ganze Aufmerksamkeit auf diesen Gegenstand gerichtet ist -«&semi; die Rede konnte nicht beendigt werden&period; Der Deckel des Korbes saß nur lose darauf&comma; und nun sprangen mit einem Mal ein&comma; zwei drei und wieder zwei und immer noch mehr junge Kätzchen darunter hervor und ins Zimmer hinaus&comma; und mit einer so unbegreiflichen Schnelligkeit fuhren sie überall herum&comma; dass es war&comma; als wäre das ganze Zimmer voll solcher Tierchen&period; Sie sprangen über die Stiefel des Herrn Kandidaten&comma; bissen an seinen Beinkleidern&comma; kletterten am Kleid von Fräulein Rottenmeier empor&comma; krabbelten um ihre Füße herum&comma; sprangen an Klaras Sessel hinauf&comma; kratzten&comma; krabbelten&comma; miauten&semi; es war ein arges Gewirre&period; Klara rief immerfort voller Entzücken&colon; »Oh&comma; die niedlichen Tierchen&excl; Die lustigen Sprünge&excl; Sieh&excl; Sieh&excl; Heidi&comma; hier&comma; dort&comma; sieh dieses&excl;« Heidi schoss ihnen vor Freude in alle Winkel nach&period; Der Herr Kandidat stand sehr verlegen am Tisch und zog bald den einen&comma; bald den andern Fuß in die Höhe&comma; um ihn dem unheimlichen Gekrabbel zu entziehen&period; Fräulein Rottenmeier saß erst sprachlos vor Entsetzen in ihrem Sessel&comma; dann fing sie an aus Leibeskräften zu schreien&colon; »Tinette&excl; Tinette&excl; Sebastian&excl; Sebastian&excl;«&comma; denn vom Sessel aufzustehen konnte sie unmöglich wagen&comma; da konnten ja mit einem Mal alle die kleinen Scheusale an ihr emporspringen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Endlich kamen Sebastian und Tinette auf die wiederholten Hilferufe&nbsp&semi;herbei&comma; und jener packte gleich eins nach dem andern der kleinen&nbsp&semi;Geschöpfe in den Korb hinein und trug sie auf den Estrich zu dem&nbsp&semi;Katzenlager&comma; das er für die zwei von gestern bereitet hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Auch am heutigen Tage hatte kein Gähnen während der Unterrichtsstunden stattgefunden&period; Am späten Abend&comma; als Fräulein Rottenmeier sich von den Aufregungen des Morgens wieder hinlänglich erholt hatte&comma; berief sie Sebastian und Tinette ins Studierzimmer herauf&comma; um hier eine gründliche Untersuchung über die strafwürdigen Vorgänge anzustellen&period; Nun kam es denn heraus&comma; dass Heidi auf seinem gestrigen Ausflug die sämtlichen Ereignisse vorbereitet und herbeigeführt hatte&period; Fräulein Rottenmeier saß weiß vor Entrüstung da und konnte erst keine Worte für ihre Empfindungen finden&period; Sie winkte mit der Hand&comma; dass Sebastian und Tinette sich entfernen sollten&period; Jetzt wandte sie sich an Heidi&comma; das neben Klaras Sessel stand und nicht recht begriff&comma; was es verbrochen hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Adelheid«&comma; begann sie mit strengem Ton&comma; »ich weiß nur eine Strafe&comma; die dir empfindlich sein könnte&comma; denn du bist eine Barbarin&semi; aber wir wollen sehen&comma; ob du unten im dunklen Keller bei Molchen und Ratten nicht zahm wirst&comma; dass du dir keine solchen Dinge mehr einfallen lässt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Heidi hörte still und verwundert sein Urteil an&comma; denn in einem schreckhaften Keller war es noch nie gewesen&comma; der anstoßende Raum in der Almhütte&comma; den der Großvater Keller nannte&comma; wo immer die fertigen Käse lagen und die frische Milch stand&comma; war eher ein anmutiger und einladender Ort&comma; und Ratten und Molche hatte es noch keine gesehen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber Klara erhob einen lauten Jammer&colon; »Nein&comma; nein&comma; Fräulein Rottenmeier&comma; man muss warten&comma; bis der Papa da ist&semi; er hat ja geschrieben&comma; er komme nun bald&comma; und dann will ich ihm alles erzählen&comma; und er sagt dann schon&comma; was mit Heidi geschehen soll&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Gegen diesen Oberrichter durfte Fräulein Rottenmeier nichts einwenden&comma; umso weniger&comma; da er wirklich in Bälde zu erwarten war&period; Sie stand auf und sagte etwas grimmig&colon; »Gut&comma; Klara&comma; aber auch ich werde ein Wort mit Herrn Sesemann sprechen&period;« Damit verließ sie das Zimmer&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Es verflossen nun ein paar ungestörte Tage&comma; aber Fräulein Rottenmeier kam nicht mehr aus der Aufregung heraus&comma; stündlich trat ihr die Täuschung vor Augen&comma; die sie in Heidis Persönlichkeit erlebt hatte&comma; und es war ihr&comma; als sei seit seiner Erscheinung im Hause Sesemann alles aus den Fugen gekommen und komme nicht wieder hinein&period; Klara war sehr vergnügt&semi; sie langweilte sich nie mehr&comma; denn in den Unterrichtsstunden machte Heidi die kurzweiligsten Sachen&semi; die Buchstaben machte es immer alle durcheinander und konnte sie nie kennen lernen&comma; und wenn der Herr Kandidat mitten im Erklären und Beschreiben ihrer Formen war&comma; um sie ihm anschaulicher zu machen und als Vergleichung etwa von einem Hörnchen oder einem Schnabel sprach dabei&comma; rief es auf einmal in aller Freude aus&colon; »Es ist eine Geiß&excl;«&comma; oder&colon; »Es ist ein Raubvogel&excl;« Denn die Beschreibungen weckten in seinem Gehirn allerlei Vorstellungen&comma; nur keine Buchstaben&period; In den späteren Nachmittagsstunden saß Heidi wieder bei Klara und erzählte ihr immer wieder von der Alm und dem Leben dort&comma; so viel und so lange&comma; bis das Verlangen darnach in ihm so brennend wurde&comma; dass es immer zum Schluss versicherte&colon; »Nun muss ich gewiss wieder heim&excl; Morgen muss ich gewiss gehen&excl;« Aber Klara beschwichtigte immer wieder diese Anfälle und bewies Heidi&comma; dass es doch sicher dableiben müsse&comma; bis der Papa komme&semi; dann werde man schon sehen&comma; wie es weitergehe&period; Wenn Heidi alsdann immer wieder nachgab und gleich wieder zufrieden war&comma; so half ihm eine fröhliche Aussicht dazu&comma; die es im Stillen hatte&comma; dass mit jedem Tage&comma; den es noch dablieb&comma; sein Häuflein Brötchen für die Großmutter wieder um zwei größer würde&comma; denn mittags und abends lag immer ein schönes Weißbrötchen bei seinem Teller&semi; das steckte es gleich ein&comma; denn es hätte das Brötchen nie essen können beim Gedanken&comma; dass die Großmutter nie eines habe und das harte&comma; schwarze Brot fast nicht mehr essen konnte&period; Nach Tisch saß Heidi jeden Tag ein paar Stunden lang ganz allein in seinem Zimmer und regte sich nicht&comma; denn dass es in Frankfurt verboten war&comma; nur so hinauszulaufen&comma; wie es auf der Alm getan&comma; das hatte es nun begriffen und tat es nie mehr&period; Mit Sebastian drüben im Esszimmer ein Gespräch führen durfte es auch nicht&comma; das hatte Fräulein Rottenmeier auch verboten&comma; und mit Tinette eine Unterhaltung zu probieren&comma; daran kam ihm kein Sinn&semi; es ging ihr immer scheu aus dem Wege&comma; denn sie redete nur in höhnischem Ton mit ihm und spöttelte es fortwährend an&comma; und Heidi verstand ihre Art ganz gut&comma; und dass sie es nur immer ausspottete&period; So saß Heidi täglich da und hatte alle Zeit&comma; sich auszudenken&comma; wie nun die Alm wieder grün war und wie die gelben Blümchen im Sonnenschein glitzerten und wie alles leuchtete rings um die Sonne&comma; der Schnee und die Berge und das ganze weite Tal&comma; und Heidi konnte es manchmal fast nicht mehr aushalten vor Verlangen&comma; wieder dort zu sein&period; Die Base hatte ja auch gesagt&comma; es könne wieder heimgehen&comma; wann es wolle&period; So kam es&comma; dass Heidi eines Tages es nicht mehr aushielt&semi; es packte in aller Eile seine Brötchen in das große rote Halstuch zusammen&comma; setzte sein Strohhütchen auf und zog aus&period; Aber schon unter der Haustür traf es auf ein großes Reisehindernis&comma; auf Fräulein Rottenmeier selbst&comma; die eben von einem Ausgang zurückkehrte&period; Sie stand still und schaute in starrem Erstaunen Heidi von oben bis unten an&comma; und ihr Blick blieb vorzüglich auf dem gefüllten roten Halstuch haften&period; Jetzt brach sie los&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Was ist das für ein Aufzug&quest; Was heißt das überhaupt&quest; Habe ich dir nicht streng verboten&comma; je wieder herumzustreichen&quest; Nun probierst du's doch wieder und dazu noch völlig aussehend wie eine Landstreicherin&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich wollte nicht herumstreichen&comma; ich wollte nur heimgehen«&comma; entgegnete Heidi erschrocken&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wie&quest; Was&quest; Heimgehen&quest; Heimgehen wolltest du&quest;« Fräulein Rottenmeier schlug die Hände zusammen vor Aufregung&period; »Fortlaufen&excl; Wenn das Herr Sesemann wüsste&excl; Fortlaufen aus seinem Hause&excl; Mach nicht&comma; dass er das je erfährt&excl; Und was ist dir denn nicht recht in seinem Hause&quest; Wirst du nicht viel besser behandelt&comma; als du verdienst&quest; Fehlt es dir an irgendetwas&quest; Hast du je in deinem ganzen Leben eine Wohnung oder einen Tisch oder eine Bedienung gehabt&comma; wie du hier hast&quest; Sag&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein«&comma; entgegnete Heidi&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Das weiß ich wohl&excl;«&comma; fuhr die Dame eifrig fort&period; »Nichts fehlt dir&comma; gar nichts&comma; du bist ein ganz unglaublich undankbares Kind&comma; und vor lauter Wohlsein weißt du nicht&comma; was du noch alles anstellen willst&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Aber jetzt kam dem Heidi alles obenauf&comma; was in ihm war&comma; und brach hervor&colon; »Ich will ja nur heim&comma; und wenn ich so lang nicht komme&comma; so muss das Schneehöppli immer klagen&comma; und die Großmutter erwartet mich&comma; und der Distelfink bekommt die Rute&comma; wenn der Geißenpeter keinen Käse bekommt&comma; und hier kann man gar nie sehen&comma; wie die Sonne gute Nacht sagt zu den Bergen&semi; und wenn der Raubvogel in Frankfurt obenüber fliegen würde&comma; so würde er noch viel lauter krächzen&comma; dass so viele Menschen beieinander sitzen und einander bös machen und nicht auf den Felsen gehen&comma; wo es einem wohl ist&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Barmherzigkeit&comma; das Kind ist übergeschnappt&excl;«&comma; rief Fräulein Rottenmeier aus und stürzte mit Schrecken die Treppe hinauf&comma; wo sie sehr unsanft gegen den Sebastian rannte&comma; der eben hinunter wollte&period; »Holen Sie auf der Stelle das unglückliche Wesen herauf&excl;«&comma; rief sie ihm zu&comma; indem sie sich den Kopf rieb&comma; denn sie war hart angestoßen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; ja&comma; schon recht&comma; danke schön«&comma; gab Sebastian zurück und rieb sich den seinen&comma; denn er war noch härter angefahren&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Heidi stand mit flammenden Augen noch auf derselben Stelle fest und zitterte vor innerer Erregung am ganzen Körper&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Na&comma; schon wieder was angestellt&quest;«&comma; fragte Sebastian lustig&semi; als er aber Heidi&comma; das sich nicht rührte&comma; recht ansah&comma; klopfte er ihm freundlich auf die Schulter und sagte tröstend&colon; »Pah&excl; Pah&excl; Das muss sich das Mamsellchen nicht so zu Herzen nehmen&comma; nur lustig&comma; das ist die Hauptsache&excl; Sie hat mir eben jetzt auch fast ein Loch in den Kopf gerannt&semi; aber nur nicht einschüchtern lassen&excl; Na&quest; Immer noch auf demselben Fleck&quest; Wir müssen hinauf&comma; sie hat's befohlen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Heidi ging nun die Treppe hinauf&comma; aber langsam und leise und gar nicht&comma; wie sonst seine Art war&period; Das tat dem Sebastian Leid zu sehen&semi; er ging hinter dem Heidi her und sprach ermutigende Worte zu ihm&colon; »Nur nicht abgeben&excl; Nur nicht traurig werden&excl; Nur immer tapfer darauf zu&excl; Wir haben ja ein ganz vernünftiges Mamsellchen&comma; hat noch gar nie geweint&comma; seit es bei uns ist&semi; sonst weinen sie ja zwölfmal im Tag in dem Alter&comma; das kennt man&period; Die Kätzchen sind auch lustig droben&comma; die springen auf dem ganzen Estrich herum und tun wie närrisch&period; Nachher gehen wir mal zusammen hinauf und schauen ihnen zu&comma; wenn die Dame drinnen weg ist&comma; ja&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Heidi nickte ein wenig mit dem Kopf&comma; aber so freudlos&comma; dass es dem Sebastian recht zu Herzen ging und er ganz teilnehmend dem Heidi nachschaute&comma; wie es nach seinem Zimmer hin schlich&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Am Abendessen heute sagte Fräulein Rottenmeier kein Wort&comma; aber fortwährend warf sie sonderbar wachsame Blicke zu Heidi hinüber&comma; so als erwartete sie&comma; es könnte plötzlich etwas Unerhörtes unternehmen&semi; aber Heidi saß mäuschenstill am Tisch und rührte sich nicht&comma; es aß nicht und trank nicht&semi; nur sein Brötchen hatte es schnell in die Tasche gesteckt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Am folgenden Morgen&comma; als der Herr Kandidat die Treppe heraufkam&comma; winkte ihn Fräulein Rottenmeier geheimnisvoll ins Esszimmer herein&comma; und hier teilte sie ihm in großer Aufregung ihre Besorgnis mit&comma; die Luftveränderung&comma; die neue Lebensart und die ungewohnten Eindrücke hätten das Kind um den Verstand gebracht&comma; und sie erzählte ihm von Heidis Fluchtversuch und wiederholte ihm von seinen sonderbaren Reden&comma; was sie noch wusste&period; Aber der Herr Kandidat besänftigte und beruhigte Fräulein Rottenmeier&comma; indem er sie versicherte&comma; dass er die Wahrnehmung gemacht habe&comma; die Adelheid sei zwar einerseits allerdings eher exzentrisch&comma; aber anderseits doch wieder bei richtigem Verstand&comma; so dass sich nach und nach bei einer allseitig erwogenen Behandlung das nötige Gleichgewicht einstellen könne&comma; was er im Auge habe&semi; er finde den Umstand wichtiger&comma; dass er durchaus nicht über das Abc hinauskomme mit ihr&comma; indem sie die Buchstaben nicht zu fassen imstande sei&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Fräulein Rottenmeier fühlte sich beruhigter und entließ den Herrn Kandidaten zu seiner Arbeit&period; Am späteren Nachmittag stieg ihr die Erinnerung an Heidis Aufzug bei seiner vorgehabten Abreise auf&comma; und sie beschloss&comma; die Gewandung des Kindes durch verschiedene Kleidungsstücke der Klara in den nötigen Stand zu setzen&comma; bevor Herr Sesemann erscheinen würde&period; Sie teilte ihre Gedanken darüber an Klara mit&comma; und da diese mit allem einverstanden war und dem Heidi eine Menge Kleider und Tücher und Hüte schenken wollte&comma; verfügte sich die Dame in Heidis Zimmer&comma; um seinen Kleiderschrank zu besehen und zu untersuchen&comma; was da von dem Vorhandenen bleiben und was entfernt werden solle&period; Aber in wenig Minuten kam sie wieder zurück mit Gebärden des Abscheus&period; »Was muss ich entdecken&comma; Adelheid&excl;«&comma; rief sie aus&period; »Es ist nie dagewesen&excl; In deinem Kleiderschrank&comma; einem Schrank für Kleider&comma; Adelheid&comma; im Fuß dieses Schrankes&comma; was finde ich&quest; Einen Haufen kleiner Brote&excl; Brot&comma; sage ich&comma; Klara&comma; im Kleiderschrank&excl; Und einen solchen Haufen aufspeichern&excl;« - »Tinette«&comma; rief sie jetzt ins Esszimmer hinaus&comma; »schaffen Sie mir das alte Brot fort aus dem Schrank der Adelheid und den zerdrückten Strohhut auf dem Tisch&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&excl; Nein&excl;«&comma; schrie Heidi auf&semi; »ich muss den Hut haben&comma; und die Brötchen sind für die Großmutter«&comma; und Heidi wollte der Tinette nachstürzen&comma; aber es wurde von Fräulein Rottenmeier festgehalten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Du bleibst hier und der Kram wird hingebracht&comma; wo er hingehört«&comma; sagte sie bestimmt und hielt das Kind zurück&period; Aber nun warf sich Heidi an Klaras Sessel nieder und fing ganz verzweiflungsvoll zu weinen an&comma; immer lauter und schmerzlicher&comma; und schluchzte ein Mal ums andere in seinem Jammer auf&colon; »Nun hat die Großmutter keine Brötchen mehr&period; Sie waren für die Großmutter&comma; nun sind sie alle fort und die Großmutter bekommt keine&excl;«&comma; und Heidi weinte auf&comma; als wollte ihm das Herz zerspringen&period; Fräulein Rottenmeier lief hinaus&period; Klara wurde es angst und bange bei dem Jammer&period; »Heidi&comma; Heidi&comma; weine nur nicht so«&comma; sagte sie bittend&comma; »hör mich nur&excl; Jammere nur nicht so&comma; sieh&comma; ich verspreche dir&comma; ich gebe dir gerade so viel Brötchen für die Großmutter&comma; oder noch mehr&comma; wenn du einmal heimgehst&comma; und dann sind diese frisch und weich&comma; und die deinen wären ja ganz hart geworden und waren es schon&period; Komm&comma; Heidi&comma; weine nur nicht mehr so&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Heidi konnte noch lange nicht aus seinem Schluchzen herauskommen&semi; aber es verstand Klaras Trost und hielt sich daran&comma; sonst hätte es gar nicht mehr zu weinen aufhören können&period; Es musste auch noch mehrere Male seiner Hoffnung gewiss werden und Klara&comma; durch die letzten Anfälle von Schluchzen unterbrochen&comma; fragen&colon; »Gibst du mir so viele&comma; viele&comma; wie ich hatte&comma; für die Großmutter&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Und Klara versicherte immer wieder&colon; »Gewiss&comma; ganz gewiss&comma; noch mehr&comma; sei nur wieder froh&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Noch zum Abendtisch kam Heidi mit den rot verweinten Augen&comma; und als es sein Brötchen erblickte&comma; musste es gleich noch einmal aufschluchzen&period; Aber es bezwang sich jetzt mit Gewalt&comma; denn es verstand&comma; dass es sich am Tisch ruhig verhalten musste&period; Sebastian machte heute jedes Mal die merkwürdigsten Gebärden&comma; wenn er in Heidis Nähe kam&semi; er deutete bald auf seinen&comma; bald auf Heidis Kopf&comma; dann nickte er wieder und kniff die Augen zu&comma; so als wollte er sagen&colon; »Nur getrost&excl; Ich hab's schon gemerkt und besorgt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Als Heidi später in sein Zimmer kam und in sein Bett steigen wollte&comma; lag sein zerdrücktes Strohhütchen unter der Decke versteckt&period; Mit Entzücken zog es den alten Hut hervor&comma; zerdrückte ihn vor lauter Freude noch ein wenig mehr und versteckte ihn dann&comma; in ein Taschentüchlein eingewickelt&comma; in die allerhinterste Ecke seines Schrankes&period; Das Hütchen hatte der Sebastian unter die Decke gesteckt&semi; er war zu gleicher Zeit mit Tinette im Esszimmer gewesen&comma; als diese gerufen wurde&comma; und hatte Heidis Jammerruf vernommen&period; Dann war er Tinette nachgegangen&comma; und als sie aus Heidis Zimmer heraustrat mit ihrer Brotlast und dem Hütchen oben darauf&comma; hatte er schnell dieses weggenommen und ihr zugerufen&colon; »Das will ich schon forttun&period;« Darauf hatte er es in aller Freude für Heidi gerettet&comma; was er ihm beim Abendessen zur Erheiterung andeuten wollte&period;<&sol;p>

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