Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Heidis Lehr- und Wanderjahre
(Johanna Spyri, 1880, empfohlenes Alter: 8 - 12 Jahre)

Zum Alm-Öhi hinauf

<p>Vom freundlichen Dorfe Maienfeld führt ein Fußweg durch grüne&comma; baumreiche Fluren bis zum Fuße der Höhen&comma; die von dieser Seite groß und ernst auf das Tal herniederschauen&period; Wo der Fußweg anfängt&comma; beginnt bald Heideland mit dem kurzen Gras und den kräftigen Bergkräutern dem Kommenden entgegenzuduften&comma; denn der Fußweg geht steil und direkt zu den Alpen hinauf&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Auf diesem schmalen Bergpfade stieg am hellen&comma; sonnigen Junimorgen ein großes&comma; kräftig aussehendes Mädchen dieses Berglandes hinan&comma; ein Kind an der Hand führend&comma; dessen Wangen so glühend waren&comma; dass sie selbst die sonnverbrannte&comma; völlig braune Haut des Kindes flammend rot durchleuchteten&period; Es war auch kein Wunder&colon; Das Kind war trotz der heißen Junisonne so verpackt&comma; als hätte es sich eines bitteren Frostes zu erwehren&period; Das kleine Mädchen mochte kaum fünf Jahre zählen&semi; was aber seine natürliche Gestalt war&comma; konnte man nicht ersehen&comma; denn es hatte sichtlich zwei&comma; wenn nicht drei Kleider übereinander angezogen und drüberhin ein großes&comma; rotes Baumwolltuch um und um gebunden&comma; so dass die kleine Person eine völlig formlose Figur darstellte&comma; die&comma; in zwei schwere&comma; mit Nägeln beschlagene Bergschuhe gesteckt&comma; sich heiß und mühsam den Berg hinaufarbeitete&period; Eine Stunde vom Tal aufwärts mochten die beiden gestiegen sein&comma; als sie zu dem Weiler kamen&comma; der auf halber Höhe der Alm liegt und &gt&semi;im Dörfli&lt&semi; heißt&period; Hier wurden die Wandernden fast von jedem Hause aus angerufen&comma; einmal vom Fenster&comma; einmal von einer Haustür und einmal vom Wege her&comma; denn das Mädchen war in seinem Heimatort angelangt&period; Es machte aber nirgends Halt&comma; sondern erwiderte alle zugerufenen Grüße und Fragen im Vorbeigehen&comma; ohne still zu stehen&comma; bis es am Ende des Weilers bei dem letzten der zerstreuten Häuschen angelangt war&period; Hier rief es aus einer Tür&colon; »Wart einen Augenblick&comma; Dete&comma; ich komme mit&comma; wenn du weiter hinaufgehst&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die Angeredete stand still&semi; sofort machte sich das Kind von ihrer Hand los und setzte sich auf den Boden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Bist du müde&comma; Heidi&quest;«&comma; fragte die Begleiterin&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; es ist mir heiß«&comma; entgegnete das Kind&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wir sind jetzt gleich oben&comma; du musst dich nur noch ein wenig anstrengen und große Schritte nehmen&comma; dann sind wir in einer Stunde oben«&comma; ermunterte die Gefährtin&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt trat eine breite gutmütig aussehende Frau aus der Tür und gesellte sich zu den beiden&period; Das Kind war aufgestanden und wanderte nun hinter den zwei alten Bekannten her&comma; die sofort in ein lebhaftes Gespräch gerieten über allerlei Bewohner des &gt&semi;Dörfli&lt&semi; und vieler umherliegender Behausungen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber wohin willst du eigentlich mit dem Kinde&comma; Dete&quest;«&comma; fragte jetzt die neu Hinzugekommene&period; »Es wird wohl deiner Schwester Kind sein&comma; das hinterlassene&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das ist es«&comma; erwiderte Dete&comma; »ich will mit ihm hinauf zum Öhi&comma; es muss dort bleiben&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Was&comma; beim Alm-Öhi soll das Kind bleiben&quest; Du bist&comma; denk ich&comma; nicht recht bei Verstand&comma; Dete&excl; Wie kannst du so etwas tun&excl; Der Alte wird dich aber schon heimschicken mit deinem Vorhaben&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das kann er nicht&comma; er ist der Großvater&comma; er muss etwas tun&comma; ich habe das Kind bis jetzt gehabt&comma; und das kann ich dir schon sagen&comma; Barbel&comma; dass ich einen Platz&comma; wie ich ihn jetzt haben kann&comma; nicht dahinten lasse um des Kindes willen&semi; jetzt soll der Großvater das Seinige tun&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; wenn der wäre wie andere Leute&comma; dann schon«&comma; bestätigte die kleine Barbel eifrig&semi; »aber du kennst ja den&period; Was wird der mit einem Kinde anfangen und dann noch einem so kleinen&excl; Das hält's nicht aus bei ihm&excl; Aber wo willst du denn hin&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nach Frankfurt«&comma; erklärte Dete&comma; »da bekomm ich einen extraguten Dienst&period; Die Herrschaft war schon im vorigen Sommer unten im Bad&comma; ich habe ihre Zimmer auf meinem Gang gehabt und sie besorgt&comma; und schon damals wollten sie mich mitnehmen&comma; aber ich konnte nicht fortkommen&comma; und jetzt sind sie wieder da und wollen mich mitnehmen&comma; und ich will auch gehen&comma; da kannst du sicher sein&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich möchte nicht das Kind sein&excl;«&comma; rief die Barbel mit abwehrender Gebärde aus&period; »Es weiß ja kein Mensch&comma; was mit dem Alten da oben ist&excl; Mit keinem Menschen will er etwas zu tun haben&comma; jahraus&comma; jahrein setzt er keinen Fuß in eine Kirche&comma; und wenn er mit seinem dicken Stock im Jahr einmal herunterkommt&comma; so weicht ihm alles aus und muss sich vor ihm fürchten&period; Mit seinen dicken grauen Augenbrauen und dem furchtbaren Bart sieht er auch aus wie ein alter Heide und Indianer&comma; dass man froh ist&comma; wenn man ihm nicht allein begegnet&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Und wenn auch«&comma; sagte Dete trotzig&comma; »er ist der Großvater und muss für das Kind sorgen&comma; er wird ihm wohl nichts tun&comma; sonst hat er's zu verantworten&comma; nicht ich&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich möchte nur wissen«&comma; sagte die Barbel forschend&comma; »was der Alte auf dem Gewissen hat&comma; dass er solche Augen macht und so mutterseelenallein da droben auf der Alm bleibt und sich fast nie blicken lässt&period; Man sagt allerhand von ihm&semi; du weißt doch gewiss auch etwas davon&comma; von deiner Schwester&comma; nicht&comma; Dete&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Freilich&comma; aber ich rede nicht&semi; wenn er's hörte&comma; so käme ich schön an&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Aber die Barbel hätte schon lange gern gewusst&comma; wie es sich mit dem Alm-Öhi verhalte&comma; dass er so menschenfeindlich aussehe und da oben ganz allein wohne und die Leute immer so mit halben Worten von ihm redeten&comma; als fürchteten sie sich&comma; gegen ihn zu sein&comma; und wollten doch nicht für ihn sein&period; Auch wusste die Barbel gar nicht&comma; warum der Alte von allen Leuten im Dörfli der Alm-Öhi genannt wurde&comma; er konnte doch nicht der wirkliche Oheim von den sämtlichen Bewohnern sein&semi; da aber alle ihn so nannten&comma; tat sie es auch und nannte den Alten nie anders als Öhi&comma; was die Aussprache der Gegend für Oheim ist&period; Die Barbel hatte sich erst vor kurzer Zeit nach dem Dörfli hinauf verheiratet&comma; vorher hatte sie unten im Prättigau gewohnt&comma; und so war sie noch nicht so ganz bekannt mit allen Erlebnissen und besonderen Persönlichkeiten aller Zeiten vom Dörfli und der Umgegend&period; Die Dete&comma; ihre gute Bekannte&comma; war dagegen vom Dörfli gebürtig und hatte da gelebt mit ihrer Mutter bis vor einem Jahr&semi; da war diese gestorben&comma; und die Dete war nach dem Bade Ragaz hinübergezogen&comma; wo sie im großen Hotel als Zimmermädchen einen guten Verdienst fand&period; Sie war auch an diesem Morgen mit dem Kinde von Ragaz hergekommen&semi; bis Maienfeld hatte sie auf einem Heuwagen fahren können&comma; auf dem ein Bekannter von ihr heimfuhr und sie und das Kind mitnahm&period; - Die Barbel wollte also diesmal die gute Gelegenheit&comma; etwas zu vernehmen&comma; nicht unbenutzt vorbeigehen lassen&semi; sie fasste vertraulich die Dete am Arm und sagte&colon; »Von dir kann man doch vernehmen&comma; was wahr ist und was die Leute darüber hinaus sagen&semi; du weißt&comma; denk ich&comma; die ganze Geschichte&period; Sag mir jetzt ein wenig&comma; was mit dem Alten ist und ob der immer so gefürchtet und ein solcher Menschenhasser war&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ob er immer so war&comma; kann ich&comma; denk ich&comma; nicht präzis wissen&comma; ich bin jetzt sechsundzwanzig und er sicher siebzig Jahr alt&semi; so hab ich ihn nicht gesehen&comma; wie er jung war&comma; das wirst du nicht erwarten&period; Wenn ich aber wüsste&comma; dass es nachher nicht im ganzen Prättigau herumkäme&comma; so könnte ich dir schon allerhand erzählen von ihm&semi; meine Mutter war aus dem Domleschg und er auch&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»A bah&comma; Dete&comma; was meinst denn&quest;«&comma; gab die Barbel ein wenig beleidigt zurück&semi; »es geht nicht so streng mit dem Schwatzen im Prättigau&comma; und dann kann ich schon etwas für mich behalten&comma; wenn es sein muss&period; Erzähl mir's jetzt&comma; es muss dich nicht gereuen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja nu&comma; so will ich&comma; aber halt Wort&excl;«&comma; mahnte die Dete&period; Erst sah sie sich aber um&comma; ob das Kind nicht zu nah sei und alles anhöre&comma; was sie sagen wollte&semi; aber das Kind war gar nicht zu sehen&comma; es musste schon seit einiger Zeit den beiden Begleiterinnen nicht mehr gefolgt sein&comma; diese hatten es aber im Eifer der Unterhaltung nicht bemerkt&period; Dete stand still und schaute sich überall um&period; Der Fußweg machte einige Krümmungen&comma; doch konnte man ihn fast bis zum Dörfli hinunter übersehen&comma; es war aber niemand darauf sichtbar&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Jetzt seh ich's«&comma; erklärte die Barbel&semi; »siehst du dort&quest;«&comma; und sie wies mit dem Zeigefinger weitab vom Bergpfad&period; »Es klettert die Abhänge hinauf mit dem Geißenpeter und seinen Geißen&period; Warum der heut so spät hinauffährt mit seinen Tieren&quest; Es ist aber gerad recht&comma; er kann nun zu dem Kinde sehen&comma; und du kannst mir umso besser erzählen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Mit dem Nach-ihm-Sehen muss sich der Peter nicht anstrengen«&comma; bemerkte die Dete&semi; »es ist nicht dumm für seine fünf Jahre&comma; es tut seine Augen auf und sieht&comma; was vorgeht&comma; das hab ich schon bemerkt an ihm&comma; und es wird ihm einmal zugut kommen&comma; denn der Alte hat gar nichts mehr als seine zwei Geißen und die Almhütte&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Hat er denn einmal mehr gehabt&quest;«&comma; fragte die Barbel&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Der&quest; Ja&comma; das denk ich&comma; dass er einmal mehr gehabt hat«&comma; entgegnete eifrig die Dete&semi; »eins der schönsten Bauerngüter im Domleschg hat er gehabt&period; Er war der ältere Sohn und hatte nur noch einen Bruder&comma; der war still und ordentlich&period; Aber der Ältere wollte nichts tun&comma; als den Herrn spielen und im Lande herumfahren und mit bösem Volk zu tun haben&comma; das niemand kannte&period; Den ganzen Hof hat er verspielt und verzecht&comma; und wie es herauskam&comma; da sind sein Vater und seine Mutter hintereinander gestorben vor lauter Gram&comma; und der Bruder&comma; der nun auch am Bettelstab war&comma; ist vor Verdruss in die Welt hinaus&comma; es weiß kein Mensch wohin&comma; und der Öhi selber&comma; als er nichts mehr hatte als einen bösen Namen&comma; ist auch verschwunden&period; Erst wusste niemand wohin&comma; dann vernahm man&comma; er sei unter das Militär gegangen nach Neapel&comma; und dann hörte man nichts mehr von ihm zwölf oder fünfzehn Jahre lang&period; Dann auf einmal erschien er wieder im Domleschg mit einem halb erwachsenen Buben und wollte diesen in der Verwandtschaft unterzubringen suchen&period; Aber es schlossen sich alle Türen vor ihm&comma; und keiner wollte mehr etwas von ihm wissen&period; Das erbitterte ihn sehr&semi; er sagte&comma; ins Domleschg setze er keinen Fuß mehr&comma; und dann kam er hierher ins Dörfli und lebte da mit dem Buben&period; Die Frau muss eine Bündnerin gewesen sein&comma; die er dort unten getroffen und dann bald wieder verloren hatte&period; Er musste noch etwas Geld haben&comma; denn er ließ den Buben&comma; den Tobias&comma; ein Handwerk erlernen&comma; Zimmermann&comma; und der war ein ordentlicher Mensch und wohlgelitten bei allen Leuten im Dörfli&period; Aber dem Alten traute keiner&comma; man sagte auch&comma; er sei von Neapel desertiert&comma; es wäre ihm sonst schlimm gegangen&comma; denn er habe einen erschlagen&comma; natürlich nicht im Krieg&comma; verstehst du&comma; sondern beim Raufhandel&period; Wir anerkannten aber die Verwandtschaft&comma; da meiner Mutter Großmutter mit seiner Großmutter Geschwisterkind gewesen war&period; So nannten wir ihn Öhi&comma; und da wir fast mit allen Leuten im Dörfli wieder verwandt sind vom Vater her&comma; so nannten ihn diese alle auch Öhi&comma; und seit er dann auf die Alm hinaufgezogen war&comma; hieß er eben nur noch der &gt&semi;Alm-Öhi&lt&semi;&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber wie ist es dann mit dem Tobias gegangen&quest;«&comma; fragte gespannt die&nbsp&semi;Barbel&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wart nur&comma; das kommt schon&comma; ich kann nicht alles auf einmal sagen«&comma; erklärte Dete&period; »Also der Tobias war in der Lehre draußen in Mels&comma; und sowie er fertig war&comma; kam er heim ins Dörfli und nahm meine Schwester zur Frau&comma; die Adelheid&comma; denn sie hatten sich schon immer gern gehabt&comma; und auch wie sie nun verheiratet waren&comma; konnten sie's sehr gut zusammen&period; Aber es ging nicht lange&period; Schon zwei Jahre nachher&comma; wie er an einem Hausbau mithalf&comma; fiel ein Balken auf ihn herunter und schlug ihn tot&period; Und wie man den Mann so entstellt nach Hause brachte&comma; da fiel die Adelheid vor Schrecken und Leid in ein heftiges Fieber und konnte sich nicht mehr erholen&comma; sie war sonst nicht sehr kräftig und hatte manchmal so eigene Zustände gehabt&comma; dass man nicht recht wusste&comma; schlief sie oder war sie wach&period; Nur ein paar Wochen&comma; nachdem der Tobias tot war&comma; begrub man auch die Adelheid&period; Da sprachen alle Leute weit und breit von dem traurigen Schicksal der beiden&comma; und leise und laut sagten sie&comma; das sei die Strafe&comma; die der Öhi verdient habe für sein gottloses Leben&comma; und ihm selbst wurde es gesagt und auch der Herr Pfarrer redete ihm ins Gewissen&comma; er sollte doch jetzt Buße tun&comma; aber er wurde nur immer grimmiger und verstockter und redete mit niemandem mehr&comma; es ging ihm auch jeder aus dem Wege&period; Auf einmal hieß es&comma; der Öhi sei auf die Alm hinaufgezogen und komme gar nicht mehr herunter&comma; und seither ist er dort und lebt mit Gott und Menschen im Unfrieden&period; Das kleine Kind der Adelheid nahmen wir zu uns&comma; die Mutter und ich&semi; es war ein Jahr alt&period; Wie nun im letzten Sommer die Mutter starb und ich im Bad drunten etwas verdienen wollte&comma; nahm ich es mit und gab es der alten Ursel oben im Pfäfferserdorf in die Kost&period; Ich konnte auch im Winter im Bad bleiben&comma; es gab allerhand Arbeit&comma; weil ich zu nähen und flicken verstehe&comma; und früh im Frühling kam die Herrschaft aus Frankfurt wieder&comma; die ich voriges Jahr bedient hatte und die mich mitnehmen will&semi; übermorgen reisen wir ab&comma; und der Dienst ist gut&comma; das kann ich dir sagen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Und dem Alten da droben willst du nun das Kind übergeben&quest; Es nimmt mich nur wunder&comma; was du denkst&comma; Dete«&comma; sagte die Barbel vorwurfsvoll&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Was meinst du denn&quest;«&comma; gab Dete zurück&period; »Ich habe das Meinige an dem Kinde getan&comma; und was sollte ich denn mit ihm machen&quest; Ich denke&comma; ich kann eines&comma; das erst fünf Jahre alt wird&comma; nicht mit nach Frankfurt nehmen&period; Aber wohin gehst du eigentlich&comma; Barbel&comma; wir sind ja schon halbwegs auf der Alm&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich bin auch gleich da&comma; wo ich hinmuss«&comma; entgegnete die Barbel&semi; »ich habe mit der Geißenpeterin zu reden&comma; sie spinnt mir im Winter&period; So leb wohl&comma; Dete&comma; mit Glück&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Dete reichte der Begleiterin die Hand und blieb stehen&comma; während diese der kleinen&comma; dunkelbraunen Almhütte zuging&comma; die einige Schritte seitwärts vom Pfad in einer Mulde stand&comma; wo sie vor dem Bergwind ziemlich geschützt war&period; Die Hütte stand auf der halben Höhe der Alm&comma; vom Dörfli aus gerechnet&comma; und dass sie in einer kleinen Vertiefung des Berges stand&comma; war gut&comma; denn sie sah so baufällig und verfallen aus&comma; dass es auch so noch ein gefährliches Darinwohnen sein musste&comma; wenn der Föhnwind so mächtig über die Berge strich&comma; dass alles an der Hütte klapperte&comma; Türen und Fenster&comma; und alle die morschen Balken zitterten und krachten&period; Hätte die Hütte an solchen Tagen oben auf der Alm gestanden&comma; sie wäre unverzüglich ins Tal hinabgeweht worden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Hier wohnte der Geißenpeter&comma; der el&fjlig;ährige Bube&comma; der jeden Morgen unten im Dörfli die Geißen holte&comma; um sie hoch auf die Alm hinaufzutreiben&comma; um sie da die kurzen kräftigen Kräuter fressen zu lassen bis zum Abend&semi; dann sprang der Peter mit den leichtfüßigen Tierchen wieder herunter&comma; tat&comma; im Dörfli angekommen&comma; einen schrillen Pfiff durch die Finger&comma; und jeder Besitzer holte seine Geiß auf dem Platz&period; Meistens kamen kleine Buben und Mädchen&comma; denn die friedlichen Geißen waren nicht zu fürchten&comma; und das war denn den ganzen Sommer durch die einzige Zeit am Tage&comma; da der Peter mit seinesgleichen verkehrte&semi; sonst lebte er nur mit den Geißen&period; Er hatte zwar daheim seine Mutter und die blinde Großmutter&semi; aber da er immer am Morgen sehr früh fortmusste und am Abend vom Dörfli spät heimkam&comma; weil er sich da noch so lange als möglich mit den Kindern unterhalten musste&comma; so verbrachte er daheim nur gerade so viel Zeit&comma; um am Morgen seine Milch und Brot und am Abend ebendasselbe hinunterzuschlucken und dann sich aufs Ohr zu legen und zu schlafen&period; Sein Vater&comma; der auch schon der Geißenpeter genannt worden war&comma; weil er in früheren Jahren in demselben Berufe gestanden hatte&comma; war vor einigen Jahren beim Holzfällen verunglückt&period; Seine Mutter&comma; die zwar Brigitte hieß&comma; wurde von jedermann um des Zusammenhangs willen die Geißenpeterin genannt&comma; und die blinde Großmutter kannten weit und breit Alt und Jung nur unter dem Namen Großmutter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Dete hatte wohl zehn Minuten gewartet und sich nach allen Seiten umgesehen&comma; ob die Kinder mit den Geißen noch nirgends zu sehen seien&semi; als dies aber nicht der Fall war&comma; so stieg sie noch ein wenig höher&comma; wo sie besser die ganze Alm bis hinunter übersehen konnte&comma; und guckte nun von hier aus bald dahin&comma; bald dorthin mit Zeichen großer Ungeduld auf dem Gesicht und in den Bewegungen&period; Unterdessen rückten die Kinder auf einem großen Umwege heran&comma; denn der Peter wusste viele Stellen&comma; wo allerhand Gutes an Sträuchern und Gebüschen für seine Geißen zu nagen war&semi; darum machte er mit seiner Herde vielerlei Wendungen auf dem Wege&period; Erst war das Kind mühsam nachgeklettert&comma; in seiner schweren Rüstung vor Hitze und Unbequemlichkeit keuchend und alle Kräfte anstrengend&period; Es sagte kein Wort&comma; blickte aber unverwandt bald auf den Peter&comma; der mit seinen nackten Füßen und leichten Höschen ohne alle Mühe hin und her sprang&comma; bald auf die Geißen&comma; die mit den dünnen&comma; schlanken Beinchen noch leichter über Busch und Stein und steile Abhänge hinaufkletterten&period; Auf einmal setzte das Kind sich auf den Boden nieder&comma; zog mit großer Schnelligkeit Schuhe und Strümpfe aus&comma; stand wieder auf&comma; zog sein rotes&comma; dickes Halstuch weg&comma; machte sein Röckchen auf&comma; zog es schnell aus und hatte gleich noch eins auszuhäkeln&comma; denn die Base Dete hatte ihm das Sonntagskleidchen über das Alltagszeug angezogen&comma; um der Kürze willen&comma; damit niemand es tragen müsse&period; Blitzschnell war auch das Alltagsröcklein weg&comma; und nun stand das Kind im leichten Unterröckchen&comma; die bloßen Arme aus den kurzen Hemdärmelchen vergnüglich in die Luft hinausstreckend&period; Dann legte es schön alles auf ein Häufchen&comma; und nun sprang und kletterte es hinter den Geißen und neben dem Peter her&comma; so leicht als nur eines aus der ganzen Gesellschaft&period; Der Peter hatte nicht Acht gegeben&comma; was das Kind mache&comma; als es zurückgeblieben war&period; Wie es nun in der neuen Bekleidung nachgesprungen kam&comma; zog er lustig grinsend das ganze Gesicht auseinander und schaute zurück&comma; und wie er unten das Häuflein Kleider liegen sah&comma; ging sein Gesicht noch ein wenig mehr auseinander&comma; und sein Mund kam fast von einem Ohr bis zum anderen&semi; er sagte aber nichts&period; Wie nun das Kind sich so frei und leicht fühlte&comma; fing es ein Gespräch mit dem Peter an&comma; und er fing auch an zu reden und musste auf vielerlei antworten&comma; denn das Kind wollte wissen&comma; wie viele Geißen er habe und wohin er mit ihnen gehe und was er dort tue&comma; wo er hinkomme&period; So langten endlich die Kinder samt den Geißen oben bei der Hütte an und kamen der Base Dete zu Gesicht&period; Kaum aber hatte diese die herankletternde Gesellschaft erblickt&comma; als sie laut aufschrie&colon; »Heidi&comma; was machst du&quest; Wie siehst du aus&quest; Wo hast du deinen Rock und den zweiten und das Halstuch&quest; Und ganz neue Schuhe habe ich dir gekauft auf den Berg und dir neue Strümpfe gemacht&comma; und alles fort&excl; Alles fort&excl; Heidi&comma; was machst du&comma; wo hast du alles&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Das Kind zeigte ruhig den Berg hinunter und sagte&colon; »Dort&excl;« Die Base folgte seinem Finger&period; Richtig&comma; dort lag etwas und obenauf war ein roter Punkt&comma; das musste das Halstuch sein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Du Unglückstropf&excl;«&comma; rief die Base in großer Aufregung&period; »Was kommt dir denn in den Sinn&comma; warum hast du alles ausgezogen&quest; Was soll das sein&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich brauch es nicht«&comma; sagte das Kind und sah gar nicht reuevoll aus über seine Tat&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ach du unglückseliges&comma; vernunftloses Heidi&comma; hast du denn auch noch gar keine Begriffe&quest;«&comma; jammerte und schalt die Base weiter&period; »Wer sollte nun wieder da hinunter&comma; es ist ja eine halbe Stunde&excl; Komm&comma; Peter&comma; lauf du mir schnell zurück und hol das Zeug&comma; komm schnell und steh nicht dort und glotze mich an&comma; als wärst du am Boden festgenagelt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich bin schon zu spät«&comma; sagte Peter langsam und blieb&comma; ohne sich zu rühren&comma; auf demselben Fleck stehen&comma; von dem aus er&comma; beide Hände in die Taschen gesteckt&comma; dem Schreckensausbruch der Base zugehört hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Du stehst ja doch nur und reißest deine Augen auf und kommst&comma; denk ich&comma; nicht weit auf die Art&excl;«&comma; rief ihm die Base Dete zu&period; »Komm her&comma; du musst etwas Schönes haben&comma; siehst du&quest;« Sie hielt ihm ein neues Fünferchen hin&comma; das glänzte ihm in die Augen&period; Plötzlich sprang er auf und davon auf dem geradesten Weg die Alm hinunter und kam in ungeheuren Sätzen in kurzer Zeit bei dem Häuflein Kleider an&comma; packte sie auf und erschien damit so schnell&comma; dass ihn die Base rühmen musste und ihm sogleich sein Fünfrappenstück überreichte&period; Peter steckte es schnell tief in seine Tasche&comma; und sein Gesicht glänzte und lachte in voller Breite&comma; denn ein solcher Schatz wurde ihm nicht oft zuteil&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Du kannst mir das Zeug noch tragen bis zum Öhi hinauf&comma; du gehst ja auch den Weg«&comma; sagte die Base Dete jetzt&comma; indem sie sich anschickte&comma; den steilen Abhang zu erklimmen&comma; der gleich hinter der Hütte des Geißenpeter emporragte&period; Willig übernahm dieser den Auftrag und folgte der Voranschreitenden auf dem Fuße nach&comma; den linken Arm um sein Bündel geschlungen&comma; in der Rechten die Geißenrute schwingend&period; Das Heidi und die Geißen hüpften und sprangen fröhlich neben ihm her&period; So gelangte der Zug nach drei Viertelstunden auf die Almhöhe&comma; wo frei auf dem Vorsprung des Berges die Hütte des alten Öhi stand&comma; allen Winden ausgesetzt&comma; aber auch jedem Sonnenblick zugänglich und mit der vollen Aussicht weit ins Tal hinab&period; Hinter der Hütte standen drei alte Tannen mit dichten&comma; langen&comma; unbeschnittenen Ästen&period; Weiter hinten ging es nochmals bergan bis hoch hinauf in die alten&comma; grauen Felsen&comma; erst noch über schöne&comma; kräuterreiche Höhen&comma; dann in steiniges Gestrüpp und endlich zu den kahlen&comma; steilen Felsen hinan&period;<&sol;p>&NewLine;<p>An die Hütte festgemacht&comma; der Talseite zu&comma; hatte sich der Öhi eine Bank gezimmert&period; Hier saß er&comma; eine Pfeife im Mund&comma; beide Hände auf seine Knie gelegt&comma; und schaute ruhig zu&comma; wie die Kinder&comma; die Geißen und die Base Dete herankletterten&comma; denn die Letztere war nach und nach von den anderen überholt worden&period; Heidi war zuerst oben&semi; es ging geradeaus auf den Alten zu&comma; streckte ihm die Hand entgegen und sagte&colon; »Guten Abend&comma; Großvater&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So&comma; so&comma; wie ist das gemeint&quest;«&comma; fragte der Alte barsch&comma; gab dem Kinde kurz die Hand und schaute es mit einem langen&comma; durchdringenden Blick an&comma; unter seinen buschigen Augenbrauen hervor&period; Heidi gab den langen Blick ausdauernd zurück&comma; ohne nur einmal mit den Augen zu zwinkern&comma; denn der Großvater mit dem langen Bart und den dichten&comma; grauen Augenbrauen&comma; die in der Mitte zusammengewachsen waren und aussahen wie eine Art Gesträuch&comma; war so verwunderlich anzusehen&comma; dass Heidi ihn recht betrachten musste&period; Unterdessen war auch die Base herangekommen samt dem Peter&comma; der eine Welle stille stand und zusah&comma; was sich da ereigne&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich wünsche Euch guten Tag&comma; Öhi«&comma; sagte die Dete hinzutretend&comma; »und hier bring ich Euch das Kind vom Tobias und der Adelheid&period; Ihr werdet es wohl nicht mehr kennen&comma; denn seit es jährig war&comma; habt Ihr es nie mehr gesehen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So&comma; was muss das Kind bei mir&quest;«&comma; fragte der Alte kurz&semi; »und du dort«&comma; rief er dem Peter zu&comma; »du kannst gehen mit deinen Geißen&comma; du bist nicht zu früh&semi; nimm meine mit&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der Peter gehorchte sofort und verschwand&comma; denn der Öhi hatte ihn angeschaut&comma; dass er schon genug davon hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Es muss eben bei Euch bleiben&comma; Öhi«&comma; gab die Dete auf seine Frage zurück&period; »Ich habe&comma; denk ich&comma; das Meinige an ihm getan die vier Jahre durch&comma; es wird jetzt wohl an Euch sein&comma; das Eurige auch einmal zu tun&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So«&comma; sagte der Alte und warf einen blitzenden Blick auf die Dete&period; »Und wenn nun das Kind anfängt&comma; dir nachzuflennen und zu winseln&comma; wie kleine Unvernünftige tun&comma; was muss ich dann mit ihm anfangen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das ist dann Eure Sache«&comma; warf die Dete zurück&comma; »ich meine fast&comma; es habe mir auch kein Mensch gesagt&comma; wie ich es mit dem Kleinen anzufangen habe&comma; als es mir auf den Händen lag&comma; ein einziges Jährchen alt&comma; und ich schon für mich und die Mutter genug zu tun hatte&period; Jetzt muss ich meinem Verdienst nach&comma; und Ihr seid der Nächste am Kind&semi; wenn Ihr's nicht haben könnt&comma; so macht mit ihm&comma; was Ihr wollt&comma; dann habt Ihr's zu verantworten&comma; wenn's verdirbt&comma; und Ihr werdet wohl nicht nötig haben&comma; noch etwas aufzuladen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die Dete hatte kein recht gutes Gewissen bei der Sache&comma; darum war sie so hitzig geworden und hatte mehr gesagt&comma; als sie im Sinn gehabt hatte&period; Bei ihren letzten Worten war der Öhi aufgestanden&semi; er schaute sie so an&comma; dass sie einige Schritte zurückwich&semi; dann streckte er den Arm aus und sagte befehlend&colon; »Mach&comma; dass du hinunterkommst&comma; wo du heraufgekommen bist&comma; und zeig dich nicht so bald wieder&excl;« Das ließ sich die Dete nicht zweimal sagen&period; »So lebt wohl&comma; und du auch&comma; Heidi«&comma; sagte sie schnell und lief den Berg hinunter in einem Trab bis ins Dörfli hinab&comma; denn die innere Aufregung trieb sie vorwärts wie eine wirksame Dampfkraft&period; Im Dörfli wurde sie diesmal noch viel mehr angerufen&comma; denn es wunderte die Leute&comma; wo das Kind sei&semi; sie kannten ja alle die Dete genau und wussten&comma; wem das Kind gehörte und alles&comma; was mit ihm vorgegangen war&period; Als es nun aus allen Türen und Fenstern tönte&colon; »Wo ist das Kind&quest; Dete&comma; wo hast du das Kind gelassen&quest;«&comma; rief sie immer unwilliger zurück&colon; »Droben beim Alm-Öhi&excl; Nun&comma; beim Alm-Öhi&comma; ihr hört's ja&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Sie wurde aber so maßleidig&comma; weil die Frauen von allen Seiten ihr zuriefen&colon; »Wie kannst du so etwas tun&excl;«&comma; und&colon; »Das arme Tröpfli&excl;«&comma; und&colon; »So ein kleines Hilfloses da droben lassen&excl;«&comma; und dann wieder und wieder&colon; »Das arme Tröpfli&excl;« Die Dete lief&comma; so schnell sie konnte&comma; weiter und war froh&comma; als sie nichts mehr hörte&comma; denn es war ihr nicht wohl bei der Sache&semi; ihre Mutter hatte ihr beim Sterben das Kind noch übergeben&period; Aber sie sagte sich zur Beruhigung&comma; sie könne dann ja eher wieder etwas für das Kind tun&comma; wenn sie nun viel Geld verdiene&comma; und so war sie sehr froh&comma; dass sie bald weit von allen Leuten&comma; die ihr dreinredeten&comma; weg- und zu einem schönen Verdienst kommen konnte&period;<&sol;p>

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