Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Heimatlos
(Johanna Spyri)

Am Silser- und am Gardasee
Ein wenig Licht

<p>Aber Stineli wurde stiller und magerer von Tag zu Tag&period; Die kleinen Kinder schrieen&colon; »Das Stineli will nichts erzählen und lacht nicht mehr&period;« Die Mutter sagte zum Vater&colon; »Siehst du’s denn nicht&quest; Es ist ja nicht mehr das gleiche&period;« Und der Vater sagte&colon; »Es kommt vom Wachsen&comma; man muß ihm ein wenig Geißmilch geben am Morgen im Stall&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Aber als drei Wochen so vergangen waren&comma; da nahm die Großmutter eines Abends das Stineli in ihre Kammer hinauf und sagte&colon; »Sieh&comma; Stineli&comma; ich kann es wohl begreifen&comma; daß du den Rico nicht vergessen kannst&semi; aber du mußt doch denken&comma; daß der liebe Gott ihn weggenommen hat&comma; und wenn es so sein mußte&comma; so war es gut für den Rico&comma; das werden wir dann einmal sehen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da fing das Stineli so zu weinen an&comma; wie es die Großmutter nie an ihm erlebt hatte&comma; und es schluchzte überlaut&colon; »Der liebe Gott hat es ja nicht getan&comma; ich habe es getan&comma; Großmutter&semi; darum muß ich fast sterben vor Angst&comma; denn ich habe den Rico aufgestiftet&comma; an den See hinabzugehen&comma; und nun ist er in die Rüfenen hineingefallen und ist tot&comma; und es hat ihm noch so weh getan&comma; und ich bin an allem schuld&period;« Und Stineli weinte und schluchzte zum Erbarmen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Großmutter war wie eine schwere Last vom Herzen gefallen&semi; sie hatte den Rico verloren gegeben und heimlich hatte sie der quälende Gedanke verfolgt&comma; das arme Büblein sei der bösen Behandlung entlaufen und liege vielleicht drüben im Wasser&comma; oder sei im Wald zugrunde gegangen&period; Jetzt stieg auf einmal eine neue Hoffnung in ihr auf&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Sie beruhigte das Stineli so weit&comma; daß es ihr die ganze Geschichte von dem See erzählen konnte&comma; von der sie gar nichts wußte&colon; wie der Rico immer von dem See gesprochen und es ihn dahin gezogen hatte und wie Stineli den Weg auffand&period; Es war ganz sicher&comma; daß Rico sich dahin auf den Weg gemacht hatte&semi; aber des Vaters Worte von den Rüfenen hatten das Stineli ganz um alle Hoffnung gebracht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Großmutter nahm das Kind bei der Hand und zog es zu sich heran&period; »Komm&comma; Stineli«&comma; sagte sie liebreich&comma; »ich muß dir nun etwas erklären&period; Weißt du&comma; wie’s in dem alten Liede heißt&comma; das wir noch mit dem Rico gesungen haben am letzten Abend&quest;<&sol;p>&NewLine;<p style&equals;"margin-left&colon; 30px&semi;">›Denn was er tut und läßt geschehn&comma;<br&sol;>Das nimmt ein gutes End’&period;‹<&sol;p>&NewLine;<p>»Siehst du&comma; wenn nun auch der liebe Gott es nicht selbst getan hat&comma; so wie wenn er den Rico gleich in seinem Bette hätte sterben lassen&comma; so war doch die Sache in seiner Hand&comma; als du etwas Verkehrtes tatest&comma; denn einem solchen kleinen Stineli wäre er schon noch Meister geworden&period; Und daß du etwas recht Verkehrtes getan hast&comma; wirst du jetzt für dein Lebtag wissen&comma; und was da herauskommen kann&comma; wenn Kinder in die Welt hinauslaufen und Sachen unternehmen wollen&comma; die sie gar nicht kennen&comma; und niemandem ein Wort davon sagen&comma; keinen Eltern und keiner Großmutter&comma; die es gut mit ihnen meinen&period; Aber nun hat das der liebe Gott so geschehen lassen&comma; und nun dürfen wir bestimmt hoffen&comma; daß alles noch ein gutes Ende nehmen kann&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Jetzt denk daran&comma; Stineli&comma; und vergiß nie mehr&comma; was du da erfahren hast&period; Weil es dir aber recht von Herzen leid ist&comma; so darfst du jetzt auch gehen und den lieben Gott bitten&comma; daß er doch noch etwas Gutes mache aus dem verkehrten Zeug&comma; das ihr da angestellt habt&comma; du und der Rico&period; Dann darfst du auch wieder fröhlich sein&comma; Stineli&comma; und ich bin es mit dir&comma; denn ich glaube zuversichtlich&comma; daß der Rico noch am Leben ist&comma; und daß ihn der liebe Gott nicht verläßt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Von dem Tage an wurde Stineli wieder munter&comma; und wenn ihm auch der Rico auf jedem Schritt mangelte&comma; so hatte es doch keine Angst und keine Vorwürfe mehr im Herzen&comma; und Tag für Tag schaute es nach der Straße hinüber&comma; ob nicht etwa der Rico dort vom Maloja herunterkomme&period; So ging die Zeit dahin&comma; aber vom Rico hörte man nichts mehr&period;<&sol;p>

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