Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Heimatlos
(Johanna Spyri)

Wie Wiselis Weg gefunden wird
Es geschieht etwas Unerwartetes

<p>In dem Hause auf der Halde wurde viel vom Schreiner Andres und dem Wiseli gesprochen&period; Jeden Morgen ging die Frau Oberst nachzusehen&comma; wie es bei dem Kranken stehe&comma; und jedesmal brachte sie wieder einen erfreulicheren Bericht nach Hause&period; Das brachte alle zusammen in die freudigste Stimmung&comma; und Otto und Miezchen machten einen Plan&comma; wie ein großes Genesungsfest müßte gefeiert werden in des Schreiners Andres Stube&comma; aber noch solange Wiseli da war&semi; das sollte eine Hauptfreude und für Andres und Wiseli eine große Überraschung werden&period; Es mußte aber noch ein Fest gefeiert werden vorher&comma; denn heute war des Vaters Geburtstag&comma; und schon am frühen Morgen hatten allerlei von Otto und Miezchen erfundene Feierlichkeiten stattgefunden&comma; doch der Hauptmoment des Tages war jetzt gekommen&comma; da es zur Mittagstafel ging&period; Ganz feierlich hatten Otto und Miezchen sich schon hingesetzt in großer Erwartung aller der Dinge&comma; die da kommen sollten&period; Nun erschienen auch Vater und Mutter&comma; und das frohe Mahl nahm seinen Anfang&period; Nachdem das erste Gericht vergnüglich verzehrt worden war&comma; erschien eine zugedeckte Schüssel&semi; das war entschieden das Geburtstagsgericht&period; Der Deckel wurde aufgehoben&comma; und ein prächtiger Blumenkohl stand da&comma; so frisch&comma; als hätte man ihn eben im Garten geholt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Das ist ja eine prächtige Blume«&comma; sagte der Vater&comma; »die muß man loben&period; Aber eigentlich«&comma; fuhr er etwas enttäuscht fort&comma; »suchte ich etwas anderes unter dem Deckel&comma; Artischocken suchte ich&semi; kann man die nicht auch finden irgendwo&comma; wie Blumenkohl&quest; Du weißt&comma; liebe Marie&comma; ich schaue an gedeckten Tischen nach keinem anderen Gerichte so aus&comma; wie nach Artischocken&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Mit einem Male schrie das Miezchen auf&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>»Eben&excl; Eben&excl; Geradeso hat er mir gerufen zweimal&comma; furchtbar&comma; und so hat er den Stecken aufgehoben und so« – und Miezchen fuhr ganz aufgeregt mit ihren Armen in der Luft herum –&comma; aber urplötzlich schwieg sie und fuhr schnell herunter mit ihren Armen bis unter den Tisch und war ganz blutrot geworden&comma; und ihr gegenüber saß Otto mit zornigen Augen und schoß flammende Blicke zu Miezchen hinüber&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Was ist das für eine seltsame Verherrlichung meines Geburtstages&quest;« fragte der Vater mit Staunen&period; »Über den Tisch hin schreit meine Tochter&comma; als wollte man sie umbringen&comma; und unter dem Tisch durch versetzt mir mein Sohn so entsetzliche Stiefelstöße&comma; daß ich blaue Flecken bekomme&period; Ich möchte wissen&comma; Otto&comma; wo du diese angenehme Unterhaltung gelernt hast&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt war die Reihe an Otto&comma; feuerrot zu werden bis unter die Haare hinauf&period; Er hatte dem Miezchen unter dem Tisch durch einige deutliche Mahnungen geben wollen&comma; daß es schweigen solle&comma; hatte aber den unrechten Platz getroffen und mit seinem Stiefel des Vaters Bein in erstaunlicher Weise bearbeitet&period; Das hatte Otto nun entdeckt&semi; er durfte nicht mehr aufschauen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nun Miezchen«&comma; fing der Vater wieder an&comma; »was ist denn aus deiner Räubergeschichte geworden&comma; du kamst ja gar nicht zu Ende&period; Also ›Artischocke‹ hat der furchtbare Mann dich genannt und den Stecken erhoben und dann&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Dann&comma; dann«&comma; stotterte Miezchen kleinlaut – denn es hatte begriffen&comma; daß es auf einmal alles verraten hatte&comma; und daß der Otto den Zuckerhahn zurückfordern würde –&comma; »dann hat er mich doch nicht totgeschlagen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So&comma; das war eine Artigkeit von ihm«&comma; lachte der Vater&comma; »und dann weiter&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Dann weiter gar nichts mehr«&comma; wimmerte Miezchen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»So&comma; so&comma; die Geschichte nimmt also ein fröhliches Ende&period; Der Stecken bleibt in der Luft&comma; und Miezchen geht als kleine Artischocke nach Hause&period; Jetzt wollen wir gleich anstoßen auf alle wohlgeratenen Artischocken und auf des Schreiners Andres Gesundheit&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Damit hob der Vater sein Glas&comma; und die Tischgesellschaft stimmte ein&period; Es standen aber alle ein wenig still vom Tisch auf&comma; denn in jedem waren allerlei schwere Gedanken aufgestiegen&comma; nur der Vater blieb unangefochten&comma; setzte sich zu seiner Zeitung und steckte eine Zigarre an&period; Otto schlich ins andere Zimmer hinüber&comma; drückte sich in eine Ecke und dachte darüber nach&comma; wie es sein werde&comma; wenn alle anderen wieder im Mondschein schlitten würden und er nie mehr dabei sein dürfte&comma; denn er wußte&comma; daß die Mutter dies von nun an verbieten würde&period; Miezchen kroch ins Schlafzimmer hinein&comma; kauerte sich neben dem Bett auf das Schemelchen nieder&comma; nahm den roten Zuckerhahn auf den Schoß und war sehr traurig&comma; daß es ihn zum letzten Male sehen sollte&period; Die Mutter blieb eine Zeitlang stumm und sinnend am Fenster stehen und bewegte Gedanken in ihrem Herzen hin und her&comma; die sie immer mehr und aufregender beschäftigen mußten&comma; denn jetzt fing sie an&comma; im Zimmer hin und her zu gehen&comma; und plötzlich verließ sie es und lief hierhin und dahin&comma; nach dem Miezchen suchend&period; Sie fand es endlich noch hinter seinem Bett auf dem Schemel sitzend&comma; in seine traurigen Betrachtungen versunken&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Miezchen«&comma; sagte die Mutter&comma; »jetzt erzähl mir recht&comma; wo und wann ein Mann dir drohte&comma; und was er dir nachgerufen hat&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Miezchen erzählte&comma; was es wußte&comma; es kam aber nicht viel mehr heraus&comma; als es schon gesagt hatte&period; Nachgerufen hatte ihm der Mann das Wort&comma; das der Papa über Tisch gesagt hatte&comma; behauptete es&period; Die Mutter kehrte in das Zimmer zurück&comma; wo der Vater saß&comma; ging gleich zu ihm heran und sagte in erregtem Ton&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich muß es dir wirklich sagen&comma; es kommt mir immer wahrscheinlicher vor&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der Oberst legte seine Zeitung weg und schaute erstaunt seine Frau an&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Siehst du«&comma; fuhr diese fort&comma; »die Szene am Tisch hat mir mit einem Male einen Gedanken erweckt&comma; und je mehr ich ihn verfolge&comma; je fester gestaltet er sich vor meinen Augen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Setz dich doch und teil mir ihn mit«&comma; sagte der Oberst&comma; ganz neugierig geworden&period; Seine Frau setzte sich neben ihn hin und fuhr fort&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>»Du hast Miezchens Aufregung gesehen&comma; sie war sichtlich erschreckt worden von dem Mann&comma; von dem sie sprach&comma; es war nicht Spaß gewesen&colon; darum ist es klar&comma; daß er das Kind nicht ›Artischocke‹ genannt hat&period; Wird er es nicht viel eher ›Aristokratin‹ oder ›Aristokratenbrut‹ genannt haben&quest; Du weißt&comma; wer uns vorzeiten diesen Titel nachrief&comma; meinem Bruder und mir&period; Diesen Augenblick habe ich von Miezchen gehört&comma; daß der Vorfall sich an dem Abend ereignet hatte&comma; da die Kinder im Mondschein auf der Schlittbahn waren&period; An demselben Abend noch wurde Andres halb erschlagen gefunden&period; Seit Jahren war der unheimliche Jörg verschwunden&comma; und im ersten Augenblick&comma; da man wieder Spuren von ihm hat&comma; geschieht die Gewalttätigkeit an seinem Bruder&comma; dem kein anderer je etwas zuleide getan hat&comma; als er&period; Macht dir das nicht auch Gedanken&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wahrhaftig&comma; da könnte was dran sein«&comma; entgegnete der Oberst nachdenklich&semi; »da muß ich sofort handeln&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Er stand auf&comma; rief nach seinem Knecht&comma; und wenige Minuten nachher fuhr er im scharfen Trab zur Stadt hinunter&period; Von da an fuhr der Oberst jeden Tag einmal nach der Stadt&comma; um zu hören&comma; ob Berichte eingegangen seien&period; Am vierten Tage&comma; als er nach Hause kam am Abend und seine Frau noch an Miezchens Bett verweilte&comma; ließ er sie schnell rufen&comma; denn er hatte ihr Wichtiges zu erzählen&period; Sie setzten sich dann zusammen&comma; und der Oberst teilte seiner Frau mit&comma; was er in der Stadt vernommen hatte&period; Auf seine Aussagen hin hatte die Polizei sogleich heimlich nach dem Jörg gesucht&comma; und er war ohne große Mühe gefunden worden&comma; denn er war ganz sicher&comma; daß kein Mensch ihn gesehen hatte&comma; da er nur des Nachts in sein Dorf gekommen und gleich wieder verschwunden war&period; So war er zunächst nur nach der Stadt hinuntergegangen und hatte sich in den Wirtshäusern herumgetrieben&period; Als er nun festgenommen und verhört wurde&comma; leugnete er zuerst alles&semi; als er aber hörte&comma; der Oberst Ritter habe schlagende Beweise gegen ihn vorzubringen&comma; da entfiel ihm der Mut&comma; denn er dachte&comma; der Herr Oberst müsse ihn gesehen haben&comma; sonst wäre es unmöglich&comma; daß er gerade auf ihn geraten hätte&comma; da er frisch aus neapolitanischen Kriegsdiensten zurückgekommen war&period; Daß ein einziges Wort&comma; das er einem kleinen Kinde angeworfen hatte&comma; ihn hatte verraten können&comma; davon hatte er keine Ahnung&period; Er fing dann an&comma; furchtbar auf den Obersten zu schimpfen&comma; und sagte&comma; er habe immer gedacht&comma; diese Aristokratenbrut werde ihn noch ins Unglück bringen&period; Im weiteren Verhör gestand er dann&comma; er habe seinen Bruder aufsuchen und Geld von ihm entlehnen wollen&period; Als er durch das erleuchtete Fenster ihn erblickte&comma; wie er eben eine gute Summe Geld vor sich liegen hatte&comma; da kam ihm der Gedanke&comma; den Andres niederzuschlagen und das Geld zu nehmen&period; Töten habe er ihn nicht gewollt&comma; nur ein wenig bewußtlos machen&comma; damit er ihn nicht kenne&period; Der größte Teil der Summe wurde noch bei ihm gefunden&semi; diese wurde ihm abgenommen und dann der Jörg in den Turm gesetzt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als dieser Vorgang bekannt wurde&comma; gab es eine ungeheure Aufregung im ganzen Dorfe&comma; denn eine solche Geschichte war noch gar nicht vorgefallen&comma; seit es stand&period; Besonders in der Schule kam alles aus der Ordnung&comma; so stark beteiligten sich alle Schüler an der aufregenden Begebenheit&period; Otto war einige Tage ganz außer Atem&comma; da er beständig da- und dorthin zu laufen hatte&comma; wo noch ein näherer Umstand von der Sache zu hören war&period; Am dritten Abend nach der Verbreitung der Nachricht kam er aber so nach Hause gestürzt&comma; daß ihn die Mutter ermahnen mußte&comma; erst einen Augenblick stillzusitzen&comma; da er vor Atemlosigkeit kein Wort hervorbrachte und doch durchaus wieder eine Neuigkeit erzählen wollte&period; Endlich konnte er sie in Worte bringen&period; Man hatte den Joggi&comma; der bis dahin eingesperrt geblieben war&comma; herausholen wollen&comma; aber der arme Tropf hatte immerfort seine große Furcht beibehalten&comma; und nun glaubte er&comma; man hole ihn zum Köpfen ab&comma; und sperrte sich ganz furchtbar&comma; die Kammer zu verlassen&period; Dann hatten zwei Männer ihn mit aller Gewalt herausgeschleppt&comma; er hatte aber so geschrieen und getan&comma; daß alle Leute herbeiliefen&comma; und dann hatte er sich noch mehr gefürchtet&comma; und auf einmal&comma; nachdem er herausgekommen&comma; war er davongeschossen wie ein Pfeil und in die nächste Scheune hinein in den hintersten Winkel des Stalles&period; Da hockte er ganz zusammengeballt mit einem furchtbar erschrockenen Gesicht&comma; und kein Mensch konnte ihn von der Stelle bringen&period; Schon seit gestern hockte er so ohne Bewegung&comma; und der Bauer hatte gesagt&comma; wenn er nicht bald aufstehe&comma; wolle er ihn mit der Heugabel fortbringen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Das ist ja eine ganz traurige Geschichte&comma; Kinder«&comma; sagte die Mutter&comma; als Otto fertig erzählt hatte&period; »Der arme Joggi&excl; Was muß er nun leiden in seiner Angst&comma; die ihm niemand wegnehmen kann&comma; da er nicht versteht&comma; was man ihm erklären könnte&comma; und der arme&comma; gutmütige Joggi ist ja ganz unschuldig&period; Ach&comma; Kinder&comma; hättet ihr mir doch gleich das ganze Erlebnis erzählt&comma; als ihr am Abend von der Schlittbahn kamt&semi; euer Verheimlichen hat recht Trauriges zur Folge gehabt&period; Könnten wir doch den armen Menschen trösten und wieder fröhlich machen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Das Miezchen war ganz weich geworden&period; »Ich will ihm den roten Zuckerhahn geben«&comma; schluchzte es&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Auch Otto war ein wenig zerknirscht&period; Er sagte zwar etwas verächtlich&colon; »Ja noch gar&comma; einen Zuckerhahn einem erwachsenen Menschen geben&excl; Behalt du den nur für dich&period;« Aber dann bat er die Mutter&comma; ihm und Miezchen zu erlauben&comma; dem Joggi etwas zu essen in den Stall zu bringen&comma; er hatte gar nichts gehabt&comma; seit er dort kauerte&comma; zwei ganze Tage lang&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Das erlaubte die Mutter gern&comma; und es wurde sogleich ein Korb geholt und Wurst und Brot und Käse hineingesteckt&period; Dann gingen die Kinder den Berg hinunter&comma; dem Stalle zu&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Mit einem ganz weißen&comma; erschreckten Gesicht kauerte der Joggi hinten im Winkel und rührte sich nicht&period; Die Kinder kamen ein wenig näher&period; Otto zeigte dem Zusammengekrümmten den offenen Korb und sagte&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>»Komm hervor&comma; Joggi&comma; komm&comma; das ist alles für dich zum essen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Joggi bewegte sich nicht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Komm doch&comma; Joggi«&comma; mahnte Otto weiter&comma; »siehst du&comma; sonst kommt der Bauer und sticht dich mit der Heugabel hervor&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Joggi stieß einen erschreckten Ton aus und krümmte sich noch enger zusammen in den Winkel hinein&comma; wie in ein Loch&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt ging Miezchen vorwärts und kam ganz nahe an den Joggi heran&comma; hielt den Mund an sein Ohr und flüsterte hinein&colon; »Komm du nur mit mir&comma; Joggi&comma; sie dürfen dich nicht köpfen&comma; der Papa hilft dir schon&comma; und siehst du&comma; das Christkindlein hat dir einen roten Zuckerhahn gebracht«&semi; und Miezchen nahm ganz heimlich den Zuckerhahn aus seiner Tasche und steckte ihn dem Joggi zu&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Diese heimlichen Trostesworte hatten eine wunderbar wirksame Kraft&period; Der Joggi schaute das Miezchen an&comma; ganz ohne Schrecken&comma; dann schaute er auf seinen roten Zuckerhahn&comma; und dann fing er an zu lachen&comma; was er seit vielen Tagen nicht mehr getan hatte&period; Dann stand er auf&comma; und nun ging Otto voran aus dem Stall heraus&comma; dann kam das Miezchen und ihm folgte der Joggi auf dem Fuß&period; Draußen aber&comma; als Otto dem Joggi sagte&colon; »Das kannst du mitnehmen&comma; wir gehen nun heim und du auch&comma; dort hinunter«&comma; – da schüttelte Joggi den Kopf und stellte sich hinter das Miezchen&period; So gingen alle drei weiter&comma; der Halde zu&comma; voran der Otto&comma; dann Miezchen&comma; dann der Joggi&period; Die Mutter sah den Zug herankommen&comma; und ihr Herz wurde ganz erleichtert&comma; als sie sah&comma; wie der Joggi hinter dem Miezchen herschritt&comma; den roten Zuckerhahn in der Hand hielt und immerfort vergnüglich lachte&period; So traten die drei ins Haus und in die Stube&comma; und hier holte das Miezchen geschäftig einen Stuhl&comma; nahm den Eßkorb zur Hand und winkte dem Joggi&comma; daß er komme&period; Als er dann am Tische saß&comma; legte es alles&comma; was im Korb war&comma; vor ihn hin und sagte beschützend&colon; »Iß du jetzt nur&comma; Joggi&comma; und iß du nur alles auf und sei nun ganz fröhlich&period;« Da lachte der Joggi und aß die beiden großen Würste und das ganze Brot und das ungeheure Stück Käse ganz fertig und dann noch die Krumen&period; Den roten Zuckerhahn hielt er die ganze Zeit über fest mit seiner linken Hand und schaute ihn an von Zeit zu Zeit und lachte unbeschreiblich vergnüglich&comma; denn Wurst und Brot hatte er wohl auch schon bekommen&comma; aber einen roten Zuckerhahn hatte ihm in seinem ganzen Leben noch nie jemand geschenkt&period; Endlich ging der Joggi die Halde hinunter&period; Voller Freuden schauten die Mutter&comma; Otto und Miezchen ihm nach&colon; er hielt seinen Zuckerhahn bald in der einen&comma; bald in der anderen Hand&comma; lachte immerzu und hatte seinen Schrecken gänzlich vergessen&period; –<&sol;p>&NewLine;<p>Seit drei Tagen hatte die Frau Oberst den Schreiner Andres nicht besucht&period; Es hatte sich so vieles ereignet in diesen Tagen&comma; daß sie gar nicht begriff&comma; wie die Zeit dahingegangen war&semi; doch konnte sie ja ruhig sein&comma; sie wußte&comma; daß der Andres gut verpflegt und besorgt und dazu auf dem besten Wege der Genesung war&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ihr Mann hatte gleich am Morgen nach seiner Rückkehr aus der Stadt den Andres besucht&comma; um ihm die Entdeckung und die Festnahme seines Bruders selbst mitzuteilen&period; Andres hatte ganz ruhig zugehört und dann gesagt&colon; »Er hat es so haben wollen&semi; es wäre doch besser gewesen&comma; er hätte mich um ein wenig Geld gebeten&comma; ich hätte ihm ja schon gegeben&semi; aber er hat immer lieber geprügelt&comma; als gute Worte gegeben&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt trat die Frau Oberst am sonnigen Wintermorgen aus ihrer Tür und stieg fröhlichen Herzens den Berg hinunter&comma; denn sie beschäftigte sich in ihrem Innern mit einem Gedanken&comma; der ihr wohlgefiel&period; Als sie die Haustür aufmachte beim Schreiner Andres&comma; kam Wiseli eben aus der Stube heraus&period; Seine Augen waren ganz aufgeschwollen und hochrot vom Weinen&period; Es gab der Frau Oberst nur flüchtig die Hand und schoß scheu in die Küche hinein&comma; um sich zu verbergen&period; So hatte die Frau Oberst das Wiseli noch gar nie gesehen&period; Was konnte da begegnet sein&quest; Sie trat in die Stube ein&period; Da saß am sonnigen Fenster der Andres und sah aus&comma; als sei ein noch nie erlebtes Unheil über ihn hereingebrochen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Was ist denn hier geschehen&quest;« fragte die Frau Oberst und vergaß im Schrecken&comma; »guten Tag« zu sagen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ach&comma; Frau Oberst«&comma; stöhnte Andres&comma; »ich wollte&comma; das Kind wäre nie in mein Haus gekommen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Was«&comma; rief sie noch erschrockener aus&comma; »das Wiseli&quest; Kann dieses Kind Euch ein Leid angetan haben&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ach&comma; um’s Himmels willen&comma; nein&comma; Frau Oberst&comma; so meine ich’s nicht«&comma; entgegnete Andres in Aufregung&semi; »aber nun ist das Kind bei mir gewesen und hat mir ein Leben gemacht in meinem Häuschen&comma; wie im Paradies&comma; und jetzt muß ich das Kind wieder hergeben&comma; und alles wird viel öder und leerer um mich her sein&comma; als vorher&period; Ich kann es nicht aushalten&semi; Sie können sich gar nicht denken&comma; wie lieb mir das Kind ist&semi; ich kann es nicht aushalten&comma; wenn sie mir’s wegnehmen&period; Morgen muß es gehen&comma; der Vetter-Götti hat schon zweimal den Buben geschickt&semi; es müsse nun zurück&comma; morgen müsse es sein&period; Und dann ist noch etwas&comma; das mir fast das Herz zersprengt&colon; seitdem der Vetter-Götti geschickt hat&comma; ist das Kind ganz still geworden und weint heimlich&semi; es will es nicht so zeigen&comma; aber man kann’s wohl sehen&comma; es macht ihm so schwer&comma; zu gehen&comma; und morgen muß es sein&period; Ich übertreibe nicht&comma; Frau Oberst&comma; aber das kann ich sagen&colon; alles&comma; was ich seit dreißig Jahren erspart und erarbeitet habe&comma; gäbe ich seinem Vetter-Götti&comma; wenn er mir das Kind ließe&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die Frau Oberst hatte den aufgeregten Andres ganz fertig reden lassen&semi; jetzt sagte sie ruhig&colon; »Das würde ich nicht tun an Eurer Stelle&comma; ich würde es ganz anders machen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Andres schaute sie fragend an&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Seht&comma; Andres&comma; so würde ich es machen&colon; ich würde sagen&colon; ›All’ mein wohlverdientes Gut will ich jemandem zurücklassen&comma; der mir lieb ist&period; Ich will das Wiseli an Kindes Statt annehmen&comma; ich will sein Vater sein&comma; und es soll von Stund an als mein Kind in meinem Hause bleiben&period;‹ Würde es Euch nicht gefallen so&comma; Andres&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der Andres hatte lautlos zugehört und seine Augen waren immer größer geworden&period; Jetzt ergriff er vor Bewegung die Hand der Frau Oberst und drückte sie gewaltig zusammen&comma; dann keuchte er hervor&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>»Kann man das wirklich machen&quest; Könnte ich das mit dem Wiseli tun&comma; so daß ich sagen könnte&colon; das Wiseli ist mein Kind&comma; mein eigenes Kind&comma; und niemand hat mehr ein Recht an das Kind&comma; und kein Mensch kann es mir mehr nehmen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das könnt Ihr&comma; Andres«&comma; versicherte die Frau Oberst&comma; »geradeso&excl; Sobald das Wiseli Euer Kind ist&comma; hat kein Mensch mehr ein Recht auf das Kind&comma; Ihr seid der Vater&period; Und seht&comma; Andres&comma; weil ich mir gedacht hatte&comma; Ihr könntet den Wunsch haben&comma; das Wiseli zu behalten&comma; so habe ich meinen Mann gebeten&comma; heute nicht fortzugehen&comma; im Fall Ihr etwa gern gleich nach der Stadt in die Kanzlei fahren würdet&comma; daß alles bald festgesetzt werde&comma; denn zu Fuß könnt Ihr noch nicht gehen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Andres wußte gar nicht&comma; was er tat vor Aufregung und Freude&period; Er lief dahin und dorthin und suchte den Sonntagsrock&semi; dann rief er ein Mal ums andere&colon; »Ist es auch sicher wahr&quest; Kann’s auch sein&quest;« Dann stand er wieder vor die Frau Oberst hin und fragte&colon; »Kann es jetzt sein&comma; gleich jetzt&comma; heut’ noch&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Gleich jetzt«&comma; versicherte sie&semi; doch gab sie nun dem Schreiner Andres die Hand zum Abschied&comma; sie mußte gehen und ihrem Manne mitteilen&comma; daß Andres schon reisefertig sei&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ihr solltet es dem Wiseli erst am Abend sagen&comma; wenn alles gut eingeleitet ist und Ihr wieder ruhig daheim seid«&comma; bemerkte die Frau Oberst noch unter der Tür&semi; »meint Ihr nicht&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; sicher&comma; sicher«&comma; gab Andres zur Antwort&semi; »jetzt könnt’ ich’s fast nicht sagen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Als die Tür sich schloß&comma; setzte sich Andres auf seinen Stuhl nieder und zitterte an Händen und Füßen so sehr&comma; daß er meinte&comma; er könne nie mehr davon aufstehen&comma; so war ihm die Freude und Aufregung in alle Glieder gefahren&period; Es währte aber kaum eine halbe Stunde&comma; da kam schon des Obersten Wagen angefahren und hielt still am Gärtchen des Schreiners&comma; und zu Wiselis unbeschreiblichem Erstaunen stieg der Knecht von seinem Sitz herunter&comma; kam herein&comma; und nach wenigen Minuten sah es&comma; wie er wieder herauskam&comma; den Schreiner Andres mit beiden Armen festhielt und ihm dann in den Wagen hinein half&period; Wiseli schaute dem Fuhrwerk nach&comma; als bewege sich etwas Unfaßliches vor seinen Augen&comma; denn der Schreiner Andres hatte kein Wort mehr zu ihm sagen können&comma; nicht einmal&comma; daß er ausfahren werde&period; So wie er sich niedergesetzt hatte&comma; war er sitzen geblieben&comma; bis der Knecht ihn herausholte&comma; und das Wiseli hatte sich immer noch verborgen gehalten&period; Jetzt ging es in die Stube hinein und saß ans Fenster&comma; wo sonst der Schreiner Andres saß&comma; und konnte gar nichts anderes mehr denken als nur immerzu&colon; »Heute ist der letzte Tag&comma; und morgen muß ich zum Vetter-Götti&period;« Als der Mittag herankam&comma; ging Wiseli in die Küche hinaus und machte zurecht&comma; was der Andres essen sollte&semi; aber er kam nicht&comma; und es wollte nichts berühren&comma; bis er auch dabei war&period; So ging es wieder hinein&comma; und auf der Stelle stand der traurige Gedanke wieder vor ihm und es mußte ihm wieder nachhangen&period; Aber endlich wurde es so müde davon&comma; daß sein Kopf ihm auf die Schulter fiel und es fest einschlief&semi; aber noch im Schlaf mußte es immer sagen&colon; »Und morgen muß ich zum Vetter-Götti&period;« Und Wiseli sah nicht&comma; wie leise der helle Abendschein in die Stube hineinfiel und einen schönen Tag verkündigte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Wiseli schoß auf&comma; als jemand die Stubentür öffnete&semi; es war der Schreiner Andres&period; Das Glück leuchtete ihm aus den Augen wie heller Sonnenschein&comma; so hatte ihn Wiseli noch nie gesehen&period; Es schaute verwundert zu ihm auf&period; Jetzt mußte er auf seinen Stuhl sitzen und Atem holen vor Bewegung&comma; nicht vor Erschöpfung&semi; dann rief er mit triumphierender Stimme&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>»Es ist wahr&comma; Wiseli&comma; es ist alles wirklich wahr&excl; Die Herren haben alle ›Ja‹ gesagt&period; Du gehörst mir&comma; ich bin dein Vater&comma; sag mir einmal ›Vater‹&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Wiseli war ganz schneeweiß geworden&semi; es stand da und starrte den Andres an&comma; aber es sagte kein Wort und bewegte sich nicht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja so&comma; ja so«&comma; fing Andres wieder an&semi; »du kannst es ja nicht begreifen&comma; es kommt mir alles durcheinander vor Freuden&semi; jetzt will ich von vorn anfangen&period; Siehst du&comma; Wiseli&comma; jetzt eben habe ich es in der Kanzlei verschrieben&colon; du bist jetzt mein Kind und ich bin dein Vater&comma; und du bleibst hier bei mir für immer und gehst nie mehr zurück zum Vetter-Götti&comma; hier bist du daheim&comma; hier bei mir&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt hatte Wiseli alles begriffen&period; Auf einmal sprang es auf den Andres zu und umfaßte ihn mit beiden Armen und rief&colon; »Vater&excl; Vater&excl;« Der Andres brachte kein Wort mehr hervor und das Wiseli auch nicht&comma; denn es kam ihm so viel zusammen im Herzen und in den Gedanken&comma; daß es ganz überwältigt wurde&period; Aber mit einem Male war es&comma; als ob ihm ein helles Licht aufginge&semi; es schaute den Andres mit leuchtenden Augen an und rief frohlockend&colon; »O Vater&comma; jetzt weiß ich alles&comma; wie es zugegangen ist und wer dazu geholfen hat&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So&comma; so&comma; und wer denn&comma; Wiseli&quest;« fragte er&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Die Mutter&excl;« war die rasche Antwort&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Die Mutter&quest;« wiederholte Andres&comma; ein wenig erstaunt&comma; »wie meinst du das&comma; Wiseli&quest; wie meinst du das&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt erzählte das Kind&comma; wie es die Mutter gesehen hatte&comma; ganz deutlich&comma; wie sie es bei der Hand genommen und ihm einen sonnigen Weg gezeigt und gesagt hatte&colon; »Sieh&comma; Wiseli&comma; das ist dein Weg&period;« – »Und jetzt&comma; Vater«&comma; rief Wiseli immer eifriger fort&comma; »jetzt ist mir auf einmal in den Sinn gekommen&comma; wie der Weg war&comma; gerade so&comma; wie der draußen im Garten&comma; wenn die Sonne darauf scheint und die Nelken so rot glühen und auf der anderen Seite die Rosen&comma; und die Mutter hat ihn schon gekannt und hat gewiß das ganze Jahr am lieben Gott angehalten&comma; daß ich dürfe auf den Weg kommen&comma; sie hat schon gewußt&comma; wie gut ich es bei dir haben würde&comma; wie sonst nirgends auf der ganzen Welt&period; Das glaubst du jetzt auch&comma; Vater&comma; daß alles so gegangen ist&comma; nicht wahr&comma; seit du weißt&comma; daß die Mutter mir den Weg bei den Nelken gezeigt hat&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der gute Andres konnte nichts sagen&comma; die hellen Tränen liefen ihm die Wangen hinunter&semi; dabei aber lachte ihm eine solche Freude aus den nassen Augen&comma; daß es dem Wiseli nicht bange wurde&period; Als er aber endlich etwas sagen wollte&comma; da hörte man nichts davon&comma; denn in dem Augenblick wurde mit einem ungeheuren Knall die Tür aufgeschlagen und herein sprang mit einem Satz bis mitten in die Stube der Otto&comma; dann machte er noch einen großen Sprung über einen Stuhl weg und rief&colon; »Juhe&comma; wir haben’s gewonnen&comma; und das Wiseli ist erlöst&excl;« Hinter ihm stürzte das Miezchen hervor&comma; rannte gleich auf seinen Freund los und sagte mit bedeutungsvollem Winken gegen die Tür hin&colon; »Jetzt&comma; Andres&comma; wirst du gleich sehen&comma; was kommt zum Genesungsfest&excl;«&comma; und eh’ es noch fertig gesprochen&comma; arbeitete der Bäckerjunge sich zur Tür herein mit einem so ungeheuren Brett auf dem Kopf&comma; daß er in der Tür stecken blieb und nicht damit weiterdringen konnte&period; Aber von hinten kam eine kräftige Hand&comma; die hob und schob und stützte das wankende Gebäude&comma; bis es glücklich in der Stube angelangt und auf den Tisch gesetzt war&comma; den es gänzlich bedeckte&comma; von oben bis unten&period; Denn Otto und Miezchen hatten ersonnen&comma; aus ihren Sparbüchsen zum Genesungsfest den allergrößten Rahmkuchen machen zu lassen&comma; den ein Mensch machen könnte&period; Da er nun zu klein geworden wäre als runder Kuchen&comma; so hatte man ihn viereckig gemacht&comma; so daß er den Ofen ausfüllte von vorn bis hinten und nun den ganzen Tisch bedeckte&period; Auf den Boden hin stellte nun die Trine&comma; die hinter dem Bäckerjungen hilfreich hereingekommen war&comma; ihren großen Korb nieder&semi; da war ein schöner Braten darin und stärkender Wein dazu&comma; denn die Frau Oberst hatte gesagt&comma; heute habe der Andres gewiß noch keinen Bissen gegessen&comma; und vielleicht noch dazu das Wiseli nicht&comma; und so war es auch&comma; und jetzt merkte es auch das Wiseli auf einmal&comma; als es alle die einladenden Sachen vor sich sah&period; Nun setzte sich die ganze Gesellschaft zu Tisch&comma; und man konnte gar nicht absehen&comma; wer von allen das fröhlichste Gesicht am Tische hatte&period; Vor allem mußte der Riesenkuchen in der Mitte zerschnitten und die Hälfte auf den Boden gelegt werden&comma; daß man Platz bekam&comma; und nun folgte ein Festessen von so fröhlicher Art&comma; daß noch gar nie ein fröhlicheres stattgefunden hat&comma; denn jedem&comma; das an diesem Tisch saß&comma; war sein höchster Wunsch in Erfüllung gegangen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Wie es nun spät geworden war unter all der Freude und man endlich vom Tisch aufstehen mußte – denn die Trine stand schon lange bereit zum Abholen –&comma; da sagte Andres&colon; »Heut’ habt ihr das Fest bereitet&comma; aber auf den Sonntag will ich auch eins bereiten&comma; dann kommt ihr wieder&comma; und das soll das Fest des Einstandes sein für mein Töchterchen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Nun schüttelten sich alle die Hände in der frohen Aussicht auf ein neues herrliches Fest und auf die immerwährende Befriedigung&comma; das Wiseli beim Schreiner Andres zu wissen&period; Unter der Tür aber gab Wiseli dem Otto noch einmal die Hand und sagte&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich danke dir hunderttausendmal für alles Gute&comma; Otto&period; Der Chäppi hat mir auch nie mehr etwas an den Kopf geworfen&comma; weil er nicht durfte&semi; das habe ich nur dir zu danken&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Und ich danke dir auch&comma; Wiseli«&comma; entgegnete Otto&semi; »ich habe gar nie mehr die Fetzen auflesen müssen in der Schule&semi; das habe ich nur dir zu danken&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Und ich auch«&comma; behauptete Miezchen&comma; denn es wollte nicht weniger erfreuliche Erfahrungen gemacht haben&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als nun in dem Stübchen alles still geworden war und der Mondschein leise durchs Fenster hereinkam&comma; bei dem der Schreiner Andres abgesessen war&comma; während das Wiseli noch alles aufräumen wollte&comma; da kam es zu ihm heran und sagte&comma; indem es seine Hände faltete&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>»Vater&comma; soll ich nicht den Liedervers der Mutter dir laut vorbeten&quest; Ich hab’ ihn heut’ Abend immer wieder leise für mich sagen müssen&comma; den will ich gewiß mein ganzes Leben lang nie vergessen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Andres war sehr zufrieden&comma; den Vers zu hören&comma; und Wiseli schaute zu den Sternen auf und sagte tief aus seinem Herzen heraus&colon;<&sol;p>&NewLine;<p style&equals;"margin-left&colon; 30px&semi;">»Befiehl du deine Wege&comma;<br&sol;>Und was dein Herze kränkt&comma;<br&sol;>Der allertreu’sten Pflege<br&sol;>Des&comma; der den Himmel lenkt&period;<&sol;p>&NewLine;<p style&equals;"margin-left&colon; 30px&semi;">Der Wolken&comma; Luft und Winden<br&sol;>Gibt Wege&comma; Lauf und Bahn&comma;<br&sol;>Der wird auch Wege finden&comma;<br&sol;>Da dein Fuß gehen kann&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>&nbsp&semi;<&sol;p>&NewLine;<hr style&equals;"height&colon; 1px&semi; width&colon; 50&percnt;&semi; border-width&colon; 1px&semi; border-style&colon; solid&semi; border-color&colon; &num;CCCCCC&semi; color&colon; &num;ffffff&semi;" noshade&equals;"noshade" size&equals;"1" width&equals;"50&percnt;"&sol;>&NewLine;<p>&nbsp&semi;<&sol;p>&NewLine;<p>Von diesem Tage an war und blieb das allerglücklichste Haus im ganzen Dorf und im ganzen Land das Häuschen des Schreiners Andres mit dem sonnigen Nelkengarten&period; – Wo seither das Wiseli sich blicken ließ&comma; da waren alle Leute so freundlich mit ihm&comma; daß es nur staunen mußte&period; Denn vorher hatten sie es nie beachtet&comma; und der Vetter-Götti und die Base gingen nie am Haus vorbei&comma; ohne schnell hereinzukommen und ihm die Hand zu geben und zu sagen&comma; es solle auch zu ihnen kommen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Über diese Wendung war das Wiseli froh&comma; denn es hatte immer einen heimlichen Schrecken gehabt beim Gedanken&comma; was der Vetter-Götti zu allem sagen werde&period; So war Wiseli von aller Angst befreit und ging fröhlich seinen Weg&semi; im stillen aber dachte es oftmals&colon; »Der Otto und die Seinigen waren gut mit mir&comma; als es mir schlecht ging und ich gar niemand mehr auf der Welt hatte&semi; aber die anderen Leute sind erst freundlich mit mir geworden&comma; seit es mir gut geht und ich einen Vater habe&semi; ich weiß ganz gut&comma; wer es am besten mit mir meint&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>&nbsp&semi;<&sol;p>&NewLine;<hr style&equals;"height&colon; 1px&semi; width&colon; 50&percnt;&semi; border-width&colon; 1px&semi; border-style&colon; solid&semi; border-color&colon; &num;CCCCCC&semi; color&colon; &num;ffffff&semi;" noshade&equals;"noshade" size&equals;"1" width&equals;"50&percnt;"&sol;>

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