Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Vom This, der doch etwas wird
(Johanna Spyri, 1886, empfohlenes Alter: ab 10 Jahre)

Was die Sennenmutter haben will

<p>Die Sonne stieg strahlend hinter dem hohen Bergzacken empor&comma; als Franz Anton seine Augen aufschlug und verwundert um sich schaute&period; Er schauderte ein wenig zusammen&comma; es fröstelte ihn&period; Er wollte sich aufsetzen&comma; aber sein Kopf war schwer und dumpf&period; Er fuhr mit der Hand an die Stirn&comma; es war&comma; als liege etwas darauf&period; Und er irrte sich nicht&period; Wohl sechsfach zusammengelegt lag naß und schwer das große Handtuch aus der Sennhütte auf seinem Kopf&period; Er legte es weg&comma; und als nun der frische Morgenwind über die Stirn blies&comma; fühlte er sich so wohlig und erleichtert&comma; daß er sich schnell aufsetzte und um sich schaute&period; Da sah er auf einmal in zwei große&comma; ernsthafte Augen hinein&comma; die unverwandt auf ihn gerichtet waren&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Bist du das&comma; This&quest;" fragte er verwundert&comma; "Wie kommst du so früh auf die Alm&quest; Nun&comma; weil du da bist&comma; komm&comma; daß ich mich ein wenig auf deine Schulter stützen kann&period; Ich bin schwindelig und komme nicht allein auf&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Der This sprang vom Boden auf und trat nahe an den Senn heran&period; Er stemmte mit aller Gewalt seine beiden Füße in den Boden hinein&comma; so daß der Franz Anton einen festen Halt an ihm fand und aufstehen konnte&period; Während des langsamen Aufstiegs zur Hütte&comma; als er sich immer noch auf die Schulter des Buben stützte&comma; fing er an&comma; sich daran zu erinnern&comma; was ihm eigentlich passiert war&period; Doch blieben ihm einige Vorgänge der Nacht völlig unklar&period; Vielleicht konnte ihm der This auf die Spur helfen&period; In der Hütte angelangt&comma; setzte sich der Senn auf einen seiner dreibeinigen Stühle und sagte&colon; "This&comma; hol dir den anderen und setz dich hierher zu mir&period; Aber zuerst nimm dort den Topf herunter&comma; wir wollen ein wenig kalte Milch miteinander trinken&comma; Feuer kann ich jetzt noch nicht machen&period; Ein Schüsselchen steht daneben&period; Sieh nur&comma; wo ist es denn hingekommen&quest;" unterbrach sich der Senn&comma; "ich stelle es regelmäßig dort hinauf&period; Ich weiß nicht&comma; was mit mir vorgeht seit gestern&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Der This war feuerrot geworden&comma; er wußte wohl&comma; wer das Schüsselchen heruntergenommen hatte&period; Ganz zaghaft sagte er&colon; "Dort steht's am Boden"&comma; holte es schnell herbei&comma; auch den Milchtopf und reichte beides dem Senn&period; Dieser schüttelte ganz betroffen den Kopf&period; Solange er lebte&comma; hatte er noch nie sein Schüsselchen dort bei der Tür auf den Boden gestellt&period; Er trank jetzt schweigend und nachdenklich seine Milch&comma; füllte dann das Schüsselchen wieder und sagte&colon; "Da&comma; This&comma; trink auch&excl; Du hast mir einen guten Dienst erwiesen&comma; daß du so früh hinauf kamst&period; Hast du etwa gemeint&comma; es sei Käsfischtag und du seist dann sicher der erste&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Nein&comma; gewiß nicht"&comma; versicherte This&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Sag mir jetzt etwas"&comma; fuhr der Senn fort&comma; der schon ein paarmal unruhig auf das nasse Tuch&comma; das jetzt auf dem Tisch lag&comma; dann wieder zu dem kleinen Wasserkessel geschaut hatte&period; "Sag mir&comma; This&comma; habe ich denn das Tuch schon auf meiner Stirn gehabt&comma; als du heute früh heraufkamst&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt wurde der This ganz dunkelrot&period; Denn er dachte&comma; wenn der Senn alles erfahre&comma; was er getan hatte&comma; so sei es ihm vielleicht nicht recht&comma; und er könnte böse werden&period; Aber der Franz Anton schaute ihm jetzt so tief in die Augen&comma; daß er alles sagen mußte&colon; "Ich habe es selbst darauf gelegt"&comma; fing er zaghaft an&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Warum denn&comma; This&quest;" fragte der Senn verwundert&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Weil sie so heiß waren"&comma; erwiderte This&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Senn staunte immer mehr&period; "Aber ich bin ja schon bei Sonnenaufgang erwacht"&comma; sagte er&period; "Wann bist du denn heraufgekommen&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Gestern um fünf&comma; oder um vier Uhr"&comma; stotterte der This furchtsam&comma; "der Melker kam erst lange nachher&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Was&comma; du bist die ganze Nacht hier oben gewesen&quest; Was hast du denn gewollt und gemacht&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt sah der Franz Anton&comma; daß dem This ganz bange wurde&comma; ihm selber aber fielen nun wieder die Vorgänge der letzten Nacht ein&period; Ganz väterlich klopfte er dem Buben auf die Schulter und sagte ermunternd&colon; "Vor mir brauchst du dich gar nicht zu fürchten&comma; This&period; Da&comma; trink noch eins aus&comma; und dann sag mir alles&comma; was du weißt&comma; von da an&comma; als du hier heraufgekommen bist&period;" Auf diese Ermunterung hin faßte der This neuen Mut&period; Erst trank er die Milch in wenigen Zügen aus&comma; denn sie schmeckte herrlich&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Dann fing er an zu berichten&colon; "Ich habe nur ein wenig zu Ihnen hier herauf gewollt&comma; aber nur so wie alle Tage&comma; nicht wegen der Käsfische&period; Und weil dann der Melker schon lange die Milch gebracht hatte und Sie nicht kamen&comma; habe ich Sie gesucht&period; Und dann habe ich Sie am Boden gefunden&comma; und Sie sind ganz rot und heiß gewesen und haben Durst gehabt&period; Dann bin ich geschwind zum Sumpfloch hinabgelaufen und habe alle großen Erdbeeren gepflückt&comma; die noch da waren&comma; und habe sie Ihnen gebracht&period; Und Sie haben sie gern genommen&period; Aber dann haben Sie auf den Kopf gezeigt und nach Wasser verlangt&period; Da habe ich aus der Hütte das Schüsselchen geholt und den kleinen Kessel&comma; und am Schwemmebach habe ich ihn gefüllt&period; Dann habe ich Ihnen mit dem Schüsselchen das Wasser über den Kopf geschüttet und auch zu trinken gegeben&comma; denn sie haben immer wieder Durst gehabt&period; Wenn dann der Kessel leer war&comma; bin ich zum Bach hinüber und habe ihn wieder gefüllt&period; Aber weil das Wasser immer so schnell aufgebraucht war&comma; habe ich gedacht&comma; ein dickes Tuch wurde den Kopf besser kühlen&period; Und so habe ich das Tuch aus der Hütte geholt und es ganz naß auf Ihren Kopf gelegt&period; Nur&comma; wenn es dann trocken und heiß wurde&comma; habe ich es wieder in den Kessel getaucht und es dann wieder naß auf den Kopf getan&period; Am Morgen sind Sie dann erwacht&comma; und ich war froh&comma; ich habe immer gedacht&comma; wenn Sie nur nicht etwa krank werden&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Der Senn hatte mit großer Aufmerksamkeit zugehört&period; Jetzt stand alles deutlich vor ihm&comma; was er in der Nacht erlebt hatte&period; Er wußte auch wieder&comma; wie er halb wachend und im Fieber den Engel mit den Erdbeeren als Retter empfunden und dann das Wasser des Schwemmebachs gespürt und genossen hatte&period; Der Franz Anton schaute den This so stumm und verwundert an&comma; als hätte er noch nie einen Buben gesehen&period; Nein&comma; einen solchen hatte er noch nie gesehen&period; Wie war es denn möglich&comma; daß dieser Bub&comma; den alle Leute nur den dummen This nannten&comma; sein Leben gerettet hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Hätte der This sein Fieber nicht mit dem Wasser gelöscht&comma; wer weiß&comma; was bis zum Morgen daraus geworden wäre&excl; Und wie konnte dieser This&comma; dem niemand ein freundliches Wort gab&comma; zu einer solchen Aufopferung fähig sein&comma; daß er die ganze Nacht bei einem anderen wachte und ihn pflegte&excl; Dem großen&comma; starken Franz Anton kamen die Tränen in die Augen&comma; als er den scheuen&comma; verachteten This ansah und das alles überdachte&period; Er nahm jetzt den Buben bei der Hand und sagte&colon; "Wir wollen gut Freund bleiben&comma; This&comma; ich habe dir viel zu danken&comma; das vergesse ich nicht&period; Tu mir nur noch einen Gefallen&comma; mir zittern die Glieder so&comma; daß ich mich jetzt niederlegen muß&period; Geh du nun hinunter zu meiner Mutter und sag ihr&comma; sie soll zu mir heraufkommen&comma; es sei mir nicht ganz wohl&period; Du mußt dann auch wieder mit ihr kommen&comma; ich habe noch viel mit dir zu reden heute&comma; vergiß es nicht&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Solange er lebte&comma; war der This noch nie so glücklich gewesen&period; Er lief springend den Berg hinunter&comma; als könne er nicht hoch genug aufspringen vor Freude&period; Nun hatte der Senn ihm selbst befohlen wiederzukommen&comma; und er brauchte sich nicht mehr zu verbergen&comma; sondern durfte gleich in die Sennhütte eintreten&period; Außerdem hatte der Franz Anton ihm noch gesagt&comma; er wolle gut Freund mit ihm bleiben&period; Bei jedem dieser Gedanken sprang der This wieder hoch in die Luft und kam bald bei der Mutter an&period; Gerade als er von oben herunter auf das saubere Häuschen mit den schimmernden Fenstern zurannte&comma; kam von unten herauf im Sonntagsschmuck&comma; das Gesangbuch in der Hand&comma; die Sennenmutter aus der Kirche&period; Der Bub lief auf sie zu&comma; konnte aber zuerst nichts sagen&comma; denn er war ganz atemlos vom Laufen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Woher kommst denn du&quest;" fragte die sonntäglich gekleidete Frau&comma; die nicht gern etwas Unordentliches sah&period; Mißbilligend musterte sie den Buben von oben bis unten&comma; denn er machte keinen sonntäglichen Anblick in seinen zerfetzten Alltagshöschen und dem schmutzigen Hemdlein&period; "Ich meine&comma; ich habe dich schon dort drüben über dem Bach gesehen&comma; du bist wohl einer vom Hälmli-Sepp&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Nein&comma; nur der This"&comma; erwiderte der Bub ganz demütig&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt fiel der Frau ein&comma; daß die Frau des Hälmli-Sepp einen einfältigen Buben bei sich hatte&comma; von dem sie sagten&comma; er sei zu nichts zu brauchen&period; Den hatte sie wohl jetzt vor sich&period; "Und was willst du denn bei mir&quest;" fragte sie nun erst recht verwundert&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der This war wieder zu Atem gekommen und richtete nun seinen Auftrag klar und richtig aus&period; Die Frau erschrak sehr&period; Noch nie war der kerngesunde Franz Anton krank gewesen&period; Und daß er nach ihr schickte und nicht selbst herunterkommen konnte&comma; war ein recht schlimmes Zeichen&period; Ohne ein Wort zu sagen&comma; ging sie ins Haus&comma; packte in großer Sorge das Nötigste zusammen und kam nach kurzer Zeit mit ihrem großen Korb am Arm heraus&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Komm"&comma; sagte sie zu This&comma; "wir wollen gleich gehn&period; Warum mußt du wieder mit&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ich weiß nicht"&comma; antwortete er&period; Und fast als wäre es etwas Böses&comma; setzte er leise hinzu&colon; "Muß ich nicht den Korb tragen&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"So&comma; jetzt verstehe ich's"&comma; sagte die Frau&comma; "der Franz Anton hat daran gedacht&comma; daß ich allerhand mitbringen will&period;" Sie gab dem This den Korb&period; Schweigend ging sie nun neben ihm den Berg hinauf&comma; denn sie war tief in ihren Gedanken versunken&period; Ihr braver Franz Anton war ihr ganzer Stolz und ihre Freude&period; Sollte er wirklich erkrankt sein&quest; Konnte die Krankheit gefährlich sein&quest; Ihre Angst wurde immer größer&comma; je näher sie der Sennhütte kamen&comma; Jetzt waren sie oben—nur noch einige Schritte—der bekümmerten Mutter zitterten die Knie&comma; sie konnte fast nicht mehr weiter&period; Jetzt trat sie ein&period; Es war niemand da&period; Sie schaute überall umher und zu dem Heuboden hinauf&period; Dort lag ihr Sohn tief im Heu drinnen&comma; sie konnte ihn nicht recht sehen&period; Mit klopfendem Herzen stieg sie die Leiter hinauf&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der This blieb ehrerbietig draußen vor der Tür stehen&comma; nur den Korb schob er in die Hütte hinein&period; Als die Mutter sich jetzt angstvoll über ihren Sohn beugte&comma; schlug dieser seine blauen Augen auf&comma; streckte ihr fröhlich seine Hand entgegen&comma; setzte sich auf und sagte munter&colon; "Grüß dich Gott&comma; Mutter&excl; Das freut mich&comma; daß du da bist&period; Ich habe aber geschlafen wie ein Bär&comma; die ganze Zeit&comma; seit der This fortging&period;" Die Mutter starrte den Sohn an&comma; halb in Freude&comma; halb in Schrecken&comma; sie wußte gar nicht&comma; was sie denken sollte&period; "Franz Anton"&comma; sagte sie jetzt ernsthaft&comma; "was ist mit dir&quest; Redest du im Fieber&comma; oder weißt du&comma; daß du mich hast holen lassen&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ja&comma; ja&comma; Mutter"&comma; lachte jetzt der Franz Anton&comma; "jetzt bin ich ganz bei mir und das Fieber ist vorbei&period; Aber alle Glieder zitterten mir noch&comma; ich konnte nicht herunterkommen und wollte doch so gern mit dir reden&period; Ich fühl's auch jetzt noch in den Knien zittern&comma; ich käme noch nicht weit&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Aber was ist's denn&comma; was war es denn&comma; Franz Anton&quest; Sag mir's doch"&comma; drängte jetzt die Mutter und setzte sich auf das Heu neben den Sohn&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Ich will dir nun alles berichten&comma; Mutter&comma; eins nach dem anderen"&comma; sagte er&comma; indem er sich an einen Heuballen lehnte&period; "Sieh einmal zuerst dort unten das schmale&comma; magere Büblein an&comma; das kein gutes Stück Gewand auf dem Leib hat&comma; dem keiner ein gutes Wort sagt und den jeder nur den dummen This nennt&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Die Mutter schaute zu dem This hin&comma; der wie ein Sperber nach dem Senn hinaufspähte&comma; ob er etwa wieder umfallen wolle&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Und jetzt&quest;" fragte die Mutter gespannt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Der hat mir das Leben gerettet&comma; Mutter&excl; Wenn dieses Büblein nicht gewesen wäre&comma; so läge ich jetzt noch draußen auf dem Boden in einem tödlichen Fieber&comma; oder vielleicht wäre es auch schon vorbei mit mir&period;" Und jetzt erzählte Franz Anton alles&comma; was sich seit gestern nachmittag zugetragen hatte&period; Wie der This ihn die ganze Nacht nicht verlassen und ihn erquickt und gepflegt hatte&comma; so wie der gescheiteste Mensch auf der Welt es nicht besser hätte tun können&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Mutter mußte sich mehrmals die Tränen abwischen&period; Sie stellte sich vor&comma; wenn ihr Franz Anton allein und verlassen in seinem Durst da draußen gelegen hätte und vielleicht vom Fieber ganz verzehrt worden wäre&comma; und kein Mensch hätte etwas von ihm gewußt&period; Und jetzt stieg ein Dank und eine Freude in ihrem Herzen auf&comma; daß sie laut ausrufen mußte&colon; "Gott sei Lob und Dank&excl; Gott sei Lob und Dank&excl;" Aber auch eine solche Liebe zu dem armen This überkam sie&comma; daß sie ganz eifrig sagte&colon; "Franz Anton&comma; der This geht mir nicht mehr zur Frau des Hälmli-Sepp zurück&excl; Sicher hat der arme Bub Hunger gelitten&comma; und in Schmutz und Fetzen hat sie ihn laufen lassen&period; Heute noch nehme ich ihn mit mir&comma; und morgen mache ich ihm ein Gewand&comma; daß man ihn ansehen darf&period; Er muß es nicht schlecht haben bei uns&comma; wir wollen nicht vergessen&comma; wie er dir geholfen hat&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Das ist nun gerade&comma; was ich wünschte&comma; Mutter&comma; aber ich mußte doch zuerst wissen&comma; was du dazu sagst&period; Und jetzt hast du dasselbe Vorhaben und schon alles ausgedacht&comma; wie es nicht besser sein könnte&period; Es geht nichts über eine Mutter&excl;" Und der Franz Anton schaute sie so voller Glück und Liebe an&comma; daß es ihr im Innersten wohltat und sie bei sich dachte&colon; Es geht auch nichts über einen wohlgeratenen Sohn&period; Dann sagte sie&colon; "Jetzt mußt du etwas essen&comma; Franz Anton&comma; daß du wieder zu Kräften kommst&period; Ich habe frische Eier und ein Weißbrot mitgenommen&comma; und jetzt will ich Feuer machen&comma; laß dir Zeit zum Herunterkommen&period;" Das mußte der Franz Anton auch tun&comma; denn er schwankte noch ein wenig&period; Aber es ging&period; Er kam herunter und winkte jetzt den This zum Tisch heran&comma; an den er sich selbst niedergesetzt hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"This"&comma; sagte er jetzt&comma; dem Buben freundlich in die Augen schauend&comma; "willst du ein Senn werden&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>Der This fing an zu lächeln&comma; aber dann hörte er plötzlich die vernichtenden Worte&comma; die er von allen Seiten hundertmal vernommen hatte&colon; "Aus dem wird nie etwas&comma;"&comma; "der kann nichts"&comma; "der wird nichts"&period; Und schüchtern antwortete er&period; "Ich kann nichts werden&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"This&comma; ein Senn wirst du"&comma; sagte der Franz Anton mit Bestimmtheit&period; "Du hast dich gut genug angestellt bei deiner ersten Arbeit&period; Nun bleibst du bei mir und trägst Milch und Wasser und hilfst mir bei allem&period; Und ich zeige dir&comma; wie man buttert und Käse macht und sobald du groß genug bist&comma; steckst du die Arme in den Kessel und bist mein Gehilfe&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Hier in der Schwemmebachsennhütte&quest;" fragte This&comma; dem die Aussicht auf diese Glückseligkeit ganz unfaßbar war&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Alles hier&comma; in der Schwemmebachsennhütte"&comma; bestätigte der Franz Anton&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Auf das Gesicht des This kam jetzt der Ausdruck eines so strahlenden Glücks&comma; daß der Senn ihn nur ansehen mußte&period; Der Bub war wie verwandelt&period; Das bemerkte auch die Mutter&comma; als sie eben den großen Eierkuchen auf den Tisch stellte&comma; den sie gebacken hatte&period; Sie streichelte den Buben und sagte&colon; "Ja&comma; Thisli&comma; heute wollen wir miteinander fröhlich sein und morgen auch noch&period; Und alle Tage wollen wir dem lieben Gott dafür danken&comma; daß er dich gerade zur rechten Zeit in die Nähe vom Franz Anton geschickt hat&comma; wenn schon kein Mensch begreift&comma; warum du da heraufgekommen bist&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt begann das fröhliche Essen&comma; und noch nie in seinem ganzen Leben hatte der This so viele gute Sachen auf einem Tisch zusammen gesehen&period; Denn zu dem Eierkuchen hatte die Mutter das frische Weißbrot hingelegt und daneben Butter und weißen Käse&period; Und mitten auf dem Tisch stand eine große Kanne voll dickrahmiger Milch&period; Von allem legte jetzt die Mutter große&comma; dicke Stücke vor den This hin&comma; und wenn er fertig war&comma; gab es gleich noch einmal so viel&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als gegen Abend die Mutter sich zum Heimgehen bereitmachte&comma; sagte sie&colon; "Franz Anton&comma; ich habe mich anders besonnen&comma; der This muß bei dir oben bleiben&comma; bis du wieder ganz gesund bist&period; Er kann dir helfen&comma; wo es nötig ist&period; Der Frau des Hälmli-Sepp will ich schon alles berichten&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Das war dem Sennen recht&comma; und für den This war es das höchste Glück&comma; das er erreichen konnte&period; Nun war er wirklich daheim beim Franz Anton&period; Nicht mehr verborgen unter den Tannenbäumchen hörte er heute den Nachtsegen&comma; er stand unter dem Sternenhimmel neben dem Senn&comma; als dieser seine Hände faltete und sagte&colon; "Komm&comma; This&comma; nun beten wir den Abendsegen&period;" Andächtig faltete auch er seine Hände&comma; und als am Schluß der Senn sagte&colon; "Gute Nacht geb euch Gott&excl;"&comma; da war das Glück im Herzen des This so groß&comma; daß er gern überlaut allen Menschen auf der ganzen Welt sagen wollte&colon; 'Gute Nacht geb euch Gott&excl;'<&sol;p>&NewLine;<p>Noch an demselben Abend ging die Sennenmutter hinüber zu der Frau des Hälmli-Sepp&comma; die mit ihren drei Buben und Lisi vor dem Haus stand und gerne verstehen wollte&comma; was ihre Kinder alle auf einmal erzählten&period; Die Sennin hörte&comma; daß von Franz Anton die Rede war&comma; dessen Unfall der Melker berichtet hatte&period; Als sie nun der Frau des Hälmli-Sepp erklärte&comma; daß sie mit ihrem Sohn übereingekommen sei&comma; sie wollten den This bei sich annehmen&comma; da machte die Frau einen großen Lärm&period; Sie sagte&comma; sie sollten doch lieber einen von ihren drei Buben nehmen&comma; die seien für den Senn eine größere Hilfe als der dumme This&period; Und die Buben schrien alle aus vollen Hälsen&colon; "Mich&excl; Mich&excl; Mich&excl;" Denn sie wußten wohl&comma; wie gut der Franz Anton war&comma; und was es in der Sennhütte für gute Dinge gab&period; Da half aber alles Schreien und Bitten nichts&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Sennin sagte ganz ruhig&comma; sie bleibe beim This&comma; und sie kenne ihn schon&comma; er habe mehr Herz und Verstand als mancher&comma; der ihn den dummen This nenne&period; Sie wolle auch die Buben warnen&comma; sie sollten jetzt das Hänseln und Verspotten unterlassen&comma; sonst hätten sie es mit ihrem Sohn zu tun&period; Der rede dann mit seinen kräftigen Armen eine deutlichere Sprache mit den Buben&comma; als sie es jetzt könnte&period; Dann verließ die Sennin die Leute&comma; die ihr alle ganz stumm und verblüfft nachschauten&comma; und jedes der Kinder dachte bei sich&colon; Wenn ich doch nur der This wäre&comma; der wird's gut haben&comma; wie ein König wird er da oben in seiner Sennhütte leben&period; Wo aber von dem Tag an der This sich sehen ließ&comma; liefen ihm die Buben alle nach&comma; und jeder wollte sein bester Freund sein&period; Denn sie mußten alle an den letzten Käsfischtag denken&comma; als der This so übel behandelt worden war&period; Von nun an würde er ja gewiß alle Käsfische allein bekommen&comma; da wäre doch jeder gut daran&comma; der sein Freund wäre&period; Und später waren sie auch alle gut daran&comma; denn dem This machte es die größte Freude&comma; die reiche Ernte der Käsfische unter allen gerecht aufzuteilen&period; Und er konnte sich nicht genug darüber wundern&comma; wie freundlich jetzt alle Kinder zu ihm waren&period; Er wurde nie mehr ausgelacht&period; Als er vor niemandem mehr Angst hatte&comma; da zeigte sich zur Überraschung aller&comma; daß er auf einmal ein ganz flinkes&comma; geschicktes Bürschchen war&comma; von dem jeder sagen mußte&colon; "Entweder ist das nicht derselbe Bub&comma; oder man hat niemals ein Recht gehabt&comma; ihn den dummen This zu nennen&period;" Sogar der Herr Pfarrer sagte nach einiger Zeit&comma; sein liebster Schüler im Unterricht sei jetzt der This&period; Denn bei allem&comma; was er antwortete&comma; habe er einen klaren Gedanken&comma; und die anderen Buben könnten ihn sich alle zum Vorbild nehmen&period;<&sol;p>

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