Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Wie Wiselis Weg gefunden wird
(Johanna Spyri)

Beim Onkel

<p>Als das Wiseli mit dem Onkel in das Haus am Buchenrain trat&comma; da kamen die drei Buben aus der Scheune gestürzt und liefen hinter den beiden her in die Stube&period; Alle drei starrten das Wiseli an&period; Aus der Küche kam die Tante herein und schaute das Wiseli ebenfalls an&comma; als wenn sie es noch nie gesehen hätte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Onkel setzte sich hinter den Tisch und sagte&colon; "Ich meine&comma; man könnte etwas essen&period; Das Kleine hat&comma; denke ich&comma; heute noch wenig gehabt&period; Komm&comma; setz dich"&comma; sagte er&comma; zu Wiseli gewandt&comma; das immer noch auf demselben Fleck stand&comma; sein Bündelchen in der Hand&period; Es gehorchte&period; Jetzt holte die Tante Most und Käse und legte das große Schwarzbrot auf den Tisch&period; Der Onkel schnitt ein tüchtiges Stück ab und legte eine Scheibe Käse darauf&comma; dann schob er es vor das Kind hin&period; "Da&comma; iß&comma; Kleines&comma; du wirst Hunger haben&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Nein&comma; ich danke"&comma; sagte Wiseli leise&period; Es hätte keinen Bissen hinunterschlucken können&comma; denn Leid und Angst und Weh schnürten ihm so den Hals zu&comma; daß es kaum atmen konnte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Buben standen immer noch da und starrten es an&period; "Mußt dich nicht fürchten"&comma; sagte der Onkel ermunternd&comma; "iß nur zu&period;" Aber das Wiseli saß unbeweglich da und rührte sein Brot nicht an&period; Die Tante war bis jetzt auch stehengeblieben und hatte das Kind angeschaut von oben bis unten&comma; mit beiden Armen in die Seite gestemmt&period; "Wenn's dir nicht recht ist&comma; so kannst du's bleiben lassen"&comma; sagte sie nun&comma; drehte sich um und ging wieder in die Küche&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als der Onkel sich gestärkt hatte&comma; stand er auf und sagte&colon; "Nimm's in die Tasche&comma; nachher hast du sicher Hunger&period; Mußt dich nur nicht fürchten&period;" Damit ging er auch in die Küche hinaus&period; Wiseli wollte gehorchen und das Käsebrot in die Tasche stecken&comma; aber diese war viel zu klein&period; Es legte das Brot wieder auf den Tisch&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Ich will dir schon helfen"&comma; sagte Chäppi&comma; schnappte das Brot vom Tisch weg und wollte abbeißen&period; Es flog aber in die Luft&comma; denn der Hans hatte von unten herauf Chäppis Hand einen tüchtigen Stoß gegeben&comma; damit ihm die Beute entfalle und er sie erwische&period; In dem Augenblick aber huschte der Rudi schnell auf den Boden und haschte den Fang weg&period; Jetzt stürzten die beiden Größeren auf ihn&comma; und einer fiel über den anderen her&period; Und nun gab es ein Schlagen und Raufen und Lärmen und Heulen&comma; daß es dem Wiseli angst und bange wurde&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Vater öffnete wieder die Küchentür und rief&colon; "Was ist los&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>Da schrien die drei Buben am Boden alle durcheinander&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Das Wiseli wollte nichts"<&sol;p>&NewLine;<p>"Das Wiseli hatte keinen Hunger&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Weil das Wiseli keins wollte&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>Da rief der Vater noch lauter&colon; "Wenn das nicht aufhört da drinnen&comma; so will ich mit dem Lederriemen kommen&excl;" Dann schlug er die Tür wieder zu&period; Das 'da drinnen'&semi; hörte aber noch nicht auf&comma; sondern als die Tür zu war&comma; ging's erst recht los&period; Denn der Hans hatte entdeckt&comma; daß es das wirksamste Mittel sei&comma; den Feind zu erschrecken&comma; ihm in die Haare zu fahren&comma; was die anderen sogleich auch begriffen&period; Und so rissen sie nun alle drei jeder mit beiden Händen an den Haaren eines anderen und schrien dazu fürchterlich&period;<&sol;p>&NewLine;<p>In der Küche saß die Tante auf einem Schemel und schälte Kartoffeln&period;&nbsp&semi;Als ihr Mann die Stubentür wieder geschlossen hatte&comma; fragte sie&colon;&nbsp&semi;"Was hast du mit dem Kind vor&quest; Warum hast du es gleich mit&nbsp&semi;heimgenommen&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Es wird&comma; denke ich&comma; bei jemandem sein müssen&period; Ich bin der Patenonkel und andere Verwandte hat es keine mehr&period; Und du kannst es ja schon brauchen&period; Das Wiseli kann dir im Haushalt helfen&period; Du sagst ja immer&comma; die Buben machen dir viel Arbeit&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Das wird eine schöne Hilfe sein&period; Du kannst ja hören&comma; wie es zugeht drinnen in der ersten Viertelstunde schon&comma; daß es da ist&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Das habe ich schon manchmal gehört&comma; schon bevor das Kleine da war&period;<br&sol;>Es hat&comma; denke ich&comma; nicht viel damit zu tun"&comma; sagte der Onkel ruhig&period;<br&sol;>"So"&comma; entgegnete die Tante eifrig&comma; "hast du denn nicht gehört&comma; daß sie alle miteinander etwas von dem Wiseli riefen&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Sie schreien doch immer"&comma; meinte der Onkel&period; "Mit der Kleinen wirst du&comma; denke ich&comma; noch fertig werden&period; Sie ist kein bösartiges Kind&comma; das habe ich schon gemerkt&period; Sie kann auch folgen&comma; besser als die Buben&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Das war der Tante fast zu viel&period; "Ich meine&comma; es sei nicht nötig&comma; daß man es jetzt schon gegen die Buben aufhetzt"&comma; sagte sie und riß die Häute immer schneller von den Kartoffeln&period; "Und dann möchte ich nur wissen&comma; wo das Kind schlafen soll&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Der Onkel schob ein paarmal die Kappe auf seinem Kopf hin und her&comma; dann sagte er ruhig&colon; "Man kann nicht alles an einem Tag machen&period; Es wird wohl bis jetzt in einem Bett geschlafen haben&comma; denke ich&comma; und das wird es wieder bekommen&period; Morgen will ich dann zum Pfarrer gehen&period; Heute kann es auf der Ofenbank schlafen&comma; da ist's ja warm&period; Dann kann man einen Vorschlag machen&comma; wo es in unsere Kammer hineingeht&period; Da kann man sein Bett hineinschieben&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ich habe mein Lebtag nie gehört&comma; daß man zuerst das Kind bringt und dann acht Tage nachher das Bett&comma; das dazu gehört&period; Und dann möchte ich auch wissen&comma; wer das bezahlen muß&comma; wenn man noch bauen soll&comma; um des Kindes willen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Wenn uns die Gemeinde das Kleine zuerkennt&comma; so muß sie uns auch etwas für den Unterhalt geben"&comma; erklärte der Onkel&period; "Ich nehme es dann noch immer billiger an&comma; als ein anderer es tun würde&period; Es fühlt sich auch am wohlsten bei uns&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Mit dieser Überzeugung ging der Onkel in den Stall hinaus und rief noch zurück&comma; der Chäppi soll ihm nachkommen&period; Es war schwierig für die Tante&comma; sich Gehör zu verschaffen drinnen in der Stube&comma; als sie den Auftrag ausrichten wollte&period; Da rauften und schrien die drei noch immer&period; "Es wundert mich nur&comma; daß du so zusiehst und kein Wort zum Frieden sagst&period;" rief die Tante dem Wiseli zu&comma; das sich scheu an die Wand drückte und sich kaum zu rühren wagte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nun wurde der Chäppi in den Stall geschickt&comma; und die beiden anderen liefen ihm nach&period; "Kannst du stricken&quest;" fragte dann die Tante das Wiseli&period; Es sagte schüchtern ja&comma; Strümpfe könne es stricken&period; "So nimm die"&comma; sagte die Tante und nahm aus dem Schrank einen großen braunen Strumpf heraus mit einem Garn&comma; fast so dick wie Wiselis Finger&period; "Du bist am Fuß&comma; gib acht&comma; daß er nicht zu kurz wird&comma; er ist für den Onkel&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Nun ging sie wieder in die Küche&comma; und Wiseli setzte sich auf die Ofenbank und mußte den langen Strumpf auf seinem Schoß zusammenhalten&period; Der war so schwer&comma; daß er ihm ganz die Hände herunterzog&comma; wenn er hing&comma; so daß es die Nadeln nicht führen konnte&period; Es hatte aber kaum recht angefangen mit seiner Arbeit&comma; als die Tante wieder hereinkam&period; "Du kannst jetzt herauskommen in die Küche"&comma; sagte sie&period; "Du kannst sehen&comma; wie ich alles mache&comma; so kannst du mir an die Hand gehen nach und nach&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Wiseli gehorchte und sah draußen der Tante zu&comma; soviel es konnte&period; Aber immer schossen ihm wieder die Tränen in die Augen&comma; und dann sah es nichts mehr&period; Denn es mußte denken&comma; wie es gewesen war&comma; wenn es der Mutter nachlief in die Küche&comma; und wie sie mit ihm redete und es immer wieder streichelte&period; Es fühlte aber&comma; daß es nicht weinen dürfe&comma; und schluckte und schluckte&comma; daß es fast meinte&comma; es werde erwürgt&period; Die Tante sagte ein paarmal&colon; "Gib acht&excl; So weißt du's nachher&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>So ging es eine gute Zeitlang&comma; dann hörte man ein lautes Gestampfe auf dem Hausgang&period; "Mach schnell die Tür auf&comma; sie kommen"&comma; sagte die Tante&period; Denn der Lärm kam vom Onkel und den Buben her&comma; die draußen den Schnee von den Schuhen stampften&period; Wiseli machte die Tür zu Stube auf&comma; und die Tante hob eine große Pfanne vom Feuer und lief damit in die Stube hinein&comma; wo sie den ganzen Haufen gebratener Kartoffeln auf den Schiefertafeltisch schüttete&period; Dann rannte sie zurück&comma; brachte ein großes Becken voll saurer Milch herein und sagte&colon; "Leg auf den Tisch&comma; was in der Schublade liegt&comma; so können sie essen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Wiseli zog schnell die Schublade auf&comma; da lagen fünf Löffel und fünf&nbsp&semi;Messer&comma; die legte es hin&comma; und nun war der Abendtisch fertig&period; Der&nbsp&semi;Onkel und die Buben waren hereingekommen und saßen gleich auf den&nbsp&semi;Bänken am Tisch den Fenstern entlang&period; Unten am Tisch stand ein&nbsp&semi;Stuhl&comma; darauf hin wies nun der Onkel und sagte&colon; "Es kann&comma; denke ich&comma;&nbsp&semi;dort sitzen&comma; oder nicht&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Freilich"&comma; sagte die Tante&comma; die auch einen Stuhl für sich bereit hatte&comma; auf der Seite gegen die Küche zu&period; Sie saß aber nur eine Sekunde darauf still&comma; dann lief sie wieder in die Küche&comma; kam zurück und setzte sich geschwind wieder zu einem Löffel voll Milch nieder&period; Dann lief sie von neuem hinaus&period; Es wußte niemand&comma; warum das so sein mußte&comma; denn das Kochen war ja beendet&period; Aber es war immer so&comma; und wenn der Onkel einmal sagte&colon; "Sitz doch und iß einmal"&comma; so kam sie erst recht in Eile und sagte&comma; sie habe nicht Zeit&comma; so lange zu sitzen&comma; und draußen werde wohl jemand nachsehen müssen&period; Als sie jetzt zum zweitenmal hereingeschossen kam und eilig eine Kartoffel schälte&comma; fiel ihr Wiselis Untätigkeit auf&comma; das neben ihr saß&comma; die Hände in den Schoß gelegt&period; "Warum ißt du nicht&quest;" fuhr sie es an&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Es hat keinen Löffel"&comma; sagte Rudi&comma; der auf der anderen Seite neben ihm saß und schon lange den Grund herausgefunden hatte&comma; warum jemand an einem Tisch sitzen kann&comma; ohne zu essen&comma; solange noch etwas da ist&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Ja so"&comma; sagte die Tante&period; "Wem wäre es aber auch in den Sinn gekommen&comma; daß man auf einmal sechs Löffel haben muß&quest; Man brauchte ja immer nur fünf&comma; und ein Messer wird auch sein müssen&period; Warum kannst du aber auch nichts sagen&quest; Du wirst wohl wissen&comma; daß man zum Essen einen Löffel braucht&period;" Diese Worte waren an das Wiseli gerichtet&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Es schaute die Tante scheu an und sagte leise&colon; "Es ist gleich&comma; ich brauche keinen&comma; ich habe keinen Hunger&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Warum nicht&quest;" fragte die Tante&period; "Bist du's anders gewöhnt&quest; Ich habe nicht im Sinn&comma; was zu ändern&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Es ist wohl besser&comma; wenn man das Kleine zuerst ein wenig in Ruhe läßt&period; Man muß ihm keine Angst machen"&comma; sagte der Onkel beschwichtigend&period; "Es wird schon besser werden&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Nun ließ man das Wiseli in Ruhe&comma; die anderen aßen weiter&period; Das Kind saß unbeweglich dabei&comma; bis endlich der Vater aufstand&comma; noch einmal die Pelzkappe vom Nagel nahm und nach der Stallaterne suchte&comma; denn der Fleck sei krank geworden&comma; da mußte er noch einmal hinaus&period; Der Tisch war schnell wieder in Ordnung&period; Die Kartoffelschalen wurden mit den Händen in das leere Milchbecken heruntergewischt&comma; dann die Schiefertafel abgewaschen&comma; und als die Tante damit fertig war&comma; sagte sie zu Wiseli&colon; "Du hast gesehen&comma; wie ich's mache&comma; das kannst du von nun an tun&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt setzte sich der Chäppi wieder hinter den Tisch&period; Er hatte seinen Griffel und sein Rechenbuch geholt und machte Anstalten&comma; seine Rechnungsaufgaben vor sich auf den Tisch zu schreiben&period; Erst starrte er aber eine Weile auf das Wiseli hin&comma; das seinen braunen Strumpf wieder vorgenommen hatte&comma; aber sehr hilflos dasaß&comma; denn es konnte keine Masche sehen in seinem Winkel&period; Und sich an den Tisch zu setzen&comma; auf dem die trübe Öllampe stand&comma; wagte es nicht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Du wirst auch etwas tun können"&comma; rief auf einmal Chäppi erbost zu ihm hinüber&comma; "du bist nicht das Geschickteste in der Schule&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Wiseli wußte nicht&comma; was es sagen sollte&comma; es war ja gar nicht in der Schule gewesen heute und es wußte nicht&comma; was zu tun war&period; Es war ja überhaupt ganz aus aller Ordnung und Fassung&period; "Wenn ich rechnen muß&comma; so mußt du auch&comma; oder dann tu ich's auch nicht"&comma; rief der Chäppi wieder&period; Wiseli hielt sich mäuschenstill&period; "So&comma; dann ist's recht"&comma; fuhr Chäppi lärmend fort&comma; "so tu ich keinen Strich mehr an der Arbeit&period;" Damit warf er seinen Griffel weg&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"So&comma; so&comma; dann tu ich auch nichts"&comma; rief der Hans aus und steckte ganz erleichtert sein Einmaleins wieder in den Schulsack&comma; denn das Lernen war ihm das Bitterste&comma; das er kannte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Ich will es schon dem Lehrer sagen&comma; wer an allem schuld ist"&comma; fing Chäppi wieder an&comma; "du kannst dann nur sehen&comma; wie es dir geht&period;" So hätte Chäppi wohl noch eine Zeitlang seinem bösen Wesen Luft gemacht&comma; wenn nicht der Vater schon aus dem Stall zurückgekommen wäre&period; Er trug zwei große&comma; leere Futtersäcke auf der Schulter herein und kam damit auf den Tisch zu&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Mach Platz"&comma; sagte er zu Chäppi&comma; der beide Ellbogen auf den Tisch gestemmt hielt und den Kopf in die Hände stützte&period; Dann breitete er die Säcke aus&comma; faltete sie zusammen&comma; noch einmal und noch einmal&period; Danach ging er zur Ofenbank und legte das Paket darauf hin&period; "So"&comma; sagte er befriedigt&comma; "das ist gut&period; Und wo hast du dein Bündelchen&comma; Kleines&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>Wiseli holte es aus einer Ecke hervor&comma; wo es bis jetzt gelegen hatte&comma; und schaute mit Erstaunen zu&comma; wie der Onkel das Bündelchen am oberen Ende des Pakets auf die Ofenbank hin drückte&comma; daß es nicht so ganz kugelrund bleibe&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"So&comma; da kannst du schlafen"&comma; sagte er nun zu Wiseli&period; "Frieren mußt du nicht&comma; der Ofen ist heiß&comma; und auf das Bündelchen kannst du den Kopf legen&period; So liegst du wie im Bett&period; Und mit euch dreien ist's auch Zeit&period; Rasch ins Bett&excl;" Damit nahm er die Öllampe vom Tisch und ging zur Küche&comma; die drei Buben stampften hinter ihm her&period; Bei der Tür wandte er sich noch einmal um und sagte&colon; "Schlaf gut&period; Mußt nicht mehr nachdenken heute&comma; denn es kommt dann schon besser&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Dann ging er hinaus&period; Nun kam die Tante noch einmal herein mit einem Öllämpchen in der Hand und betrachtete das Lager&period; "Kannst du liegen da&quest;" fragte sie&period; "Du hast es ja warm hier am Ofen&comma; manches hat kein Bett und muß dazu erst noch frieren&period; Es kann dir auch noch so gehen&comma; sei du nur froh&comma; daß du einstweilen unter einem guten Dach bist&period; Gute Nacht&excl;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Gute Nacht&excl;" sagte Wiseli leise&period; Die Tante hatte es aber jedenfalls nicht gehört&comma; denn sie war schon halb draußen&comma; als sie gute Nacht wünschte&comma; und hatte die Tür gleich hinter sich zugemacht&period; Jetzt saß Wiseli da in der dunklen Stube&comma; alles war auf einmal ganz still ringsum&comma; es hörte keinen Ton mehr&period; Der Mond schien ein wenig durch das eine Fenster herein&comma; so daß Wiseli wieder erkennen konnte&comma; wo die Ofenbank war&comma; worauf es schlafen sollte&period; Es ging nun gleich hin und setzte sich auf sein Lager&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Zum erstenmal heute&comma; seit es die Mutter verlassen hatte&comma; war es nun allein und konnte sich besinnen&period; Die ganze Zeit bis jetzt war es in einer steten Spannung gewesen&comma; denn alles hatte ihm Angst und Furcht eingeflößt&comma; was es gesehen und gehört hatte&comma; seit es von der Mutter weg war&period; Und noch hatte es gar nicht weiter gedacht&comma; nur von einem Augenblick auf den anderen sich gefürchtet&period; Nun saß es da&comma; zum erstenmal in seinem Leben ohne die Mutter&comma; und ganz klar und deutlich kam ihm nun der Gedanke&comma; daß es sie nie mehr sehen werde&comma; daß es nie mehr mit ihr reden und sie hören könnte&period; Jetzt kam auf einmal ein solches Gefühl der Verlassenheit über das Wiseli&comma; daß es ihm gerade vorkam&comma; als sei es mutterseelenallein und verloren auf der Welt und gar kein Mensch kümmere sich mehr um es&comma; und so müsse es nun ganz allein und im Dunkeln bleiben und umkommen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Und über das Wiseli kam ein solches Elend&comma; daß es den Kopf auf sein Bündelchen drückte&comma; ganz bitterlich zu weinen anfing und trostlos sagte&colon; "Mutter&comma; kannst du mich nicht hören&quest; Mutter&comma; hörst du mich nicht&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>Aber die Mutter hatte dem Wiseli oft gesagt&comma; wenn es einem Menschen schlimm gehe und er leiden müsse&comma; dann sei er froh&comma; daß er zum lieben Gott im Himmel schreien könne&period; Der höre ihn immer an und wolle ihm gern helfen&comma; wenn gar keine Menschen ihm mehr zuhören wollen oder helfen können&period; Das kam dem Wiseli in den Sinn&comma; und es richtete sich wieder auf und stieß schluchzend hervor&colon; "Ach&comma; lieber Gott im Himmel&comma; hilf mir auch&period; Es ist mir so angst&comma; und die Mutter hört mich nicht mehr&excl;" Und so betete es zwei- oder dreimal&comma; und dann wurde es ein wenig stiller und ruhiger&period; Es fühlte sich getröstet&comma; da doch der liebe Gott im Himmel noch da war&comma; zu dem es eben gerufen hatte&period; So war es doch nicht ganz&comma; ganz allein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt erinnerte es sich auch an die Worte&comma; die ihm die Mutter ganz zuletzt noch gesagt hatte&colon; "Wenn du einmal keinen Weg mehr vor dir siehst und es dir ganz schwer wird…" So war es jetzt schon gekommen&comma; und doch hatte es noch nicht gewußt&comma; wie das kommen konnte&comma; als die Mutter so sagte&period; Dann&comma; hatte sie gesagt&comma; solle es daran denken&comma; wie es heiße in seinem Lied&colon;<&sol;p>&NewLine;<p style&equals;"margin-left&colon; 30px&semi;">&lpar;"Er wird auch Wege finden&comma;<br&sol;>Wo dein Fuß gehen kann&period;"&rpar;<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt verstand auch Wiseli mit einemmal&comma; was die Worte bedeuteten&comma; die es vorher nur so hingesagt hatte&comma; denn es hatte noch nie Angst gehabt&period; Aber jetzt war es ja geradeso&comma; daß es gar keinen Weg mehr vor sich sah und dachte&comma; mit ihm sei es ganz aus&period; Denn vor ihm stand gar nichts mehr als ein großer Schrecken vor jedem Augenblick im Haus des Onkels&period; Es kam aber jetzt ein rechter Trost in sein Herz&comma; wie es wieder und wieder so sagte&colon;<&sol;p>&NewLine;<p style&equals;"margin-left&colon; 30px&semi;">&lpar;"Er wird auch Wege finden&comma;<br&sol;>Wo dein Fuß gehen kann&period;"&rpar;<&sol;p>&NewLine;<p>So hatte Wiseli noch gar nie empfunden&comma; was es sei&comma; einen lieben Gott im Himmel zu haben&comma; zu dem man rufen kann&comma; wenn man sonst von niemanden mehr gehört wird&period; Nie bis jetzt hatte es gewußt&comma; wie gut das tun kann&period; Es faltete jetzt ganz still seine Hände und fing sein Lied von vorn an&comma; denn es wollte so gern noch etwas mehr vor dem lieben Gott sagen und zu ihm beten&period; Es sagte auch jedes Wort mit seinem ganzen Herzen&comma; wie nie zuvor&colon;<&sol;p>&NewLine;<p style&equals;"margin-left&colon; 30px&semi;">&lpar;"Befiehl du deine Wege&comma;<br&sol;>Und was dein Herze kränkt&comma;<br&sol;>Der allertreusten Pflege<br&sol;>Des&comma; der den Himmel lenkt&period;&rpar;<&sol;p>&NewLine;<p style&equals;"margin-left&colon; 30px&semi;">&lpar;Der Wolken&comma; Luft und Winden<br&sol;>Gibt Wege&comma; Lauf und Bahn&comma;<br&sol;>Er wird auch Wege finden&comma;<br&sol;>Wo dein Fuß gehen kann&period;"&rpar;<&sol;p>&NewLine;<p>Es war eine beruhigende Zuversicht ins Herz des Kindes gefallen&period; Nachdem es mit Vertrauen die letzten Worte noch einmal gesagt hatte&comma; legte es seinen Kopf wieder auf das Bündelchen und schlief augenblicklich ein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt träumte das Wiseli&comma; es sehe einen schönen&comma; weißen Weg vor sich&comma; ganz trocken und hell von der Sonne beschienen&comma; der ging zwischen lauter roten Nelken und Rosen durch und war so verlockend anzusehn&comma; daß man gleich hätte darauf hüpfen und springen mögen&period; Und neben dem Wiseli stand seine Mutter und hielt es liebevoll bei der Hand&comma; wie immer&comma; und dabei zeigte sie auf den Weg hin und sagte&colon; "Sieh&comma; Wiseli&comma; das ist dein Weg&excl; Habe ich nicht zu dir gesagt&colon;<&sol;p>&NewLine;<p style&equals;"margin-left&colon; 30px&semi;">&lpar;"Er wird auch Wege finden&comma;<br&sol;>Wo dein Fuß gehen kann&quest;"&rpar;<&sol;p>&NewLine;<p>Und das Wiseli war sehr glücklich in seinem Traum&comma; und auf seinem&nbsp&semi;Bündelchen schlief es so gut&comma; als läge es in einem weichen Bett&period;<&sol;p>

«

»