Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Wie Wiselis Weg gefunden wird
(Johanna Spyri)

Daheim, wo's gut ist

<p>Als Otto und seine Schwester durch den langen&comma; steinernen Hausflur hereinstürmten&comma; trat die alte Trine aus einer Tür und hielt ihr Licht in die Höhe&comma; um besser zu sehen&comma; was dahergetrappelt kam&period; "So&comma; endlich&excl;" sagte sie&comma; halb zankend&comma; halb wohlgefällig&period; "Die Mutter hat schon nach euch gefragt&comma; aber da war kein Bein zu sehen&period; Und acht Uhr hat's geschlagen—vor wer weiß wie langer Zeit&period;" Die alte Trine war schon Magd in der Familie gewesen&comma; als die Mutter der beiden Kinder zur Welt kam&period; So hatte sie große Rechte im Haus und fühlte sich durchaus als Familienmitglied&comma; eigentlich als Oberhaupt&comma; denn an Alter und Erfahrung war sie die erste&period; Die alte Trine war vernarrt in beide Kinder ihrer Herrschaft und sehr stolz auf alle ihre Anlagen und Eigenschaften&period; Das ließ sie aber nicht merken&comma; sondern sprach immer in entrüstetem Ton mit ihnen&comma; denn das fand sie erzieherisch&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Schuhe aus&comma; Pantoffeln an&excl;" rief sie jetzt&period; Der Befehl wurde aber gleich darauf von ihr selbst vollzogen&comma; denn sofort kniete sie vor Otto hin&comma; der sich auf einem Sessel niedergelassen hatte&comma; und zog ihm die nassen Schuhe aus&period; Die kleine Schwester stand inzwischen mitten in der Stube und rührte sich nicht&comma; was sonst nicht ihre Art war&comma; so daß die alte Trine während ihrer Arbeit ein paarmal hinüberschielte&period; Jetzt war Otto gerüstet&comma; und Miezchen sollte auf dem Sessel sitzen&period; Aber es stand noch auf demselben Platz&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Nun&comma; wollen wir warten&comma; bis es Sommer wird&comma; dann trocknen die&nbsp&semi;Schuhe von selbst"&comma; sagte die Trine&period;&nbsp&semi;"Pst&excl; pst&excl; Trine&comma; ich habe etwas gehört&period; Wer ist in der großen&nbsp&semi;Stube&quest;" fragte Miezchen und hob den Zeigefinger&period;&nbsp&semi;"Alles Leute mit trockenen Schuhen&comma; und andere kommen nicht hinein&period;&nbsp&semi;Jetzt setz dich"&comma; mahnte Trine&period;&nbsp&semi;Aber anstatt zu sitzen&comma; sprang Miezchen hoch und rief&colon; "Jetzt habe ich's wieder gehört&comma; so lacht der Onkel Max&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Was&quest;" schrie Otto und war mit einem Satz bei der Tür&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Wart&excl; wart&excl;" schrie Miezchen nach und wollte gleich mit zur Tür hinaus&period; Aber jetzt wurde es abgefaßt und auf den StuhI gesetzt&comma; die alte Trine hatte jedoch einen schweren Stand mit den zappelnden Füßchen&period; Doch gelang die Arbeit&comma; und nun stürzte Miezchen zur Tür hinaus und hinüber in die große Stube und direkt auf den Onkel Max los&comma; der richtig dort im Lehnstuhl saß&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Da war nun ein großer Freudenlärm und ein Grüßen und ein Willkommenrufen in allen Tönen&comma; und in das Lachen der Kinder stimmte der Onkel Max mit ein&period; Es dauerte einige Zeit&comma; bis sich der Tumult etwas gelegt hatte und die Festfreude einen ruhigen Charakter annahm&period; Denn ein Fest für die Kinder war der Besuch des Onkels jedesmal und aus triftigen Gründen&period; Der Onkel Max war ihr besonderer Freund&period; Er war fast immer auf Reisen und kam nur alle paar Monate einmal zu Besuch&period; Dann gab er sich aber mit den Kindern ab&comma; als gehörten sie ihm selber an&period; Und was er für wunderbar herrliche Sachen in allen Taschen für sie brachte&comma; das war mit nichts zu vergleichen&comma; denn es war alles ganz fremdartig und zauberhaft&period; Der Onkel Max war ein Naturforscher und reiste in allen Winkeln der Erde umher&period; Und aus jedem brachte er etwas Eigentümliches mit&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Endlich saß die Gesellschaft geordnet um den Tisch herum&comma; und die dampfende Schüssel brachte völlige Besänftigung in die aufgeregten Gemüter&period; Denn von der Schlittenbahn wurde immer ein richtiger Appetit mitgebracht&period; "So"&comma; sagte der Papa und blickte über den Tisch hinüber&comma; wo an der Seite der Mutter das Töchterchen fleißig arbeitete&period; "So&comma; so&comma; heute hat also das Miezchen keine Hand für seinen Papa&comma; noch habe ich keinen Gruß bekommen&period; Und jetzt ist keine Zeit mehr dazu&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Etwas zerknirscht schaute das Miezchen von seinem Teller auf und sagte&colon; "Aber Papa&comma; aber ich habe es nicht mit Absicht getan&comma; und jetzt will ich gleich…" Und damit stieß sie mit großer Anstrengung den Sessel zurück&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber der Papa rief&colon; "Nein&comma; nein&comma; jetzt nur keine Ruhestörung&excl; Da gib die Hand über den Tisch hin&comma; das übrige wollen wir dann nachholen&period; So ist's recht&comma; Miezchen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Wie hat man eigentlich das Kind getauft&comma; Marie&quest; Ich war zwar auch dabei&comma; aber ich habe keine Ahnung&comma; welcher Name in der Kirche ausgesprochen wurde&comma; Miezchen doch nicht&quest;" sagte der Onkel lachend&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Du warst wirklich dabei&comma; Max"&comma; entgegnete seine Schwester&comma; "da du der Pate des Kindes bist&period; Es erhielt damals den Namen Marie&period; Sein Papa machte daraus ein Miezchen&comma; und Otto hat den Namen noch recht unnütz vervielfältigt&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"O nein&comma; Mama&comma; wirklich nicht unnütz"&comma; rief Otto ernsthaft&period; "Siehst du&comma; Onkel&comma; das geht nach ganz bestimmten Regeln&period; Wenn das kleine Ding ordentlich und sanftmütig ist&comma; dann nenne ich es Miezchen&period; Das geschieht aber selten&comma; und im gewöhnlichen Leben nenne ich es daher Miezi&period; Wird es aber böse&comma; dann sieht es ganz aus wie ein kleiner wilder Kater und muß Miez genannt werden&comma; der Miez&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ja&comma; ja&comma; Otto"&comma; tönte es nun zurück&comma; "und wenn du böse wirst&comma; dann siehst du ganz aus wie ein—wie ein…"<&sol;p>&NewLine;<p>"Wie ein Mann"&comma; ergänzte Otto&comma; und da dem Miezchen eben kein&nbsp&semi;Vergleich einfiel&comma; so arbeitete es jetzt um so emsiger an seinem&nbsp&semi;Brei herum&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Onkel lachte laut auf&period; "Das Miezchen hat recht"&comma; rief er&comma; "es ist besser&comma; sich um seine Geschäfte zu kümmern&comma; als auf Schmähungen zu antworten&period;" "Aber&comma; Kinder"&comma; setzte er nach einer Weile hinzu&comma; "nun bin ich fast ein Jahr nicht hier gewesen&comma; und ihr habt mir noch gar nichts erzählt&period; Was habt ihr denn inzwischen alles erlebt&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>Die neuesten Ereignisse erfüllten zunächst den Sinn der Kinder&period; So wurde gleich mit großer Lebhaftigkeit&comma; meistens im Chor&comma; die eben erlebte Geschichte erzählt&comma; wie der Chäppi das Wiseli behandelt hatte&comma; wie es fror und im Schnee stand und keinen Schlitten hatte und endlich doch noch zu zwei Fahrten kam&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"So ist's recht&comma; Otto"&comma; sagte der Papa&period; "Du mußt deinem Namen Ehre machen&comma; für die Wehrlosen und Verfolgten mußt du dich immer einsetzen&period; Wer ist das Wiseli&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Du kannst das Kind und seine Mutter kaum kennen"&comma; sagte die Mama&comma; zu ihrem Mann gewandt&period; "Aber der Onkel Max kennt Wiselis Mutter recht gut&period; Du kannst dich doch noch auf den mageren Leineweber besinnen&comma; Max&comma; der unser Nachbar war&period; Er hatte ein einziges Kind mit großen braunen Augen&comma; das oft bei uns im Pfarrhaus war und so schön singen konnte&period; Erinnerst du dich&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>Bevor aber die weiteren Erinnerungen besprochen wurden&comma; steckte die alte Trine ihren Kopf zur Tür herein und rief&colon; "Der Schreiner Andres möchte gern der Frau Oberst einen Bericht abgeben&comma; wenn er nicht stört&period;" Diese harmlosen Worte verursachten große Verwirrung in der Gesellschaft&period; Die Mutter legte den Servierlöffel&comma; mit dem sie soeben dem Onkel entgegenkommen wollte&comma; beiseite und sagte eilig&colon; "Entschuldigt mich&excl;" Rasch ging sie hinaus&period; Otto sprang so stürmisch auf&comma; daß er seinen Stuhl umwarf und dann selbst darüber stürzte&comma; als er davonlaufen wollte&period; Das Miezchen hatte ähnliche Taten vor&comma; aber der Onkel hatte seine ersten Bewegungen zum Aufruhr gesehen und hielt es nun mit beiden Armen fest&period; Aber es zappelte jämmerlich und schrie&colon; "Laß los&comma; Onkel&comma; laß los&period; Im Ernst&comma; ich muß gehen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Wohin denn&comma; Miezchen&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Zum Schreiner Andres&period; Laß schnell los&excl; Hilf mir&comma; Papa&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Wenn du mir sagst&comma; was du vom Schreiner Andres willst&comma; so lasse ich dich los&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Das Schaf hat nur noch zwei Beine und keinen Schwanz&comma; und nur der Schreiner Andres kann ihm helfen&period; Jetzt laß los&period;" Nun stürmte auch das Miezchen fort&period; Die Herren schauten einander an&comma; und Onkel Max brach in Gelächter aus und rief&colon; "Wer ist denn der Schreiner Andres&comma; um den deine ganze Familie sich zu reißen scheint &quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Das mußt du besser wissen als ich"&comma; entgegnete der Oberst&period; "Es wird wohl ein Jugendfreund von dir sein und das Fieber der Verehrung wird auch dich noch ergreifen&period; Es muß in eurer Familie sein&comma; bei uns hat es die Mutter verbreitet&period; Ich kann dir so viel sagen&comma; daß der Schreiner Andres der Grundstein meines Hauses ist&comma; auf dem alles feststeht&period; Und sicher werde alles auseinanderbrechen&comma; sollte das Haus diesen Halt verlieren&period; Der Schreiner Andres ist hier Rat&comma; Trost&comma; Heil und Hilfe in der Bedrängnis&period; Will meine Frau ein Hausgerät haben&comma; von dem sie gar nicht weiß&comma; wie es aussehen soll und wozu man es braucht—der Schreiner Andres erfindet es und fertigt es an&period; Bricht Feuers- oder Wassersnot in der Küche oder im Waschhaus aus&comma; der Schreiner Andres greift in die Elemente und bringt das Feuer ins Stocken und das Wasser in Fluß&period; Macht mein Sohn einen recht dummen Streich&comma; der Schreiner Andres bringt alles wieder in Ordnung&period; Schmeißt meine Tochter das sämtliche Hausgerät entzwei&comma; der Schreiner Andres leimt es wieder zusammen&period; So ist der Schreiner Andres die stützende Säule meines Hauses&comma; und wenn diese zusammenbrechen würde&comma; so gingen wir alle in Trümmer&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Die Mutter war inzwischen wieder eingetreten&comma; und ihr zuliebe schilderte der Vater die Verdienste des Schreiners Andres sehr eingehend&period; Onkel Max lachte schallend&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Lacht ihr nur&excl; Lacht ihr nur&excl;" sagte die Mutter&period; "Ich weiß schon&comma; was ich an dem Schreiner Andres habe&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Und ich auch"&comma; bemerkte der Vater mit spöttischem Lächeln&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Und ich auch&excl;" behauptete das Miezchen herzhaft&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Und ich auch&excl;" sagte Otto seufzend&comma; dem der Knöchel noch von seinem Sturz über den Stuhl hin weh tat&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"So&comma; nun sind wir alle einer Meinung"&comma; bemerkte die Mutter&comma; "nun können die Kinder in Frieden zu Bett gehen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Auf diese Anzeige hin drohte dem Frieden gleich eine Störung&period; Aber es half nichts&comma; die alte Trine stand schon vor der Tür und achtete darauf&comma; daß die Hausordnung nicht überschritten wurde&period; Die Kinder mußten sich verabschieden&comma; und gleich nachher verschwand die Mutter auch noch einmal&comma; denn die Kinder schliefen nicht ein&comma; ohne daß die Mutter zum Nachtgebet an ihre Betten gekommen war&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als nun alles still und ruhig war&comma; kam die Mutter wieder zu den&nbsp&semi;Herren zurück und setzte sich gemütlich hin&period;&nbsp&semi;"Endlich"&comma; sagte da der Oberst aufatmend&comma; als habe er eine harte&nbsp&semi;Schlacht hinter sich&period; "Siehst du&comma; Max&comma; erst gehört meine Frau dem&nbsp&semi;Schreiner Andres&comma; dann ihren Kindern und dann ihrem Mann&comma; wenn noch&nbsp&semi;etwas übrigbleibt&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Und siehst du&comma; Max"&comma; sagte die Mutter lachend&comma; "wenn mein Mann noch so spottet—er mag unseren guten Schreiner Andres gerade so gern wie wir alle&period; Gestehe es nur ein&comma; Otto&excl; Eben hat mir Andres auch für dich noch einen Auftrag übergeben&comma; er hat seine jährliche Summe gebracht und bittet um deine Hilfe&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Das ist wahr"&comma; sagte der Oberst&comma; "einen ordentlicheren&comma; fleißigeren&comma; zuverlässigeren Mann kenne ich nicht&period; Dem würde ich Weib und Kind und Hab und Gut und alles anvertrauen wie keinem anderen&period; Das ist der ehrlichste Mann in unserer ganzen Gemeinde und noch weit darüber hinaus&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Jetzt siehst du&comma; Max"&comma; sagte die Frau lachend&comma; "ich konnte doch nicht mehr sagen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Ihr Bruder lachte mit über den Eifer&comma; in den der Oberst unversehens gefallen war&period; Dann entgegnete er&colon; "Nun habt ihr mir alle so viel von eurem Wundermann vorerzählt&comma; daß ich wirklich wissen möchte&comma; woher er stammt und wie er aussieht&period; Habe ich ihn denn noch nicht hier gesehen&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ach&comma; du hast ihn ja so gut gekannt&comma; Max"&comma; entgegnete seine Schwester&period; "Du mußt dich noch an den Andres erinnern&comma; mit dem wir zur Schule gingen&period; Weißt du denn nicht mehr&comma; wie zwei Brüder zusammen in derselben Klasse mit dir waren&quest; Der ältere war damals schon ein rechter Taugenichts&period; Er war nicht dumm&comma; aber tat nichts und blieb darum stecken und kam dann mit dem viel jüngeren Bruder in eine Klasse zusammen&comma; in der du auch warst&period; Du mußt dich gewiß erinnern&comma; er hieß Jörg und hatte ganz schwarzes&comma; steifes Haar&period; Er bewarf uns&comma; wo er konnte&comma; mit irgend etwas&comma; mit unreifen Äpfeln und Birnen und dann mit Schneebällen&comma; und rief uns überall nach&colon; 'Aristokratenbrut&excl;'"<&sol;p>&NewLine;<p>"Oh&comma; der&excl;" rief Onkel Max lachend&comma; "ja&comma; nun weiß ich auf einmal alles&period; Richtig&comma; 'Aristokratenbrut' rief er uns beständig nach&period; Ich möchte nur wissen&comma; wie ihm das Wort in den Sinn kam&period; Er war ein widerwärtiger Kerl&period; Da sah ich ihn einmal einen viel kleineren Jungen ganz unbarmherzig durchprügeln&period; Dem half ich aber&comma; dafür rief er mir mindestens zwölfmal nach&colon; 'Aristokratenbrut&excl;' Ach&comma; nun weiß ich auch auf einmal&comma; wer der andere war&period; Das war der magere&comma; kleine Andres&comma; sein Bruder&comma; das ist gewiß euer Andres&period; Und dann ist das auch der Andres mit den Veilchen&comma; nicht wahr&comma; Marie&quest; Oh&comma; jetzt verstehe ich schon die dicke Freundschaft&period;" Onkel Max lachte aufs neue auf&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Was für Veilchen&quest; Das muß ich wissen"&comma; fiel der Oberst ein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Oh&comma; die Geschichte ist mir auf einmal vor Augen&comma; als wäre sie gestern geschehen"&comma; sagte der Onkel ganz angeregt von seinen Erinnerungen&period; "Die muß ich dir erzählen&comma; Otto&period; Du weißt vielleicht durch deine Frau&comma; daß wir hier im Dorf in jenen glücklichen Zeiten unserer Kindheit einen alten Schullehrer hatten&comma; der fand&comma; daß alle Mängel der Schulkinder aus ihnen heraus- und alle Fähigkeiten und guten Eigenschaften in sie hineingeprügelt werden könnten&period; So war er gezwungen&comma; sehr viel zu prügeln&comma; um den einen oder andern guten Zweck zu erreichen&comma; manchmal auch beide auf einmal&period; Einmal nun war ihm der magere Andres unter die Hand gekommen&period; Dem schlug er nun so kräftig seine wohlgemeinte Ermahnung auf den Rücken&comma; daß der Andres laut aufschrie&period; In diesem Augenblick stand meine kleine Schwester&comma; die kürzlich in die Schule eingetreten war und sich noch nicht so recht in die dort herrschenden Gebräuche eingelebt hatte&comma; plötzlich auf von ihrem Sitz in der ersten Bank&period; Sie lief eilig zur Tür&period; Der Schullehrer hielt inne mit seiner Arbeit und rief ihr nach&colon; 'Wohin läufst du&quest;' Marie kehrte sich um&period; Die hellen Tränen liefen ihr über die Backen&comma; und sie sagte ganz aufrichtig&colon; 'Ich will heimgehen und es dem Papa sagen&period;' 'Wart&comma; ich will dir&excl;' rief jetzt der Schullehrer überrascht und stürzte vom Andres weg auf die kleine Marie los&period; Die prügelte er aber nicht&comma; er nahm sie nur beim Arm und setzte sie ziemlich fest auf ihren Platz hin&period; Dann sagte er noch einmal&colon; 'Wart&comma; ich will dir&excl;' Damit war aber alles abgetan&period; Auch der Andres wurde in Ruhe gelassen&comma; und so nahm alles einen friedlichen Ausgang&period; Aber die Tränen&comma; die meine Schwester für den Andres vergossen hatte&comma; und ihr Einschreiten gegen den Tyrannen wurden nicht vergessen&period; Von dem Tag an lag jeden Morgen ein Strauß Veilchen auf ihrem Platz und durchduftete den ganzen Schulraum&period; Und nachher kam noch ein anmutigerer Duft von dem Platz her&comma; denn da lagen große Erdbeersträuße mit den prächtigsten dunkelroten Beeren&comma; wie sie sonst nirgends zu sehen waren&period; Und so ging es das ganze Jahr durch immerfort&period; Wie sich dann aber die Freundschaft zu dem erstaunlich hohen Grad entwickelt hat&comma; wo sie nun angelangt ist&comma; das muß meine Schwester wissen und uns mitteilen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Der Oberst hatte seine Freude an der Geschichte der Tränen und der&nbsp&semi;Veilchen und forderte seine Frau auf&comma; weiter zu erzählen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Sie sagte lachend&colon; "Erdbeeren und Veilchen blühen deiner Ansicht nach das ganze Jahr durch&comma; Max&period; Das ist aber nicht ganz so&period; Aber der gute Andres wurde wirklich das ganze Jahr durch nicht müde&comma; mir irgend etwas Erfreuliches aus Feld und Wald zu suchen und an meinen Platz zu legen&comma; solange wir miteinander zur Schule gingen&period; Er trat dann lange vor mir aus und kam in die Lehre zu einem Schreiner in der Stadt&period; Er kam aber oft nach Hause&comma; ich verlor ihn nie ganz aus den Augen&period; Und als mein Mann dieses Gut kaufte und wir uns eben verheiratet hatten&comma; handelte es sich darum&comma; daß Andres sich etwas ankaufen und sich selbständig niederlassen wollte&period; Er hatte seine Eltern verloren und stand ganz allein&comma; aber als tüchtiger Arbeiter da&period; Er hatte seine Augen auf das Häuschen mit dem sauberen kleinen Garten dort unterhalb der Kirche gerichtet&comma; konnte es aber nicht ankaufen&comma; da der Verkäufer sofort bares Geld haben wollte und Andres erst etwas verdienen mußte&period; Aber wir kannten ihn und seine Arbeit&period; Mein Mann kaufte das Gütchen an für ihn&comma; und er hat es keinen Augenblick zu bereuen gehabt&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Nein&comma; wahrhaftig nicht"&comma; fiel der Oberst ein&period; "Der brave Andres hat längst sein Gut vollständig abgezahlt&comma; und seither bringt er mir jedes Jahr um diese Zeit eine ganz hübsche Summe&comma; den Gewinn seiner Jahresarbeit&period; Die lege ich ihm gut an&period; Er ist jetzt schon ein wohlhabender Mann&comma; und nun nimmt sein Besitztum jährlich sehr zu&period; Er kann sein Häuschen noch zu einem großen Haus machen&comma; der brave Andres&period; Es ist nur schade&comma; daß er wie ein Einsiedler lebt und darum sein erarbeitetes Gut gar nicht genießen kann&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Hat er denn keine Frau und keine Familie&quest; Und wo ist der bitterböse Jörg schließlich hingekommen&quest;" fragte Onkel Max weiter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Nein&comma; er hat gar niemanden"&comma; antwortete die Schwester&period; "Er lebt völlig allein&comma; wirklich wie ein Einsiedler&period; Er hat eine lange&comma; traurige Geschichte erlebt&comma; die ich mit angesehen habe und die ihm gewiß alle Lust genommen hat&comma; je eine Frau zu suchen&period; Der Bruder Jörg ist hier einige Jahre herumgestrolcht&period; Er hat nie gearbeitet&comma; sondern gehofft&comma; durch furchtbares Schimpfen auf alle diejenigen&comma; die keine Lumpen waren wie er&comma; endlich doch noch sein Glück zu machen&period; Und als ihm dies nicht gelang&comma; auch der gute Andres ihm endlich nicht mehr aus seinen Schulden und allem Bösen heraushelfen konnte und auch nicht mehr wollte&comma; da ist er verschwunden&period; Wohin&comma; hat man nie recht gewußt&period; Jedermann war froh&comma; daß er fort war&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Was war denn die traurige Geschichte&comma; Marie&quest;" fragte der Bruder&period;&nbsp&semi;"Die muß ich auch noch wissen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Und ich auch"&comma; sagte der Oberst und zündete zu der Erzählung vergnüglich eine neue Zigarre an&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Aber Otto"&comma; bemerkte die Frau Oberst&comma; "dir habe ich dieses&nbsp&semi;Erlebnis wohl schon sechsmal erzählt&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"So&quest;" entgegnete ruhig der Oberst&period; "Es gefällt mir&comma; wie es scheint&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"So fang an&excl;" ermunterte der Onkel&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Du mußt dich noch an das Kind erinnern können&comma; Max"&comma; begann seine Schwester&comma; "von dem ich heute abend schon einmal gesprochen habe&comma; das ganz in unserer Nähe wohnte&period; Es gehörte dem bleichen&comma; mageren Leineweber&comma; den wir immer sein Weberschifflein hin- und herwerfen hörten&comma; wenn wir in unserem Garten standen&period; Das Kind sah zart und nett aus und hatte große&comma; lustig glänzende Augen und so schöne braune Haare&period; Es hieß Aloise&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"In meinem Leben habe ich keine Aloise gekannt"&comma; warf Onkel Max ein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Oh&comma; ich weiß schon&comma; warum"&comma; fuhr seine Schwester fort&period; "Wir nannten sie auch nie so&comma; besonders du nicht&period; Wisi nannten wir sie&comma; zum Schrecken unserer seligen Mama&period; Weißt du denn nicht mehr&comma; wie oft du selbst sagtest&comma; wenn wir am Klavier Lieder singen wollten mit Mama und es so leise tönte&colon; 'Man muß das Wisi holen&comma; sonst geht's nicht'&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt stieg die Erinnerung mit einemmal in Onkel Max' Gedächtnis auf&period; Er lachte auf und rief&colon; "Oh&comma; das ist's&comma; das Wisi&comma; ja gewiß&comma; das Wisi kenne ich&period; Ich sehe es deutlich vor Augen mit dem lustigen Gesicht&comma; wie es am Klavier stand und so tapfer darauflos sang&period; Ich mochte es gern&comma; das Wisi&period; Es war auch nett anzusehen&period; Das ist wahr&period; Die gute Mutter hatte immer einen Schreckensanfall&comma; wenn ich 'Wisi' sagte&period; Ich habe aber nie gewußt&comma; wie das Wisi eigentlich hieß&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Freilich hast du das gewußt"&comma; bemerkte die Schwester&comma; "denn jedesmal sagte die Mama&comma; es sei eine Barbarei&comma; aus dem schönen Namen Aloise ein Wisi zu machen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Das habe ich wohl jedesmal überhört"&comma; meinte Onkel Max&period; "Aber wo ist denn das Wisi hingekommen&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Du weißt&comma; es war in derselben Klasse mit mir in der Schule&comma; wir sind miteinander von Klasse zu Klasse gestiegen bis hinauf zur sechsten&period; Da kann ich mich ganz gut erinnern&comma; wie alle diese Jahre durch der Andres als treuster Freund und Beschützer dem Wisi zur Seite stand in Freud und Leid&period; Und es konnte den Freund gut brauchen&period; Meistens&comma; wenn es zur Schule kam und die Tafel mit Rechnungen bedeckt bringen sollte wie wir anderen auch&comma; da stand nicht eine Zahl darauf&period; Es legte sie aber mit dem lustigsten Gesicht auf die Schulbank hin&comma; und im folgenden Augenblick stand alles darauf&comma; was darauf stehen sollte&period; Denn der Andres hatte schnell die Tafel genommen und die Rechnungen darauf gesetzt&period; Oft geschah es auch&comma; daß Wisi in seiner raschen Weise mit dem Ellbogen eine Scheibe eingeschlagen hatte in der Schulstube&comma; oder es hatte im Garten an des Schulmeisters Pflaumenbaum geschüttelt&period; Und wenn dann Gericht über diese Untaten gehalten wurde&comma; dann blieb regelmäßig alles auf dem Andres sitzen&period; Nicht daß er von jemand angeklagt wurde&comma; sondern er selbst sagte gleich halblaut&comma; er meine&comma; er habe die Scheibe zerdrückt&period; Und er glaube auch&comma; er habe an dem Pflaumenbaum gerüttelt&comma; und so bekam er die Strafe&period; Wir Kinder wußten immer ganz gut&comma; wie es war&period; Aber wir ließen es so gehen&period; Wir waren so gewöhnt daran&comma; daß es so sei&comma; und dann hatten wir alle das lustige Wisi so gern&comma; daß wir's ihm immer gönnten&comma; wenn es ungestraft davonkam&period; Und Äpfel und Birnen und Nüsse hatte Wisi immer alle Taschen voll&comma; die kamen alle vom Andres&period; Denn was er nur hatte und erlangen konnte&comma; das stecke er alles dem Wisi in den Schulsack&period; Ich dachte manchmal darüber nach&comma; wie es denn sein könne&comma; daß der stille Andres gerade das allerlustigste und aufgeweckteste Kind der ganzen Schule am liebsten habe&period; Und dann sann ich darüber nach&comma; ob es nun auch gerade den stillen Andres besonders gern habe&period; Es war wohl immer freundlich zu ihm&comma; aber so war es auch mit den anderen&period; Und als ich einmal ernstlich unsere Mama fragte&comma; wie das wohl sei&comma; da schüttelte sie ein wenig den Kopf und sagte&colon; 'Ich fürchte&comma; ich fürchte&comma; diese artige Aloise ist ein wenig leichtsinnig und kann noch in eine schwere Schule kommen&period;' Diese Worte gaben mir viel zu denken und kamen mir immer wieder in den Sinn&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>Die Frau Oberst sah lächelnd vor sich hin&period; "Als wir dann zusammen in den Religionsunterricht gingen&comma; da kam Wisi regelmäßig am Sonntagabend zu uns herüber&comma; und wir sangen zusammen am Klavier Choräle&period; Daran hatte es damals sehr große Freude&comma; es konnte alle die schönen Lieder auswendig und sang sie mit heller Stimme&period; Wir hatten auch unsere Freude an den Abenden&comma; Mama und ich&comma; und auch darüber&comma; daß Wisi so gern in den Unterricht ging und ihn sich wirklich zu Herzen nahm&period; Es war nun ein großes Mädchen geworden und sah recht gut aus&period; Seine lustigen Augen hatte es noch&comma; und wenn es auch nie so kräftig aussah wie die Bauernmädchen im Dorf&comma; so hatte es doch eine blühende Gesichtsfarbe und war netter als sie alle&period; Damals war der Andres noch in der Stadt als Lehrjunge&comma; er kam aber immer über den Sonntag heim&period; Dann kam er auch jedesmal zu uns ins Pfarrhaus&comma; und am liebsten sprach er dann immer mit mir von den vergangenen Tagen der Schule&period; Und dann kamen wir immer bald auf das Wisi zu sprechen&period; Das kam so im Zusammenhang&comma; und schließlich sprachen wir dann nur noch von ihm&period; Dem Andres ging ganz das Herz und der Mund auf bei diesen Erinnerungen&comma; und während alle Welt längst das Wisi nie anders also so genannt hatte&comma; nannte er es unwandelbar das 'Wiseli'&period; Und das kam dann so ganz eigen zärtlich heraus&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Da kam auch ein Sonntag&comma; als das Wisi und ich noch nicht achtzehn Jahre alt waren&period; Gegen Abend trat er bei uns ein und sah ganz rosig aus&period; Und als wir nun mit Mama zusammensaßen&comma; da sagte Wisi&comma; es sei gekommen&comma; uns mitzuteilen&comma; daß es sich mit dem jungen Fabrikarbeiter versprochen habe&comma; der seit kurzer Zeit im Dorfe wohnte&period; Sie könnten gleich heiraten&comma; da er eine gute Anstellung habe unten in der Fabrik&comma; und so hätten sie denn schon alles festgesetzt&comma; daß sie gleich in zwölf Tagen zusammenkommen könnten&period; Ich war so erstaunt und so traurig&comma; daß ich kein Wort sagen konnte&period; Eine Zeitlang sagte die Mutter auch nichts&comma; sie sah ganz bekümmert aus&period; Dann aber sprach sie ernstlich mit dem Wisi und stellte ihm vor&comma; wie leichtsinnig es sei&comma; daß es sich so schnell mit dem Fabrikarbeiter eingelassen habe&period; Es kenne ihn ja kaum&comma; und da sei doch ein anderer&comma; der ihm Jahre lang nachgegangen sei und ihm gezeigt habe&comma; wie lieb er es habe&period; Und zuletzt fragte sie es dringend&comma; ob denn nicht alles noch rückgängig gemacht werden oder doch eine gute Zeitlang hinausgeschoben werden könne&period; Es könne noch bei seinem Vater bleiben&comma; es sei ja noch so jung&period; Da fing Wisi zu weinen an und sagte&comma; es habe ganz bestimmt sein Wort gegeben&comma; alles sei eingerichtet auf die Zeit und dem Vater sei's recht&period; Nun sagte die Mutter nichts mehr&comma; aber das arme Wisi weinte immer ärger&period; Da nahm sie es bei der Hand und zog es zum Klavier hin&comma; an den Platz&comma; wo es immer stand&comma; wenn wir zusammen sangen&period; Sie sagte in ihrem freundlichen Ton zu ihm&colon; 'Trockne nun deine Tränen&comma; wir wollen noch einmal zusammen singen&period;' Dann schlug sie uns das Lied auf&comma; und wir sangen zusammen&colon;<&sol;p>&NewLine;<p style&equals;"margin-left&colon; 30px&semi;">&lpar;'Befiehl du deine Wege&comma;<br&sol;>Und was dein Herze kränkt&comma;<br&sol;>Der allertreusten Pflege<br&sol;>Des&comma; der den Himmel lenkt&period;&rpar;<&sol;p>&NewLine;<p style&equals;"margin-left&colon; 30px&semi;">&lpar;'Der Wolken&comma; Luft und Winden<br&sol;>Gibt Wege&comma; Lauf und Bahn&comma;<br&sol;>Der wird auch Wege finden&comma;<br&sol;>Wo dein Fuß gehen kann&period;'&rpar;<&sol;p>&NewLine;<p>Wisi ging dann wieder getröstet von uns&comma; die Mutter hatte ihm noch einige freundliche Worte gesagt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber mich hatte die Sache recht traurig gemacht&period; Ich hatte ein ganz bestimmtes Gefühl&comma; daß das arme Wisi seine frohen Tage nun hinter sich hatte&comma; und dann tat mir der Andres unsäglich leid&period; Was würde der sagen&quest; Er sagte aber nie etwas&comma; gar kein Wort&comma; aber ein paar Jahre lang ging er herum wie ein Schatten und war noch stiller geworden als vorher&period; Ich habe auch seither nie mehr sein stillfröhliches Gesicht gesehen&comma; wie er es damals doch oft gezeigt hat&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Der arme Kerl&excl;" rief Onkel Max aus&period; "Hat er denn keine andere&nbsp&semi;Frau genommen&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ach&comma; nein&comma; Max"&comma; entgegnete seine Schwester ein wenig strafend&comma; "wie konnte er denn&comma; wie kannst du so etwas sagen&period; Er ist ja die Treue selbst&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Das konnte ich ja nicht wissen&comma; liebe Schwester"&comma; erwiderte der Bruder begütigend&period; "Ich konnte doch nicht voraussehen&comma; daß dein vielseitig begabter Freund nun auch noch die Unwandelbarkeit an sich trägt&period; Aber das Wisi&comma; erzähl weiter von ihm&period; Ich hoffe wirklich&comma; das lustige Wisi ist nicht unglücklich geworden&comma; es würde mir leid tun&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ich merke schon&comma; Max"&comma; sagte die Schwester&comma; "daß du es heimlich mit dem Wisi hältst und kein Mitleid hast mit dem treuen Andres&comma; dem es doch fast das Herz abgedrückt hat&comma; daß das Wisi für ihn verloren war&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Doch&comma; doch"&comma; versicherte der Onkel&comma; "ich kann ihm nachfühlen&comma; wie unglücklich er war&period; Aber weiter&comma; wie ging's mit dem Wisi&quest; Es hat doch seine lustigen Augen nicht verweint&quest;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Doch&comma; ich glaube schon"&comma; fuhr die Schwester fort&period; "Ich habe Wisi nicht mehr oft gesehen&comma; es hatte viel zu tun&period; Ich glaube&comma; der Mann war nicht eben böse&comma; aber er hatte etwas Rohes&comma; er konnte so grob und unfreundlich sein&comma; auch mit seinen kleinen Kindern&period; Wisi hatte gewiß wenig Freude mehr&period; Es hatte mehrere nette Kinder&comma; aber sie waren alle sehr zart&comma; es verlor sie wieder eins nach dem andern&period; Fünf hatte es begraben müssen&comma; nur ein einziges ist ihm geblieben&comma; ein feines&comma; zartes Geschöpfchen&comma; ein kleines Wiseli&period; Es ist nicht viel größer als unser Miezchen und ist doch gut drei Jahre älter&period; Wisis Gesundheit hatte durch das alles so gelitten&comma; daß man deutlich sehen konnte&comma; was kommen würde&period; Und nun ist es auch da&comma; eine schnelle Auszehrung rafft ihr Leben hin&period; Ich fürchte&comma; es ist gar keine Hoffnung mehr&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Nein&excl;" rief Onkel Max erschrocken aus&period; "Das kann doch nicht sein&comma; ist's wirklich wahr&quest; Kann man da nichts machen&comma; Marie&quest; Wir wollen doch gleich nachsehen&comma; vielleicht ist noch zu helfen&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Ach nein&comma; da ist nicht mehr zu helfen"&comma; sagte die Schwester traurig&period; "Da war überhaupt nicht mehr zu helfen&period; Wisi war für all die Arbeit und Anstrengung viel zu zart&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Und was macht nun der Mann&quest;" fragte Onkel Max&period;<&sol;p>&NewLine;<p>"Ach&comma; den habe ich ja ganz vergessen&comma; das hatte das kranke Wisi auch noch durchzumachen&period; Es wird nun bald ein Jahr sein&comma; da wurde ihm in der Fabrik der eine Arm und das Bein so zerschlagen&comma; daß man ihn halbtot nachhause brachte&period; Danach konnte er nicht mehr arbeiten&period; Er muß kein besonders geduldiger Kranker gewesen sein&period; Wisi hatte ihn nun auch noch zu verpflegen zu allem andern&period; Er starb dann ungefähr ein halbes Jahr nach dem Unfall&period; Seither lebt Wisi allein mit dem Kind&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Und so blieb von allem gar nichts mehr übrig als ein kleines Wiseli&quest; Was macht man damit&quest; Aber nein&comma; so traurig wird's doch nicht kommen müssen&period; Das Wisi kann noch gesund werden und alles noch kommen&comma; wie es hätte sein sollen von Anfang an&period;"<&sol;p>&NewLine;<p>"Nein&comma; nein&comma; dazu ist es zu spät"&comma; entgegnete die Schwester sehr bestimmt&period; "Das arme Wisi hat seinen Leichtsinn schwer büßen müssen&period; Aber jetzt ist es spät geworden&period;" Und fast erschrocken stand sie auf&comma; denn über dem Gespräch war die Mitternachtsstunde vorübergegangen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Seit einiger Zeit schon war der Oberst ganz still geworden&comma; er hatte sich in seinen Lehnstuhl zurückgelegt und war fest eingeschlafen&period; Onkel Max hatte zwar keinen Schlaf&comma; denn mit der Erzählung von dem armen Wisi waren ihm alle Jugenderinnerungen so lebendig aufgestiegen&comma; daß er noch eine Menge von Dingen und Persönlichkeiten besprechen wollte&period; Aber seine Schwester war unerbittlich&comma; sie hielt die Lampe in der Hand und drängte zum Aufbruch&period;<&sol;p>&NewLine;<p>So half denn nichts&period; Um aber nicht allein die unwillkommene Störung zu tragen&comma; weckte er seinen Schwager mit einem so gewaltigen Ruck an seinem Stuhl&comma; daß der Oberst mit einem Schrecken emporschoß&comma; als sei eine feindliche Bombe auf ihn gefahren&period; Aber sein Schwager klopfte ihm friedlich auf die Schulter und sagte&colon; "Es war nur eine leise Mahnung von seiten deiner Frau&comma; daß wir uns zurückziehen möchten&period;" Der Rückzug wurde dann vollzogen&comma; und bald stand das Haus auf der Höhe ganz still im Mondschein da&period; Und unten am Berg stand eins&comma; da sollte es auch bald still werden&period; Jetzt brannte noch ein schwaches Lämpchen drinnen und warf seinen matten Schimmer durch das schmale Schubfenster in die monderhellte Nacht hinaus&period;<&sol;p>

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