Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Wo Gritlis Kinder hingekommen sind
(Johanna Spyri, 1883)

Beim Sonnenuntergang

<p><img style&equals;"display&colon; block&semi; margin-left&colon; auto&semi; margin-right&colon; auto&semi;" src&equals;"&sol;Johanna-Spyri&sol;Wo-Gritlis-Kinder-hingekommen-sind&sol;016&period;jpg&quest;m&equals;1382424850&" alt&equals;"" width&equals;"506" height&equals;"286"><&sol;p>&NewLine;<p>Seit dem Tage&comma; da das Elsli zum ersten Male bei der kranken Nora eingetreten war und sie sich bald gut verstanden hatten&comma; war das Kind die tägliche Gesellschaft der Nora geblieben&period; Von Auslaufen und Besorgungen Machen war nie eine Rede gewesen&comma; denn Nora konnte es täglich kaum erwarten&comma; daß das Elsli erschien&comma; und bis zum letzten Augenblick seines Bleibens ließ sie es nicht von ihrer Seite weg&period; Die Mutter&comma; die keine größere Freude kannte als die&comma; ihrem Kinde einen Wunsch zu erfüllen&comma; freute sich an dem neuen Interesse der Nora und gewährte gern die Bitte&comma; daß das Elsli ganz nur zu ihrer Gesellschaft da sein möchte&period; Frau Stanhope sah auch mit großer Befriedigung&comma; wieviel lebendiger und fröhlicher die Nora geworden war&comma; seit sie diese tägliche Gespielin hatte&comma; und hieß darum auch das Elsli kommen&comma; so oft es nur konnte&comma; auch am Sonntag&comma; und hielt es gut in ihrem Hause&period; So kam es&comma; daß das Kind jede Stunde des Tages außerhalb der Schule und bald auch den ganzen Sonntag&comma; vom Morgen bis zur Nacht&comma; unzertrennlich mit der Nora zubrachte&period; Es ging dabei eine große Veränderung mit dem Elsli vor&period; Es war ein so bildsames Geschöpfchen&comma; daß es unwillkürlich in seiner Erscheinung&comma; im Ton seiner Stimme&comma; in allen Gebärden so wurde&comma; wie seine Umgebung war&period; Nun sich die Nora&comma; mit solcher Lebendigkeit und solcher Freude an seinem empfänglichen Wesen&comma; täglich stundenlang mit ihm beschäftigte und alles&comma; was sie dachte und hoffte&comma; alles&comma; was in ihrem Inneren vorging&comma; dem Elsli mitteilte und es ganz und gar mit ihrem eigenen Leben erfüllte&comma; kam es so&comma; daß auf das Elsli auch äußerlich nach und nach gänzlich die Art der Nora übergegangen war&period; Es hatte den Ton ihrer Stimme&comma; es sprach in ihren Worten&comma; es machte die Bewegung ihrer Hand&comma; das ganze Elsli war verändert&period; Auch für die Schule war eine große Veränderung mit dem Elsli vor sich gegangen&period; Wenn es jetzt unmittelbar nach der Schule zu Nora kam&comma; wurden gleich zuerst alle Bücher und Hefte ausgepackt und die Arbeit der Schulaufgaben unternommen&period; Die Nora hatte viel und gut gelernt und es war ein ganz neues Interesse für sie&comma; der aufmerksamen Schülerin nachhelfen und alles erklären zu können&comma; was sie nicht verstand&period; Für das Elsli war es eine nie gekannte Freude&comma; endlich einmal seine erfüllten Aufgaben&comma; wie die anderen Kinder&comma; in die Schule bringen zu können und nun wiederholt von dem Lehrer die Worte zu hören&comma; die er in so freundlichem Tone sagte&colon; »Das hast du gut gemacht&comma; Elsli&comma; mit dir bin ich nun sehr zufrieden&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Waren die Schularbeiten beendigt und auch das Abendessen vorüber&comma; dann saßen die Kinder ganz nah zusammen und fingen ihre Gespräche an&comma; deren sie niemals müde wurden&period; Nora erzählte von dem schönen Lande&comma; wohin sie gehen wollten&comma; und das Elsli folgte mit ganzem Entzücken jedem Worte&comma; denn die Nora erzählte so&comma; als sehe sie alles vor sich&comma; so daß auch vor dem Elsli alles lebendig dastand und es nie genug bekam von der beglückenden Unterhaltung&period; Zuletzt sagte Nora immer noch ihr Lied&comma; und auch das konnte das Elsli nie genug anhören&period; Wenn dann der Abend zu Ende war und das Elsli gehen mußte&comma; kam ihm jedesmal zum Schluß noch ein trauriger Gedanke&comma; und es sagte ängstlich&colon; »Wenn du nur nicht einmal allein gehst&comma; Nora&comma; und ich zurückbleibe&semi; was müßte ich dann machen&quest;« Aber die Nora tröstete es jedesmal und sagte&comma; der liebe Gott rufe ihm dann schon&comma; wenn sie ihn im Himmel recht darum bitte&comma; was dann das Elsli wieder beruhigte&comma; so daß es jeden Abend mit einem glücklichen Herzen&comma; wie es vorher nie gekannt hatte&comma; heimkehrte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>So waren die sonnegoldenen Tage des Septembermonats herangekommen&period; Die Kinder saßen zusammen und schauten durch das offene Fenster&comma; an dem Noras Lehnstuhl stand&comma; nach dem Abendhimmel hin&comma; wo die Sonne untergehen wollte&period; – Nora war den ganzen Tag müde gewesen und hatte wenig geredet&period; Ganz still saßen auch jetzt die Kinder nebeneinander und schauten nach dem golden leuchtenden Himmel hin&period; Jetzt strahlten die Flammen der scheidenden Sonne noch einmal glühend empor&comma; und wie ein goldener Strom ergoß sich das Leuchten über Bäume und Hügel auf die Wiesen herab&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Sieh&comma; sieh&excl; Elsli&excl;« rief Nora aus und ihre Augen leuchteten&comma; wie Elsli sie noch nie gesehen hatte&semi; »sieh&comma; dort kommt der kristallene Strom herübergeflossen&excl; O ich möchte dorthin und weit über den Strom gehen&comma; o wie wird es schön dahinter sein&comma; wo alle die Blumen und die glücklichen Menschen sind und wo sie so froh herumgehen und niemals müde werden&excl; Aber jetzt bin ich so müde&comma; Elsli&comma; komm ein wenig näher zu mir&comma; willst du&quest;« Elsli rückte ganz nah heran und Nora legte ihren Kopf auf seine Schulter&period; »O&comma; so bin ich gut«&comma; setzte sie leise hinzu&comma; »so sehe ich mitten&comma; mitten hinein&period; O sieh&comma; es ist&comma; wie wenn der Himmel ganz offen stünde&comma; und man sieht&comma; wie es leuchtet drinnen und schimmert und glänzt&period; O wie schön&excl; O wie schön&excl;« – Auch das Elsli hatte noch nie ein solches Leuchten am Himmel und solchen Goldglanz auf allen Hügeln gesehen&period; In stummem Erstaunen schaute es darauf hin&comma; und regungslos lagen die Kinder lange&comma; lange da&comma; bis gegen Abend hin aller Glanz erloschen war und leise ein weißer Nebel unten vom Tal aufstieg und sich über die Wiese legte&period; Jetzt trat Frau Stanhope ins Zimmer&semi; sie hatte&comma; wie nun oft geschah&comma; Elslis Anwesenheit benutzt&comma; in einem anderen Zimmer ihre Briefe zu schreiben&period; Sie nahte sich der Nora&comma; die immer noch ganz still auf Elslis Schulter ruhte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Gott im Himmel«&comma; schrie die Mutter auf&comma; »Nora&comma; mein Kind&excl; Es ist nicht möglich&excl; Erwache&excl; Gib mir Antwort&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Stanhope war niedergekniet&semi; sie zog die Nora an sich&semi; einen Augenblick schaute sie auf das bleiche&comma; stille Gesichtchen&comma; dann warf sie sich über das Kind und schluchzte in Verzweiflung&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Schneeweiß vor Schrecken stand das Elsli da&period; Was konnte mit der Nora begegnet sein&comma; das ihre Mutter so unglücklich machte&quest;<&sol;p>&NewLine;<p>»Hol den Arzt&comma; Kind&excl; Lauf&comma; soviel du kannst&excl;« stieß jetzt die schluchzende Mutter hervor&period; Elsli eilte fort&period; Der Arzt war nicht zu Hause&semi; seine Frau gab dem Elsli Bescheid&period; Es mußte ihr alles erzählen&comma; was sich zugetragen hatte&period; Dann sagte sie teilnehmend&colon; »Ich glaube&comma; der kranken Nora ist für immer wohl&comma; die ist gewiß im Himmel&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Das Elsli stand wie vom Schlag getroffen&period; »Ist sie nun schon gegangen&quest;« fragte es tonlos&period; Dann stürzten ihm die Tränen unaufhaltsam die Wangen herunter und vor großer Erschütterung hatte ein Zittern seinen ganzen Körper erfaßt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Du armes Elsli«&comma; sagte die Frau Doktorin&comma; das Kind bei der Hand nehmend&comma; »komm&comma; setz dich einen Augenblick hier nieder&excl;« Aber das Elsli war so von seinem Eindruck überwältigt&comma; daß es nicht sitzen konnte&period; Es hielt sein Schürzchen vor die Augen und lief wieder fort&comma; ganz kläglich vor sich hin jammernd&colon; »O&excl; o&excl; Nun ist sie schon gegangen und ohne mich&excl;« Als es bei Frau Stanhope eintrat&comma; fand es diese noch in derselben Stellung über ihr Kind gebeugt und verzweiflungsvoll weinend und klagend&period; Elsli setzte sich auf den Schemel hin&comma; den die Nora eben noch gebraucht hatte&comma; und weinte ganz still&period; So verfloß wohl eine Stunde&comma; dann kam der Doktor&period; Nachdem er eine kurze Zeit den Platz der Frau Stanhope eingenommen und sich über die Nora gebeugt hatte&comma; wandte er sich zu der Mutter&period; »Frau Stanhope«&comma; sagte er in rascher&comma; aber teilnehmender Weise&comma; »ich habe nichts mehr zu tun hier&comma; suchen Sie das Unabänderliche zu tragen&comma; das Kind ist tot&period; Ich will Ihnen meine Frau schicken&period;« Dann ging er&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nach einer Weile kam die Frau Doktorin&period; Aber kein Wort des Trostes&comma; das sie in ihrer herzlichen Teilnahme aussprach&comma; fand Eingang bei der verarmten Mutter&period; Sie hatte sich wieder über ihr Kind geworfen und sah und hörte nicht&comma; was um sie her vorging&period; Als die Frau Doktorin bemerkte&comma; daß es für einmal unmöglich war&comma; sich der trostlosen Frau zu nähern&comma; trat sie zu dem Elsli heran&comma; das immer noch auf seinem Schemel saß und leise fortweinte&semi; sie faßte das Kind sanft bei der Hand und zog es auf&period; »Komm mit mir&comma; Elsli«&comma; sagte sie freundlich&comma; »es ist Zeit für dich&comma; heimzugehen&period; Wir wollen dich auch nicht vergessen&comma; Elsli&comma; und der liebe Gott vergißt keins seiner Kinder&period; Du mußt dich zu trösten suchen und denken&comma; wie wohl es der Nora nun ist&comma; da sie gar nie mehr krank sein wird&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»O&comma; wenn sie mich nur mitgenommen hätte«&comma; schluchzte das Elsli&comma; denn der Gedanke hatte sich so lange und tief bei ihm festgesetzt&comma; daß sie dann miteinander gehen würden&comma; und nun war die Hoffnung dahin und es war zurückgeblieben und nun so allein&excl; Leise weinend ging es an der Seite der Frau Doktorin dahin&comma; und auch als diese bei dem aufsteigenden Wiesenwege sagte&colon; »Nun trennen wir uns&semi; schlaf wohl&comma; Elsli&comma; und komm bald einmal zu uns«&comma; zog es sein Schürzchen nicht von den Augen weg&period; Leise sagte es&colon; »Gute Nacht&excl;« und ging den Fußweg hinan&comma; und immer hörbarer wurde sein Schluchzen&comma; je weiter es von der freundlichen Begleiterin wegkam und je einsamer der Weg wurde&comma; den es zu gehen hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Mutter trat mit einem traurigen Herzen in das Haus ein&comma; wo sie die Kinder alle um die Tante gelagert fand&comma; stiller und nachdenklicher&comma; als sie gewöhnlich waren&period; Die Tante hatte ihnen erzählt&comma; daß die Nora gestorben und in den Himmel gegangen sei&comma; was ihnen einen tiefen Eindruck gemacht hatte&comma; jedem in einer besonderen Weise&period; Fred hatte gleich eine Menge Fragen und wollte genau wissen&comma; wie Menschen sterben und wieder leben können&period; Emmi war sehr niedergeschlagen&comma; denn es kam ihr nun in den Sinn&comma; daß sie niemals mehr zu Nora zurückgekehrt war und ihr gar keine Freundlichkeit erwiesen hatte&period; Ganz still zogen sich heute die Kinder zurück&comma; und als am späten Abend Mutter und Tante noch allein zusammensaßen&comma; mußte die erstere der teilnehmenden Schwester noch den ganzen Kummer ausschütten&comma; der ihr Herz so schwer machte&period; Da war die arme Mutter&comma; die ihr einziges Kind in die Erde legen mußte und der mit keinem Worte des Trostes beizukommen war&period; Da war das zarte Elsli&comma; das nun an die harte Arbeit zurückkehren mußte&comma; die vielleicht so sehr über seine Kräfte ging&comma; daß es sie nicht lange aushalten konnte&period; Dazu war es nun doppelt verwaist&semi; die nahe Freundin&comma; durch die es in ein neues Leben eingetreten war und in der es ganz gelebt hatte&comma; war für immer weggegangen&comma; und der Bruder Fani&comma; an dem es mit aller Liebe hing&comma; war fort&comma; und vielleicht ja auch für immer fort&semi; wer konnte wissen&comma; wo der bleiben würde&excl; Diese letztere Sache lag der Mutter auch als eine Last auf dem Herzen&semi; war ja doch Emmi schuld daran und das ganze Unternehmen so unsicher&comma; daß man nicht einmal die Zuversicht haben konnte&comma; Fani lerne da wirklich etwas Rechtes&comma; das ihm für seine Zukunft von Nutzen sein konnte&period; Die Tante hatte einer Bekannten nach Basel geschrieben und sie gebeten&comma; den Mann aufzusuchen&comma; bei dem Fani eingetreten sein mußte&comma; und ihr Nachricht über den Charakter des Mannes und das ganze Verhältnis zu geben&period; Es war auch schon eine Antwort gekommen&comma; sie war aber nicht gemacht&comma; große Hoffnungen für Fani zu erwecken&period; Der Dekorationsmaler hatte den Fani wirklich in seinen Dienst genommen&comma; da er Gefallen an dem offenen Wesen des Jungen fand&comma; der ihm so zugelaufen kam und gleich seine ganze Geschichte erzählte&period; Der Maler hatte aber nur einen Buben gesucht&comma; der ihm die großen Pinsel und Farbtöpfe nachtrage und ihm alles reinigen helfe und für ihn auslaufe&period; Dafür bekam er seinen Unterhalt von dem Meister&comma; für seine Kleider sollte er aber selbst sorgen&period; Das war nun gar keine glänzende Anstellung für den Fani&comma; und die Mutter riet bekümmert hin und her&comma; was nun wohl das Beste wäre&comma; das man tun könnte&period; Für einmal waren seine Eltern ja freilich damit einverstanden&comma; daß er fortbleibe&comma; da er keine bestimmte Anstellung habe&semi; aber sie nahmen an&comma; er verdiene wenigstens so viel&comma; daß sie in keiner Weise mehr für ihn zu sorgen hätten&comma; daß er im Gegenteil nächstens für sie eine Nachhilfe sein werde&period; So hatte die gute Mutter zu den alten immer wieder neue Sorgen zu tragen&comma; und manchmal schon wäre ihr diese große Last zu schwer geworden&comma; wenn die Tante nicht immer mitgetragen und durch ihre frohe Gemütsart jedem Kummer gleich auch eine erfreuliche Seite abgewonnen hätte&period; So hatte sie auch heute manches tröstende&comma; erheiternde Wort für die Mutter&comma; so daß auch diese zuletzt wieder mit Hoffnung und Zuversicht auf die kommenden Tage sehen und alles Sorgenerregende dem lieben Gott anheimstellen konnte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Am folgenden Morgen bat Emmi etwas niedergeschlagen um die Erlaubnis&comma; der Nora Blumen bringen und auf ihr Bett legen zu dürfen&period; Die Mutter erlaubte es gern und auf Freds Ansuchen hin auch&comma; daß er Emmi begleite&period; Später wollte auch sie selbst nachkommen und Frau Stanhope besuchen&period; Die Kinder wurden eingelassen und vom Mädchen in das Zimmer geführt&comma; wo Nora auf einem schneeweißen Bette lag&comma; sie selbst so weiß und still&comma; wie sie noch niemand gesehen hatte&period; Am Bette kniete die Mutter&semi; sie schaute nicht auf und blieb regungslos auf ihrem Platze&comma; das Gesicht auf das weiße Lager gedrückt&period; Emmi legte still ihre Blumen auf das Bett hin&comma; dann erfaßte sie die Hand der Nora zum Abschied&period; Jetzt stürzten der Emmi die Tränen aus den Augen&comma; denn da lag nun die Nora&comma; kalt und schweigend für immer&comma; und Emmi konnte ihr nie mehr etwas Freundliches tun&comma; und da sie noch am Leben war&comma; hatte es Emmi nie getan und war am liebsten gar nicht zu ihr gegangen&comma; und doch war Nora so krank gewesen und so viel allein und hatte wenig Freuden gehabt&period; Das kam der Emmi nun sehr übers Herz und sie weinte leise fort&comma; als sie nun mit Fred das Zimmer verließ&period; Einige Zeit nachher trat die Frau Doktorin in das stille Zimmer ein&period; Frau Stanhope erhob sich&comma; sie hatte die Eintretende erkannt&period; Jetzt verwandelte der dumpfe Schmerz der Trauernden sich in einen ungeheuren Jammer&period; »O&comma; können Sie es begreifen&comma; wie ganz verarmt ich bin&quest;« rief sie unter einem Strom von Tränen aus&period; »O&comma; warum mußte der liebe Gott mir dieses einzige Kind nehmen&quest; Hätte er mir Hab und Gut&comma; allen Reichtum&comma; alles&comma; was ich besitze&comma; weggenommen und mir mein Kind gelassen&comma; ich hätte ja nicht gehadert&comma; ich hätte ja gern alles entbehrt und alles getragen&comma; wenn ich nur mein Kind behalten hätte&excl; Das ist das Härteste&comma; das mir widerfahren kann&comma; das Allerhärteste&semi; o warum muß ich gerade mehr als alle anderen leiden&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Liebe Frau Stanhope«&comma; sagte hier die Frau Doktorin&comma; indem sie besänftigend die Hand der Jammernden ergriff&comma; »ich begreife wohl Ihren großen Schmerz&comma; aber denken Sie auch an ihr Kind&excl; Es ist doch nicht das größte Leiden&comma; an sein Kind zu denken&comma; das der liebe Gott zu sich genommen und für immer von seinen Schmerzen befreit und zur ewigen Freude eingeführt hat&period; Wie die bittere Armut tut&comma; das können Sie nicht ermessen&comma; und welche Leiden die Mütter durchzumachen haben&comma; die schon in frühen Jahren die Kinder zu harter Arbeit anhalten müssen&comma; die ihnen keine Freuden zu bieten&comma; nur Entbehrungen aufzulegen haben&comma; die für sich und die Kinder nichts anderes kennen&comma; nichts anderes vor sich sehen&comma; als schwere Tage und herbe Sorgen&comma; das kennen Sie nicht&period; Nehmen Sie Ihren Schmerz aus Gottes Hand an und messen Sie nicht&period; Jedem ist ja das Leiden das größte&comma; das in seinem Herzen brennt&semi; aber unser Vater im Himmel weiß&comma; warum Er jedes auf dem Wege führt&comma; den es zu gehen hat&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Stanhope war stiller geworden&comma; doch lag der Ausdruck eines trostlosen Schmerzes fortwährend auf ihrem Angesicht&period; Nach einer Weile des Stillschweigens teilte sie dann der Frau Doktorin mit&comma; daß sie ihr Kind mit fortzunehmen gedenke&comma; damit es in ihrer Nähe und in der Nähe seines vorangegangenen Bruders ruhe&period; Diese traurige Reise allein zu machen&comma; dazu könne sie sich nicht entschließen&comma; sie habe die treue Wärterin ihres Kindes&comma; Klarissa&comma; herberufen&comma; daß sie alles Äußere für sie besorge und ihr zur Seite bleibe&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Diese Nachricht war für die besorgte Frau Doktorin eine große Beruhigung&semi; nun wußte sie&comma; daß&comma; was von außen her der armen Mutter an Trost und Hilfe konnte geboten werden&comma; ihr bald und am wohltuendsten durch diese treue alte Freundin zuteil werden würde&period; Diese allein hatte ja die entschlafene Nora gekannt und auch geliebt wie eine zweite Mutter&period; So kehrte die Frau Doktorin mit ein wenig erleichtertem Herzen zurück&comma; denn da war nun doch die Aussicht auf eine wohltuende Umgebung für die vereinsamte Frau&period; Das mußte sie gleich der Tante mitteilen&comma; denn auch diese hatte ja eine so herzliche Teilnahme für die verarmte Mutter&period; Aber die Tante war nirgends zu finden&period; Emmi&comma; die ganz gegen ihre Gewohnheit still in einer Ecke saß&comma; berichtete&comma; der Fred habe lange die Tante gesucht&comma; er habe sie gewiß zu einer Käferschau nötig gehabt und fortgeholt&period; Die Mutter dachte auch&comma; es werde so sein&comma; und setzte sich zu Emmi hin&comma; die gern noch von der Nora wollte erzählen hören&period; Es war ihr ein Bedürfnis&comma; von der Mutter zu hören&comma; daß die Nora froh und zufrieden gewesen war ohne sie und daß ihr ihre Gesellschaft nicht gemangelt hatte&comma; denn sie fühlte jetzt wohl&comma; daß sie nur an sich selbst gedacht hatte bei dem Besuch und gar nicht daran&comma; was sie für die einsame&comma; kranke Nora tun könnte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Fred war wirklich längere Zeit der Tante nachgelaufen und hatte sie endlich festnehmen können und nun weit hinunter nach dem entferntesten Gartenhaus mit sich gezogen&comma; denn er wollte ganz allein mit ihr reden&period; Hier setzte er sich neben sie auf die Bank und sagte ernsthaft&colon; »Siehst du&comma; Tante&comma; ich muß dir etwas sagen&comma; aber nur dir allein&period; Heute habe ich die Nora gesehen&semi; sie ist ganz tot und ich kann nicht begreifen&comma; daß sie einmal wieder erwachen und leben kann im Himmel&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So&quest; das kannst du nicht begreifen&comma; Fred&quest; Siehst du&comma; ich auch nicht«&comma; sagte die Tante&semi; »aber der liebe Gott hat noch viele Dinge gemacht&comma; die du auch nicht begreifen könntest und ich ebensowenig&comma; und doch sind sie da&period; Wenn uns nun aber einer&comma; dem wir fest glauben können&comma; verspricht&comma; daß wir wieder leben werden nach dem Tode dieses Körpers&comma; so wollen wir glauben&comma; bis wir begreifen&semi; und ich glaube zuversichtlich daran&comma; Fred&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber«&comma; fing dieser in seiner gewohnten Zähigkeit noch einmal an&comma; »ich habe doch immer gedacht&comma; das Lebendigsein ist in dem Menschen wie in den Tieren&comma; und wenn ein Tierchen keine Bewegung mehr macht&comma; so ist es ganz tot und fängt nie mehr zu leben an&semi; das habe ich beobachtet&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Hier wurde das Gespräch zwischen Fred und der Tante unterbrochen&comma; da der heimkehrende Vater an dem Gartenhäuschen vorbeikam und die Tante aufforderte&comma; mit ihm durch das Äckerchen zu wandern&comma; um die prachtvollen Kohlköpfe zu bewundern&comma; die sich da entfaltet hatten&period; Fred ging still seiner Wege&comma; denn Kohlköpfe konnte er nicht bewundern&comma; die ließen ihn im Gegenteil viel schwere Augenblicke voraussehen&comma; da er den grünen Stoff auf seinem Teller erblicken würde&period;<&sol;p>&NewLine;<p>&nbsp&semi;<&sol;p>&NewLine;<p><img style&equals;"display&colon; block&semi; margin-left&colon; auto&semi; margin-right&colon; auto&semi;" src&equals;"&sol;Johanna-Spyri&sol;Wo-Gritlis-Kinder-hingekommen-sind&sol;017&period;jpg&quest;m&equals;1382424898&" alt&equals;"" width&equals;"65" height&equals;"60"><&sol;p>&NewLine;<p>&nbsp&semi;<&sol;p>

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