Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Wo Gritlis Kinder hingekommen sind
(Johanna Spyri, 1883)

Im Hause des Arztes

<p><img style&equals;"display&colon; block&semi; margin-left&colon; auto&semi; margin-right&colon; auto&semi;" src&equals;"&sol;Johanna-Spyri&sol;Wo-Gritlis-Kinder-hingekommen-sind&sol;005&period;jpg&quest;m&equals;1382420010&" alt&equals;"" width&equals;"500" height&equals;"294"><&sol;p>&NewLine;<p>Die Abendsonne schien lieblich auf die hellgrünen Blättchen der jungen Gemüse&comma; welche in den zwei großen Beeten&comma; die an den Blumengarten grenzten&comma; emporkeimten und eine besondere Freude der Hausfrau waren&period; Wenn sie auch mit größerer Wonne zwischen all den duftenden Blumen des Gartens hin und her ging&comma; so schaute sie doch immer zum Schluß mit einer besonderen Teilnahme nach den grünen Kräutchen&comma; die sie alle selbst gesät und vom ersten zarten Keime an bewahrt und gepflegt hatte&period; Der Blumenkohl schien in diesem Jahr besonders wohl geraten zu wollen&comma; denn mit großem Wohlgefallen schaute die Besitzerin auf ihre junge Pflanzung hin&comma; die weithin frisch und unberührt dastand&semi; nirgends waren die verderblichen Spuren gefräßiger Raupen zu sehen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Guten Abend&comma; Frau Doktorin«&comma; tönte es jetzt vom Wege herüber&comma; der durch eine Hecke von den Beeten getrennt war&period; »Sie haben doch immer das schönste Gemüse&semi; man sieht wohl&comma; daß dazu gesehen wird&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die Frau Doktorin war an die Hecke hingetreten&comma; und über diese herein streckte jetzt der Taglöhner Heiri seine schwielige Hand&comma; denn er war ein alter Bekannter und wußte wohl&comma; daß er das Recht zu einem guten Händedruck hatte&period; Er war ja schon mit der Frau Doktorin zur Schule gegangen&comma; und wie oft war er seitdem bei ihr eingekehrt&comma; um Trost und Rat von ihr zu empfangen&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Sie erwiderte freundlich seinen Gruß und fragte dann teilnehmend&colon; »Und wie geht’s denn&comma; Heiri&semi; immer viel Arbeit&quest; Ist alles wohl zu Hause&comma; Frau und Kinder&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; ja&comma; gottlob&excl;« entgegnete Heiri&comma; indem er die schweren Werkzeuge&comma; die er auf der Schulter trug&comma; auf den Boden legte&semi; »Arbeit gibt’s immer&comma; ich muß mit dem Zeug noch in die Schmiede&period; Aber es braucht auch Arbeit&comma; die Haushaltung wächst an&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Eure drei kleinen Buben sehen gut aus&comma; ich habe sie gestern wieder gesehen mit dem Elsli«&comma; fuhr mit freundlicher Teilnahme die Frau Doktorin fort&period; »Aber das Kind&comma; das Elsli&comma; ist gar so bleich und schmächtig&period; Ihr vergeßt doch nicht&comma; woran seine Mutter gestorben ist&comma; Heiri&quest; Man darf das Kind gewiß nicht überanstrengen&comma; es ist zu zart und jetzt im strengsten Wachsen&period; Ihr müßt beizeiten dazu sehen&comma; Heiri&comma; Ihr habt’s erfahren&comma; wie bald es mit einem jungen Leben aus sein kann&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; ja&comma; das hab’ ich&comma; und das vergess’ ich auch nicht&comma; wie’s war&excl; Ich konnte es nicht sehen&comma; wie sie das Gritli in den Boden hineintaten&comma; so jung noch&comma; so jung&excl; Die Marget ist eine währschafte Frau und brav&comma; aber das Gritli kann ich doch nicht vergessen&period;« Heiri wischte mit seiner Hand ein paar Tränen weg&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der mitfühlenden Frau kamen auch die Tränen in die Augen&period; »Ich vergesse es auch nicht&comma; Heiri&semi; wie gern wäre das arme Gritli noch bei Euch und seinen zwei kleinen Kindern geblieben&period; Es ging auch so unerwartet schnell mit ihm&period; Freilich sah es ja immer dünn und schmächtig aus&comma; und ich kann sein Kind&comma; das kleine&comma; gute Elsli&comma; nie sehen&comma; ohne daß es mir Sorge macht&comma; ob es auch nicht zu sehr angestrengt wird&semi; es kann nicht viel aushalten&comma; das ist wohl zu sehen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; es ist schon ein Schmales und Mageres«&comma; stimmte Heiri bei&comma; »aber sonst schlägt es mehr mir nach&comma; es ist so nicht gerade das Hurtigste und so eher überdacht&period; Der Bub’ ist sonst mehr wie das Gritli selig und hat immer so etwas im Kopf und sitzt nicht gern still&comma; und dann kann er’s nicht leiden&comma; wenn die kleinen Buben nicht gerade besonders sauber sind&comma; und sagt etwa&comma; man müsse sie alle drei unter die Brunnenröhre stellen&comma; denn darin ist er punktum wie das Gritli selig&semi; er kann nicht sehen&comma; was wüst ist und unsauber&period; Aber dann fangen die Buben an zu rufen und zu schreien&comma; bis die Mutter kommt&comma; und dann gibt’s noch mehr Spektakel&comma; und so komm’ ich fast nie heim am Abend&comma; daß mir die Marget nicht sagt&comma; ich müsse dem großen Buben Ohrfeigen geben&comma; weil er die Kleinen immer plage und mache&comma; daß sie von der Arbeit weg müsse&period; Aber wenn der Bub’ dann so vor mir steht und mich akkurat mit seinen Augen ansieht&comma; wie das Gritli tat&comma; so kann ich ihm keine Ohrfeige geben&semi; das macht dann die Marget bös und es gibt scharfe Worte&comma; und mir ist es auch nicht recht&comma; weil sie sonst eine brave und schaffige Frau ist&period; Ich habe schon manchmal gedacht&comma; wenn Sie ihr etwa über die Ohrfeigen ein Wort sagen wollten&comma; Frau Doktorin&comma; so wäre ich froh&semi; sie würde eher auf Ihre Worte hören&comma; und Sie haben ja auch Buben aufzuziehen und wissen&comma; was man mit ihnen etwa machen muß&period; Sie würden ihr gewiß einmal ein Wörtlein sagen&comma; wenn sie etwa vorbeikommt&comma; nicht wahr&comma; Frau Doktorin&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; das will ich schon gern tun&semi; und wie ist es denn mit den Elsli&comma; kann es die Mutter gut mit ihm&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; sehen Sie&comma; das ist so«&comma; und der Heiri kam&comma; um sich recht verständlich zu machen&comma; noch ein wenig näher an die Hecke heran&semi; »das Kind ist mehr so wie ich und gibt nach und hat nicht so seine eigenen Sachen im Kopf&comma; wie das Gritli sie hatte&comma; und so seinen Eigenwillen&period; Es tut akkurat&comma; was die Marget will&comma; und hat kein Widerwörtlein den ganzen Tag und klagt nie&comma; und wenn es auch von dem an&comma; daß es aus der Schule kommt&comma; bis es ins Bett muß&comma; immer zu helfen hat und die Buben hüten und das Kleine herumtragen muß&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nur auch nicht zu viel&comma; Heiri«&comma; mahnte bekümmert die Frau Doktorin&semi; »es ist mir eine rechte Sorge mit dem Kinde&period; Schickt mir die Marget bald einmal vorbei&comma; ich möchte auch darüber ein Wort mit ihr reden&semi; sagt ihr&comma; ich habe ihr für die Kinder etwas abzugeben&comma; entwachsene Röckchen von den meinigen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das will ich gern tun&comma; und nun will ich&comma; denk’ ich&comma; wieder weiter&period; So schlafen Sie wohl&comma; Frau Doktorin&comma; und nichts für ungut und wünsche nur&comma; daß alles gut weiter gedeihe im Gemüsegarten&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Danke&excl; Gute Nacht&comma; Heiri&excl;« Noch einmal wurde über die Hecke hin ein Händedruck gewechselt&comma; dann zog Heiri seine Straße weiter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Frau Doktorin blieb sinnend zwischen den Gemüsebeeten stehen&semi; aber ihre Gedanken waren nicht mehr mit den grünen Kräutlein beschäftigt&comma; auf die ihre Augen niederschauten&period; Heiris Erscheinung und Gespräch hatte frühere Tage in ihrer Seele wachgerufen&period; Sie sah ein fröhliches Kindergesicht mit großen braunen Augen neben sich und schaute eben mit Verwunderung zu&comma; wie zwei gewandte Hände ein Vergißmeinnicht vorn ins Röckchen und nun noch eins ins Haar steckten&comma; und wie gut das aussah&period; Das Kind war das Gritli&comma; das neben ihr am Bache saß&comma; wo sie beide eben die blauen Blumen in Fülle gepflückt hatten und sie nun zu Sträußen banden&period; Das Gritli war armer Leute Kind&comma; aber immer sah es gut und außerordentlich sauber und glatt gekämmt aus&comma; und immer hatte es da und dort ein Blümchen oder ein Schleifchen aufgesteckt&comma; und immer sah es aus&comma; als sei es zu einem kleinen Fest geschmückt&comma; wenn es noch so einfache Kleider auf sich trug&period; Viele schalten das Gritli darum und andere verlachten es&semi; das änderte aber nichts&colon; es war ein tiefes Bedürfnis in dem Gritli&comma; etwas Schönes an sich zu haben&comma; und was auch die Leute sagten&comma; unausgesetzt ging das Gritli mit einem Blümchen oder Bändchen geschmückt einher und sah aus&comma; als komme es eben vom Maler&comma; der es zurechtgeputzt&comma; um ein Bildchen aus ihm zu machen&period; Mit achtzehn Jahren heiratete es den gutmütigen Heiri&comma; der das Gritli schon immer gern gehabt und ihm oftmals gesagt hatte&comma; er wolle schon für beide arbeiten&comma; wenn es nur seine Frau werden wolle&period; Schon nach fünf Jahren welkte das zartgebaute Gritli an der Schwindsucht dahin&period; Seine beiden Kinder&comma; der vierjährige Stephan und das dreijährige Elsli&comma; waren von der jungen Mutter vom ersten Augenblick an so schmuck und sauber gehalten worden&comma; daß es den Kindern tief eingeprägt blieb&period; Der Heiri mußte aber für seine zwei kleinen Kinder wieder eine Mutter haben&comma; und die Leute sagten ihm&comma; er müsse die Marget zur Frau nehmen&comma; denn sie werde ihm gut helfen in aller Arbeit&period; So wurde die Marget seine Frau und war tüchtig und fest in jeder Arbeit&semi; aber auf Schmuck und Blumen hielt sie nichts und eine besondere Sauberkeit sah sie für unnötig und als eine Zeitvergeudung an&comma; und so bekam Heiris Haushalt einen anderen Charakter&period; Die drei kleinen Buben und das Kleine in der Wiege sahen nicht aus&comma; wie der Fani und das Elsli ausgesehen hatten als kleine Kinder und auch jetzt noch aussahen&comma; denn die erste Gewohnheit war ihnen geblieben&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Aus diesen Gedanken&comma; die so einer nach dem anderen in der sinnenden Frau aufgestiegen waren&comma; wurde sie durch ein fürchterliches Geschrei aufgeschreckt&comma; das vom Hause her ertönte&period; Jetzt stürzte&comma; fortwährend aus vollem Halse schreiend&comma; das achtjährige Rikli&comma; um die Ecke kommend&comma; auf sie los&comma; hinter ihr her der Bruder Fred&comma; ein großes Buch unter dem linken Arm&comma; den rechten mit geschlossener Faust ausstreckend&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Rikli&comma; nicht so maßlos«&comma; mahnte die Mutter&semi; »komm doch zu dir&period; Was ist denn geschehen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Rikli schrie fort und steckte ihren Kopf ins Kleid der Mutter hinein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Jetzt sieh doch&comma; Mama&comma; warum das vernunftlose Wesen sich so gebärdet«&comma; berichtete der herzugerannte Fred&semi; »hier sieh&comma; dieses niedliche Fröschlein habe ich gefangen und dem Rikli unter die Augen gehalten&comma; daß es das Tierlein bewundern könne&comma; und nun will ich dir gleich lesen&comma; welch ein merkwürdiges Exemplar es ist&period; Sieh nur&comma; sieh&excl;« Fred hielt seine offene Hand hin&comma; aus der ein grüner Frosch glotzte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Rikli&comma; nun sei ganz still&comma; es ist genug«&comma; gebot die Mutter dem immer noch fortschreienden Kinde&comma; »und du&comma; Fred&comma; weißt wohl&comma; daß das Kind sich allerdings unvernünftig vor deinen Tieren fürchtet&semi; warum mußt du diese gerade ihm unter die Augen halten&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Es war zunächst bei mir«&comma; erklärte Fred&comma; »und hör nur&comma; wie interessant die Beschreibung ist&comma; Mama&excl;« Fred hatte sein Buch aufgemacht und las&colon; »Der grüne oder Wasserfrosch&comma; esculenta&comma; ist gegen drei Zoll lang&comma; grasgrün mit schwarzen Flecken&period; Seine Augen haben einen Goldglanz&comma; die Zehen der Hinterfüße eine Schwimmhaut&period; Seine Stimme&comma; die er besonders in warmen Sommernächten hören läßt&comma; lautet&colon; Brekekekex&excl; Den Winter bringt er im Schlamm zu&period; Er nährt sich –«<&sol;p>&NewLine;<p>In diesem Augenblick kam ein Wagen herangefahren&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Es ist die Dame mit dem kranken Mädchen&comma; laß mich&comma; Fred&comma; laß mich«&comma; sagte die Mutter&comma; eilig den Fred etwas beiseite schiebend&comma; der ihr den Weg versperrte&period; Er rannte ihr aber nach&colon; »Mama&comma; so hör nur noch&comma; du weißt ja noch nicht&comma; womit er sich nährt&comma; er nährt sich von –«<&sol;p>&NewLine;<p>Der Wagen war schon da&period; Aus dem Stalle kam der Hans&comma; aus der Küche die Kathri gelaufen in einer sauberen weißen Schürze&semi; denn man hatte ihr gesagt&colon; wenn ein Wagen vorfahre&comma; habe sie herauszukommen&comma; um ein krankes Mädchen die Treppe hinaufzutragen&period; Fred und Rikli waren ein wenig zurückgetreten und standen jetzt mäuschenstill an der Hecke&comma; mit gespannter Erwartung dem Weiteren entgegensehend&period; Erst trat eine Dame aus dem Wagen und winkte Kathri heran&period; Dann hob diese eine weiße&comma; zarte&comma; fast durchsichtige Gestalt aus dem Wagen heraus und trug sie die Treppe hinauf ins Haus hinein&period; Die beiden Frauen folgten gleich nach&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Das Kind ist viel größer als du&comma; wenn schon die Mama gemeint hat&comma; es sei nur acht oder neun Jahre alt«&comma; erklärte jetzt Fred seiner Schwester Rikli&period; »Das gibt eine Freundin für Emmi und man kann ihm auch ansehen&comma; daß es sich für ein Geschrei bedanken würde&comma; wie du es machst&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; ja&comma; es hat auch nicht immer Frösche und Spinnen und Raupen in der Tasche&comma; wie du«&comma; wehrte sich Rikli und wollte eben noch einiges beifügen&comma; das die Berechtigung ihres Geschreies beweisen mußte&comma; als Fred die Hand aufmachte&comma; um nach seinem Frosch zu sehen&comma; und dieser mit einem großen Satz gegen das Rikli hin entsprang&period; Mit einem durchdringenden Geschrei rannte das Kind ins Haus hinein&comma; wo es aber nicht weit vordringen konnte&comma; denn die Kathri schoß ihm mit einem ganz überwältigenden »Bsch&excl; Bsch&excl;« entgegen&period; »Wenn ein Krankes drinnen ist&comma; so zu tun&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wo ist die Tante&quest;« fragte Rikli&semi; eine Frage&comma; welche die Kathri beantwortete&comma; bevor sie recht ausgesprochen war&comma; denn sie kannte diese Frage&comma; die des Tages viele hundert Male in dem Hause gehört wurde&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»In der anderen Stube&semi; hier drinnen ist das Kranke&comma; geh nicht dahinein&comma; die Mama hat’s verboten&semi; und das Schreien wie von einem angestochenen Spanferkelchen ist auch nicht erlaubt im Hause drinnen«&comma; fügte die Kathri aus eigener Beurteilung hinzu&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Rikli eilte in die andere Stube hinein&comma; um der Tante die Geschichte mit dem Frosch zu klagen&comma; denn es konnte nicht darüber wegkommen&comma; daß er ihm fast ins Gesicht gesprungen war&period; Aber die Tante war schon in Anspruch genommen&colon; Oskar&comma; der älteste Bruder&comma; saß neben ihr&comma; in ein ernsthaftes Gespräch vertieft&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Weißt du was&comma; Tante&quest; Wenn der Feklitus nicht nachgibt&comma; so könnte man beide Sprüche zusammensetzen&semi; dann wäre doch der unsere da und die anderen hätten den ihrigen auch&comma; meinst du nicht&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; das könnte man tun«&comma; stimmte die Tante bei&semi; »so ist allen geholfen und die Verse sind gedankenreich&comma; wie es bei solchen Gelegenheiten sein muß&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Hilf du dann auch der Emmi brodieren&comma; Tante«&comma; bat Oskar&semi; »weißt du&comma; sie macht sonst die Fahne nie fertig&comma; sie läuft gewiß hundertmal davon weg&comma; etwas anderem nach&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die Tante versprach ihre Mithilfe&period; Hocherfreut sprang Oskar auf und davon&comma; denn er mußte seinen Freunden schnell noch Mitteilung über den glücklich gefundenen Ausweg mit den Sprüchen und das erfreuliche Versprechen der Tante machen&period; Bevor aber Rikli noch zu Worten kam für seine Froschgeschichte&comma; war schon die ältere Schwester Emmi hereingestürzt und rief in großer Aufregung&colon; »Tante&excl; Tante&excl; Sie gehen alle in die Erdbeeren&comma; ein ganzer Trupp&semi; darf ich noch mit&quest; Sag doch schnell ja&comma; ich kann nicht zur Mama und es pressiert&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Einmal in die Veilchen und einmal in die Erdbeeren und einmal in die Heidelbeeren und immer in etwas&comma; so ist’s bei dir&comma; Emmi&period; So geh&comma; aber komm nicht spät heim&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Emmi war schon draußen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich auch&excl; Ich auch&excl;« schrie Rikli und lief der Forteilenden nach&period; Aber Emmi war in zwei Sätzen die Treppe hinunter und rief zurück&colon; »Nichts&excl; nichts&excl; du kannst nicht mit&comma; im Wald hat’s Käfer und rote Schnecken&period;« Rikli kehrte schleunig um&comma; aber zum Ersatz wollte es nun einmal seine bedauerliche Geschichte erzählen&period; Doch jetzt kam Fred hereingelaufen mit seinem Buch unterm Arm&period; Er setzte sich sogleich so nah als möglich zu der Tante hin und schlug das Buch auf&period; »Das ist gut&comma; daß du da bist&comma; Tante&comma; die Mama hat gar nicht zu Ende hören können&comma; und es ist ein gar merkwürdiges Tier&comma; ich hatte ein prachtvolles Exemplar gefangen&period; Aber du mußt nicht zu kurz kommen&comma; Tante&comma; morgen such’ ich schon wieder einen und bring’ ihn dir&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; nein&excl;« schrie das Rikli auf&semi; »sag nein&comma; Tante&comma; er springt einem fast ins Gesicht und hat gelbe Augen&comma; wie ein Drache und –«<&sol;p>&NewLine;<p>Fred hatte aus seiner leeren Hand eine Faust gemacht&comma; hielt diese plötzlich dem Rikli vor das Gesicht und schnellte sie auf&semi; mit Geschrei sprang das Kind weg und zur Tür hinaus&period; »So&comma; jetzt kann man doch ruhig lesen«&comma; sagte Fred&comma; befriedigt über die Wirkung&comma; legte seine Hand auf das Buch und begann&colon; »Der grüne oder Wasserfrosch&comma; esculenta –«<&sol;p>&NewLine;<p>In dem Augenblick ging drüben die Tür auf&comma; man hörte Schritte und Stimmen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Komm«&comma; sagte die Tante&comma; »wir müssen das kranke Kind abfahren sehen&comma; wir kehren nachher zum Frosch zurück&period;« Sie ging ans Fenster&period; Auf das Gesicht der Tante kam ein trauriger Ausdruck&comma; als sie sah&comma; wie das Kind in den Wagen gehoben wurde&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»O&comma; wie blaß und krank sieht das liebliche Gesichtchen aus&excl; Du armes Kind&excl; Nein&comma; du arme Mutter&excl;« korrigierte sie sich&comma; als ihr Blick auf die Dame fiel&comma; die herzlich der Hausfrau die Hand drückte&comma; während ihr große Tränen die Wangen hinabflossen&period; »Ach Gott&excl;« seufzte die Tante noch einmal&period; Der Wagen rollte fort&period; Fred hatte sein Buch wieder ergriffen&semi; aber die Geschichte des Frosches konnte nicht mehr aufgenommen werden&comma; denn jetzt kam die Mutter herein und war sehr erregt von dem eben Erlebten&period; Sie mußte gleich der Tante Mitteilung davon machen&comma; hatte diese doch von jeher alles mit ihr durchgelebt&comma; was in Freud’ oder Leid sie bewegte&period; Die Tante gehörte auch so ganz und gar zu ihrem Haus&comma; daß die Kinder alle sich ein Haus ohne Tante eigentlich gar nicht vorstellen konnten&comma; denn diese war doch so notwendig da wie ein Papa und Mama&period; Fred nahm schnell der Tante noch das Versprechen ab&comma; vor dem Augenblick des Aufrufs zum allgemeinen Rückzug nach den Nachtquartieren noch die Lebensweise des Frosches anhören zu wollen&semi; dann befolgte er die Anweisung der Mutter&comma; sich ein wenig hinauszubegeben&period; Die Mutter erzählte nun&comma; welche tiefe Teilnahme die fremde Dame&comma; Frau Stanhope&comma; und ihr krankes Töchterchen ihr eingeflößt haben&period; Sie fand&comma; das zarte Geschöpfchen mit den großen&comma; blauen Augen und dem feinen&comma; farblosen Gesichtchen sehe aus&comma; als ob es nur noch halb der Erde angehöre&period; Die arme Mutter aber könne sichtlich diesen Gedanken nicht ertragen&comma; denn schon beim ersten Wort der herzlichen Teilnahme&comma; das sie&comma; die Doktorsfrau&comma; ihr ausgesprochen hatte&comma; sei sie in schmerzliche Tränen ausgebrochen und habe gesucht&comma; sich selbst zu täuschen mit dem Trost&comma; die Reise habe ihre Nora so sehr angegriffen&comma; daß sie nun gar so blaß und durchsichtig aussehe&period; Jetzt in der frischen Bergluft werde es gewiß bald anders werden&comma; darauf hatte sie ihre ganze Hoffnung gesetzt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Soweit hatte die Mutter berichtet&comma; als sie den Hufschlag eines Pferdes vernahm&semi; sie wußte&comma; es war ihr Mann&comma; der von seinen ärztlichen Besuchen heimkehrte&period; Augenblicklich ging sie ihm entgegen und benachrichtigte ihn davon&comma; daß die erwartete Dame mit dem kranken Kinde angekommen sei&period; Der Doktor machte sich auch&comma; nachdem er vom Pferde gestiegen&comma; gleich wieder auf den Weg&comma; um seinen ersten Besuch bei der neuen Patientin zu machen&period; Er hatte eine Wohnung gefunden&comma; die&comma; soweit es überhaupt in dieser ländlichen Gegend möglich war&comma; den Wünschen entsprach&comma; welche sein Freund&comma; der Arzt am Rhein&comma; für die Kranke und ihre Mutter ausgesprochen hatte&period; Erst spät am Abend kehrte der Doktor wieder zurück&comma; als die Kinder schon verschwunden waren&comma; nicht ohne daß Fred noch seinen Zweck erreicht hatte&period; Die letzte halbe Stunde lang war er unausgesetzt mit seinem Buch unterm Arm der Tante auf Schritt und Tritt nachgegangen&comma; um den geeigneten Augenblick zur Mitteilung wahrzunehmen&comma; was heute&comma; wie schon öfter&comma; längere Zeit erforderte&comma; denn die Tante war wieder einmal von allen Geschwistern zugleich in Anspruch genommen&comma; während auf der einen Seite die Mutter und auf der anderen die Kathri zu gleicher Zeit noch einen Rat von ihr begehrten&period; Aber Fred hatte viel Beharrlichkeit und er konnte auch heute sich beruhigt niederlegen&comma; denn er hatte die Tante trotz allen Nebenansprüchen an sie noch mit den sämtlichen Lebensbedingungen des Wasserfrosches bekannt gemacht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Doktor hatte sich jetzt zu seinem Nachtessen gesetzt&period; Mutter und Tante saßen neben ihm und erwarteten mit Spannung seine Mitteilungen über die junge Kranke&colon; wie er ihren Zustand gefunden habe und ob er die Hoffnung hege&comma; der Sommeraufenthalt werde die gewünschte Genesung bringen&period; Aber der Doktor schüttelte den Kopf&period; »Da ist wenig zu hoffen«&comma; sagte er&comma; »es ist keine Lebenskraft in dem Pflänzchen&period; Es handelt sich nicht um heruntergekommene Kräfte&comma; sondern um den völligen Mangel derselben von Anfang an&period; Ob unsere Bergluft Wunder tun kann&comma; wollen wir sehen&semi; ohne ein solches ist keine Hilfe&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Diese Nachricht stimmte die Frauen sehr traurig&semi; sie hatten ja beide gesehen&comma; wie schwer der armen Mutter die Trennung von ihrem Kinde werden würde&period; Sie hielten beide noch an der Hoffnung fest&comma; die stärkende Luft werde ihre wohltuende Wirkung auf das kranke Kind um so eher ausüben&comma; als sie für dasselbe ganz neu und ungewohnt war&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Emmi soll das Kind besuchen und es kurzweilen und aufheitern«&comma; sagte der Doktor wieder&semi; »die hat ja immer zuviel Zeug im Kopf&comma; da kann sie etwas ablagern und stiftet unterdessen keine ihrer beliebten Unternehmungen an&comma; die alle in irgendein Unheil auslaufen&period; Dieses Wesen wird sie höchstens zum Erstaunen bringen&comma; aber gewiß zu keiner Mitwirkung hinreißen&semi; so ist es für beide gut&comma; wenn sie recht oft hingeht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die Mutter stimmte bei&comma; Emmi sollte so oft als möglich die kranke Nora besuchen&semi; der Gedanke war der Mutter selbst sehr lieb&semi; sie zweifelte nicht daran&comma; daß zwischen den Kindern ein Freundschaftsverhältnis entstehen werde&comma; das für beide sehr wohltätig werden müßte&period; Die stille&comma; zarte Nora könnte einen besänftigenden Einfluß auf das rasche und stürmische Wesen ihrer Emmi ausüben&comma; und diese mit ihrer frischen&comma; lebendigen Weise müßte neue&comma; frohe Gedanken und Erheiterung in das einförmige Leben der jungen Kranken bringen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als später der Doktor auf seiner Stube noch allerlei Vorbereitungen für den folgenden Tag traf&comma; saßen Mutter und Tante wie gewöhnlich beim großen Flickkorb zusammen&comma; besprachen die Ereignisse des Tages und erzählten sich gegenseitig alle Erlebnisse&comma; die sie heute mit den Kindern gehabt&comma; und alle Beobachtungen&comma; die sie an ihnen gemacht hatten&period; Dies war für die Schwestern die einzige Zeit des Tages&comma; daß sie zu einem ruhigen Aussprechen kamen&comma; was ihnen ein großes Bedürfnis war&semi; denn da waren so viele Angelegenheiten&comma; für die sie gemeinschaftlich lebten und handelten&period; Vor allem die Kinder mit all ihren Freuden und Schmerzen&comma; ihren Wünschen und Bedürfnissen&comma; dann die Kranken&comma; die von nah und fern ins Haus kamen&comma; und endlich alle Trost- und Hilfsbedürftigen der ganzen Umgegend&comma; die mit allen ihren Bedrängnissen dahin kamen&comma; wo sie einer warmen Teilnahme und der Unterstützung mit Rat und Tat allezeit sicher waren&period; So hatten Mutter und Tante an diesem wie an jedem anderen Abend so viele Dinge zu verhandeln und zu besprechen&comma; daß unter ihren fleißigen Händen die Haufen der heilsbedürftigen Strümpfe im großen Flickkorb unbemerkt zusammenschmolzen und Mutter und Tante sich endlich eines späten&comma; aber wohlverdienten Feierabends freuen konnten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>&nbsp&semi;<&sol;p>&NewLine;<p><img style&equals;"display&colon; block&semi; margin-left&colon; auto&semi; margin-right&colon; auto&semi;" src&equals;"&sol;Johanna-Spyri&sol;Wo-Gritlis-Kinder-hingekommen-sind&sol;006&period;jpg&quest;m&equals;1382420368&" alt&equals;"" width&equals;"53" height&equals;"42"><&sol;p>&NewLine;<p>&nbsp&semi;<&sol;p>

«

»