Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Kasperle auf Burg Himmelhoch
(Josephine Siebe, 1922, empfohlenes Alter: 5 - 12 Jahre)

Das traurige Marlenchen

<p>Ausgeruht und purzelvergnügt flitzte Kasperle am nächsten Morgen in den Park&comma; der das Schloß umgab&period; Der Haushofmeister hatte ihm ein gutes Frühstück gegeben&comma; da war er satt&comma; und der Herzog hatte ihn nicht rufen lassen&comma; das gefiel ihm gut&period; Was der Herzog für bitterböse Gedanken hatte&comma; ahnte er nicht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Herzog wieder dachte&comma; das Kasperle sei eingesperrt&comma; also mochte es eingesperrt bleiben&period; Doch der Haushofmeister war ein milder alter Mann und nicht sehr für das Einsperren&period; Der hatte nur gefragt&colon; „Kasperle&comma; läufst du auch nicht fort&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; Und da hatte Kasperle ihn traurig angesehen und von seinem Versprechen erzählt&comma; und der Haushofmeister merkte&comma; das brach Kasperle nicht&period; Also durfte der kleine Kerl im Garten herumspazieren&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der war schön und weit&semi; erst kamen Blumenbeete und Rasenflächen&comma; dann ein kleines Wäldchen&comma; durch das ein Bächlein rann&period; Vergißmeinnicht und Butterblumen blühten an seinem Rande und glänzende Kiesel lagen auf seinem Grunde&period; Flinke Forellen schwammen manchmal rasch vorbei und schimmernde Libellen tanzten über dem Wasser hin&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Das Bächlein gefiel Kasperle gut&period; Er hörte es rauschen&comma; lief dem Tone nach und sah dann das silberklare Wasser&period; Da dachte Kasperle gerade an hineinpatschen und Darinspielen&comma; als er ein kleines Mädchen am Rande sitzen sah&period; Es war ein feines&comma; schönes Kind&comma; wie das Schneewittchen im Märchen&comma; nur die Wänglein waren&nbsp&semi;nicht rot wie Blut&comma; sondern auch weiß wie frischgefallener Schnee&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Hollahe&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; schrie Kasperle vergnügt&period; Der dachte&colon; Das ist eine feine kleine Spielgenossin&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Das Kind fuhr erschrocken zusammen&comma; tat einen Seufzer und sank blaß und still ins Gras&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Kasperle war arg erschrocken&period; Es sah wirklich aus&comma; als ob die Kleine tot wäre&period; Ganz sachte ging er näher und betrachtete das zarte Gesichtchen&period; Da öffnete das Kind die großen&comma; dunklen Augen und sah ihn traurig an&period; Dem Kasperle tat das Herz weh&comma; so traurig war der Blick&period; Er blieb ganz still stehen&comma; ließ die Nase hängen und wagte kaum sich zu rühren&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ein Weilchen war es ganz still&comma; bis auf einmal eine leise&comma; traurige Stimme fragte&colon; „Wer bist du denn&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Kasperle sah die Kleine scheu an und antwortete&colon; „Kasperle&period; Aber du&comma; bist du eine Prinzessin&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Nein&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; antwortete die Kleine&comma; „ich bin nur das traurige Marlenchen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Warum bist du denn traurig&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; Kasperle schnitt die fürchterlichsten Gesichter vor lauter Mitleid&period; Sonst lachten alle Kinder darüber&comma; das traurige Marlenchen aber beugte sich über den Bach&comma; und ihre Tränen tropften in das Wasser&period; „Ich muß immer weinen&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; klagte sie&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Warum mußte denn das&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; Kasperle weinte ja auch oft und recht tüchtig&comma; er konnte aber nicht begreifen&comma; daß jemand immerzu weinen muß&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Um meinen Vater weine ich&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; flüsterte das traurige Marlenchen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ob der wohl tot war&quest; Kasperle wagte nicht zu fragen&comma; er setzte sich nur still neben die Kleine&comma; und eine Weile war nur das Plätschern des Baches und das Rauschen der Bäume zu hören&period; Plötzlich aber rief ferne eine Stimme&colon; „Kasperle&comma; Kasperle&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Der sprang auf&period; Der Haushofmeister hatte gesagt&colon; „Wenn du gerufen wirst&comma; komme sofort&comma; sonst sperrt dich der Herzog wirklich ein&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Kasperle schrie nur noch&colon; „Ich komme wieder&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; und dann rannte er in solchen Bocksprüngen dem Hause zu&comma; daß ihm das traurige Marlenchen ganz verwundert nachsah&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Im Schloß kam Veit schon Kasperle entgegen&period; „Schnell&comma; schnell&comma; du sollst zum Herzog kommen&comma; aber schlage nicht wieder Purzelbäume&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Herzog saß in einem schönen&comma; großen Zimmer und war verdrießlich&period; Das war er beinahe alle Tage&comma; vielleicht weil er es zu gut hatte im Leben&period; Er gähnte und sah Kasperle streng an&colon; „Wo warst du&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Im Garten&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; stammelte Kasperle und er wollte gerade sagen&colon; Ich habe das traurige Marlenchen gesehen&comma; als ihm der Haushofmeister zuflüsterte&colon; „Still&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Klapp&excl; machte Kasperle seinen Mund zu&period; Er stand da und schaute mit seinen glitzernden Äuglein den Herzog erstaunt an&semi; nein&comma; sah der brummig aus&excl; Auf einmal fragte der Herzog&colon; „Kannst du wirklich aussehen wie meine Base Gundolfine&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Kasperle verzog flink sein Gesicht&comma; ganz wunderlich war es&comma; wie er das konnte&comma; und plötzlich schaute er wirklich beinahe wie die Base Gundolfine drein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Herzog lachte ein wenig und befahl&colon; „Schneide noch mehr Gesichter&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Da schnitt Kasperle Gesicht um Gesicht und der Herzog dachte&colon; Ein spaßiger Kerl ist’s schon&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Er war nachher auch ganz gnädig und sagte&comma; Kasperle solle eine Stube im Turm bekommen&period; Die hatte auch vergitterte Fenster&comma; und dann durfte Kasperle an des Herzogs Tafel Mittag essen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Jemine&comma; das war aber eine Geschichte&excl; Daheim im Waldhaus hatte selbst die schöne Frau Liebetraut&comma; die doch dem Kasperle so vieles nachsah&comma; über des kleinen Burschen flinkes Essen gescholten&period; Aber an des Herzogs Tafel war man so etwas nicht gewöhnt&period; Schluck&comma; schluck&comma; da war der Teller leer&comma; und was für Portionen lud sich der Kleine auf&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Herzog pflegte siebenmal am Tag zu essen&comma; und dazwischen schleckte er immer Schokolade&period; Da aß er dann zu Mittag immer nur ganz wenig&comma; und seine Hofleute aßen sich meist hinterher satt&comma; weil sie am Tisch zu kurz kamen&period; Denn der Herzog ärgerte sich&comma; wenn einer mehr als er selbst aß&period; Nur die Prinzessin Gundolfine pflegte tüchtig zu schmausen&period; Und nun fraß das Kasperle wie ein kleiner Werwolf&period; Nach der Suppe streckte er seinen Teller aus und schrie&colon; „Nochmal&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Genug&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; rief der Herzog ärgerlich&comma; „es gibt nur einmal&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Hei&comma; dachte Kasperle&comma; wenn es so ist&comma; muß ich mich dazu halten&excl; Und beim zweiten Gang lud er sich den Teller voll&semi; wie ein Berg türmte er alles auf&comma; und der Diener&comma; der herumreichte&comma; hatte Mühe sein Lachen zu verbergen&period; Nun konnte das Kasperle essen&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Herzog sagte nichts&comma; er sah nur ein paarmal streng hin&comma; und der Kammerherr&comma; neben dem Kasperle saß&comma; schubste ihn und flüsterte leise&colon; „Nimm nicht so viel&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Kasperle erschrak&comma; und beim nächsten Gang nahm er nur bescheiden ein winziges Stückchen&period; Aber dann kam die süße Speise&comma; und da war es um Kasperle geschehen&period; Den halben Pudding lud er sich auf den Teller&comma; und der Herzog bekam ganz große&comma; runde Augen vor Schreck&period; „Kasperle&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; rief er&comma; „das ist unbescheiden&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Kasperle versank erschrocken mit seiner großen Nase in dem Puddingberg&period; Ein leises Lachen erklang ringsum&comma; der Herzog aber rief streng&colon; „Kasperle soll aufstehen&comma; den Pudding darf er nicht essen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Das war bitter&period; Kasperle verzog sein Gesicht&comma; er wollte heulen&comma; aber sein Freund Veit hielt ihm einfach den Mund zu&period; Er hob ihn auf&comma; führte ihn aus dem Saal&comma; und draußen flüsterte er ihm zu&colon; „Sei still&comma; ich bringe dir deinen Pudding&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Ein anderer Diener&comma; der nicht bei Tische aufwartete und der mürrisch und unfreundlich war&comma; nahm Kasperle&comma; führte ihn in den Turm&comma; schloß brummig die Türe zu&comma; und da saß Kasperle allein und gefangen&period; Er dachte wieder an das Waldhaus&comma; an das traurige Marlenchen und den Pudding&period; Das war zuviel für ihn&comma; und er brach in ein jämmerliches Geheule aus&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Er weinte lange&comma; bis er draußen Schritte hörte&period; Es war der alte Haushofmeister&comma; der selbst kam&comma; ihm seinen Pudding brachte und ihn gutherzig tröstete&period; „Kasperle&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte er&comma; als der schon wieder purzelvergnügt zu schmausen begann&comma; „wenn du mir fest versprichst&comma; keine Dummheiten zu machen und nur dann aus dem Turm zu wutschen&comma; wenn es gar niemand merken kann&comma; will ich dir etwas verraten&period; Ich muß nämlich den Schlüssel dem Herzog geben&semi; du sollst nur herausgelassen werden&comma; wenn der Herzog von dir unterhalten sein will&comma; sonst sollst du immer&comma; immer im Turm stecken&period; Doch der Turm hat noch ein Türchen&comma; von dem aus du die Treppe hinablaufen kannst&period; Der Turm ist nämlich noch von dem alten Schloß&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Wie im Waldschloß&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; rief Kasperle vergnügt&comma; und flink schlug er dem Bild eines würdigen Herren auf den Magen&comma; weil er dachte&comma; das Türlein sei dahinter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber der Herr blieb steif und feierlich an der Wand hängen und der alte Haushofmeister lachte&period; „So flink findest du das nicht&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte er&comma; „und erst mußt du mir dein Wort geben&comma; keine Dummheiten zu machen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Das gab ihm Kasperle&period; Freilich&comma; der gute Haushofmeister wußte nicht&comma; daß Kasperle für die harmlosesten Dinge ansah&comma; was man sonst schon große&comma; unnütze Streiche nennt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Nun paß also auf&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Der Haushofmeister schloß den Schrank auf&comma; verschwand drinnen und — kam auf einmal ganz vergnügt durch die Türe von außen wieder in die kleine Stube hereinspaziert&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Das war doch merkwürdig&excl; Hops&excl; sprang Kasperle auch in den Schrank&comma; der Haushofmeister schloß von außen zu&comma; und da saß Kasperle im Schrank&period; Er klopfte&comma; drückte&comma; aber nirgends war ein Spalt&period; Es wurde ihm himmelangst und er schrie flehend&colon; „Rauslassen&comma; rauslassen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Haushofmeister schloß lachend die Türe wieder auf&period; „Siehst du&comma; kleines Kasperle&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte er&comma; „so rasch findest du hier nicht die geheimen Wege&comma; um herumzugeistern&period; Aber nun paß einmal auf&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Und er drehte an einem Kleiderhaken&comma; da schob sich die Wand auseinander und Kasperle stand unversehens draußen auf dem Treppengang&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Das war fein&excl; Vergnügt witschte er wieder in das Zimmer&comma; wieder in den Schrank hinein&comma; war draußen&comma; war drinnen&comma; und als er es dreimal gemacht hatte&comma; sagte der Haushofmeister&colon; „So&comma; nun ist’s genug&comma; nun bleibe jetzt nur drinnen&excl; Jetzt kannst du ein bißchen zum Fenster hinaussehen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ach&comma; ich möchte raus&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; bettelte Kasperle&comma; „ich möchte zum traurigen Marlenchen&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Da hielt ihm der Haushofmeister erschrocken den Mund zu&period; „Schweig&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte er&comma; „davon dürfen der Herzog und der Oberhofmeister nichts hören&comma; auch die Prinzessin Gundolfine nicht&comma; sonst geht es uns übel&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Kasperle riß weit Mund und Augen auf&period; Was war denn das für eine geheimnisvolle Geschichte mit dem traurigen Marlenchen&quest; Doch ehe er fragen konnte&comma; erzählte sie ihm der Haushofmeister selbst&period; Der setzte sich an das kleine vergitterte Fenster und begann&colon; „Der Vater des traurigen Marlenchens besitzt ein kleines Schloß&semi; vom Bächlein aus&comma; an dem Marlenchen immer sitzt&comma; geht man dorthin etwa eine halbe Stunde&period; Da&comma; schau&comma; dort siehst du es in der Ferne liegen&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Er zeigte auf ein Schloß&comma; das sich aus Bäumen heraushob&period; „Bei unserm Herzog war der Herr von Lindeneck&comma; so heißt er und auch das Schlößchen&comma; Jägermeister&period; Seine schöne junge Frau ist früh gestorben&comma; und das Marlenchen ist sein einziges Kind&period; Einmal&comma; die Prinzessin Gundolfine — Himmel&comma; Kasperle&comma; was ist denn&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Kasperle hatte bei der Erwähnung der Prinzessin gleich sein bitterböses Räubergesicht gemacht&comma; und der Haushofmeister sah ihn ganz erschrocken an&period; Als ihm Kasperle aber sagte&comma; dies sei&comma; weil er von der Prinzessin gesprochen habe&comma; lachte er und brummelte&colon; „Ja&comma; die ist auch schlimm&excl; —Na also&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; fuhr er fort&comma; „die Prinzessin Gundolfine war da und der Herzog jagte in dem Walde&comma; der an den Park stößt&period; Es war ein heißer Tag&comma; und der Herzog kam und kühlte sich einmal die Hände im Bach&period; Dabei zog er einen kostbaren Ring ab und legte ihn auf einen großen&comma; flachen Stein&period; Der Platz ist unter einer riesengroßen&comma; alten Ulme&semi; dort wirst du heute das traurige Marlenchen getroffen haben&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Kasperle nickte eifrig&period; „Auf dem Baum ganz oben ist ein Vogelnest&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte er&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„So&comma; so&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Der Haushofmeister hörte kaum darauf&comma; er erzählte weiter&colon; „Wie sich der Herzog gewaschen hatte&comma; kam ein Jägerbursche und rief&comma; ein großer Raubvogel sitze im Wald auf dem Baum&comma; es scheine fast ein Adler zu sein&period; Der habe sich gewiß aus dem hohen Gebirge verflogen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>‚Den muß ich schießen&comma; aber allein&comma;&OpenCurlyQuote; rief der Herzog&period; Er vergaß seinen Ring und eilte davon und der Ho&fjlig;ägermeister blieb am Bach sitzen&period; Der wußte&comma; der Herzog hatte es nicht gern&comma; wenn er mit ging&comma; weil er viel&comma; viel besser schießen konnte&period; Und unser Herzog mag’s nicht leiden&comma; wenn einer etwas besser kann als er&period; Der Herr von Lindeneck blieb also am Bach sitzen&comma; sah dessen Wellchen hüpfen und springen&comma; er sah die Libellen tanzen und dachte dabei nicht an des Herzogs Ring&period; Plötzlich hörte er in der Ferne lautes Rufen und Schüsse und dann kam der Herzog zurück und er stand auf und ging ihm entgegen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>‚Es war wirklich ein verflogener Adler&comma;&OpenCurlyQuote; rief der Herzog ärgerlich&comma; ‚aber mein Schuß ging fehl&period; Das ist nur davon gekommen&comma; daß ich meinen Glücksring nicht angesteckt hatte&excl;&OpenCurlyQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Und rasch ging der Herzog auf den großen Stein zu&comma; auf den er vorher den Ring niedergelegt hatte&comma; doch der Ring war weg&period; ‚Haben Sie meinen Ring aufgehoben&quest;&OpenCurlyQuote; fragte der Herzog den Ho&fjlig;ägermeister&period; ‚Geben Sie mir ihn rasch&excl;&OpenCurlyQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Herr von Lindeneck erschrak&period; Er hatte gar nicht an den Ring gedacht und er sagte etwas verwirrt&colon; ‚Er muß doch dort liegen&excl;&OpenCurlyQuote;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Der alte Haushofmeister seufzte&period; „Ich bin nicht dabei gewesen&comma; aber der Veit&comma; der ein guter Bursche ist&comma; war dabei&comma; und der hat gesagt&comma; Marlenchens Vater sei nur etwas erschrocken gewesen&comma; keine Maus hätte denken können&comma; er habe ein schlechtes Gewissen&period; Doch die Prinzessin Gundolfine&comma; die den Herrn von Lindeneck nicht leiden konnte&comma; und die dazu kam&comma; hat gleich gerufen&colon; ‚Sie sehen ja so verlegen aus&excl; Ei&comma; ei&comma; Sie haben wohl den Ring in der Tasche verwahrt&quest;&OpenCurlyQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Das war sehr böse und der Herzog war zuerst auch ärgerlich über die häßlichen Worte der Prinzessin&comma; aber als sich der Ring nicht fand&comma; wurde er immer verstimmter und die Prinzessin tuschelte ihm immer zu&colon; ‚Der Herr von Lindeneck mag doch mal seine Taschen weisen&excl;&OpenCurlyQuote; und da hat er zuletzt das von seinem Ho&fjlig;ägermeister verlangt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der ist totenbleich geworden&comma; hat gleich alle seine Taschen aufgerissen&comma; doch der Ring hat sich nicht gefunden&period; Die Prinzessin aber hat gerufen&colon; ‚Er wird schon wissen&comma; wo er ihn versteckt hat&excl;&OpenCurlyQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Darüber ist der Ho&fjlig;ägermeister so zornig geworden&comma; daß er beinahe die Prinzessin geschlagen hätte&period; Es hat einen großen Streit gegeben&period; Der Herzog war auch böse auf die Prinzessin&comma; und endlich ist der Herr von Lindeneck in den Schloßhof gegangen&comma; hat sein Pferd bestiegen und ist davongeritten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Dem Herzog war es nicht recht&comma; und gewiß wäre auch alles gut geworden&comma; aber an dem Ring hing ein alter Aberglaube&period; Wer ihn trägt&comma; bleibt immer gesund&comma; wer ihn verliert&comma; muß bald sterben&period; Wie nun alle eilig in das Schloß gegangen sind&comma; hat sich der Herzog eine Beule am Türpfosten gestoßen&comma; und da hat er gemeint&comma; er müßte gleich sterben&period; Er hat gejammert&colon; ‚Mein Ring&comma; mein Ring&excl;&OpenCurlyQuote; und die Prinzessin hat wieder gerufen&colon; ‚Der ist gestohlen&excl;&OpenCurlyQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Oh&comma; die Prinzessin Gundolfine ist schon eine bitterböse Frau&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ja&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; rief Kasperle dazwischen&comma; und er nickte höchst lebhaft und schnitt gleich wieder sein Räubergesicht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Diesmal erschrak der Haushofmeister nicht&comma; er nickte nur&period; „Ja&comma; ja&comma; du hast recht&comma; das Gesicht verdient sie&comma; kleiner Kasper&period; Sie hat schwere Sünde getan&comma; hat die arme kleine Marlene angeschrien&colon; ‚Dein Vater ist ein Dieb&comma; er hat gestohlen&excl;&OpenCurlyQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Das Kind ist so totenbleich geworden&comma; wir haben alle gedacht&comma; es sterbe&comma; und die schöne Gräfin Rosemarie hat es in den Armen gehalten und hat geweint und geklagt&period; Man hat nach dem Leibarzt gerufen&comma; aber da ist das Marlenchen plötzlich aufgesprungen und ist davongelaufen&comma; ehe es noch jemand halten konnte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Gräfin Rosemarie ist ihm nachgerannt&comma; aber erst am Schloß Lindeneck hat sie die Kleine eingeholt&period; Doch da hat der Herr von Lindeneck sein Kind an die Hand genommen&comma; ist im Schloß verschwunden&comma; und seitdem darf dort kein Fremder mehr die Schwelle übertreten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Aus dem Marlenchen&comma; das ein liebes&comma; lustiges Dinglein war&comma; ist das traurige Marlenchen geworden&period; Es sitzt oft am Bach an dem Platz&comma; an dem der Ring verloren gegangen ist&comma; und sucht und sucht&semi; ich glaube&comma; es ist kein Kiesel im Bach&comma; den das Marlenchen nicht schon umgedreht hat&period; Davon weiß der Herzog nichts und ihr Vater auch nicht&period; Der Herzog meidet seit dem Tage den Platz&comma; er geht nie mehr nach jener Seite des Parkes&comma; und der Herr von Lindeneck wandert nur abends durch seinen Wald&semi; er läßt sich vor niemand mehr sehen&period; Der Graf von Singerlingen hat schon oft an dem Schloßtor gestanden und Einlaß begehrt&semi; man hat ihn nicht eingelassen&comma; und dabei war er des Ho&fjlig;ägermeisters bester Freund&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Haushofmeister schwieg&comma; und Kasperle sah ihn erwartungsvoll an&period; Endlich fragte er&colon; „Wer hat denn den Ring&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ach lieber Himmel&comma; du blitzdummes Kasperle&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; rief der alte Herr&period; „Wenn das jemand wüßte&comma; dann wäre doch alles gut&excl; Nur weil sich der Ring nicht gefunden hat&comma; denkt der arme Herr von Lindeneck&comma; alle Leute halten ihn auch für einen Dieb&comma; wie es die Prinzessin tut&period; Dabei denkt das kein Mensch&semi; wer weiß&comma; wohin der Ring geraten ist&excl; Vielleicht hat ihn gar eine von den großen Forellen verschluckt&period; Ach&comma; es ist ein Jammer&excl; So ein lieber Herr war der Jägermeister&comma; und das arme Marlenchen war ein rechtes Sonnenkind&comma; und nun ist es immer blaß und traurig&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Plötzlich fiel dem Haushofmeister etwas ein&period; „Kasperle&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte er&comma; „du könntest versuchen&comma; das Marlenchen aufzuheitern&period; Jetzt im Sommer&comma; um die Zeit&comma; da unser Herzog regiert&comma; sitzt die Kleine tagaus&comma; tagein am Bach&semi; da könntest du ihr etwas vorkaspern&comma; vielleicht lernt das traurige Marlenchen das Lachen wieder&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich geh gleich hin&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; schrie Kasperle und wutschte flink in den Schrank hinein&comma; aber sein Beschützer hielt ihn noch am Hosenzipfel fest&period; „Jetzt nicht&comma; Kasperle&comma; jetzt ist das Marlenchen nicht da&period; Jetzt bleibe du nur hier&comma; denn wenn der Herzog von seinem Mittagsschlaf erwacht und du bist nicht da&comma; dann gibt es großen Spektakel&period; Morgen früh darfst du an den Bach&period; Sieh&comma; hier habe ich eine Pfeife&semi; wenn ich dreimal auf der pfeife&comma; dann mußt du zurückkommen&period; Du darfst aber auch niemand außer Veit etwas sagen&comma; nur der und der Gärtner noch wissen es&comma; daß das traurige Marlenchen dort alle Tage nach dem verlorenen Ringe sucht&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich helf’ suchen&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte Kasperle&period; „Paß auf&comma; ich finde den Ring&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ach Unsinn&comma; den findet niemand mehr&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Doch&comma; ich hab’ mal geträumt&comma; ich hätt’n Ring gefunden&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Wo denn&quest; Wann denn&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Da sperrte Kasperle den Mund weit auf und murmelte kleinlaut&colon; „Ja&comma; das weiß ich nicht mehr&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„O Kasperle&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Der alte Haushofmeister streichelte das dumme&comma; unnütze Kasperle und er versprach ihm&comma; nachher sollte Kasperle auch Milch und Kuchen bekommen&comma; wenn er brav wäre&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Das Bravsein gelobte Kasperle feierlich&period; Und er kletterte auch ganz still auf das Fensterbrett&comma; als der Haushofmeister gegangen war&comma; und schaute hinaus&period; Nicht weit vom Schloß lag eine mauerumrankte kleine Stadt&comma; rechts kamen Wiesen und Wälder und auf einer Anhöhe lag Schloß Lindeneck&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Kasperle guckte sich beinahe die Augen aus dem Kopf&comma; und da sah er in der Ferne wieder ein Schloß liegen&period; Es war gut&comma; daß just Veit in das Turmstübchen kam&comma; denn sonst wäre Kasperle wohl vor Neugier noch aus dem Fenster gepurzelt&period; Veit sagte auch&comma; das erste Schloß sei Lindeneck&comma; das zweite dort in der Ferne aber Weidbronnen&comma; dort wohne oft der Graf von Singerlingen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>So nah wohnte der&excl; Kasperles Augen glitzerten vor Freude und er sagte plötzlich&colon; „Wenn er mich zum Teufel schickt&comma; dann geh’ ich dahin&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Wer soll dich denn zum Teufel schicken&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Na&comma; der Herzog&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Veit lachte&period; „So etwas sagt der nicht&comma; dazu ist er viel zu fein&period; Aber horch&comma; Kasperle&comma; es wird einmal gepfiffen&semi; das heißt&comma; du sollst zum Herzog kommen&period; Nun sei aber brav und benimm dich gut&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Kasperle versprach es&comma; und dann ging er an Veits Hand bis an des Herzogs Nachmittagswohnzimmer&period; Veit machte die Türe auf&comma; Kasperle übersah die Schwelle und platsch&comma; lag er&comma; so kurz er war&comma; im Zimmer&comma; und der Herzog ließ vor Schreck seine Tasse fallen&period; Er schalt heftig und Kasperle stand da wie ein begossenes Pudelchen&period; Veit aber dachte&colon; Das nennt er nun sich gut benehmen&excl; O mein armes&comma; dummes Kasperle&comma; wie wird es dir hier ergehen&excl;<&sol;p>

«

»