Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Kasperle auf Reisen
(Josephine Siebe, 1921, empfohlenes Alter: 5 - 7 Jahre)

Abenteuer über Abenteuer

<p>Allmählich wurde es stiller und stiller im Dorf&period; Kasperle hörte drinnen im Kirchturmwinkel den Lärm verklingen&comma; und nun wagte er sich erst einmal recht umzuschauen&comma; wo er eigentlich war&period; Er saß in einer dunklen Vorkammer&comma; eine Treppe neben ihm führte zum Turmaufgang&comma; und von oben strömte noch ein matter Lichtschimmer herab&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Gerade dachte Kasperle&comma; es wäre gut&comma; bis hinauf zu steigen&comma; als jemand draußen sagte&colon; „Aber morgen müssen wir doch einmal in der Kirche nachsehen&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Es waren die zwei Landjäger&period; Sie gingen vorbei&comma; um mitten auf der Dorfstraße Wache zu halten&period; Da kletterte innen Kasperle angsterfüllt die ganz schmale&comma; steile Treppe zum Turm hinauf&period; Er dachte&colon; Dort oben suchen sie vielleicht nicht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Im Turm der Waldraster Kirche wohnten seit vielen&comma; vielen Jahren Eulen&period; Eine alte Eulenurgroßmutter&comma; die gerade zur Zeit lebte&comma; erzählte&comma; schon ihre Urgroßmutter habe erzählt&comma; daß ihrer Urgroßmutter Urgroßmutter im Turm gewohnt habe&period; Niemand störte je die Eulen&period; Wenn unten die Waldraster Buben den Strick zogen&comma; um die Glocke zu läuten&comma; immer die brävsten durften das tun&comma; dann huschelten sich die Eulen nur tiefer in ihre Nester hinein&period; Die Glockenklänge waren ihnen vertraut&comma; und wenn die Glocke auf- und abschwang&comma; dann freuten sie sich nur&period; Nie stieg jemand in den Turm hinauf&comma; denn die Treppe war morsch und das Hinaufklettern gefährlich&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Davon wußte Kasperle nichts&period; Er stieg immer höher&comma; und die Eulen&comma; die sich gerade ihren Tagesschlaf aus den Augen rieben&comma; sahen erstaunt auf den kleinen&comma; sonderbaren Kerl&comma; der da die Treppe heraufkam&period; Sie erschraken sehr&period; Die alte Urgroßmutter schrie heiser&colon; „Nehmt euch in acht&comma; der hat es auf die Kleinen&comma; die Nestlinge abgesehen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Da schrien alle Eulen&semi; unheimlich klang es&comma; und alle schwirrten empor&period; Und auf einmal flatterte und rauschte es Kasperle um den Kopf&comma; und er sah in viele funkelnde&comma; böse Eulenaugen&period; Er erschrak ganz fürchterlich&period; Eine ganz unbeschreibliche Angst vor diesen fremden&comma; unheimlichen Vögeln ergriff ihn&comma; und er wollte die Treppe eiligst wieder hinabsteigen&period; Doch er trat fehl und fiel&comma; die Eulen kreischten laut&comma; und das purzelnde Kasperle erfaßte in seiner Angst den Glockenstrick&comma; der ihm vor der Nase herumbaumelte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Bum&comma; bum&comma; bum&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; tönte es dumpf&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nun erschraken auch die Eulen&comma; denn Glockenklänge um diese Zeit waren ihnen ganz ungewohnt&period; Sie flatterten immer aufgeregter hin und her&comma; Kasperle klammerte sich fester an den Strick&comma; und die Glocke geriet ins Schwingen&period; „Bum&comma; bum&comma; bum&comma; bimbam&comma; bimbam&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Die Glocke begann lauter und lauter zu rufen&period; Kasperle wollte den Strick loslassen&comma; aber die Glocke schwang heftiger hin und her&comma; die Eulen flatterten wild und Kasperle hing am Strick und flog hin und her&comma; flog zum Turmfenster hinaus&comma; er konnte seine Füße nicht mehr auf den Boden setzen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Bum&comma; bum&comma; bum&excl; Bimbam&comma; bimbam&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Über das schlafende Dorf rauschten die Glockenklänge&period; Die Hunde begannen zu bellen&comma; die Menschen fuhren erschrocken in ihren Betten empor&period; Die Glocke läutete&comma; was war das&quest; Der Schneidermeister Pimperling sprang zuerst auf die Dorfstraße hinaus&period; „Feuer&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; schrie er&comma; „Feuer&excl; Feuer&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Ruf fand Widerhall&period; Aus den Häusern stürzten die Leute&comma; und alle schrien sie&colon; „Feuer&excl; Feuer&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Und alle sahen sie sich um&comma; wo es denn eigentlich brennen könnte&period; „Die Wassereimer her&comma; die Wassereimer her&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; schrie der Schulze&comma; denn eine Feuerspritze gab es damals noch nicht in Waldrast&period; Und alles lief und rannte&comma; um Wassereimer zu holen&comma; und einer fragte den andern&comma; wo denn das Feuer sei&comma; bis einer auf den Gedanken kam&comma; das müßte doch der wissen&comma; der die Glocke läutet&period; Ja&comma; wer läutet sie denn&quest;<&sol;p>&NewLine;<p>Dem Kasperle aber im Glockenstuhl war es himmelangst geworden&period; Er hielt sich schließlich verzweifelt am Gebälk fest&comma; ließ den Strick fahren und sauste nun etwas unsanft die Treppe hinab&period; Auf halber Höhe blieb der zuletzt liegen&period; Ganz verdattert von dem Geschehenen war er&comma; und als er von draußen&comma; von der Dorfstraße her&comma; Lärm hereindringen hörte&comma; wußte er erst gar nicht&comma; was der bedeuten sollte&comma; bis es dem dummen Kasperle endlich einfiel&colon; die Glockentöne hatten alle aus dem Schlafe geweckt&period; Er hörte „Feuer&excl; Feuer&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; schreien&comma; er hörte lautes Rufen und Fragen vor der Kirchentüre&comma; und da — Kasperle kugelte gleich die ganze Treppe hinab&comma; jemand hatte draußen laut gerufen&colon; „Ich wette&comma; das ist der Kasper gewesen&comma; der hat sich in der Kirche versteckt&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Es war die Base Mummeline&comma; die das rief&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Die Türe ist aber verschlossen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; rief jemand anders&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Man muß den Küster holen&comma; er muß aufschließen&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; verlangten ein paar Stimmen&period; „Flink&comma; holt ihn&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Bim — bam&comma; bim — bam&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Das Läuten oben wurde schwächer&comma; aber Kasperle hörte noch immer die Eulen oben kreischen und flattern&period; Wohin sollte er fliehen&quest; Auf dem Turm waren die Eulen&comma; die hackten ihm wohl gar die Augen aus&semi; unten standen die Dorfleute&comma; wehe wenn die ihn erwischten&excl; Er hörte jemand rufen&colon; „Da kommt der Küster&comma; nun aufgepaßt&comma; jetzt müssen wir den Kasper fangen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Es war wieder die Base Mummeline&comma; die so rief&comma; und das Kasperle sah sich ganz verzagt um&period; Wohin sollte er denn nur fliehen&quest; Da sah er plötzlich neben sich eine lange Stange stehen&comma; und — ein ganz unnützer Gedanke kam dem Kasperle&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Schlüssel knirschte im Schloß&comma; die Türe ging auf&period; „Uje&comma; ist’s hier aber dunkel&excl; Holt flink ein paar Laternen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; rief jemand&period; Und dann gab es einen Plumps&comma; ein lauter Schrei erklang&comma; die Base Mummeline war über die Stange gefallen&comma; die Kasperle quer vor die Türe hielt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Au&comma; Donnerwetter&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Da lag der dicke Schulze&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Himmel&comma; Hagel&comma; was ist das&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Der eine Landjäger fiel dem Schulzen nach&comma; und der Schneidermeister Pimperling quiekte&colon; „Potz Hosenknopf und Ellenmaß&comma; hier spukt’s&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich werde totgedrückt&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; kreischte die Base Mummeline&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Laternen her&comma; Laternen her&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Einer nach dem andern fiel in den Vorraum hinein&comma; und in diesem allgemeinen Gepurzele&comma; in dem lauten Lärm gelang es Kasperle&comma; sich sacht an der Wand hin ins Freie hinauszuschleichen&period; Er drückte sich ganz eng an die Mauer an und wutschte um den Turm herum&comma; und er war gerade auf der andern Seite angelangt&comma; als etliche Leute mit Laternen daherkamen&period; Das ganze Dorf versammelte sich am Turm&comma; mit den Laternen wurden die hingepurzelten Leute beleuchtet&comma; und alle riefen&colon; „Das ist ein Streich von Kasper&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Man muß den ganzen Turm absuchen&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Schulze&comma; der sich stöhnend aufgerichtet hatte&comma; und die Base kreischte&colon; „Der darf uns nicht entwischen&comma; dieser heillose Bösewicht&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Schneidermeister Pimperling&comma; der sehr klein&comma; dünn und mutig war&comma; erbot sich&comma; auf den Turm zu steigen&period; Er nahm einen alten Nachtwächterspieß und eine Laterne und kletterte vorsichtig die Treppe hinauf&period; Er schaute dabei in jede Mauerritze&comma; unter jede Treppenstufe&comma; ob sich das Kasperle da nicht versteckt hätte&comma; und unterdessen suchten unten etliche den Vorraum&comma; die Kirche&comma; alles ab&comma; — kein Kasperle war zu finden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Eulen erschraken&comma; als das Licht in ihre Wohnstuben drang&period; Das blendete sie&comma; und sie versteckten sich scheu&period; Die Glocke zitterte noch hin und her&comma; aber soviel der Meister Pimperling auch herumleuchtete&comma; Kasperle fand er nicht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Unten sagte der Kasperlemann&colon; „Wir müssen ihn finden&comma; er muß doch da sein&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Und er erzählte von der hohen Belohnung&comma; die der Herzog geben wollte&comma; und alle suchten noch eifriger&comma; alle sagten&colon; „Er muß doch da sein&excl; Wer soll sonst die Glocke geläutet haben&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Inzwischen rannte Kasperle sehr eilfertig dem Walde zu&period; Weil alle nach der Kirche liefen&comma; bewachte keiner die Wege&comma; die nach auswärts führten&comma; und Kasperle gelangte ungesehen in den Wald&period; Er schlug nicht den Weg ein&comma; der zur Stadt hinabführte&comma; sondern lief seitwärts&semi; dort wußte er&comma; dehnte sich der Wald viele&comma; viele Stunden weit aus&period; Durch diesen Wald hindurch führte der Weg in ein anderes&comma; fremdes Tal&comma; in das die Leute aus Waldrast nie gingen&period; In der tiefen Dunkelheit verlor Kasperle nun bald den Weg&semi; er mußte wieder mühsam über Steine klettern und fiel über Wurzeln und umgestürzte Bäume&comma; und als er so ein paar Stunden dahingelaufen war&comma; sank er todmüde zu Boden&period; Er schlief auch gleich ein&comma; und als er erwachte&comma; sah er die Sonne durch das Gezweig uralter&comma; hoher Tannen glitzern&period; Soweit er blicken konnte&comma; war dichter Wald um ihn her&comma; und ganz still war es&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Kasperle setzte sich auf einen moosbewachsenen Stein und sah sich traurig um&period; Nun war er wieder mutterseelenallein in der weiten&comma; weiten Welt&comma; nun hatte er keine freundlichen Pflegeeltern mehr und keine lustigen Kameraden&period; Er dachte an das Waldhaus&semi; ach&comma; wäre er doch dort geblieben und nicht fortgelaufen&excl; Dort war doch seine Heimat&period; Er wäre gern zurückgekehrt&comma; aber wie sollte er den Weg finden&quest; Er mußte dann doch an dem Schloß vorbei&comma; in dem die liebliche Rosemarie wohnte&excl; Aber dort kannten ihn alle&comma; man würde ihn fangen und ins Gefängnis setzen&period; Kasperle hatte davor eine ganz schreckliche Angst&period; Der Herzog und die Base Mummeline&comma; das waren seine Feinde&comma; und als er nur an sie dachte&comma; sprang er gleich auf und lief weiter durch den Wald&period; Er wanderte und wanderte&comma; viele Stunden lang&comma; der Wald nahm kein Ende&semi; ganz undurchdringlich schien er zu sein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Endlich setzte sich Kasperle wieder müde auf den Boden nieder&period; Er zog das Brot heraus&comma; das ihm die gute Lehrersfrau noch gegeben hatte&comma; und begann traurig zu essen&period; Und wie er so saß&comma; vernahm er ein Plätschern und Rauschen&semi; ein Bächlein mochte nicht allzu ferne fließen&period; Weil Kasperle durstig war&comma; stand er auf und ging dem Rauschen nach&period; Nach einem Weilchen sah er den Wald sich lichten&comma; und er kam an einen Bergbach&comma; der kam mit viel Gebrause aus einer hohen&comma; hohen Felsspalte herabgestürzt&period; Am Bach war der Wald etwas zurückgetreten&comma; nur Himbeerbüsche wuchsen dicht an seinem Rand&period; Von ihnen waren viele reife Früchte in das Wasser gefallen&comma; sie schimmerten rot aus den weißen Kieselsteinen heraus&period; Und hohe Stauden blauen Eisenhutes standen am Bachrand&comma; mitten im Wasser aber lag eine winzige Insel&period; Da wuchsen große&comma; weiße Blütendolden&comma; auf denen lauter schimmernde&comma; goldbraune Schmetterlinge saßen&period; Und im schäumenden Wasser&comma; das aus der Felsspalte stürzte&comma; glitzerte die Sonne&period; Das leuchtete&comma; funkelte und glänzte in allen Farben&comma; und Kasperle staunte verwundert&semi; wie ein Märchenwinkel kam es ihm vor&period; Auch schien alles zu rufen und zu locken&colon; „Komm&comma; Kasperle&comma; komm&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Das Wasser spritzte ihm an die Nase&comma; die Himbeerbüsche bogen sich unter der Last ihrer reifen Früchte&comma; und da war Kasperle denn auch nicht faul&period; Er setzte sich hin und schmauste&comma; trank erst vom klaren Wasser&comma; aß dann zum Brot die Himbeeren und wurde plumpsatt&period; Da legte er sich an das Ufer des Baches&comma; lauschte dem Tosen&comma; mit dem der aus der Felsspalte hervorstürzte&comma; und ließ sich die Sonne auf das Bäuchlein scheinen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Sehr lange dauerte es nicht&comma; bis Kasperle schlief&period; Er schlief und schlief in die warme&comma; Sommernacht hinein&period; Einmal wachte er auf&comma; da stand eine ganz schmale Mondsichel gerade über dem Waldwinkel&comma; und das Bächlein rann wie ein Silberstrom aus seiner Felsspalte hervor&period; Ein Weilchen sah Kasperle zu&comma; er sah die silbernen Lichter auf dem Wasser glitzern und sah über sich am dunklen Nachthimmel die feine Sichel und viele&comma; viele Sterne&period; Das war schön und friedsam&period; Kasperle reckte und streckte sich und schlief weiter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Auf einmal tönte laut eine Stimme in seinen Schlaf hinein&colon; „Hallo&comma; he&comma; aufgewacht du&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Kasperle richtete sich erschrocken auf und sah sich verwirrt um&period; Da stand neben ihm ein Bub&comma; nicht viel größer als er&comma; der trug ein Hemd und ein Höslein&comma; geflickt wie eine Musterkarte&comma; auf seinem Kopf saß ein verbeultes&comma; verblichenes Hütlein mit einem mächtigen Busch Hahnenfedern daran&period; Es sah beinahe aus wie der Kopfschmuck&comma; den der Räuberhauptmann im Kasperletheater zu tragen pflegte&period; Des Buben Augen blitzten lustig&semi; der ganze kleine Kerl sah überhaupt so vergnügt in die Welt&comma; daß Kasperle auch gleich lachen mußte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Und wenn Kasperle lachte&comma; das steckte an&period; Erst machte der fremde Bube Kulleraugen vor Erstaunen&comma; als Kasperle seinen Mund von einem Ohr zum andern zog&comma; aber dann lachte er laut heraus&period; Sein Lachen steckte wieder das Kasperle an&comma; und so lachten sie eine gute Zeit um die Wette&comma; und die Felswand gab vergnügt das Echo zurück&period; Sonst hörten es nur noch eine Anzahl Geißen&comma; die kamen zierlich über die Steine geklettert und umringten die beiden Buben&period; Aber plötzlich sprang der fremde Bube auf und schrie&colon; „Rosemarie fehlt&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Und dann rannte er mit schnellen Sprüngen davon&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Rosemarie&excl; Kasperle vergaß das Lachen vor Staunen&period; War das liebliche Grafenkind hier im Walde&comma; und war er gar wieder dem Schlosse näher gekommen&quest; Die Geißen umschnupperten ihn ganz zutraulich&comma; er aber saß da&comma; als wäre er aus allen Wolken gefallen&period; Doch da kam der fremde Bub schon wieder zurück&comma; er trieb ein schneeweißes Zicklein vor sich her und rief schon von weitem&colon; „Das ist Rosemarie&semi; beinahe hätte sie sich verlaufen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Kasperle schüttelte den Kopf&period; „Nä&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; brummelte er entrüstet&comma; „Rosemarie ist eine Grafentochter&comma; keine Geiß&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Der fremde Bube lachte hell auf&period; „Freilich&comma; ein Geißenname ist’s nicht&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; rief er&period; „Rosemarie stammt aber auch von einem Schlosse&semi; die alte Einöderin Bärbe hat sie dort geholt&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ist das weit&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; fragte Kasperle scheu&period; Er dachte gar&comma; das Schloß müßte ihm vor der Nase liegen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Weit — das Schloß&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; Der fremde Bube sah ihn erstaunt an&comma; die Frage kam ihm sehr schnurrig vor&period; Was ging den andern das Schloß an&quest; „Weit ist’s schon&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte er&semi; „die Einöderin braucht immer ein paar Tage dazu&comma; sie stammt von dort&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Da war Kasperle wieder zufrieden&period; Nun fiel ihm auch ein&comma; es war eigentlich längst Frühstückzeit vorbei&comma; und er kramte sein letztes Stück Brot aus der Tasche&period; „Ich hab’ Hunger&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte er seufzend&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich auch&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Der fremde Bube zog auch ein Stück Brot aus der Tasche und sagte&colon; „Ich komm’ hierher wegen der Himbeeren&period; So schön sind sie nirgends&comma; und niemand weiß den Ort&comma; selbst der brummige Matthias nicht&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Wer ist denn das&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; Kasperle setzte sich auch an einen Himbeerbusch&comma; wie es der andere tat&period; Beide schmausten los&comma; und dabei erzählte der fremde Bube&comma; der brummige Matthias sei ein Förster&semi; er wohne neben des Herzogs Jagdschloß Hirschsprung&comma; das ganz nahe sei&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Wohnt der Herzog hier&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; Kasperle ließ vor Schreck eine dicke Himbeere und sein Brot dazu ins Wasser fallen&comma; und er fischte erst beides wieder heraus&comma; als der fremde Junge sagte&colon; „Bist du aber dumm&excl; Der Herzog wohnt doch in seiner Residenzstadt&comma; weit&comma; weit von hier&excl; Er kommt nur alle Jahre zweimal hierher&comma; sonst steht das Schloß immer leer&period; Du weißt aber auch gar nichts&excl; Woher kommst du eigentlich&quest; Wie heißt du&quest; Wer bist du&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Kasperle seufzte tief&period; Er wollte schon wieder sein Sprüchlein sagen&comma; aber des fremden Buben helle&comma; klare Augen schauten ihn so ernsthaft an&comma; da senkte er verwirrt seine Nase&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Hast du was Schlimmes getan&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; fragte plötzlich der andere fast streng&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Kasperle schüttelte den Kopf&comma; und dann erzählte er dem Buben&comma; wer er sei&period; Alles erzählte er&comma; und der andere lachte mit und sah mit traurig drein&comma; und als Kasperle zu Ende war&comma; streckte er ihm seine kleine&comma; braune Hand hin und rief&colon; „Armes Kasperle&excl; Aber weißt du&comma; ich will dein Freund sein&period; Ich bin das Geißenmichele und wohne in Hochdorf&period; Da&comma; willste mein Brot&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; Michele wußte in aller Geschwindigkeit nämlich nicht&comma; was er aus Mitleid dem Kasperle Gutes antun sollte&comma; darum gab er ihm sein Brot&period; Dabei war des Michels Brotvorrat für seinen rechtschaffenen Bubenhunger gerade nicht sehr groß&period; Michele meinte aber&comma; für einen Freund&comma; den man so unversehens im Walde finde&comma; müßte man auch einmal hungern können&period; Kasperle aber sah&comma; mehr Brot war nicht im Säcklein&comma; und schlug vor&comma; sie wollten teilen&period; Also teilten sie&comma; schmausten viele&comma; viele Himbeeren dazu und berieten dabei&comma; was aus Kasperle werden sollte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Michele hätte das Kasperle am liebsten mit heimgenommen&comma; doch das ging nicht&semi; er hatte nämlich selbst kein rechtes Zuhause&period; Er war einer armen Witwe Sohn&comma; die wohnte stundenweit ab in einem kleinen Dorf&comma; und er hatte sich als Geißenbub verdingt&comma; um der Mutter zu helfen&comma; die noch für drei kleinere Kinder sorgen mußte&period; Bei einem Bauern schlief er auf dem Heuboden&comma; dahin durfte er keinen fremden Buben mitbringen&period; Und Kasperle tat einen tiefen Seufzer und sagte traurig&colon; „Ich muß weiterziehen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Doch da kam wie ein Blitz dem Michele ein guter Gedanke&comma; und er überkugelte sich gleich einmal vor Freude und schrie dabei&colon; „Hurra&comma; das wird fein&comma; fein&comma; fein&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Kasperle wollte natürlich gleich wissen&comma; was fein würde&comma; und da vertraute ihm Michele an&comma; das Schloß sollte seine Wohnung sein&period; Und als Kasperle darob vor Erstaunen so steif und stumm wie ein Bäumlein wurde&comma; erzählte Michele&comma; im Schlosse wohne niemand&comma; und der böse Matthias und seine Frau gingen selten hinein&comma; auch sei das dann ja zu hören&period; Er aber wußte&comma; daß eine ganz kleine Seitenpforte seit langer Zeit unverschlossen sei&comma; wohl weil der brummige Matthias den Schlüssel verloren habe&period; „Ich bin schon manchmal drin gewesen&semi; fein ist’s drin&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; tuschelte Michele seinem neuen Freunde geheimnisvoll zu&period; „Du kannst drin wohnen&comma; und dann treffen wir uns alle Tage und hüten die Geißen zusammen&period; Wenn ich sage&comma; ich hab’ arg großen Hunger&comma; dann gibt mir die Bäuerin schon mehr Brot&comma; dann langt es für uns beide&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Aber der Herzog&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Kasperle sah so ängstlich drein&comma; als spaziere der Herzog schon um die Ecke herum&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Michele lachte ihn aus&period; „Bist ein Hasenfuß&semi; der Herzog&comma; kommt höchstens zweimal im Jahr nach Hirschsprung&comma; na&comma; und das merkst du ja vorher&period; Komm jetzt rasch&comma; ich zeige dir die Türe&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Er sprang auf und sah nach den Geißen&period; Die zeigten keine Lust zu großen Klettereien&semi; satt und faul lagerten sie auf einem Wiesenfleck&comma; und die beiden Freunde konnten beruhigt zum Schlosse wandern&period; Weit war das nun wirklich nicht&period; Kasperle staunte&period; Ein paar Schritte ging es durch den Wald&comma; da waren sie da&period; Auf einer Wiese&comma; rings von Wald umschlossen&comma; lag ein graues Schloß&comma; es hatte einen dicken Turm und sah etwas düster aus&period; Unweit davon&comma; am Wiesenrand&comma; lag ein kleines Haus&comma; die Försterei&period; Alles war wie ausgestorben&comma; nicht einmal ein Hund bellte&comma; als sich die Buben dem Schlosse näherten&period; Michele führte seinen Freund nun um die grauen Mauern herum und zeigte ihm neben dem Turm ein Pförtlein&comma; das fast ganz hinter Gebüsch verborgen war&period; „Da hinein geht’s&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte er&comma; „und hier kannst du gleich in den Wald schlüpfen&comma; und niemand sieht dich&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Sie krochen beide durch das Gebüsch&comma; und Michele drückte auf die rostige Klinke&semi; sie gab nach&comma; und da standen die beiden wirklich im Schloß&period; Ein schmaler&comma; weißgetünchter Gang nahm sie auf&comma; und Michele schritt ihn ganz keck entlang&period; Kasperle folgte etwas zaghaft&comma; weil sich aber wirklich niemand und nichts im Schlosse regte&comma; wurde er auch mutiger&period; Die beiden Freunde schlossen Tür um Türe auf&comma; sie gingen durch alle Gänge&comma; stiegen alle Treppen empor&comma; und Michele war ganz empört&comma; als Kasperle auf einmal sagte&colon; „Im Grafenschloß war’s noch feiner&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Was Feineres gibt’s nicht&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; rief Michele und riß eine Türe auf&period; Die führte in einen Saal hinein&comma; der nicht&comma; wie die andern Zimmer&comma; etwas düster eingerichtet war&comma; sondern hellen&comma; heiteren Hausrat zeigte&period; Die Sofas und Stühle waren alle mit rosafarbener Seide überzogen&comma; an den Wänden gab es in breiten goldenen Rahmen heitere Bilder&comma; und Engel&comma; die Rosenkränze trugen&comma; schwebten oben an der Decke&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Da sagte auch Kasperle&comma; dies sei feiner als im Grafenschloß&comma; und Michele&comma; der schon ganz wütend gewesen war&comma; gab sich zufrieden&period; Kasperle war nun auch sehr vergnügt&comma; daß er im Schlosse bleiben sollte&comma; und als sie beide beim Herumwandern in ein sehr schönes Zimmer kamen&comma; in dem ein breites goldenes Bett stand&comma; sagte er&comma; hier möchte er schlafen&period; „Ich glaube&comma; das ist dem Herrn Herzog sein Zimmer&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; flüsterte Michele etwas scheu&period; „Darin kannst du doch nicht schlafen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber plumps&comma; da lag Kasperle schon in dem mit Seide überzogenen Bett und rief&colon; „Hurra&comma; hier schlafe ich&colon; Das ist fein&comma; fein&comma; fein&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Michele hätte sich am liebsten auch in das goldene Bett gelegt&comma; aber er dachte an die armen Geißen&comma; die er verlassen hatte&period; „Ich muß gehen&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte er betrübt&comma; und flugs sprang Kasperle wieder aus dem Bette heraus und erklärte&colon; „Ich geh’ mit&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Einträchtig verließen sie beide wieder das Schloß&comma; kehrten zu den Geißen zurück&comma; fanden die noch ruhig am alten Platz weiden&comma; und sie setzten sich zu ihnen und berieten&comma; wie sie es ferner zu halten gedächten&period; Michele wollte immer am Schloß vorbeiziehen und pfeifen&comma; und sobald Kasperle dies hörte&comma; sollte er ihm nachkommen&semi; dann wollten sie zusammen spielen&comma; Geißen hüten und ihr Brot verzehren&period; Beide freuten sich schon auf die Tage&comma; die kommen würden&comma; und einmal sagte Kasperle ängstlich&colon; „Aber der Herzog&comma; wenn der in sein Schloß kommt&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ach&comma; der kommt ja erst im Herbst&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Michele schnippte mit der Hand&comma; als könnte er damit den Herzog davonweisen&comma; und Kasperle war beruhigt&period; Mit seinem neuen Freund zusammen trieb er dann die Geißen an zum Heimgehen&comma; und als das Schloß sichtbar wurde&comma; trennten sich beide&period; Kasperle schlüpfte wieder durch das Gebüsch&comma; öffnete die kleine Türe und stand dann allein in dem Schloß&period; Sein Schritt hallte laut auf dem Flur wider&comma; und da begann sich der kleine Hasenfuß zu fürchten&period; Am liebsten wäre er wieder umgekehrt und dem Michele nachgelaufen&comma; aber dann dachte er doch an das schöne seidene Bett&comma; in dem er schlafen wollte&comma; und er lief geschwind die Treppe hinauf und durch die Gänge&comma; bis er das Zimmer erreichte&period; Dort schlüpfte er sehr eilig in das goldene Bett&comma; zog sich die Decke über die Ohren und schlief wirklich nach fünf Minuten ein&period; Nichts störte ihn in dem einsamen Schlaf&period; Nur einmal hörte er ein fernes Blasen&comma; aber so recht wachte er darüber nicht auf&period; Draußen auf der Waldwiese stand der Förster&comma; den Michele den brummigen Matthias nannte&comma; und blies auf seinem Hifthorn ein Abendlied&period; Feierlich tönte das durch den stillen Wald&comma; und danach schwieg alles&comma; nur die Bäume rauschten&semi; sie erzählten sich&comma; im einsamen Schloß sei ein wunderlicher kleiner Gast eingekehrt&comma; von dem selbst der Förster nichts wisse&period;<&sol;p>

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