Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Kasperle auf Reisen
(Josephine Siebe, 1921, empfohlenes Alter: 5 - 7 Jahre)

Der alte Schrank

<p>Herr Pumpel fuhr ganz bitterböse davon&period; Er ärgerte sich gewaltig&comma; daß er die alten Schränke nicht hatte haben können&period; Er brummte und schalt darob so viel&comma; daß sein Kutscher dachte&colon; Was er nur an den alten Schränken hat&quest; Immer wieder fährt er danach&semi; ich denke beinahe&comma; es wird etwas Besonderes damit sein&period; Vielleicht steckt ein verborgener Schatz drin&comma; denn sonst fährt doch wirklich kein vernünftiger Mensch bei einer solchen Kälte in den Wald&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Es war wirklich sehr&comma; sehr kalt&comma; und es blieb noch viele Tage so&period; Auf einmal aber kam der Tauwind&semi; der fing ein gewaltiges Blasen an&comma; und da schmolz der Schnee und lief davon — heidi&comma; weg war er&excl; Um das Waldhäuschen sauste und brauste es mächtig in diesen Tagen&comma; aber Liebetraut lief trotz dem Sturm immer wieder vor die Türe&comma; steckte ihre kleine Nase hinaus und rief jubelnd&colon; „Es riecht nach Frühling&semi; ganz gewiß&comma; er kommt bald&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Und dann patschte sie einmal draußen im feuchten Walde herum&comma; und als sie wiederkam&comma; brachte sie für Mutter Annettchen die ersten Schneeglöckchen mit&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Das gab eine Freude im Waldhäuschen&excl; Ein richtiges kleines Fest wurde es&comma; denn auf den Frühling freuten sich die Waldhausleute immer&period; Und diesmal ließ sich der Frühling gar nicht wie sonst manchmal sehr lange bitten&period; Er kam ganz geschwinde angezogen&comma; und bald konnte Frau Annettchen sagen&colon; „Nun heizen wir nicht mehr&comma; jetzt wärmt schon die Frühlingsluft&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Da wurden alle Fenster weit aufgemacht&comma; und durch einen Schlitz zwischen zwei großen Tannen guckte die liebe Sonne gerade in das Häuschen hinein&period; Wunderherrlich war es&excl; Liebetraut lief alle Tage und pflückte Frühlingsblumen&period; Damit füllte sie lauter bunte Töpfchen&comma; und wenn die Kinder aus Schönau und Lindendorf gelaufen kamen&comma; dann gefiel es ihnen noch besser als sonst im Waldhäuschen&period; Putzniedlich fanden sie es und wären am liebsten gleich drin geblieben&period;<&sol;p>&NewLine;<p>An einem dieser schönen Frühlingstage war es&comma; da saß der Meister Friedolin noch fleißiger als sonst an seinem Arbeitstisch&period; Es sollte in den nächsten Tagen eine Kiste Kasperlepuppen in die weite Welt gehen&comma; und einige Figuren mußte er vorher noch fertig schnitzen&period; Wie er so recht mitten in der Arbeit war&comma; brach ihm an seinem Schnitzmesser die Spitze ab&period; Das war nun wirklich ärgerlich&period; Obgleich gerade Frau Annettchen vom Frühling redete&comma; brummelte er doch eine ganze Weile&comma; bis er sich endlich erhob&comma; um aus dem Vorratsschrank ein neues Schnitzmesser zu holen&period; Er stieg die alte Treppe hinauf&comma; die unter jedem Schritt ächzte und krachte&comma; just als wollte sie etwas aus vergangenen Zeiten erzählen&period; Oben auf dem halbdunklen Flur des oberen Stockwerkes standen ein paar alte große Schränke&period; Das waren die&comma; welche Herr Pumpel so gerne hatte haben wollen&period; In diesen Schränken wurde seit langen&comma; langen Zeiten alles verwahrt&comma; was Meister Friedolin zu seiner Kasperleschnitzerei brauchte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>An diesem hellen Frühlingstag flitzte die Sonne auch durch das kleine Flurfenster&semi; die beiden Schränke bekamen einen Schein von ihrem Lichte ab&period; Das kam dem Meister Friedolin sehr zu passen&period; Er öffnete erst den einen Schrank&comma; und als er das Gesuchte darin nicht fand&comma; tat er den andern auf&period; Weil es gerade so hell war&comma; kramte er ein bißchen in den Schränken herum&period; Er sah nach&comma; ob dies und das noch da war&comma; und dabei fiel ihm auf einmal in dem einen Schrank auf&comma; daß auf der einen Seite ein Spältchen offen war&period; Na nu&comma; dachte er&comma; der Schrank wird wohl altersschwach und platzt noch gar&excl; Er schob&comma; zog ein bißchen an dem Spalt&comma; und da ging auf einmal ein Türlein auf&comma; und der Meister Friedolin sah zu seinem Erstaunen in einem schmalen Fach eine Figur stehen&comma; die war etwa so groß wie ein sieben- bis achtjähriger Bub&period; Die hatte er doch noch nie gesehen&excl; Der Meister schüttelte erstaunt den Kopf&period; Wo kam das Ding nur auf einmal her&quest; Endlich aber faßte er danach und zog die Puppe aus dem Fach heraus&period; Und wie er sie so anfaßte&comma; war es ihm&comma; als rühre sich die Gestalt&period; Er stellte sie flink auf die Erde und sah sich das Ding an&period; „Nein&comma; so etwas&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; rief er&period; „Das ist ja wirklich ein Kasperle&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Kaum hatte er das gesagt&comma; da fing der kleine Kerl an sich zu schütteln und zu bewegen&comma; er nickte mit dem Kopf&comma; hob die Arme&comma; und eine dicke&comma; dicke Staubwolke ging von ihm aus&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Hatzi — hatzi — hatzi&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Der Meister nieste&comma; der sonderbare kleine Kerl nieste&comma; und Frau Annettchen&comma; die das unten hörte&comma; rief&colon; „Friedolin&comma; du kriegst wohl einen Schnupfen&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Stimme von unten schien das Männlein aus dem Schranke ganz munter zu machen&period; Er fing auf einmal an zu lachen&comma; und hops — hallo&excl; lief es die Treppe hinab&period; Der Meister Friedolin starrte dem Dinge höchlichst verwundert nach&period; Er konnte sich die Sache gar nicht erklären&period; Und niesen mußte er immer wieder&comma; er nieste und nieste&comma; und inzwischen polterte unten das kleine seltsame Ding in die Wohnstube hinein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Annettchen schrie laut auf vor Entsetzen&comma; und Liebetraut&comma; die gerade mit Blumen in der Hand in das Zimmer trat&comma; ließ die erschrocken fallen&period; „O du meine Güte&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; rief Frau Annettchen&comma; „was ist denn das für ein Popanz&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Der kleine Kerl blieb mitten in der Stube stehen&comma; er sah sich rund um&comma; schüttelte den Kopf&comma; und wieder flog eine dichte Staubwolke auf&period; „Hatzi&comma; hatzi&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; nieste er&comma; Frau Annettchen nieste&comma; Liebetraut nieste&comma; und Meister Friedolin kam niesend in die Stube&period; „Hallo&comma; da ist das Ding&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; rief er und packte den wunderlichen Gesellen&period; „Jemine&comma; das sieht ja beinahe wie ein Kasperle aus&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich bin doch Kasperle&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Kleine kläglich&period; „Wo ist denn die Madame Erdmute und der Meister Ephraim&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Was schwätzt du da&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; Meister Friedolin schlug sich plötzlich mit der Hand vor die Stirn&period; „Das waren ja meine Urgroßeltern&period; Heiliger Bimbam&comma; ich glaube gar&comma; das ist das verschwundene Kasperle&excl; Du&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; — er schüttelte den Kleinen&comma; daß der Staub nur so herumflog&comma; — „besinne dich mal&colon; wie bist du denn in den Schrank gekommen&comma; und was hast du drin gemacht&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich hab’ doch geschlafen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Der Kleine gähnte laut&period; Und auf einmal fing es in ihm an ganz erschrecklich zu knurren&semi; das rumpelte und pumpelte wie die Wackersteine im Magen des schlimmen Wolfes&period; „Oh&comma; oh&comma; oh&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; jammerte er&comma; „ich hab’ solchen Hunger&comma; ach&comma; so schrecklichen Hunger&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Um Himmels willen&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; schrie Frau Annettchen&comma; „der stirbt ja noch vor Hunger&excl; Wer weiß&comma; wie lange der nichts gegessen hat&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Kann sein bald hundert Jahre&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; murmelte Meister Friedolin&period; „Nu&comma; nu&comma; das ist doch nicht möglich&comma; daß der so lange im Schranke gesteckt hat&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Hunger&comma; au&comma; au&comma; ich hab’ so schrecklichen Hunger&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; schrie der kleine Gast&comma; und da rannten Mutter Annettchen und Liebetraut erschrocken in die Küche und brachten herbei&comma; was nur da war&period; Brot&comma; Wurst&comma; Butter&comma; Milch&comma; und alles stopfte der wunderliche Geselle in seinen großen Mund&period; Er schluckte und schluckte&comma; wurde zusehends dicker&comma; bis er endlich beide Backen aufblies und sehr vergnügt rief&colon; „Ich kann nicht mehr&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Na&comma; das ist ein Glück&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte Meister Friedolin&period; „So eine Esserei hab’ ich mein Lebtag nicht gesehen&period; Aber nun sag mir mal&comma; du —&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Kasperle heiß ich&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; rief der Kleine&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Also gut&comma; du Kasperle&comma; wie bist du in den Schrank gekommen&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Kasperle riß seine Augen weit auf&comma; den Mund dazu&comma; dann seufzte er&comma; schüttelte sich wieder und murmelte&colon; „Ich weiß nicht&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Aber besinn dich doch&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; mahnte der Meister&comma; „du mußt es doch wissen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Kasperle sah sich in der Stube um&comma; fremd und erstaunt&comma; doch plötzlich erblickte er die große alte Kastenuhr und schrie&colon; „Die hat der Meister gemacht&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Den Waldhausleuten wurde es ganz unheimlich&period; War der schnurrige Kauz nun wirklich das Kasperle&comma; das einst mit den Urahnen zusammengelebt hatte&quest; Wie war es in den Schrank gekommen&quest; Hatte es wirklich so viele&comma; viele Jahre geschlafen&quest;<&sol;p>&NewLine;<p>„Besinn dich doch&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte Meister Friedolin&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich weiß nicht&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Kasperle suchte wieder&comma; das Nachdenken schien ihm arge Mühe zu machen&period; Ganz traurig wurde darüber sein Schelmengesicht&period; „Ich weiß nicht&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte er nur immerzu kläglich&period; Und wieder schüttelte er sich heftig&comma; und dabei fiel ein großer vergilbter Zettel von seinem Kittel ab&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Liebetraut hob den geschwinde auf&period; Sie blickte drauf und rief&colon; „Da steht etwas über Kasperle&comma; hier&comma; Vater&comma; sieh&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Meister Friedolin nahm den Zettel&comma; setzte bedächtig seine Brille auf und las&colon; „Wer dies Kasperle findet&comma; der soll es fein sorgsam hüten&comma; bis es aufwacht&comma; sintemalen es ein echtes Kasperle ist&period; Mein Lehrjunge Johann Heinrich Pumpel hat böswilligerweise dem Kasperle einen Schlaftrunk gegeben&comma; ein Wunderelixier&comma; das einstens mein Großvater aus dem Lande Italien mitgebracht hat&period; Davon kann einer viele&comma; viele Jahre in Schlaf sinken&period; Nach Ablauf der Zeit wacht er dann lebendig wieder auf&period; Doch ist es ein Teufelszeug&comma; und es weiß jetzt kein Mensch mehr&comma; wie es gemacht wird&period; Das Kasperle schläft nun schon die vierte Woche&comma; und weil ein Gerede in der Gegend ist&comma; ich hätte einen Zauber im Haus&comma; schließe ich es lieber in den Schrank ein&period; Dieses schreibe ich auf&comma; weil niemalen ein Mensch weiß&comma; wie seines Lebens Gang ist&comma; und es könnte sein&comma; das Kasperle geriete einst in fremde Hände&period; Der Pumpel hat seinen Teil gekriegt&comma; mehr Haue&comma; als ihm lieb war&semi; er wird wohl zeitlebens daran denken&period; Mein Sohn soll das Geheimnis wissen&comma; der soll es wieder seinem Sohne sagen und so fort&comma; bis einmal das Kasperle wach wird&period; Es soll auch jeder gut und freundlich zu dem Kasperle sein&comma; ihm kein Leid tun&period; Nur muß man es sorgsam hüten&comma; denn das Kasperle bekommt manchmal&comma; sonderlich im Frühling&comma; eine törichte Lust auszureißen&comma; und es könnte ihm schlimm ergehen in der weiten Welt&comma; doch bekommt es immer wieder Sehnsucht nach dem Waldhaus&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Das hat der Meister Ephraim&comma; der Urgroßvater&comma; geschrieben&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte Meister Friedolin&comma; als er fertig gelesen hatte&period; „Und nun weiß ich auch&comma; warum der Händler Pumpel so gern den Schrank wollte&semi; der wußte&comma; wer drin steckte&period; Das echte Kasperle&comma; nein so etwas&excl; Und geschlafen hat es fast neunzig Jahre&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ein Wunder&comma; wirklich ein Wunder&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Frau Annettchen war die Geschichte ordentlich unheimlich&comma; und sie sah das Kasperle mißtrauisch von der Seite an&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Dieses nickte immer vor sich hin&comma; ein bißchen nachdenklich und ein bißchen betrübt&comma; und Liebetraut fühlte plötzlich tiefes Mitleid mit dem kleinen Kerl&period; Sie trat zu ihm&comma; streichelte ihn sanft und sagte freundlich&colon; „Ein neues Kittelchen muß er aber haben&semi; da seht nur&comma; seins ist ja ganz morsch&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Kasperle blickte zu dem schönen Mädchen auf&comma; und er sah die Güte in ihren Augen strahlen&semi; da gewann er sie lieb&period; Er lehnte sich an sie an und bettelte&colon; „Näh’ mir gleich ’nen Kittel&excl; Ich will dir auch immer folgen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Liebetraut fielen die Worte des Meisters Ephraim ein&comma; und sie fragte schnell&colon; „Immer folgen und auch nicht ausreißen&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Nein&comma; nicht ausreißen&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; versprach Kasperle treuherzig&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Gibst du dein Wort&comma; kleines Kasperle&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; Liebetraut hielt des Kleinen Hand fest&comma; und der nickte wieder und beteuerte&colon; „Ich reiße nicht aus&comma; aber — ich will auch nicht mehr in den Schrank&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„I bewahre&comma; da kommst du nicht mehr hinein&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte Meister Friedolin&period; Der hatte nämlich sein Schnitzmesser genommen und begann der Puppe&comma; die er schnitzte&comma; Kasperles Gesicht zu geben&comma; wie der flehend zu Liebetraut emporsah&period; Hei&comma; wie das ging&excl; So flink war das Schnitzen noch nie gegangen&period; Der Meister dachte bei sich&colon; Ei&comma; nun sollen Meister Friedolins Kasperlepuppen erst recht auf Messen und Märkten gefallen&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Das Kasperle aber rieb sich jetzt den letzten Schlaf aus den Augen&comma; und je mehr es sich umsah&comma; desto besser gefiel es ihm wieder im Waldhaus&period; Da schoß es plötzlich vor Freude einen Purzelbaum&comma; hopp&excl; hoch über Mutter Annettchen hinweg&period; Und ehe die kleine Frau noch wußte&comma; wie ihr geschah&comma; saß das Kasperle schon auf ihrem Wandbrett und begann mit den schönen blanken Zinntellern Fangeball zu spielen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Warte&comma; du Irrwisch&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; schalt Mutter Annettchen&comma; und dann tat sie einen Seufzer&period; „I&comma; da haben wir ja einen rechten Kobold im Haus&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Ein Kobold war nun Kasperle gerade nicht&comma; aber ein unnützer Schelm war er&period; Das merkten die Waldhausleute gleich am ersten Tag&period; Das polterte&comma; klirrte und krachte nur so im kleinen Haus&comma; mal saß Kasperle oben&comma; mal unten&period; Er kroch in alle Ecken&comma; und fand er ein Stück vom uralten Hausrat&comma; erhob er ein großes Geschrei&period; Viel zu erzählen&comma; wie es damals gewesen war&comma; wußte er freilich nicht&comma; das hatte er alles verschlafen&period; Nur die Sachen erkannte er wieder und die Namen wußte er noch&period; Frau Annettchen nannte er immer Madame Erdmute&period; Der gefiel das gar nicht&period; Ihr war das Kasperle überhaupt etwas gar zu wild&comma; und sie war froh&comma; als es Zeit war&comma; schlafen zu gehen&period; Sie mahnte&colon; „Ins Bett&comma; ins Bett&excl; Abends Licht verbrennen und morgens die Sonne unnütz scheinen lassen&comma; ist Verschwendung&period; Flink&comma; ins Bett&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Da erhob Kasperle ein großes Geschrei&period; „Ich will nicht schlafen gehen&comma; ich will nicht schlafen gehen&excl; Ich habe doch fast neunzig Jahre geschlafen und bin nicht mehr müde&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Potzwetter&comma; das muß ich sagen&comma; neunzig Jahre&comma; da sollte einer wirklich ausgeschlafen haben&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Meister&period; „Kasperle mag aufbleiben&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Allein aufbleiben&quest; I du meine Güte&comma; der möchte eine nette Wirtschaft anrichten&excl; Das geht nicht&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; meinte Mutter Annettchen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich will mit aufbleiben&comma; ich nähe gleich seinen Kittel fertig&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Liebetraut war schon dabei&comma; für Kasperle ein neues Röcklein zu nähen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Erst sah Mutter Annettchen etwas bedenklich drein&comma; das Aufbleiben mochte ihr nicht recht gefallen&period; Aber Meister Friedolin meinte&comma; so schlimm wäre das nicht&comma; und ein ordentlicher Kittel täte Kasperle wirklich not&period;<&sol;p>&NewLine;<p>So durfte denn Liebetraut aufbleiben&period; Die Pflegeeltern gingen zu Bett&comma; und das zappelige Kasperle versprach&comma; es würde stille sein und nicht Tische&comma; Stühle und Schränke und sonst allerlei umwerfen&period; Es setzte sich in eine Sofaecke und schaute ganz brav zu&comma; wie Liebetraut nähte&period; „Mach’ einen Kittel&comma; wie ihn kleine Menschenjungen tragen&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; bettelte er&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Warum denn&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; Liebetraut sah den Kleinen erstaunt an&period; Da schlitzte der ein wenig die Augen zu und brummelte&colon; „Es brauchen doch nicht alle zu sehen&comma; daß ich ein Kasperle bin&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„O Kasperle&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; rief Liebetraut&comma; „ich merke es schon&comma; du denkst ans Ausreißen&excl; Das wird also nichts&period; Du bekommst einen richtigen bunten Kasperlekittel&period; Da&comma; die grasgrünen&comma; feuerroten und himmelblauen Flecke kommen alle darauf&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Kasperle brummte und schmollte ein bißchen&comma; als aber Liebetraut mahnte&colon; „Denk’ an dein Versprechen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; da hing er die Nase und wurde still&period; Er sah gleich ganz tiefbetrübt aus&comma; und Liebetraut sagte mitleidig&colon; „Erzähle mir was&comma; Kasperle&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Erzähle du mir was&comma; Liebetraut&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; rief Kasperle&period; „Ach bitte&comma; bitte&comma; bitte&comma; Kasperle hört schrecklich gern Geschichten&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Na&comma; dann paß’ auf&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte Liebetraut&comma; und sie begann feine&comma; liebe Geschichten zu erzählen&comma; vom Wald&comma; von Blumen&comma; Bäumen&comma; von schelmischen Waldgeistlein und lieben&comma; lustigen Menschenkindern&period; Sie erzählte und erzählte&comma; und wenn sie einmal etwas innehielt&comma; gleich schrie Kasperle&colon; „Mehr&comma; mehr&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber dann merkte Liebetraut auf einmal&comma; daß Kasperle ganz still war&period; Da ließ sie ihre Arbeit sinken&comma; blickte auf und sah — Kasperle war eingeschlafen&period; Sie lachte leise vor sich hin&period; Na&comma; dachte sie&comma; wenn einer neunzig Jahre geschlafen hat und kann dann noch nicht eine Nacht wachen&comma; das ist schon ein kleiner Faulpelz&excl; Sie selbst nähte emsig weiter&comma; merkte es gar nicht&comma; daß draußen der helle Tag heraufzog&comma; und gerade als sie den letzten Stich tat&comma; öffnete sich die Türe und Mutter Annettchen trat ein&period; „Aber Mädchen&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; rief diese&comma; „die Lampe ist ja ganz niedergebrannt und —&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Kasperle ist eingeschlafen&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte Liebetraut&comma; sie hob das fertige Kittelchen hoch&comma; „und ich bin fertig&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Gott sei Dank&comma; daß der kleine Irrwisch doch noch schlafen kann&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Mutter Annettchen lachte&period; „Ich hatte schon Angst&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; redete sie weiter&comma; „er würde nun neunzig Jahre keine Nacht mehr schlafen mögen&period; Wir hätten ihn dann wirklich in den Schrank sperren müssen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich will nicht in den Schrank gesperrt werden&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; schrie Kasperle erschrocken&period; Der war bei den letzten Worten aufgewacht&period; Und vor Schrecken schoß er gleich einen Purzelbaum über den Tisch hinweg&period; Hops&comma; bums&excl; Da purzelte er dem Meister Friedolin&comma; der eben aus der Schlafkammer kam&comma; an den Magen&comma; und der gute Meister rief erschrocken&colon; „Uff&excl; Na&comma; man merkt&comma; daß ein Kasperle im Hause ist&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>

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