Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Kasperle auf Reisen
(Josephine Siebe, 1921, empfohlenes Alter: 5 - 7 Jahre)

Wieder daheim im Waldhaus

<p>Herr Severin zog mit Kasperle wieder durch den Wald&period; Abwärts ging’s&comma; immer tiefer ins Tal hinein&comma; bis sie in einem kleinen Nestlein die gelbe Postkutsche wieder erreichten&period; „Trara&comma; Trara&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; blies der Postillion&comma; Herr Severin stieg ein&comma; der schwarze Kasten wurde aufgeladen&comma; und fort ging es in die Weite&period; Kasper schaute aus seinen Gucklöchern sich die Welt an&period; Da sah er das Schloß&comma; in dem Rosemarie gewohnt hatte&comma; nun kam der Weg&comma; den er mit dem Grafen von Singerlingen gefahren war&period; Und weiter ging es&comma; immer weiter&period; Die Postkutsche rollte an einer Schafherde vorbei&comma; ein langer Schäfer bewachte sie&semi; Himmel&comma; das war Damian&excl; Ein Dorf tauchte auf&comma; es war Protzendorf&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Bis hierher geht es und nicht weiter&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Postillion&period; „Ja&comma; die Protzendorfer sind fein geworden&comma; zu denen fährt jetzt die Post&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Da wurde der schwarze Kasten wieder abgeladen&comma; und Kasperle sah durch sein Guckloch die Protzendorfer Kinder den Postwagen umstehen&period; Seine einstigen Freunde Windgustel und Wassergustel stießen sich bald die Nasen daran&period; Und die Protzendorfer waren alle miteinander&comma; der Gastwirt voran&comma; arg enttäuscht&comma; daß der fremde Herr nicht bleiben wollte&period; Sie meinten nämlich&comma; in ihrem Dorf&comma; in dem die Säulein alle auf der Straße herumliefen&comma; müßte es jedem gefallen&period; Herr Severin aber dachte bei sich&colon; Lieber nicht&comma; dem Kasperle ist halt nicht zu trauen&comma; und das wäre doch übel&comma; wenn man ihn so kurz vor dem Ziel erwischen würde&period; Also nahm er seinen schwarzen Kasten und wanderte weiter&comma; und Kasperle konnte weder Florian einen Schabernack spielen&comma; noch seine einstigen Freunde begrüßen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Es gab von Protzendorf nach dem Waldhaus einen Fußweg&comma; der führte durch den dichtesten Wald und war wenig begangen&period; Ihn schlug Herr Severin ein&period; Kasperle durfte den Kasten verlassen&comma; und beide wanderten fröhlich dem Waldhaus zu&period; Kasperle sprang wie ein Eichkätzchen&comma; und Herr Severin strich die Fiedel dazu&semi; wie Vogelzwitschern klang es&comma; wie der Gesang der Nachtigall&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Und wie sie beide so dahingingen&comma; sagte auf einmal eine liebe&comma; warme Stimme&colon; „Ach lieber Gott&comma; das ist ja Kasperle&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Ganz tief im Grünen&comma; unter einer uralten Tanne&comma; saß Liebetraut&comma; und neben ihr weidete ein Reh&period; Herr Severin blieb stehen&comma; Kasperle aber stürzte mit einem so lauten Jubellaut Liebetraut zu&comma; daß das Reh eilends entfloh&period; „O Kasperle&comma; du liebes&comma; schlimmes Kasperle&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte Liebetraut&comma; „wo kommst du her&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Nicht böse sein&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; bettelte Kasperle und huschelte sich an Liebetraut an&period; Das schöne Mädchen lächelte&comma; sie streichelte des Kasperles Strubelkopf und sagte froh&colon; „Nur gut&comma; daß du wieder da bist&comma; du Schelm&comma; du Ausreißer&comma; du mein kleiner Liebling du&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Und nun erzählte Kasperle&comma; wie es ihm ergangen war&comma; und Liebetraut lachte und weinte&semi; dann sagte sie&comma; der Kasperlemann sei schon zweimal dagewesen und habe gefragt&comma; ob das Kasperle noch nicht zurück sei&period; Doch könne er hier nichts machen&comma; gerade das Waldhaus liege an der Grenze&comma; und der Fürst dieses Landes und der Herzog&comma; die seien nicht gut Freund mitsammen&period; Hier dürfe ihn drum der Herzog nicht mehr fangen&comma; aber in Protzendorf wohne jetzt ein Landjäger&comma; um aufzupassen&comma; und Florian und Damian hätten gesagt&comma; wenn sie Kasperle fingen&comma; würde es ihm übel ergehen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Komm&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; bettelte Kasperle ängstlich&comma; „wir wollen ins Waldhaus&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Liebetraut stand auf&comma; und alle drei schritten sie dem Waldhaus zu&period; „Jetzt kommt gleich die Grenze&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte Liebetraut&semi; „Kasperle&comma; schlupf’ flink in den Kasten&comma; mir wird so bange&excl; Manchmal steht ein Landjäger an der Grenze&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Da kroch Kasperle in den Kasten&comma; und kaum hatte den Herr Severin wieder zugeklappt&comma; da trat wirklich ein Landjäger aus dem Gebüsch&period; „Halt&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; schrie der&comma; „ich muß alles untersuchen&comma; ob hier nicht jemand ein Kasperle über die Grenze trägt&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Herr Severin begann auf seiner Geige zu spielen&comma; wundersam klang es&comma; dazu sagte er&colon; „Ich komme von des Herzogs Jagdschloß&comma; aber der Herzog hat mir kein Kasperle geschenkt&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Darüber mußte der Landjäger lachen&comma; und weil er auch dachte&colon; So ein feiner Mann&comma; der so schön spielen kann&comma; was hat der mit einem Kasperle zu schaffen&excl; ließ er Herrn Severin und Liebetraut ziehen&period; „Dies vermaledeite Kasperle&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; schalt er&semi; „seit Wochen suchen wir danach&comma; mal ist es da&comma; mal ist es dort&comma; und nie fängt man es&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ja&comma; ja&comma; es ist wohl ein schlimmer Schelm&comma; paßt nur gut auf&comma; daß es Euch nicht an der Nase vorbeiläuft&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte Herr Severin lustig&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Mir nicht&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; schrie der Landjäger&semi; „ha&comma; ich bin ein ganz Schlauer&comma; mir entwischt das Kasperle nicht&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Herr Severin fing rasch wieder an auf seiner Geige zu spielen&period; Diesmal war es ein heiteres Stücklein&comma; das sollte das Lachen übertönen&comma; das aus dem schwarzen Kasten klang&period; Kasperle wollte nicht lachen&comma; er konnte aber nicht an sich halten&period; Er kicherte immerzu&comma; und der Landjäger rief Herrn Severin noch nach&colon; „Ei&comma; Herr&comma; Ihr könnt aber fein spielen&comma; es ist ja beinahe&comma; als lache Eure Geige&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Paßt auf&comma; daß Kasperle Euch nicht entwischt&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; rief Herr Severin noch&comma; und da lachte auch Liebetraut&period; Lachend schritten sie weiter&comma; und auf einmal tauchte das Waldhaus vor ihnen auf&period; Nun ließ Herr Severin das Kasperle wieder aus dem schwarzen Kasten heraus&period; Da tat der einen lauten Freudenruf&period; Vor ihm lag das Waldhaus&comma; ganz umblüht von einem sommerbunten Garten&period; Seine Fenster standen offen&comma; und an einem der offenen Fenster saß Meister Friedolin und schnitzte&period; Kasperle rannte mit lautem Jubelgeschrei auf das Haus zu&comma; und dem Meister Friedolin entfiel sein Schnitzmesser vor Staunen&period; Je&comma; was war denn das&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Kasperle war wieder da&comma; das Kasperle&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Mutter Annettchen kam herbei&comma; sie hielt die Bratpfanne in der Hand&comma; so schnell war sie vom Abendessenkochen weggelaufen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Und Kasperle mußte erzählen immerzu&comma; und dazwischen mußte er essen&comma; und Herr Severin wurde genötigt&comma; als Gast im Waldhaus zu bleiben&period; Er bekam das allerschönste Zimmer im Oberstock&period; Da schaute ihm der Wald in die Stube hinein&comma; und Herr Severin spielte darin bis spät in die Nacht so wunderschön&comma; daß Liebetraut auf ihrem Bette saß und vor Freude weinte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Kasperle aber schlief fest und traumlos&period; Und als er am nächsten Morgen aufwachte&comma; stand Liebetraut an seinem Bette&comma; die lachte ihn an und sagte&colon; „Kasperle&comma; weißt du es denn&comma; du bist wieder daheim&comma; bist im Waldhaus&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Kasperle sprang mit einem Satz aus dem Bett&period; Im Waldhaus&comma; daheim&excl; Nun wurde er nicht mehr verfolgt&comma; brauchte sich nicht mehr zu verstecken&period; Wie herrlich das war&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Herrn Severin gefiel es so gut im Waldhaus wie dem Kasperle&period; Er mußte freilich nach einigen Wochen wieder in die Weite ziehen&comma; mußte spielen vor fremden Leuten und mußte Instrumenten eine Seele geben&period; Aber er wollte wiederkommen&comma; und dann wollte Liebetraut seine liebe Frau werden&comma; und sie wollten alle mitsammen im Waldhaus wohnen&period; Auch das Michele&comma; denn Herr Severin sagte&comma; sein Versprechen müsse er halten&period; Ach&comma; das Michele&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Kasperle kugelte sich im Wald herum vor Freude&comma; wenn er daran dachte&comma; daß Michele kommen würde&period; Dann war er nicht mehr allein&comma; dann hatte er einen lieben&comma; lieben Kameraden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Denkst du noch an das Fortlaufen&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; fragte ihn Liebetraut manchmal&period; Da schüttelte er immer heftig den Kopf und schrie&colon; „Nein&comma; nein&comma; nein&comma; ich will immer&comma; immer im Waldhaus bleiben&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Er hütete sich auch wohl&comma; im Wald über die Grenze zu laufen&comma; und als nach etlichen Wochen der Kasperlemann wieder erschien&comma; da kroch Kasperle in das Bett und zog sich die Decke tief über die Ohren&period; Aber der Kasperlemann merkte doch&comma; daß Kasperle wieder daheim war&semi; er schnüffelte im Hause herum&comma; doch Liebetraut hatte Kasperles Kämmerlein abgeschlossen und trug den Schlüssel in ihrer Tasche&period; Da mußte der Kasperlemann abziehen&comma; und Kasperle blieb im Waldhaus&period; Er ließ sich auch nicht verlocken&comma; als ein paar Tage später ein Handelsmann erschien&comma; der ihm wunderschöne Dinge versprach und ihn bat&comma; er solle ihm nur ein Stück seinen Kasten tragen&period; O nein&comma; Kasperle war draußen in der Welt gescheit geworden&comma; der ließ sich nicht fangen&excl; Und der Herr Herzog konnte sich so viel ärgern&comma; soviel er wollte&comma; Kasperle bekam er doch nicht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Im Winter kam dann Herr Severin wieder&period; Im Waldhaus gab es eine stille&comma; fröhliche Hochzeit&period; Und dann&comma; nach einigen Wochen&comma; kam ein Gast&semi; der gute Herr Habermus war es&comma; der brachte das Michele mit&period; Da gab es ein frohes Wiedersehen&comma; und als Herr Habermus nach etlichen Tagen wieder heimreiste&comma; sagte er&colon; „Kasperle&comma; du warst zwar ein schlimmer Schüler&comma; aber ich hätte dich doch gern wieder in meiner Schule sitzen&period; Freilich&comma; im Waldhaus hast du es am allerbesten&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Und das war wahr&period; Nirgends&comma; fand Kasperle&comma; sei es so schön wie im Waldhaus&semi; nur vielleicht auf der Kasperleinsel war es noch schöner&period; Doch niemand wußte&comma; wo die lag&comma; niemand kannte des Kasperles eigentliche Heimat&period;<&sol;p>

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