Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Märchen-Sammlung
(Ludwig Bechstein, empfohlenes Alter: 8 - 11 Jahre)

Der Schmied von Jüterbog

<p>Im Städtlein Jüterbog hat einmal ein Schmied gelebt&comma; von dem erzählen sich Kinder und Alte ein wundersames Märlein&period; Es war dieser Schmied erst ein junger Bursche&comma; der treulich Gottes Gebote hielt&comma; aber einen sehr strengen Vater hatte&period; Er tat große Reisen und erlebte viele Abenteuer&semi; dabei war er in seiner Kunst über alle Maßen geschickt und tüchtig&period; Auch hatte er eine Stahltinktur&comma; die jeden damit bestrichenen Harnisch undurchdringlich machte&period;&nbsp&semi;Er gesellte sich dem Heere Kaiser Friedrichs I&period; zu&comma; wo er kaiserlicher Rüstmeister wurde und den Kriegszug nach Mailand und Apulien mitmachte&period; Dort eroberte er den Heer- und Bannerwagen der Stadt und kehrte endlich&comma; nachdem der Kaiser gestorben war&comma; mit vielem Reichtum in seine Heimat zurück&period; Er sah gute Tage&comma; dann wieder böse und wurde über hundert Jahre alt&period; Einst saß er in seinem Garten unter einem alten Birnbaum&comma; da kam auf einem Esel ein graues Männlein geritten&comma; das sich schon mehrmals als des Schmiedes Schutzgeist bewiesen hatte&period; Dieses Männchen herbergte bei dem Meister und ließ den Esel beschlagen&comma; was jener gern tat&comma; ohne Lohn zu heischen&period; Darauf sagte das Männlein zu ihm&comma; er solle drei Wünsche tun&comma; aber dabei das Beste nicht vergessen&period; Da wünschte der Schmied&comma; weil die Diebe ihm oft die Birnen gestohlen&comma; es solle keiner&comma; der auf den Birnbaum gestiegen&comma; ohne seinen Willen wieder herunter können — und weil er auch in der Stube öfters bestohlen worden war&comma; so wünschte er&comma; es solle niemand ohne seine Erlaubnis in die Stube kommen können&comma; es wäre denn durch das Schlüsselloch&period; Bei jedem dieser törichten Wünsche warnte das Männlein&colon; „Vergiß das Beste nicht&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; — und da tat der Schmied den dritten Wunsch&colon; „Das Beste ist ein guter Schnaps&comma; so wünsche ich&comma; daß diese Bulle niemals leer werde&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>— „Deine Wünsche sind gewährt&OpenCurlyDoubleQuote;&comma; sprach das Männchen&comma; strich noch mit der Hand über einige Stangen Eisen&comma; die in der Schmiede lagen&comma; setzte sich auf seinen Esel und ritt von dannen&period; Das Eisen war in blankes Silber verwandelt&comma; der vorher arm gewordene Schmied war wieder reich und lebte fort und fort bei gutem Wohlsein&comma; denn die nie versiegenden Magentropfen in der Bulle waren&comma; ohne daß er es wußte&comma; ein Lebenselixir&period;&nbsp&semi;Endlich klopfte der Tod an&comma; der ihn so lange vergessen zu haben schien&period; Der Schmied war scheinbar auch gern bereitwillig&comma; mit ihm zu gehen und bat nur&comma; ihm ein kleines Labsal zu vergönnen und ein paar Birnen von dem Baum zu holen&comma; den er nicht selbst mehr besteigen könne aus großer Altersschwäche&period; Der Tod stieg auf den Baum&comma; und der Schmied sprach&colon; „Bleib droben&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; denn er hatte Lust&comma; noch länger zu leben&period; Der Tod fraß alle Birnen vom Baum&comma; dann gingen seine Fasten an&comma; und vor Hunger verzehrte er sich selbst mit Haut und Haar&comma; daher er jetzt nur noch ein so scheußlich dürres Gerippe ist&period; Auf Erden aber starb niemand mehr&comma; weder Mensch noch Tier&semi; darüber entstand viel Unheil&comma; und endlich ging der Schmied hin zum klappernden Tod und verhandelte mit ihm&comma; daß er ihn fürder in Ruhe lasse&comma; dann gab er ihn frei&period; Wütend floh der Tod von dannen und begann auf Erden aufzuräumen&period; Da er sich an dem Schmied nicht rächen konnte&comma; so hetzte er ihm den Teufel auf den Hals&period; Dieser machte sich flugs auf den Weg&comma; aber der pfiffige Schmied roch den Schwefel voraus&comma; schloß seine Türe zu&comma; hielt mit den Gesellen einen ledernen Sack an das Schlüsselloch&comma; und wie Herr Urian hindurchfuhr&comma; da er nicht anders in die Schmiede konnte&comma; wurde der Sack zugebunden&comma; zum Amboß getragen und nun ganz unbarmherziglich mit den schwersten Hämmern auf den Teufel losgepocht&comma; daß ihm Hören und Sehen verging&comma; er ganz mürbe wurde und das Wiederkommen auf immer verschwur&period;&nbsp&semi;Nun lebte der Schmied noch gar lange Zeit in Ruhe&comma; bis er&comma; da alle Freunde und Bekannte gestorben waren&comma; des Erdenlebens satt und müde wurde&period; Machte sich deshalb auf den Weg und ging nach dem Himmel&comma; wo er bescheidentlich am Tore klopfte&period; Da schaute der heilige Petrus herfür&comma; und Peter der Schmied erkannte in ihm seinen Schutzpatron und Schutzgeist&comma; der ihn oft aus Not und Gefahr sichtbar errettet und ihm zuletzt die drei Wünsche gewährt hatte&period; Jetzt sprach Petrus&colon; „Hebe dich weg&comma; der Himmel bleibt dir verschlossen&semi; du hast das Beste zu erbitten vergessen&colon; die Seligkeit&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; — Auf diesen Bescheid wandte sich Peter&comma; gedachte sein Heil in der Hölle zu versuchen und wanderte wieder abwärts&comma; fand auch bald den rechten&comma; breiten und vielbegangenen Weg&period; Als aber der Teufel erfuhr&comma; daß der Schmied von Jüterbog im Anzuge sei&comma; schlug er ihm das Höllentor vor der Nase zu und setzte die Hölle gegen ihn in Verteidigungsstand&period; Da nun der Schmied von Jüterbog weder im Himmel noch in der Hölle Zuflucht fand und auf Erden es ihm nimmer gefallen wollte&comma; so ist er hinab in den Kyffhäuser gegangen zu Kaiser Friedrich&comma; dem er einst gedient&period;&nbsp&semi;Der alte Kaiser&comma; sein Herr&comma; freute sich&comma; als er seinen Rüstmeister kommen sah&comma; und fragte ihn gleich&comma; ob die Raben noch um den Turm der Burgruine Kyffhäuser flögen&quest; Und als Peter das bejahte&comma; so seufzte der Rotbart&period; Der Schmied aber blieb im Berge&comma; wo er des Kaisers Handpferd und die Pferde der Prinzessin und die der reitenden Fräulein beschlägt&comma; bis des Kaisers Erlösungsstunde auch ihm schlagen wird&period; — Und das wird geschehen nach dem Munde der Sage&comma; wenn dereinst die Raben nicht mehr um den Berg fliegen und auf dem Ratsfeld nahe dem Kyffhäuser ein alter&comma; dürrer&comma; abgestorbener Birnbaum wieder ausschlägt&comma; grünt und blüht&period; Dann tritt der Kaiser hervor mit all seinen Wappnern&comma; schlägt die große Schlacht der Befreiung und hängt seinen Schild an den wieder grünen Baum&period; Hierauf geht er mit seinem Gesinde zu der ewigen Ruhe&period;<&sol;p>