Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Die Abenteuer Tom Sawyers
(Mark Twain, 1876, empfohlenes Alter: 12 - 13 Jahre)

17. Kapitel

<p>Ungefähr um Mitternacht erwachte Joe und rief die Jungen an&period; Drückende Schwüle lag in der Luft&comma; das hatte etwas zu bedeuten&period; Die Jungen drückten sich aneinander und suchten die freundliche Gesellschaft des Feuers&comma; obwohl die matte&comma; tote Hitze der reglosen Atmosphäre erstickend war&period; Sie saßen still&comma; horchend und wartend&period; Jenseits des Lichtschimmers ging alles in der Schwärze der Finsternis auf&period; Plötzlich fuhr ein zitternder Blitzstrahl herunter&comma; der auf einen Augenblick die Umgebung erleuchtete und dann wieder schwand&period; Nach kurzer Zeit kam wieder einer&comma; etwas schwächer&period; Dann noch einer&period; Darauf ging ein leises Zittern durch die Bäume des Waldes&comma; und die Knaben empfanden eine kurze Kühlung im Gesicht und zitterten bei dem Gedanken&comma; daß der Geist der Nacht an ihnen vorübergegangen sei&period; Dann eine Pause&period; Und dann verwandelte ein zauberhafter Blitzstrahl die Nacht in den Tag und zeigte jeden einzelnen Grashalm&comma; der um ihre Füße herum wuchs&period; Und außerdem zeigte er drei weiße entsetzte Gesichter&period; Ein schwerer Donnerschlag kam rollend und polternd vom Himmel herunter und verlor sich in der Ferne in dumpfem Grollen&period; Ein kühler Lufthauch machte sich fühlbar&comma; in den Blättern raschelnd und die aufgehäufte Asche über den Feuerherd wirbelnd&period; Ein neuer blendender Schein erhellte den Wald&comma; und ein Krach folgte&comma; der die Baumwipfel über den Häuptern der Kinder zu zerreißen schien&period; Sie fuhren erschreckt zusammen bei der vollkommenen Finsternis&comma; die darauf folgte&period; Ein paar schwere Regentropfen fielen klatschend auf die Blätter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Schnell&comma; Jungens&comma; zum Zelt&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; schrie Tom&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Sie rannten davon&comma; über Wurzeln stolpernd und sich in Schlinggewächse verwickelnd — nicht zwei von ihnen in gleicher Richtung&period; Ein furchtbarer Windstoß fuhr durch die Wipfel&comma; jeden Laut verschlingend&period; Ein blendender Blitz folgte dem anderen&comma; ein krachender Donnerschlag dem anderen&period; Und jetzt prasselte durchnässender Regen nieder&comma; und der tobende Orkan fegte ihn in Bündeln über die Erde hin&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Jungen schrien einander zu&comma; aber der heulende Wind und die dröhnenden Donnerschläge verschlangen ihre Stimmen völlig&period; Indessen drangen sie doch nacheinander durch und suchten Schutz unter dem Zelt&comma; kalt&comma; zitternd und triefend von Wasser&period; Gesellschaft im Unglück zu haben&comma; schien ihnen alles erträglicher zu machen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Sie konnten nicht sprechen&comma; das alte Segel schlug zu wahnsinnig&comma; selbst wenn die anderen Stimmen es ihnen erlaubt hätten&period; Der Sturm stieg höher und höher&comma; und plötzlich flog das Segel&comma; aus seinen Klammern losgerissen&comma; auf den Flügeln des Windes davon&period; Die Knaben faßten sich an den Händen und flohen&comma; stolpernd und sich wund stoßend&comma; in den Schutz einer großen Eiche&comma; die am Flußufer stand&period; Jetzt war der Kampf auf seinem Höhepunkt angelangt&period; Bei dem unaufhörlichen Leuchten&comma; das den Himmel in Flammen setzte&comma; trat alles rund umher in grelles&comma; schattenloses Licht&semi; die sich beugenden Bäume&comma; der wogende&comma; von Schaum weißgefärbte Strom&comma; das treibende Flußwasser&period; Die steilen Felsenufer auf der anderen Seite schauten zuweilen durch die Regenwolken&period; Alle Augenblicke erlag ein Baumriese der Gewalt und brach krachend durch das Unterholz&period; Und die furchtbaren Donnerschläge folgten sich in ohrenzerreißendem&comma; explosionsähnlichem Schmettern&comma; scharf und krachend und unbeschreiblich ängstigend&period; Der Sturm erhöhte sich zu beispielloser Wut&comma; die die ganze Insel in Stücke reißen&comma; sie zu verbrennen&comma; bis zu den Baumwipfeln versenken und jedes Lebewesen auf ihr vernichten zu wollen schien&comma; alles gleichzeitig und in <em>einem<&sol;em> Augenblick&period; Es war eine schreckliche Nacht für heimatlose junge Herzen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber endlich hatte der Kampf ausgetobt&comma; die Naturkräfte ruhten&comma; schwächer und schwächer tönend und brummend — Friede herrschte&period; Die Jungen schlichen zum Lager zurück — nicht wenig eingeschüchtert&period; Und doch fanden sie dort&comma; daß sie alle Ursache hatten&comma; dankbar zu sein&comma; denn die große Sykomore&comma; die Beschützerin ihres Lagers&comma; war jetzt eine Ruine&comma; vom Blitz zerschmettert — und sie waren während der Katastrophe nicht darunter gewesen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Alles im Lager war durchnäßt&comma; das Feuer erloschen&semi; denn sie waren leichtsinnige Herumtreiber&comma; wie alle ihresgleichen&comma; und hatten keine Vorsichtsmaßregeln gegen den Regen getroffen&period; Das war sehr ärgerlich&comma; denn sie waren durchweicht und verfroren&period; Sie fingen an&comma; über ihr Mißgeschick zu jammern&semi; aber plötzlich entdeckten sie&comma; daß das Feuer sich an dem Baum&comma; unter dem es gebrannt hatte&comma; so weit hinauf fortgepflanzt hatte&comma; daß eine Handbreit oder so erhalten geblieben war und noch schwach glimmte&period; Sie belebten es geduldig mit Zweigen und Rinde des umgestürzten Baumes&comma; bis sie es wieder ordentlich entfacht hatten&period; Sie trockneten ihren gekochten Schinken und hielten eine Mahlzeit ab&comma; und dann saßen sie am Feuer und verbreiteten sich über ihre nächtlichen Abenteuer und schmückten sie aus bis zum Morgen&comma; denn es gab kein trockenes Plätzchen in der ganzen Umgebung&comma; wo sie hätten ruhen können&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als die Sonne auf die Knaben zu scheinen begann&comma; überwältigte sie die Müdigkeit&comma; und sie gingen zur Sandbank und legten sich zum Schlaf nieder&period; Allmählich wurden sie von der Sonne geröstet und machten sich daher in trüber Stimmung ans Frühstück&period; Sie fühlten sich übellaunig und steif in allen Gliedern und hatten Heimweh&comma; mehr als je&period; Tom erkannte die Anzeichen davon und versuchte&comma; die Piraten&comma; so gut er es vermochte&comma; aufzuheitern&period; Aber sie kümmerten sich den Teufel um Murmeln&comma; Zirkus&comma; Schwimmen oder sonst was&period; Er erinnerte sie an das großartige Geheimnis und erzielte einen Schimmer von Frohsinn&period; So lange der anhielt&comma; suchte er sie für ein neues Spiel zu interessieren&period; Es war&comma; für eine Weile das Piratenspielen aufzugeben und zur Abwechselung mal Indianer zu sein&period; Sie waren von der Idee begeistert&semi; und so dauerte es nicht lange&comma; da waren sie tätowiert&comma; tätowiert von Kopf bis zu Fuß mit schwarzem Schmutz&comma; gleich den Zebras&comma; alle natürlich Häuptlinge&comma; und dann rannten sie heulend durch die Wälder&comma; um englische Niederlassungen anzugreifen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Dann trennten sie sich in drei feindliche Stämme und stürzten aus Hinterhalten mit schrecklichem Kriegsgeschrei aufeinander los und töteten einander tausendweise&period; Es war ein blutiger Tag&period; Darum war es ein befriedigender&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Zur Mittagszeit versammelten sie sich wieder im Lager&comma; hungrig und glücklich&period; Aber jetzt zeigte sich ein Hindernis — feindliche Indianer konnten das Friedensbrot nicht miteinander brechen&comma; ohne erst Frieden zu machen&comma; und <em>das<&sol;em> war einfach unmöglich&comma; ohne eine Friedenspfeife zu rauchen&period; Es gab keinen anderen Weg&comma; von dem sie je gehört hätten&period; Zwei von den Wilden wünschten jetzt&comma; immer Piraten geblieben zu sein&period; Indessen — es war nichts zu machen&comma; so forderten sie denn mit so viel Unbefangenheit&comma; als sie auftreiben konnten&comma; die Pfeifen&comma; und taten&comma; wie es sich gehört&comma; einen Zug daraus&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Und <em>wie<&sol;em> glücklich waren sie dann&comma; daß sie Wilde geworden waren&semi; denn sie hatten dadurch etwas gewonnen&period; Sie merkten&comma; daß sie jetzt ein bißchen rauchen konnten&comma; ohne fortgehen und ein verlorenes Messer suchen zu müssen&period; Es wurde ihnen nicht mehr so schlecht&comma; daß es ihnen Unannehmlichkeiten bereitet hätte&period; Sie hatten aber keine Lust&comma; diese stolze Errungenschaft aus Mangel an Übung wieder zu verlieren&colon; o nein&comma; sie übten sie nach dem Essen mit recht schönem Erfolg&comma; und so verbrachten sie einen herrlichen Abend&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Sie waren mit ihrer neuen Kunst stolzer und glücklicher&comma; als wenn sie sechs Indianerstämme skalpiert und hingeschlachtet hätten&period; Lassen wir sie schmauchen&comma; plaudern und prahlen — denn wir haben im Augenblick nichts mehr mit ihnen zu schaffen&period;<&sol;p>

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