Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Rübezahl - Neue Sammlung der schönsten Sagen und Märchen von dem Berggeiste im Riesengebirge
(Rosalie Koch)

Der Musterreiter

<p>Rübezahl saß eines Tages oben auf dem Grubenstein&comma; der Rübezahls Kanzel genannt wird&comma; und sah hinunter auf die Welt&comma; und dachte dies und jenes&period; Da kamen drei Reisende über die Sturmhaube auf die Schneegruben zu&comma; und Rübezahl merkte bald aus ihrem Gespräch&comma; daß es Kaufleute waren&comma; so eine Art von Hausierern&comma; die man heutzutage Musterreiter nennt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Worin reiset ihr denn&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; fragte der eine&semi; „in Fischtran&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; erwiderte der andere&semi; „und ich&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; fuhr der erste fort&comma; „reise in Wagenschmiere&period;&OpenCurlyDoubleQuote; „Ein schöner Artikel&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; versetzte der andere&semi; „und ihr&comma; mein Herr&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; wandte er sich an den dritten&period; „In Limburger Käse&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; war die Antwort&period; „Ein beliebter Artikel&comma; — verdrängt den Schweizerkäse&comma; — in Holländischem wird wenig mehr gemacht&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; riefen beide wie aus einem Munde&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Rübezahl horchte hoch auf und verstand von alledem kein Wort&semi; daß jemand in Fischtran und Wagenschmiere&comma; ja selbst in Limburger Käse reisen könne&comma; war ihm völlig unverständlich und unglaublich&period; Indessen dachte er&comma; du willst doch weiter hören&period; Aber was hörte er&quest; — Die Reisenden&comma; welche sich jetzt auch auf dem Felsen niedergesetzt hatten&comma; achteten nicht auf den schlicht aussehenden Mann&comma; ließen ihre Schnappsäcke mit Wein und kaltem Wildbrett hinauftragen und waren fröhlich und guter Dinge&period; Je mehr sie tranken&comma; desto offenherziger wurden sie gegen einander&comma; und Rübezahl erfuhr nun ganz&comma; wes Geistes Kind sie wären&period; Daß sie wie die Hausierer bei den Leuten herumliefen und ihre Waren anböten&comma; ihre verschiedenen Manieren&comma; mit denen sie ihre Kunden behandelten&comma; alles dies erfuhr er aus ihrem eigenen Munde&comma; und er staunte über die Dreistigkeit der Burschen&period; Einer von ihnen meinte&comma; je unverschämter man sei&comma; desto mehr setze man durch&comma; und je feiner gebildet die Leute wären&comma; desto mehr müsse man sie bestürmen&comma; weil sie dann in der Regel das Mittel ergreifen&comma; lieber etwas zu kaufen&comma; um sie los zu werden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Wie sind nur die Leute so blind&comma; dachte Rübezahl&comma; daß sie sich von der großtuerischen Rolle verblenden lassen&comma; die solche Burschen spielen&period; Denn wenn sich diese Musterreiter so üppig und verschwenderisch benehmen&comma; so liegt es ja auf der Hand&comma; daß die Käufer zuvor tüchtig gerupft werden müssen&comma; ehe so viel unnötiger Aufwand bestritten wird&period; — Rübezahl mochte endlich ihre prahlerischen Reden nicht länger anhören und verließ den Felsen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nun gingen auch endlich die Reisenden weiter&comma; bergab nach dem Elbfall zu&semi; aber das schöne Wetter änderte sich plötzlich&comma; ein dichter Nebel umzog den ganzen Kamm&comma; und die drei Musterreiter gingen in lauter Wolken&comma; was sie sehr in üble Laune versetzte&comma; denn dem einen verdarb die Feuchtigkeit den zierlichen Lockenbau&comma; dem andern wurden die Vatermörder und Manschetten weich&comma; der dritte machte seine Stiefel von feinem Glanzleder auf dem schlüpfrigen Wege schmutzig&period; Aber ihr Unmut stieg gewaltig&comma; als der Führer nun gar die Richtung verlor und sie zwischen Sumpf und Fichten&comma; Steinblöcken und Heidekraut&comma; kreuz und quer herumführte&period; Endlich kam die übel gelaunte Gesellschaft an einen Fluß&comma; den man wegen des dichten Nebels nicht übersehen konnte&semi; ein Mann von abenteuerlichem Ansehen vertrat ihnen hier den Weg&comma; schöpfte mit einem Glase aus dem Flusse&comma; bot ihnen dasselbe dar und sagte&colon; „Ihr müßt Bescheid tun&comma; ihr Herren&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Der eine setzte das Glas an den Mund&comma; roch und sagte&colon; „Das ist ja Fischtran&period;&OpenCurlyDoubleQuote; — „Nun ja&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; versetzte der Mann&comma; „und eben darum müßt ihr Bescheid tun&comma; sonst kommt ihr nicht von der Stelle&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Das ist euer Artikel&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Reisende und reichte das Glas dem Gefährten&period; Der aber mochte nicht&comma; schüttelte sich und sagte&comma; er sei kein Grönländer und auch kein Schuhleder&comma; so etwas trinke er nicht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Nun&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; erwiderte der fremde Mann mit schrecklicher Stimme&comma; „ihr reiset ja in Fischtran&comma; und wenn ihr nicht trinkt&comma; so kommt ihr nicht lebendig hier weg&comma; es ist euer letztes&period;&OpenCurlyDoubleQuote; — „Kollege&comma; trinkt&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; schrie der dritte in Verzweiflung&comma; und die Angst preßte ihm Tränen in die Augen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der arme Reisende drückte die Augen fest zu&comma; schüttelte sich ein parmal&comma; dann schluckte er herzhaft — und leer war das Glas&period; Jetzt hob sich der Nebel ein wenig&comma; und da auch der fremde Mann zur Seite trat und zwischen dem Gestein verschwand&comma; sahen die Reisenden dicht vor sich einen Steg&comma; der sie sicher über den Bach brachte&period; Schon glaubten die Musterreiter&comma; nun außer aller weitern Gefahr zu sein&comma; denn sie hörten das Rauschen des Elbfalls ganz in der Nähe&semi; aber mit einem Male senkte sich der Berg zwischen Felsen hinunter in eine grausige Tiefe&comma; und jenseits starrten wieder senkrechte Wände von Felsen empor&period; Sie kamen nun unten an einen Fluß&comma; der ganz langsam seine schwarzen Wogen heranwälzte&comma; und dabei hing eine Tafel mit der Inschrift&colon; „Durch&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Der eine Reisende stieg zuerst hinunter&comma; tastete&comma; roch und sagte&colon; „Das ist ja Wagenschmiere&comma; sind wir denn bezaubert und verhext&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ei nun&comma; das ist ja euer Artikel&comma; und ihr müßt zuerst hindurch&comma; oder wir werfen euch in die schwarze Suppe und gehen über euern Rücken&comma; wie über eine Brücke&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Das wollte allerdings dem Reisenden nicht in den Kopf&comma; aber hier galt Gewalt vor Recht&comma; und da er sah&comma; wie hier nicht anders los zu kommen sei&comma; schritt er in Verzweiflung hinein in den abscheulichen Strom&comma; — die andern folgten ihm langsam nach&period; Endlich standen sie alle wieder am jenseitigen Ufer und befanden sich nun in der Nähe desselben sonderbaren Mannes&comma; der ihnen den Trunk aus dem Fischtranflusse gereicht hatte&period; Er stand an den Felsen gelehnt und lachte auf das boshafteste&comma; indem er sagte&colon; „Nun seid ihr saubern Gesellen doch auch einmal angeschmiert und mögt jetzt eures Weges ziehen&semi; vielleicht vergeßt ihr die erhaltene Lehre nicht zu geschwind und hütet euch&comma; andere in eurer Weise anzuschmieren&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Damit ging der fremde Mann in den Wald hinein&period; Der Weg&comma; auf dem die Reisenden sich jetzt befanden&comma; war nun wieder breiter und ebener&comma; und der Führer sagte&comma; nun sei er auf bekanntem Pfade&period; Wirklich sahen sie auch bald&comma; da sich jetzt der Nebel hob&comma; die Hütten von Schreiberhau auf sonnigen Matten vor sich liegen&period; Dorthin hatten sie ihre Wagen bestellt&comma; und bald saßen sie&comma; besonders der dritte&comma; ihrer Meinung nach&comma; allem Ungemach entronnen&comma; in den weichen Kissen und fuhren getrost nach Warmbrunn hinab&period; Im Gasthofe zur preußischen Krone stiegen sie ab&comma; wo eben eine große Gesellschaft unter dem Leinwanddache saß und Kaffee trank&period; Die Musterreiter zupften geschwind Halstuch und Manschetten zurecht&comma; fuhren durch die in Unordnung gekommenen Haare und gaben sich das möglichst zierlichste Ansehen&comma; während sie durch die Damenreihe gingen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Diese wendeten sich jedoch mit allen Zeichen des Ekels von den Reisenden ab und nahmen ihre Taschentücher oder ihre Flacons vor die Nase&period; „Ei der Tausend&comma; wie siehst du denn aus&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; fragten die beiden Reisenden den dritten&comma; als sie in das Gastzimmer traten&comma; „und&comma; o pfui — wie duftest du&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Wie erschrak der Angeredete&comma; als er&comma; schleunigst seinen Rock&comma; ausziehend&comma; bemerkte&comma; daß dieser sehr unsauber aussah&comma; denn statt auf Wagenkissen hatte er in seinem Artikel — in Limburger Käse gesessen&excl; —<&sol;p>&NewLine;<p>Das war ein arger Spaß&comma; den Rübezahl mit den drei Musterreitern angezettelt hatte&comma; möchte er nur auf eine gute Weile geholfen haben&period; Wenn der Berggeist jetzt noch spukte&comma; so fänd’ er alle Hände voll zu tun&semi; es reisen gar wunderliche Leute ins Hochgebirge&period;<&sol;p>