Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Rübezahl - Neue Sammlung der schönsten Sagen und Märchen von dem Berggeiste im Riesengebirge
(Rosalie Koch)

Der böse Edelmann

<p>Ein Edelmann&comma; den Rübezahl schon einmal durch einen Possen gewarnt hatte&comma; da ihm so viele Klagen zu Ohren gekommen&comma; war besonders hart gegen die Armen&comma; wenn er sie im Holze traf und gab ihnen seine Reitpeitsche sogleich zu fühlen&period; Trieb nun gar ein Bauer das herrschaftliche Wild von seinen Feldern&comma; wo es Verheerungen anrichtete&comma; den verfolgte er mit besonderem Hasse&period; Wer einen Hirsch tötete&comma; der seine Saaten fraß&comma; ward nicht selten zwischen die Geweihe eines Hirsches gebunden und in den Wald hinausgeschickt&comma; bis das Tier sich seiner Bürde auf irgend eine Weise entledigte&period; —<&sol;p>&NewLine;<p>„Komm du mir nur einmal ins Gebirge&comma; dir will ich’s heimzahlen&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; denkt Rübezahl&period; Nun geschieht’s auch wirklich einmal&comma; daß der Edelmann eine große Jagd anstellt und sich dabei um keine Grenze bekümmert&period; Auf diese Weise kommt er in Rübezahls Gebiet&semi; der hört kaum das Hallo der Treiber&comma; das Knallen der Röhre&comma; so denkt er&colon; „Ha&comma; nun ist’s Zeit&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Tritt also auf den Edelmann zu und fragt ihn&comma; wer ihm erlaube&comma; auf fremdem Reviere zu jagen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Edelmann erstaunte nicht wenig über die Keckheit des unbekannten&comma; unscheinbaren Mannes&comma; fährt ihn rauh an&comma; ihn fragend&comma; wie er dazu komme&comma; ihm&comma; dem Edelmann&comma; in den Weg zu treten&period; Rübezahl erwiderte&colon; „Hier bin ich der Herr&comma; und du sollst sehen und fühlen&comma; daß du mit mir nicht umspringen darfst&comma; wie mit deinen armen Bauern&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Solche kecke Rede hatte der Edelmann noch nie gehört&comma; er stößt in sein Hüfthorn und gibt den herbeieilenden Jägern Befehl&comma; den Mann zu ergreifen&period; Der bleibt ruhig stehen und sieht einen nach dem andern mit stechenden Augen an und wenn er einen ansieht&comma; so steht dieser gleich starr und steif da&period; Nun wird der Edelmann wütend&comma; zieht sein Waidmesser heraus und will es dem ersten besten in den Leib stoßen&period; Aber Rübezahl faßt ihn gelassen an der Brust&comma; so daß er sich nicht rühren und regen kann&period; Hierauf hält er ihm sein ganzes Sündenregister vor und sagt ihm&comma; dies sei seine letzte Jagd&period; — Dann verschwand er&comma; nachdem er den Edelherrn auf den Boden geworfen hatte&comma; daß ihm alle Rippen krachten&period; Kaum war er fort&comma; so bekamen Jäger und Treiber das Leben wieder&comma; machten eine Bahre von Zweigen&comma; legten den Herrn darauf und trugen ihn nach Hause&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nun war im Schlosse große Trauer und im Dorfe große Freude&period; Der Doktor wußte nicht recht&comma; was er dem Kranken verschreiben solle und griff bald zu diesem&comma; bald zu jenem&period; So mußte unser Edelmann ganze Schaufeln Pulver nehmen&comma; Kochtöpfe voll Latwerge und Pillen&comma; so groß wie Straußeneier&semi; aber es half doch alles nichts&period; Nun wurde ihm Ader gelassen und er mußte so diät leben&comma; wie ein Sperling&semi; darüber verging der edle Herr vollends&semi; zuletzt ward er so verändert und ruhig&comma; daß er sagte&colon; „Mit mir ist’s vorbei&comma; gebt mir meinen Degen an die Seite&comma; daß ich wie ein Edelmann sterben kann&period;&OpenCurlyDoubleQuote; „Gebt ihm auch die Sporen dazu&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte einer seiner Freunde&comma; „denn diese gehören zu einem Edelmann&comma; der vor seinen Gott treten soll&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Da verwunderten sich die Diener&comma; daß ihr Herr auch einen Gott habe&comma; weil sie dies nie zuvor gehört hatten und freuten sich in ihren einfältigen Herzen darüber&period; Und sie zogen ihm Stiefel und Sporen an&comma; legten ihm den Degen an die Seite&comma; zu Füßen sein Wappenschild&period; Dann starb der Kranke beruhigt&period; Auf einmal klopft es an die Tür und ein Fremder tritt herein&comma; der sich für einen adeligen Arzt ausgibt und einen Versuch machen will&comma; ob der Edelmann wirklich kein Leben mehr in sich habe&period; Das war aber wieder Freund Rübezahl&comma; und wie er den Toten berührt&comma; fällt er sogleich in ein Häufchen Asche zusammen&semi; selbst vom Degen und den silbernen Sporen ist nichts mehr zu sehen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Vergessen ist der Edelmann wie jeder&comma; der nichts Gutes im Leben geleistet hat&comma; vergessen nicht nur von seinen Feinden&comma; auch die Freunde&comma; die freilich nur auf Äußerlichkeiten sahen&comma; haben nichts zur Erinnerung zurückbehalten&comma; vergessen wie jeder Egoist&comma; der nichts tut&comma; seine Mitmenschen zu beglücken&comma; oder ihnen im Elend zu helfen&period;<&sol;p>