Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Rübezahl - Neue Sammlung der schönsten Sagen und Märchen von dem Berggeiste im Riesengebirge
(Rosalie Koch)

Der böse Vogt

<p>Es war einmal ein Ritter&comma; der Frau und Kind plötzlich durch den Tod verlor und darüber so in Trübsinn versank&comma; daß ihm nichts auf der Welt mehr Freude machte&period; Es ward ihm unheimlich auf seiner Burg&semi; ritt er zur Jagd aus&comma; so schien ihm der Wald zu eng&semi; der Wein mundete ihm nicht und dem Trost seiner Genossen und Freunde verschloß er das Ohr&period; — Endlich beschloß er&comma; seine Heimat auf lange Jahre zu verlassen&comma; füllte den Säckel mit Goldgülden&comma; befahl dem treuen Knappen&comma; die Rosse zu schirren und übergab die Burg seinem Vogte Lutz&period; Und nun ritt er weit in das Reich hinein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>So lange der Ritter daheim gewesen war&comma; hatten seine Dörfler und Insassen ein glückliches Leben geführt&comma; das ward nun aber bald anders&period; Vogt Lutz ließ die Ältesten aus den Dörfern&comma; die zur Burg gehörten&comma; herbeirufen&comma; und sagte ihnen&comma; daß sie von nun an doppelt so viel Abgaben bezahlen und statt dreier Tage fünf in der Woche frohnen sollten&period; Damit wies er ihnen die Tür und hörte ihre Gegenvorstellungen gar nicht einmal an&period; Nun merkten die Landleute erst&comma; welch ein böser Mensch der Vogt sei&comma; der während der Anwesenheit des Ritters nur immer den Katzenbuckel gezeigt hatte&period; Als sie daher vors Burgtor kamen&comma; sahen sie sich mit trüben Mienen an&comma; schüttelten sich die Hände und trennten sich mit schwerem Herzen&comma; um die schlimme Kunde den anderen mitzuteilen&period; Da gab es viele Klagen bei den Weibern&comma; bei den Männern viel Grimm und Zorn&semi; aber sie wollten fürs erste ruhig abwarten&comma; was da kommen würde&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als sie&comma; wie früher&comma; drei Tage gefrohnt hatten&comma; glaubten sie&comma; daß sie nun ihrer Pflicht Genüge getan hätten und bestellten am vierten Tage ihre eigenen Felder&period; Da kam um die Mittagsstunde der Vogt Lutz mit einem Schwarm gewappneter Knechte in die Dörfer und trieb die Bauern mit Schwertstreichen auf die Äcker&comma; welche zur Burg gehörten&period; Er drohte ihnen auch mit schwerer Strafe&comma; wenn er sie nochmals ungehorsam fände&comma; und als die Bauern die Urkunde zu sehen verlangten&comma; daß ihr Herr so Ungerechtes von ihnen begehre&comma; hob er sein Schwert und sagte&colon; „Seht&comma; hier ist Brief und Siegel genug für euch&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>So mußten denn die Bauern ihre Felder vernachlässigen&comma; und was sie befürchteten&comma; traf bald genug ein&comma; sie konnten ihre früheren Abgaben nicht mehr entrichten&comma; viel weniger die neu auferlegten&period; Da gingen die Ältesten zu dem Vogt und baten ihn auf den Knien&comma; daß er das harte Gebot doch zurücknehmen möchte&period; Aber Lutz jagte sie mit Peitschenhieben aus der Burg&comma; und es war jämmerlich anzusehen&comma; als die Greise mit ihren silberweißen Haaren so hart geschlagen wurden&period; Und als die Bauern dennoch das unbarmherzige Gebot nicht erfüllen konnten und der Termin kam&comma; ohne daß sie Geld hatten&comma; ließ der harte Lutz ihr Vieh wegnehmen&comma; um sich daraus bezahlt zu machen&period; Da vergaß sich ein junger Bauer und stieß böse Reden gegen den Vogt aus&semi; dieser aber ließ ihn sogleich von seinen Knechten umringen und an den Schweif seines Rosses festbinden&semi; so ward er zur Burg geschleift und dort in ein finsteres Verließ geworfen&comma; auf dessen Boden es von Kröten und giftigem Gewürm wimmelte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Im Dorfe aber wehklagten die Bauern&comma; und am meisten jammerte Anna&comma; die Braut des jungen Landmannes&comma; der die Rache des Vogtes auf sich gezogen hatte&period; Sie lief weinend in den Wald&comma; und niemand konnte sie trösten&period; Da begegnete ihr ein hoher Rittersmann&comma; der vom Kopfe bis zum Fuße in glänzenden Stahl gehüllt war&period; Anna erschrak vor der unerwarteten Erscheinung&comma; als aber der Ritter&comma; sein Visier aufschlug und sie sein edles&comma; männliches Gesicht sah&comma; welches sie freundlich anblickte&comma; da faßte sie Mut&period; „Was weinst du&comma; mein Kind&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; fragte der Ritter mit einer so wohltönenden Stimme&comma; daß Anna davon wunderbar ergriffen wurde&period; Sie öffnet dem Fremden ihr ganzes Herz voller Zutrauen&comma; indem sie ihm die Geschichte mit dem Vogte von Anfang bis zu Ende erzählte&period; Aufmerksam hörte ihr der Ritter zu und gebot ihr dann&comma; die Ältesten aus den Dörfern herbeizurufen&comma; die er an der Kapelle vor der Burg erwarten wolle&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Anna vollzog eilig sein Gebot&comma; und ehe die Sanduhr zweimal gewendet war&comma; fanden sich die Gerufenen an der bezeichneten Stelle zusammen&period; „Liebe Väter&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; redete sie der stahlgepanzerte Ritter an&comma; „ich habe von dem Unrecht gehört&comma; daß euch der böse Lutz zugefügt&comma; und da ich ein fahrender Ritter bin&comma; der überall gegen das Unrecht kämpft und seinen Schutz den Bedrängten angedeihen läßt&comma; so will ich auch euch in eurer gerechten Sache beistehen&period; Geht&comma; ruft alle Männer zusammen&comma; daß ich sie führe und die Burg des Vogtes stürme&period;&OpenCurlyDoubleQuote; — Woher mochte es kommen&comma; daß die besonnenen Greise allzugleich Vertrauen zu dem fremden Ritter faßten&quest; Es war ihnen&comma; als könne es gar nicht anders sein&comma; als daß sie ihm Folge leisten müßten&comma; und sie eilten in die Dörfer zurück&comma; um den Vorschlag des Ritters kundzumachen&period; Da griff alt und jung zu den Waffen&comma; waren es gleich nur Stangen und Heugabeln&comma; und damit eilten sie zu der Kapelle&comma; wo der Ritter ihrer wartete&period; Keiner&comma; der nur einen Prügel schwingen konnte&comma; war zurückgeblieben&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als die Einwohner der drei Dörfer versammelt waren&comma; überblickte der Ritter die zahlreiche Schar und sprach&colon; „Wenn ihr Mut im Herzen habt&comma; so folgt mir getrost&comma; ich will euch die Burg erobern und den Vogt züchtigen helfen&period; Wer aber Furcht hat&comma; bleibe daheim&period; Und das möge mein Zeichen sein&comma; daß ihr mir getrost folgen könnt&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Als er diese Worte sprach&comma; warf er seine riesige Lanze so hoch in die Luft&comma; daß sie fast den Augen der Menge entschwand&comma; und als sie sausend wieder herunterfuhr&comma; fing er sie mit gestrecktem Arm wieder auf&period; Da jubelten und riefen die Bauern&colon; „Führe uns&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Und fort ging es nun im Sturmschritt gegen die Burg&comma; der Ritter ging in seiner glänzenden Rüstung immer voran der kampflustigen Schar&colon; Als sie die Burg erreicht hatten&comma; rief der Anführer mit Donnerstimme hinauf&comma; Lutz solle sich auf der Zinne zeigen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Alsbald erschien auch der Vogt&comma; von Neugier getrieben und Spott im Herzen&semi; höhnisch blickte er auf die Feinde hinab&period; „Ergib dich&comma; Lutz&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; rief der Ritter&comma; „und bedenke dich nicht länger&comma; als zwölf Sandkörner brauchen&comma; um in der Uhr zu verrinnen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Ach&comma; was sprudelte da der Vogt für Witz- und Schimpfwörter hinaus&excl; Strolch und Strauchdieb wurde der Ritter&comma; Galgenfutter die Bauern genannt&semi; dann lief er zornig hinweg&comma; um seinen Knechten zu befehlen&comma; daß sie das Gesindel von dem äußeren Tore der Burg verjagen möchten&period; Nun ward ein Hagel von Bolzen nach den Bauern herabgeschossen&comma; aber wunderbar&excl; die tötlichen Geschosse verfehlten alle ihr Ziel&comma; und der fremde Ritter erhob indes seine ungeheure Streitaxt und spaltete mit einem Schlage das Tor der Burg&period; Hoch schwang er nun seine gewaltige Waffe und stürmte voran&semi; ein wunderbarer Mut beseelte die Bauern&comma; daß sie ihm jauchzend folgten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Vergebens war alle Gegenwehr der Knechte&semi; wie Blitz und Donner schmetterte die Streitaxt in ihre Reihen&semi; da warfen die Reisigen ihre Waffen weg und baten um Gnade&period; Der Vogt hatte sich versteckt&comma; ward aber bald gefunden&semi; seine eigenen Leute verrieten ihn&period; Der Ritter hielt ein kurzes Gericht&semi; nachdem der junge Bauer aus dem Verließ heraufgeholt worden war&comma; vertrieb er die besiegten Knechte aus der Burg&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nun zog der Ritter ein Pergament hervor&semi; es war die Urkunde vom Tode des eigentlichen Herrn der Burg&comma; der den fremden Ritter zu seinem Erben eingesetzt&comma; weil dieser ihm im Türkenlande einmal das Leben gerettet hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nun wäre der Ritter ihr neuer Gebieter gewesen&comma; er schenkte aber die Burg und alle dazu gehörigen Ländereien dem jungen Landmanne&comma; der Annas Bräutigam war&comma; machte es ihm aber zur Pflicht&comma; die Bauern nicht wie Leibeigene zu behandeln&comma; sondern ihre Rechte zu wahren und zu schützen&period; Die Abgaben wurden aber so gering angesetzt&comma; daß alle Sorge und Not für die Bauern vorüber war&period; Alles dies ward förmlich niedergeschrieben und von dem Ritter unterzeichnet&period; Als alles dies vorüber war&comma; wurde der neue Burgherr mit seiner Anna getraut&comma; wobei der fremde Ritter schöne Geschenke zum Vorschein brachte&comma; ohne daß jemand begreifen konnte&comma; woher er diese in der Eile genommen hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nun ermahnte er die Landleute noch zur Eintracht&comma; und nachdem er dem zitternden Lutz befohlen hatte&comma; ihm zu folgen&comma; schied er aus ihrer Mitte&comma; auf eine Weise&comma; die das Staunen der Versammelten nicht wenig erregte&period; Eine dunkle Wolke senkte sich nämlich plötzlich hernieder und führte den Ritter samt dem Vogt ins Weite&period; Jetzt erkannten die Bauern mit einem Male&comma; daß Rübezahl ihr Helfer gewesen war&comma; und sahen der Wolke segnend nach&comma; bis sie auf den Gipfel eines Berges sich niedersenkte und verschwand&period; Der neue Burgherr aber war mildherzig und brav&comma; wie denn der Berggeist Rübezahl seine Leute immer genau kannte&period; In glücklicher Häuslichkeit und Eintracht lebten die beiden lange Jahre vereint und die guten Jahre ließen sie die schweren Stunden vergessen und viele Freude an ihren Nachkommen erleben&period; Die Bauern waren glücklich und erzählten noch ihren Enkeln mit Dank und Freude die seltsame Mär von Rübezahl und dem bösen Vogt&comma; aber auch von dem letzten&comma; guten Burgherrn&comma; der so unendlich viel Gutes getan hatte und dessen Andenken lange in Ehren blieb&period;<&sol;p>