Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Rübezahl - Neue Sammlung der schönsten Sagen und Märchen von dem Berggeiste im Riesengebirge
(Rosalie Koch)

Der gefundene Esel

<p>Hans und seine Schwester Marie dienten bei einem Bauer in Stonsdorf&comma; einem Dorfe im Riesengebirge&comma; das etwa eine Stunde von Warmbrunn liegt und durch den Prudelberg berühmt ist&comma; einer wunderbaren Granitmasse&comma; darin man die Rischmannshöhle findet&comma; in welcher der Prophet Rischmann im Jahre 1630 seine ersten Weissagungen tat&period; Sie waren beide so fleißig und ordentlich&comma; daß sie sich schon eine kleine Summe erspart hatten&semi; damit gingen sie nun nach Warmbrunn auf den Markt&comma; um ihrer kranken Mutter eine Kuh zu kaufen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Sie hatten sich am Wege in das blühende Haidekraut gesetzt&comma; zählten ihr Geld und bauten allerlei Luftschlösser&comma; wie sie nach und nach das schlechte Häuschen der Mutter verbessern und ein Stück Acker dazu kaufen wollten&period; Dann sollte es die Mutter gut haben auf ihre alten Tage&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Und&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte Hans&comma; „hab’ ich es einmal erst so weit gebracht&comma; daß ich Getreide verkaufen kann&comma; dann halte ich mir ein Pferd&semi; das will ich so gut halten und so blank putzen&comma; wie die Rappen des Edelmannes&period; Das soll eine Freude für mich sein&comma; in die Stadt zum Markte zu reiten&comma; daß die Leute denken&comma; es komme ein reicher Pächter auf seinem schmucken Gaul daher&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Werde nur nicht hochmütig&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte die Schwester besorgt&comma; „Hochmut kommt vor dem Fall&period; Stecke nur das Geld wieder in die Tasche und laß uns weiter gehen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Hans schob den Beutel in die Jacke zurück und schickte sich an&comma; der Schwester zu folgen&comma; da sprang ein stattlicher Esel aus dem Gesträuch am Wege und lief dem Burschen fast in die Hände&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ei&comma; da hätt’ ich ja gleich einen hübschen Anfang&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; lachte Hans und hielt den Esel am Strick fest&comma; der um dessen Hals geschlungen war&period; „Bruder&comma; du wirst doch nicht das Tier behalten wollen&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; fragte Marie ängstlich&period; „Närrchen&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; antwortete dieser&comma; „hältst du mich für gar so schlimm&quest; Wenn ich auch gern reich werden und ein bequemeres Leben führen möchte&comma; so werd’ ich doch nicht etwa deshalb ein Dieb und Betrüger werden sollen&period; Das wolle Gott verhüten&excl; gehe du rechts in das Gebüsch&comma; ich will zur linken Seite suchen&comma; ob wir den Herrn des Esels finden können&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Geschwister suchten und riefen&comma; warteten dann fast eine Stunde lang an der Straße&comma; ob nicht jemand kommen würde&comma; den Esel zu suchen&comma; aber es ließ sich nichts hören und sehen&semi; und da sie nun eilen mußten&comma; um nach Warmbrunn zu kommen&comma; weil sie am Abende wieder bei ihrem Dienstherrn sein mußten&comma; nahmen sie den Esel mit&comma; wobei sie hofften&comma; daß ihnen der Eigentümer desselben vielleicht auf dem Wege begegnen würde&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Hans führte das schöne&comma; starke Tier am Stricke&comma; als er aber einige Schritte gegangen war&comma; dachte er&colon; „warum sollte ich es mir nicht bequemer machen&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; — setzte sich auf den Esel und ritt&period; Marie nahm nun statt seiner den Strick in die Hand&period; Das ging eine Weile recht gut&comma; aber mit einem Male fing der Esel an zu springen&comma; schlug mit den Hinterfüßen aus und machte einen so krummen Rücken&comma; daß Hans auf das jämmerlichste hin- und hergeworfen wurde und gar nicht wußte&comma; wo ihm der Kopf stand&period; Er wäre gern abgestiegen&comma; aber der Esel ließ sich nicht einen Augenblick halten&comma; zerriß den Strick&comma; an dem Marie ihn führte und setzte über den breiten Graben&comma; wobei er den Reiter abwarf&comma; daß diesem die Ohren brummten&period; Da lag unser Held ganz still und konnte sich kaum rühren&semi; jammernd kam die Schwester herbei und half ihm wieder auf&semi; der Esel aber trabte den Bergen zu und verschwand&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ganz kleinlaut schlich der arme&comma; geschlagene Hans neben der Schwester her&comma; deren Sprichwort sich schon an ihm bewiesen hatte&period; Endlich kamen sie nach Warmbrunn und fanden auch bald eine gute Kuh für einen ziemlich&comma; billigen Preis&semi; aber als Hans das Geld zahlen wollte&comma; stand er plötzlich mit kreideweißem Gesicht vor der Schwester&comma; — der Beutel war verschwunden und mußte ihm bei dem tollen Ritt aus der Tasche gefallen sein&period; Nun war das Leidwesen groß und guter Rat teuer&semi; da standen die Geschwister vor den Trümmern all ihrer Hoffnungen&period; Der Verkäufer der Kuh aber glaubte&comma; er habe es mit listigen Betrügern zu tun&comma; die ihn nur anführen wollten und rief die Polizei zu Hilfe&period; Hans sollte nun eingesteckt wenden&comma; aber Marie bat so rührend für den unschuldigen Bruder&comma; daß man sie endlich beide ruhig ziehen ließ&comma; und nur ein Troß von Straßenbuben sie noch verfolgte&comma; worüber sich Marie so sehr schämte&comma; daß sie die Augen voll Tränen hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Auf dem Heimwege durchsuchten die betrübten Geschwister das ganze Gebüsch&comma; um vielleicht ihren Beutel wiederzufinden&comma; aber vergebens&period; „Den Spuk hat uns kein anderer getan&comma; als der Rübezahl&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte Hans zornig&semi; „ich wollte&comma; der boshafte Geist stände hier vor mir&comma; daß ich ihn meinen starken Arm könnte fühlen lassen&semi; es wäre mir auch ganz recht&comma; wenn er mich in der Wut dafür tötete&comma; denn daß ich nun mit leeren Händen zu der Mutter heim kommen soll&comma; schnürt mir fast die Kehle zu vor Betrübnis&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Hans&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte die Schwester&comma; „ich glaube&comma; der Berggeist hat uns nur eine gute Lehre geben wollen&period; Warum wünschten wir uns auch so viel Glück&comma; da wir doch mit der Freude gar wohl hätten zufrieden sein können&comma; unserer armen Mutter eine Kuh zu kaufen&period;&OpenCurlyDoubleQuote; —<&sol;p>&NewLine;<p>Hans schwieg verdrießlich&period; So gingen die Geschwister still nebeneinander heim und dann jedes an seine Arbeit&semi; Marie in den Stall&comma; um die Kühe zu melken&comma; Hans auf den Boden&comma; um Häcksel zu schneiden&period; In seinem Unmut wollte ihm aber die Arbeit gar nicht von der Hand gehen und es brach bald da&comma; bald dort etwas entzwei&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Reich’ mir doch ein Stück Strick herauf&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; rief er in den Stall hinab&comma; und Marie griff in die Tasche&comma; wohin sie das Ende des Strickes gesteckt hatte&comma; das sie in der Hand behielt&comma; als der Esel sich losriß&period; Hans wollte die Häckselbank damit befestigen&comma; aber der Strick war spröde wie Eisen&comma; und als sich der Hanf oben abschälte&comma; flimmerte und glänzte es inwendig&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Hans sah verwundert nach&comma; — da war der Strick von lauter Goldfäden zusammengedreht&period; — Nun waren die Geschwister mit einem Male reich&comma; sie konnten zwei stattliche Kühe kaufen und den Acker vergrößern&period; Nun bewirtschafteten sie gemeinschaftlich das Häuschen der Mutter und hegten und pflegten diese mit treuer Kindesliebe&period; Hans aber vergaß die Lehre des Bergsgeistes nicht&comma; und obgleich sein Wohlstand sich von Jahr zu Jahr mehrte&comma; blieb er doch einfach und schlicht&comma; so daß er nach wie vor zu Fuße nach der Stadt auf den Markt ging und seine Pferde nicht zum Staat und zur Bequemlichkeit&comma; sondern allein zu seiner Ackerwirtschaft hielt&period; Man sagt&comma; das Reiten sei ihm auf immer verleidet gewesen&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Im ganzen Dorfe waren sie angesehen wegen ihres rechtschaffenen Lebenswandels und der Sorgfalt für das Wohl ihrer alten&comma; schwachen Mutter&period;<&sol;p>