Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Rübezahl - Neue Sammlung der schönsten Sagen und Märchen von dem Berggeiste im Riesengebirge
(Rosalie Koch)

Die Anleihe

<p>Ein Bauer war mit seinem Weibe und sechs Kindern so verarmt und durch mancherlei Unglücksfälle herunter gekommen&comma; daß er oft nicht wußte&comma; wo er Brot für die Seinigen hernehmen sollte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Eines Tages sagte er zu seiner Frau&colon; „Du hast ja im Gebirge reiche Vettern&semi; ich will hin&comma; vielleicht lenkt Gott einem unter ihnen das Herz&comma; daß er mir hundert Taler auf Zinsen leiht&semi; mit diesem Gelde könnten wir uns aus unserer großen Not wieder aufhelfen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Das gebe Gott&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte diese mit schwacher Hoffnung&comma; denn sie kannte ihre Vettern&comma; die nach ihr und den ihrigen niemals gefragt hatten&period; Am andern Morgen sehr früh machte sich der Bauer auf den Weg&comma; und schritt rüstig den ganzen Tag zu&comma; bis er am Abend müde und matt zu den Vettern kam&comma; und ihnen mit Tränen seine Not klagte&comma; und um ihre Hilfe flehte&period; Aber überall wurde er mit harten&comma; bittern Worten abgewiesen&comma; und mußte viel spitzige Reden hören&comma; von leichtsinnigen Wirten&comma; und wie der in Not habe&comma; der in der Zeit spare&comma; und was dergleichen Dinge mehr&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Traurig und niedergeschlagenen Herzens machte er sich auf den Rückweg&comma; und als er wieder ins Gebirge kam&comma; überfiel ihn Gram und Angst mit großer Gewalt&period; Er hatte den Arbeitslohn von zwei Tagen verloren&comma; und fühlte sich so entkräftet&comma; daß er wohl auch am dritten Tage nicht würde arbeiten können&period; Zu Hause aber erwarteten ihn das abgehärmte Weib und die hungrigen Kinder&comma; und er brachte ihnen nur leere Hände&excl; — kein Geld&comma; kein Brot&comma; o wie sollte sein Herz den Jammer ertragen&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Der arme Mann sann hin und her&comma; wie er Wohl Hilfe schaffen könne&period; Da fielen ihm die Geschichten vom Berggeiste ein&period; „Ich will mich an ihn wenden&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte er&comma; „vielleicht daß meine Bitten Gehör finden&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Darauf rief er „Rübezahl&excl; Rübezahl&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; und alsbald stand ein rußiger Köhler mit einem mächtigen Schürbaum in der Hand vor ihm&comma; der einen wilden&comma; struppigen Bart und glühende Augen hatte&period; Der Bauer zweifelte keinen Augenblick&comma; daß dies der Berggeist sei&comma; und faßte all seinen Mut zusammen&comma; um sein Anliegen vorzubringen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich habe euch nicht aus Mutwillen gerufen&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; begann er&comma; „sondern aus Not und Verzweiflung&period; Zu euch&comma; lieber Herr vom Berge&comma; habe ich das Zutrauen&comma; daß ihr mir aus meiner Angst helfen werdet&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Und nun erzählte er ihm von seinem Weibe und seinen Kindern&comma; sowie von den unbarmherzigen Vettern&comma; und bat nun ganz treuherzig&comma; Rübezahl solle ihm die hundert Taler leihen&comma; die er in drei Jahren mit Zinsen zurückzahlen wolle&semi; dann sei ihm aus aller Not geholfen&period; —<&sol;p>&NewLine;<p>„Wie&quest; treibe ich Wucher&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; fragte der Berggeist zornig&comma; „gehe zu den Menschen&comma; deinen Brüdern&comma; und borge bei denen&comma; so viel du bekommen kannst&semi; mich aber lasse in Ruhe&comma; und rufe mich nicht wieder&comma; wenn dir dein Leben lieb ist&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Bauer ließ sich aber durch diese harte Rede nicht abschrecken&comma; und schilderte den Jammer und die Not seiner Familie auf das rührendste&period; „Wollt ihr mir nicht helfen&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; setzte er traurig hinzu&comma; „so erzeigt mir wenigstens die Wohltat&comma; mich mit eurer Schürstange tot zu schlagen&comma; damit ich nur nicht länger die Not der Meinigen sehe&comma; der ich nicht abhelfen kann&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Rübezahl sah den Bauer mit großen Augen an&comma; hob dann die schwere Stange hoch in die Luft und schien ihn mit einem gewaltigen Streiche zerschmettern zu wollen&period; Da er aber dem Schlage nicht auswich&comma; hielt er inne und hieß den Bauer ihm folgen&period; Nun ging es waldeinwärts durch dichtes Gesträuch&comma; bis sie in ein enges Felsental kamen&comma; an dessen Ende sich eine finstere Höhle befand&comma; in die kein Strahl des Tageslichts drang&period; Nur kleine blaue Flämmchen sprangen jetzt aus dem Boden auf und beleuchteten schauerlich die schwarzen Steinwände&period; Die Höhle enthielt außer einem eisernen Kasten nur eine offene Braupfanne voll blanker&comma; neugeprägter Taler&semi; „da nimm dir das Geld&comma; was du brauchst&comma; und wenn du schreiben kannst&comma; magst du mir einen Schuldschein darüber ausstellen&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte Rübezahl&comma; und holte aus dem Kasten Papier und Schreibzeug hervor&comma; wobei er sich um&comma; den Bauer gar nicht zu bekümmern schien&comma; der indessen mit großer Gewissenhaftigkeit hundert Taler abzählte und auch nicht einen darüber nahm&period; Dann schrieb er den Schuldschein&comma; so gut er vermochte&comma; und Rübezahl schloß diesen in den eisernen Kasten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Geh nun&period;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Berggeist&comma; „und nütze das Geld gut&semi; merke dir auch den Eingang in dies Felstal und vergiß den Zahlungstag nicht&semi; ich bin ein gar strenger Schuldherr&excl; Da hast du auch noch etwas für deine Kinder&comma; was nicht auf dem Schuldschein steht&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; — und mit diesen Worten tat er einen tiefen Griff in die Braupfanne&semi; der erfreute Vater konnte das reiche Geschenk kaum mit beiden Händen fassen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Dankbar verließ er nun den Berggeist und fand auch glücklich aus dem engen Felsentale heraus&comma; suchte sich den Eingang genau zu merken und ging&comma; von der Freude gestärkt und beflügelt&comma; seiner Heimat rüstig zu&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Sein Weib saß traurig am Ofen&comma; als er in die Stube trat&semi; sie wußte&comma; wie wenig die Armut auf reiche Anverwandte rechnen dürfe und hatte kaum den Mut&comma; ihren Mann anzusehen&comma; aus Furcht&comma; die vereitelte Hoffnung auf seinem Gesicht zu lesen&period; Wie schlug ihr aber das Herz vor frohem Schreck&comma; als der Bauer den Quersack öffnete und daraus Fleisch und Wurst&comma; Weißbrot und Brezeln für die Kinder nahm&comma; was er in der Stadt für sie gekauft hatte&period; „Deine Vettern&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte er zu der erstaunten Frau&comma; „haben mich nicht nur sehr freundlich aufgenommen&comma; sondern mir auch bereitwillig das Geld geliehen&comma; um was ich sie gebeten&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Da staunte das Weib noch mehr und pries in ihrem Herzen den guten Gott im Himmel&comma; der die Herzen der Menschen lenkt wie Wasserbäche&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nun kam ein neues Leben in die gesunkene Hauswirtschaft des Bauern&period; Es ward guter Same gekauft&comma; der Acker ordentlich bestellt und noch zwei Kühe angeschafft&semi; es lag ein sichtliches Gedeihen auf dem Gelde des Berggeistes&comma; und bald vermehrte sich das Gut um eine schöne Wiese&comma; ein Weizenfeld um das andere&period; Man fand nun weit und breit keinen fleißiger bearbeiteten Acker&comma; nirgends schöneres und nutzentragenderes Vieh&comma; und der tätige Wirt konnte schon bares Geld zurücklegen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>So war indes der Zahlungstag herangekommen&period; Da sagte eines Tages der Bauer zu Frau und Kindern&colon; „Zieht nur eure besten Kleider an&comma; der Hans mag die Pferde anspannen&comma; wir wollen den Vettern das Geld selbst wieder heimbringen&comma; was sie mir vor drei Jahren geborgt haben&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Das war keine geringe Freude für die Kinder&comma; und auch der Mutter war es lieb&comma; daß sie nun ihren Wohlstand den guten Vettern würde zeigen können&period; Als sie nun ins Riesengebirge kamen&comma; ließ der Bauer an einem schönen Punkte den Wagen halten und stieg mit den Seinen aus&comma; teils um es den Pferden leichter zu machen&comma; wie er sagte&comma; teils auch um den Kindern einen schattigen Weg zu zeigen&period; Es fiel aber allen auf&comma; daß der Vater sich immer sorgfältiger umschaute&comma; je tiefer sie in den Wald kamen&comma; und die Frau fragte daher besorgt&colon; „Wir sind wohl vom rechten Wege abgekommen&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Da erzählte er ihr und den Kindern erst&comma; wie schnöde die Vettern ihn abgewiesen hatten&comma; dagegen aber der Berggeist sich seiner erbarmt und ihm geholfen halbe&period; Anfänglich erschraken sie&comma; als sie hörten&comma; daß Rübezahl dem Vater das Geld geliehen&comma; aber da dieser ihnen vorstellte&comma; wie glücklich&comma; der gefürchtete Berggeist sie alle gemacht habe&comma; verlor sich allmählich jede Bangigkeit&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Darauf ging der Bauer ganz allein weiter&comma; um den Eingang in das Felsental aufzusuchen&semi; aber obgleich er genau wußte&comma; daß er an der rechten Stelle war&comma; konnte er ihn doch nicht mehr finden&period; Er schüttelte das Geld im Beutel&comma; damit Rübezahl erscheinen möchte und er ihm das geliehene Geld zurückstellen könne&comma; aber es erschien niemand&period; Er irrte hin und her&comma; von dem Gefühle getrieben&comma; Wort halten und seinen Dank aussprechen zu müssen&period; Es war&comma; als ob eine unsichtbare Macht ihm die Augen trübe mache und seine Sinne verwirre&comma; sobald er glaubte&comma; den rechten Ort gefunden zu haben&period; Und dabei packte ihn dann eine Angst&comma; daß der Geist&comma; der ihm so aus der Not geholfen&comma; auch erzürnt werden könne&comma; wenn er nicht nach seinen Befehlen handelte&period; Ganz niedergeschlagen kam er endlich zu seiner Frau und den Kindern zurück&comma; setzte sich zu ihnen und wartete viele Stunden lang&period; Er rief den Berggeist in seiner Ungeduld selbst mit dem Namen&comma; mit dem er sich selten ungestraft nennen ließ&comma; und da Rübezahl auch darauf nicht erschien&comma; beschloß er&comma; daß Geld unter ein Felsstück zu legen&comma; dort werde es der Herr der Berge schon finden&comma; dachte er&period; Eben als er diesen Entschluß ausführen wollte&comma; erhob sich ein heftiger Wirbelwind&comma; Staubwolken und dürres Laub flog von dem Wege auf&comma; und die Kinder haschten aus Langerweile nach einem Blatte Papier&comma; was vom Winde immer an ihren Füßen hin und her gejagt wurde&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Einer der Knaben warf endlich seine Mütze darauf&comma; und da es ein so schönes weißes Papier war&comma; brachte er es dem Vater&period; Wie sehr erstaunte dieser aber&comma; als er seinen eigenen Schuldschein erkannte&comma; unter welchem mit großen Buchstaben geschrieben stand&colon; „Zu Dank bezahlt&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Nun weiß doch mein Wohltäter&comma; daß ich ehrlich Wort gehalten habe und meine Schuld dankbar abstatten wollte&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; rief der Bauer voll Freude&comma; „und das ist mir weit lieber&comma; als das geschenkte Geld&period; Auf den Rübezahl aber soll mir nur einer ein Wort reden&comma; der hat’s mit mir zu tun&semi; ohne ihn wäre ich vergangen in Not und Trübsal&period; Er wird sich wohl seine Leute ansehen und wen er wirklich für gut und strebsam hält&comma; dem hilft er auch&comma; und hat er jemand einmal einen bösen Schabernack gespielt&comma; so wird das auch wohl seinen guten Grund jedesmal gehabt und schon manchen mag er durch Neckereien auf den rechten Weg geführt haben&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt wollte er den Wagen aufsuchen und wieder heimfahren&comma; aber die Frau bat so lange&comma; bis er mit ihr zu den geizigen Vettern fuhr&comma; um diese für ihre Hartherzigkeit recht zu beschämen&period; Aber als sie in das Dorf kamen&comma; waren diese nicht mehr zu finden&semi; der eine war durch einen bösen Fall in jahrelanges Siechtum verfallen&comma; nach und nach auch in Armut und Not geraten&comma; der andere aber einer niedrigen Betrügerei wegen mit Schimpf und Schande von seinem Gehöft vertrieben worden&period; Niemand im Dorf sprach gern von ihnen&comma; ihr Andenken war fast ganz vergessen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Hochmut und Unbarmherzigkeit kamen bei ihnen vor dem Fall&semi; unser Bauer aber blieb arbeitsam und einfach&comma; führte ein stilles&comma; friedliches Leben und half überall seinem Nächsten gern&period; Dafür wurde er täglich mehr geliebt und verehrt in der ganzen Gegend&comma; und sein Wohlstand mehrte sich täglich&period; Seine Nachkommen leben noch im Gebirge&period;<&sol;p>