Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Rübezahl - Neue Sammlung der schönsten Sagen und Märchen von dem Berggeiste im Riesengebirge
(Rosalie Koch)

Die drei Tischlergesellen

Es wanderten einmal drei Schreinergesellen über das Hochgebirge, von denen der eine das Fieber eben gehabt hatte und noch krank und matt war. Er war aus Erfurt und die beiden andern aus Schneeberg. Der arme Bursche war so müde, daß er kaum weitergehen konnte, aber es mußte doch immer wieder vorwärts gehen, denn das Zehrgeld war den drei Gesellen gewaltig knapp, und sie konnten nicht zu oft ein Nachtquartier machen auf dem Wege nach Prag, wo sie Arbeit zu finden hofften.

Sie gingen eben am Hainfall hin, von dem bis zur Kapelle der heiligen Anna zu Seidorf ein wundervoller Pfad hinführt; da seufzte der Erfurter: „Nun kann ich nicht mehr weiter, ich muß ausruhen; geht ihr eure Straße, ich will euch nicht länger eine Last sein.“ —

„Warum nicht gar,“ sagten die beiden andern Gesellen, „uns tut ein wenig Ruhe auch wohl gut, und hier unter den Fichten ist kühler Schatten und weiches Moos.“

Wie sie nun alle drei der Ruhe genossen, fiel nahe bei ihnen ein Schuß, so daß sie erschrocken aufsprangen. Über ihnen, an einem Felsenrande, stand ein Jäger, sah nach ihnen hin und verschwand. Bald darauf knackte und prasselte es im Gebüsch und ein Reh, ganz mit Schweiß bedeckt, brach durch die Zweige und stürzte nur wenig Schritte vor den drei Gesellen zusammen.

„Ei! das gibt auf viele Tage einen Braten,“ sprach der eine, „und für die Haut können wir manch gutes Nachtlager bezahlen.“

„Unrecht Gut gedeihet nicht!“ sprach der Erfurter; „lasset das Reh liegen, es ist ja nicht unser.“

„Dummbart!“ lachten die Schneeberger, „soll es hier liegen und verwesen; der Jäger hatte keinen Hund mit, der es aufspüren konnte, und so findet’s wohl nur ein anderer, der nicht so einfältig ist, wie wir. Nein, wir wollen uns daran gütlich tun, und wenn du nicht teil daran haben willst, so ist es uns um so lieber.“

Darauf brachen sie das Reh auf und warfen dem andern spöttisch die Eingeweide zu. Der schob halb gedankenlos mit seinem Stabe das Gescheide — so nennt der Jägersmann die Eingeweide des Wildes — auseinander; da blinkte und flimmerte es wunderbar, und er fand eine goldene Kugel, ja endlich noch eine zweite und dritte darin.

Die Schneeberger erschraken nicht wenig darüber, denn nun kannten sie auf einmal den Jäger und dachten: „Nun wären wir alle Not los, wenn wir nicht das Eingeweide dem Erfurter zugeworfen hätten.“ Aber der teilte seinen goldenen Fund gewissenhaft mit den Reisegefährten, und diese trugen das Reh voller Freude einer armen Witwe ins Haus, die sechs hungrige Kinder hatte. Da war ein Festtag in der kleinen Strohhütte, und viele Tage lang aßen sie von dem Fleische, das ihnen die drei Schreinergesellen geschenkt hatten, die indes glücklich nach Prag und auch bald in Arbeit kamen.