Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Rübezahl - Neue Sammlung der schönsten Sagen und Märchen von dem Berggeiste im Riesengebirge
(Rosalie Koch)

Einleitung

<p>Das Riesengebirge&comma; das euch&comma; meine jungen Freunde&comma; aus der geographischen Lehrstunde wohl bekannt ist&comma; ja welches einzelne von euch schon besucht haben&comma; ist derjenige Teil der Sudeten des preußischen Staates&comma; wo sie am höchsten und engsten verbunden sind und Schlesien von Böhmen und Mähren scheiden&period; Die hervorragenden Spitzen derselben sind von ansehnlicher Höhe&comma; die Riesen-&comma; auch Schneekoppe genannt&comma; welche 1605 m über dem Meeresspiegel liegt&semi; ferner der Reifträger&comma; das hohe Rad und die Sturmhaube&semi; auch haben starke Flüsse&comma; z&period; B&period; die Elbe und der Bober&comma; ihren Ursprung zwischen felsigen Höhen&period; — Dort nun war ehemals der Aufenthalt eines mächtigen Berggeistes&period; Sein Gebiet umschrieb auf der Oberfläche des Riesengebirges nur wenige Meilen&comma; breitete sich aber im Innern desselben desto weiter und tiefer aus&period; Der Gnom herrschte oft jahrhundertelang still in seinem unterirdischen Reiche&comma; und erhob sich nur selten auf die Oberwelt&comma; um dort sein Wesen zu treiben&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Zur Zeit&comma; als noch kein menschlicher Fußtritt das verkümmerte Knieholz und die spärliche Vegetation der Berge betrat&comma; ehe die Gegend bewohnt war&comma; begnügte sich der Herr der Riesenberge damit&comma; wilde Tiere aufeinander zu hetzen&comma; oder sie aus ihrem Lager aufzuschrecken&comma; und sie in wilder Jagd durch das Gehölz zu treiben&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als er aber nach langer Zeit wieder einmal das Tageslicht der Oberwelt aufsuchte&comma; fand er zu seinem Erstaunen alles so sehr verändert&comma; daß er fast sein eigenes Gebiet nicht wiedererkannte&period; Grünes Saatenfeld erhob sich&comma; wo früher ein finsterer Wald gestanden hatte&comma; und auf Wiesen weideten Schafe und Rinder&comma; unter der Obhut singender Hirten und schützender Hunde&period; Da lagen einzelne Hütten in den Tälern&comma; aus deren Schornsteinen der Rauch lustig emporstieg und vor deren Türen muntere Kinder spielten&comma; mit fröhlichem Geschrei&period; Der Gnom wunderte sich nicht wenig über diese neuen Erscheinungen&semi; seine größte Aufmerksamkeit aber erregten die Gestalten der Menschen&comma; die er nie zuvor gesehen hatte&period; Seine Neugier ward rege&comma; und er beschloß&comma; diese fremden Wesen näher kennen zu lernen&comma; indem er ihre Gestalt annahm und einige Zeit unter ihnen lebte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Zuerst trat er als Knecht in die Dienste eines Landwirtes und verrichtete seine Arbeit aufs beste&period; Was er unternahm&comma; das gelang&comma; und er schaffte seinem Herrn so großen Nutzen&comma; daß dieser leicht ein reicher Mann hätte werden können&period; Aber er war ein Verschwender und verjubelte leichtsinnig alles&comma; was der fleißige und geschickte Knecht erwarb&comma; dem er für seine treuen Dienste nicht einmal dankte&period; Darüber ward denn der Berggeist ärgerlich und suchte sich einen andern Herrn&comma; bei dem er sich als Schafhirt vermietete&period; Und wieder gedieh unter seiner Aufsicht die Herde aufs beste&semi; kein Schaf erkrankte&comma; keins zerriß der Wolf&comma; solange der Gnom sie hütete&period; Aber der Herr war ein Geizhals&comma; der niemals genug hatte&comma; dem treuen Knechte kaum satt zu essen gab und ihm&comma; so oft er konnte&comma; den bedungenen Lohn verkürzte&period; Darum ging dieser auch bald wieder aus diesem Dienst und kam als Gerichtsdiener zu einem Amtmann&period; Er versah auch diesen Dienst mit allem Eifer&comma; und in kurzer Zeit war im ganzen Kreise kein Dieb oder Straßenräuber mehr zu finden&period; Als aber der Berggeist sah&comma; daß der Amtmann ein ungerechter Richter war&comma; der sich durch Geschenke und Schmeicheleien bestechen ließ&comma; mochte er ihm nicht länger dienen und lief davon&period; Da er nun durch Zufall an lauter schlechte Menschen geraten war&comma; glaubte der Gnom&comma; daß sie alle nicht anders wären&comma; und ohne Lust&comma; weitere Proben davon zu machen&comma; nahm er sich vor&comma; so weit sein Gebiet reichte&comma; die Menschen zu necken und zu plagen&comma; damit sie sich wenigstens aus dieser Gegend entfernen sollten&period; Später freilich sah er auch diesen Irrtum ein und lernte manchen tugendhaften und guten Menschen kennen und schätzen und hat denn auch&comma; wie wir sehen werden&comma; mit seinen Zauberkünsten manchem armen Schelm aus der Not geholfen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Wenn er nun wieder von Zeit zu Zeit die Oberwelt besuchte&comma; neckte er die Reisenden und mischte sich in ihre Geschäfte&period; Er leitete die Fremden irre&comma; die sein Gebiet betraten oder trieb Regenwolken zusammen&comma; um sie durch Sturm und Gewitter zu erschrecken&period; Er stellte oft in der ödesten Gegend ein Wirtshaus&comma; oder einen wundervollen Palast auf und äffte die hungrigen und ermüdeten Wanderer auf alle Weise damit&period; Wenn betrügerische Roßtäuscher sein Gebiet betraten&comma; zeigte er sich nicht selten auf einem schönen Pferde als ein vornehmer Herr&semi; ließen sie sich nun verleiten&comma; ihm das Roß abzukaufen und ritten weiter damit&comma; so verwandelte es sich nach kurzer Zeit in einen Strohwisch&period; — Traf er dagegen einen unbemittelten Edelmann&comma; der auf einem mageren Klepper traurig durch das Gebirge ritt&comma; so kam er ihm wohl als ein stattlicher Reiter entgegen&comma; ließ sich in irgend ein Gespräch mit ihm ein&comma; und suchte ihn zu irgend einer Wette zu veranlassen&period; Er selbst verlor dann&comma; und gab dem glücklichen Gewinner sein schönes Pferd&comma; steckte ihm auch wohl noch heimlich eine Rolle mit Gold in die Tasche&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Solche Vorfälle wurden aber bald bekannt&comma; und lockere Burschen oder Abenteurer&comma; die davon hörten&comma; suchten nun die Wohltätigkeit des Berggeistes auf ähnliche Weise in Anspruch zu nehmen&period; Aber da wurden sie empfindlich getäuscht&semi; wenn sie auch glücklich das Pferd erlisteten&comma; so verwandelte es sich doch bald genug in einen dürren Stock&comma; auf dem sie immer weiter ritten&comma; ohne es zu bemerken und zum Gespött in Stadt und Land wurden&comma; wohin sie kamen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>So trieb er sein Wesen oberhalb des Gebirges&comma; bald als neckender Spuk&comma; bald als Wohltäter der Armen&comma; je nachdem seine Laune eben war&period; Die Märchen&comma; welche über den Berggeist Rübezahl noch im Munde des Volkes fortleben&comma; findet ihr&comma; meine jungen Leser&comma; hier größtenteils gesammelt und neu bearbeitet&period; Die Autoren&comma; von denen ein Teil derselben entnommen worden&comma; sind&colon; Musäus&comma; Lehnert u&period; a&period; m&period;<&sol;p>