Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Rübezahl - Neue Sammlung der schönsten Sagen und Märchen von dem Berggeiste im Riesengebirge
(Rosalie Koch)

Glücks-Männlein

<p>Eines Tages kam in Seidorf die Rede darauf&comma; daß&comma; wer in Rübezahls Lustgarten Glücks-Männlein pflücken könne&comma; reich und glücklich in der Welt werde&semi; es müsse aber in der Johannisnacht geschehen&comma; denn außer dieser Zeit breche Rübezahl einem jeden&comma; der komme&comma; den Hals&period; „Es muß aber eine Waise sein und kein böser Mensch&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; setzte der Erzähler hinzu&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nun waren ein Paar Geschwister in der Wirtsstube&comma; die beide verwaist waren&comma; und der Brauer hatte sie aus Barmherzigkeit zu sich genommen&semi; wie nun der Knabe diese Reden hört&comma; denkt er&colon; „Das will ich versuchen&comma; und wenn es glückt&comma; so soll mein Schwesterchen und der gute Brauer&comma; der sich der armen Waisen angenommen hat&comma; auch reich und glücklich werden&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Ohne jemand ein Wort zu sagen&comma; schleicht sich Joseph aus der Stube&comma; steckt sich ein Stück Brot ein und schreitet wohlgemut aus dem Dorfe&comma; den Bergen zu&comma; denn es war eben die Johannisnacht&period; Wie er bis zur Hampelbaude kommt&comma; fragt ihn der Baudenwirt&comma; wohin er noch so spät wolle und der Knabe erzählt treuherzig sein Vorhaben&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ein Mann der behaglich hinter einer Flasche Ungarwein sitzt&comma; hört das mit an&comma; und als Joseph&comma; weitergeht&comma; kommt er ihm rasch nach&period; „Wir wollen Gesellschaft machen&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; spricht er zu dem Knaben&comma; „ich gehe auch noch diese Nacht in Rübezahls Lustgärtlein&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Joseph sieht den stattlichen Mann an&comma; der so rund und wohlgenährt aussieht und denkt&colon; „ei&comma; was mag denn dem noch zu seinem Glücke fehlen&quest; — Das ist ja der reiche Kretschmer aus Breslau&comma; der gestern bei uns in Seidorf übernachtete und bis spät nach drei Uhr Karten spielte und zechte&period;&OpenCurlyDoubleQuote; —<&sol;p>&NewLine;<p>So gehen sie nebeneinander&semi; die Nacht ist lieblich und still&comma; und von den Dörfern im Tale klingen die Abendglocken herauf&period; Da faltet der Knabe in frommer Gewohnheit seine Hände und betet&semi; der fremde Mann denkt aber nur an all den Reichtum&comma; den er mit Hilfe der Glücks-Männlein erwerben wird&period; Als sie nun am Lustgarten Rübezahls ankommen&comma; leuchten ihnen schon die Blüten des Glücks-Männlein entgegen und der Kretschmer fällt gierig darüber her&comma; ganze Hände voll davon ausrupfend&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Da tritt plötzlich ein Greis mit langem&comma; silberweißem Barte hinter einem Felsen hervor und ruft ihm ein donnerndes „Halt&OpenCurlyDoubleQuote; zu&period; Der Mann zittert am ganzen Leibe und bleibt wie angewurzelt stehen&semi; der Knabe aber geht ruhig an den Greis heran und bittet&colon; er möge ihm doch erlauben&comma; zwei Glücks-Männlein mitzunehmen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Da schaute der Greis freundlich auf den Bittenden und fragte&colon; „wozu er denn gerade zwei Glücks-Männlein pflücken wolle&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Joseph sagt nun&comma; wie er und seine Schwester Waisen seien und gern glücklich werden möchten&comma; damit sie nicht mehr guten Leuten zur Last fielen&comma; und nur deshalb bitte er um zwei Blümlein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nun wurde der Greis immer freundlicher&comma; pflückte selbst einen großen Strauß der begehrten Blumen&comma; gab sie dem Knaben in die Hand und steckte ihm noch alle Taschen voll davon&comma; indem er ihn ermahnte&comma; nichts davon zu verlieren&period; — Nachdem dies geschehen und Joseph tausend Dank gesagt&comma; fragt der Greis den Kretschmer&colon; „Wer bist du&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; — Der Mann sagt&comma; er sei arm und in Not und käme auch&comma; um sein Glück zu machen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Elender&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; fuhr der Greis ihn an&comma; „glaubst du&comma; ich würde einen so schlechten Patron&comma; wie du bist&comma; glücklich machen&quest; Hebe dich hinweg&comma; nur für unschuldige Waisen ist das Glück beschert&comma; das sie hier suchen&period;&OpenCurlyDoubleQuote; — Unter diesen Worten stand der Kretschmer zitternd vor dem Greise&comma; wollte aber doch nicht vergebens heraufgestiegen sein und sagte&comma; er sei auch eine Waise&comma; sein Vater wäre von den Moskowitern fortgeschleppt worden&comma; als er kaum zwölf Jahre alt gewesen sei&period; Er hatte diese Worte kaum gesprochen&comma; da ergrimmte der Greis&comma; faßte ihn bei der Gurgel und warf ihn hinab in den tiefen Grund&period; „Nichtswürdiger Lügner&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte er dabei&comma; und seine Stimme klang wie ferner Donner&semi; — das Winseln des Mannes verstummte bald&period; — Der Knabe aber war erschrocken auf die Knie gesunken und betete&semi; da nahm ihn der Greis an die Hand&comma; sprach ihm sanft zu und führte ihn wieder aus dem Gehege heraus&period;<&sol;p>&NewLine;<p>In Seidorf war man indes um Joseph sehr besorgt gewesen&comma; und besonders die Schwester freute sich&comma; als er gesund und frisch wiederkam und ganze Hände voll Glücks-Männlein mitbrachte&period; Er teilte dem Brauer redlich davon mit&comma; und am andern Morgen hatte sich jedes Blättlein in pures Gold verwandelt&period; Nun gab es auf der Welt keine glücklicheren Geschwister&semi; Joseph ward der reichste Bauer im Dorfe&comma; hat aber nie die Hilfe Rübezahls und das schreckliche Ende des schlechten Kretschmers vergessen&period;<&sol;p>